Wen der Tod betrügt (eBook)

Ein Fall für Alexander Gerlach
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99174-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wen der Tod betrügt -  Wolfgang Burger
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Juliana von Lembke, erfolgreiche Managerin und gefürchtete Spezialistin für die Sanierung bankrotter Firmen, wird tot aus dem Neckar gezogen. Anfangs deutet alles auf Selbstmord hin. Doch dann taucht eine Obdachlose auf, die bezeugt, dass Juliana von einer Brücke in den Fluss gestoßen wurde. Kripochef Alexander Gerlach hat zunächst den Ehemann in Verdacht oder einen ihrer vielen verflossenen Liebhaber. Da Juliana sich bei den Sanierungsaktionen aber viele Feinde gemacht hat, ermittelt er bald auch in dieser Richtung. Dann findet einer von Julianas früheren Liebhaber den Tod, ein Mitarbeiter wird in die Luft gesprengt, und der Ehemann ist plötzlich spurlos verschwunden. Gerlach steht vor seinem vielleicht undurchsichtigsten Fall ...

Wolfgang Burger, geboren 1952 im Südschwarzwald, ist promovierter Ingenieur und hat viele Jahre in leitenden Positionen am Karlsruher Institut für Technologie KIT gearbeitet. Seit 1995 ist er schriftstellerisch tätig und lebt heute in Karlsruhe und Regensburg. Seine Gerlach-Krimis wurden bereits zweimal für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Best­sellerliste.

2


»Vergiss es«, keuchte ich. »Glaub mir doch, Theresa, es wird nicht klappen.«

Auch meine Göttin war außer Atem, weshalb es mit der Antwort ein wenig dauerte. »Es muss aber«, brachte sie endlich heraus. »Es muss und es wird klappen. Ich lasse da nicht locker.«

Abrupt blieb sie stehen, stützte die Hände auf die Knie, schnappte mit rotem Gesicht nach Luft. Ich lief einige Schritte weiter und freute mich, dass sie vor mir aufgegeben hatte. Noch hundert Meter und ich hätte selbst die weiße Fahne gehisst. Seit die Tage wieder länger wurden, hatten wir unser von Theresa verordnetes und streng überwachtes Abnehmprogramm um den Punkt »körperliche Fitness« erweitert. Jede Kalorie, die man verbrauchte, konnte sich einem nicht um die Taille legen. Mit dem Abnehmen hatten wir im November begonnen. Inzwischen hatte sie fast zehn Kilo verloren, was ihr sehr gut stand, obwohl sie noch immer eine üppige Frau mit den richtigen Rundungen an den passenden Stellen war. Ich selbst hatte nur acht Kilo geschafft, aber auch das war ein deutlicher Gewinn an Lebensqualität, wie ich zugeben musste.

Ich machte einige symbolische Dehn- und Lockerungsübungen, und es gelang mir recht gut zu verbergen, dass auch ich nach Atem rang. Schließlich richtete Theresa sich wieder auf, und wir trabten in gemäßigtem Tempo weiter. Die Runde, die wir jeden zweiten Abend liefen, führte in nordwestlicher Richtung aus Neuenheim hinaus auf die Felder westlich von Handschuhsheim, in weitem Bogen zum Neckar und an dessen Ufer entlang zurück zu Theresas Haus. Hin und wieder versuchten wir, die Laufstrecke um zwei-, dreihundert Meter zu verlängern. Anfangs hatte das recht gut funktioniert, aber jetzt, nach drei Wochen mehr oder weniger eifrigen Joggens, ging es plötzlich nicht mehr voran. Theresa hatte auch zu diesem Punkt Ratgeber studiert und meinte, das sei völlig normal. Nicht nur Kinder, auch Fitness entwickle sich in Schüben, und man müsse eben Geduld mit sich selbst haben.

Wir bogen auf den Weg am Neckarufer ein. Weit vor uns tauchten die Hochhäuser des Uniklinikums und des Deutschen Krebsforschungszentrums auf. Noch weiter entfernt, im Abenddunst kaum noch zu erkennen, das Heidelberger Schloss über den Türmen der Altstadt. Es roch nach brackigem Wasser und ein wenig vielleicht doch schon nach beginnendem Frühling. Noch immer war es abends so kalt, dass wir zum Laufen lange Hosen und Kapuzenpullis trugen.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Theresa seit einiger Zeit schwieg, und als ich sie ansah, blickte ich in eine sauertöpfische Miene.

»Ich meine es doch nicht böse«, sagte ich versöhnlich. »Ich würde mich ja freuen für dich und Milena. Aber es gibt nun mal Vorschriften und Regeln …«

»Vorschriften und Regeln sind das eine«, schnappte sie, »Moral ist etwas anderes.«

»Das brauchst du einem Polizisten nicht zu erklären«, biss ich zurück. »Trotzdem wirst auch du um die Bestimmungen des deutschen Asylrechts nicht herumkommen.«

»Ich will und werde Milena nicht in ihr Elend zurückschicken, ist das denn so schwer zu begreifen?«, schnaubte sie in einem Ton, als wäre ich es, der sich all die lästigen Gesetze ausdachte.

»Im Gegenteil«, blaffte ich zurück, »das ist sogar für einen einfältigen Beamten wie mich zu begreifen. Aber es ändert nichts an den Tatsachen. Wir können nun mal nicht alle Menschen aufnehmen, die sich in ihrer Heimat nicht wohlfühlen.«

»Erstens geht es nicht um alle Menschen, sondern um Milena. Und zweitens will ich sie nicht aufnehmen, denn sie ist ja schon da.«

Es hatte keinen Zweck. Die Diskussion drehte sich im Kreis, wie sie es schon seit Wochen tat. Milena, eine – falls ihre Angaben überhaupt stimmten – siebzehnjährige Armenierin, wohnte nun schon seit vier Monaten bei Theresa. Im Zuge eines verzwickten Falls von miesester Geschäftemacherei war sie ohne Papiere in Deutschland gestrandet, mit knapper Not dem Mann entronnen, der sie hergebracht und für sein schmutziges Gewerbe missbraucht hatte. Um die junge Frau vor ihm in Sicherheit zu bringen, hatte ich sie seinerzeit kurz entschlossen bei Theresa einquartiert. Heute saß der Täter längst in U-Haft, wartete auf seinen Prozess, und Theresas Schützling drohte zumindest von seiner Seite keine Gefahr mehr.

Das eigentliche Problem war, dass Theresa einen Narren an der Frau gefressen hatte, die fast noch ein Teenager war, und partout nicht einsehen wollte, dass diese nun in ihr Heimatland zurückkehren musste. Theresa konnte aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen, worunter sie zeitlebens gelitten hatte. Und nun war ihr ausgerechnet durch mich mehr oder weniger in den Schoß gefallen, wonach sie sich so lange erfolglos gesehnt hatte: ein junger Mensch, um den sie sich kümmern, für den sie sorgen konnte. Und das tat sie nun mit aller Energie und Verbissenheit, die ihr zur Verfügung stand, und das war eine Menge. Leider rannte sie dabei jedoch unentwegt gegen die dicken Mauern der deutschen Bürokratie und des Asylrechts an.

Am Flussufer stob eine Gruppe erschrockener Stockenten laut quakend ins Wasser, die wir wohl aus dem Halbschlaf geschreckt hatten.

»Ich verlange doch nur, dass man sich ausnahmsweise mal nicht so ganz genau an deine verfluchten Vorschriften hält«, lenkte Theresa ein. »Das passiert doch praktisch jeden … Was ist?«

Ich war stehen geblieben, weil ich etwas gesehen hatte. Etwas Rotes an einer Stelle, wo es nicht hingehörte.

»Was ist los?«, fragte Theresa noch einmal, als ich zurückging, um unter den Ästen einer Weide zum steinigen Ufer hinabzusteigen.

Juliana von Lembke – roter Kurzmantel, schwarze Hose, nicht allzu groß, schwarzhaarig – lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Ihr auffälliger Mantel hatte sich in den Ästen der Weide verfangen, weshalb sie nicht weiter flussabwärts getrieben war.

Theresa hatte schon ihr Handy gezückt und reichte es mir, da ich mein eigenes zum Joggen nie mitnahm.

Dreißig Minuten später wimmelte es am Neckarufer von Menschen. Uniformierte Kollegen sicherten das Umfeld und hielten die Neugierigen in Schach, die immer und überall aus dem Boden zu wachsen schienen, wo es etwas vermeintlich Spektakuläres zu sehen gab. Mitarbeiter des Dezernats für Kriminaltechnik sicherten Spuren und machten Fotos. Kollegen vom Kriminaldauerdienst nahmen meine Aussage zu Protokoll und fertigten Skizzen vom Fundort an. Auch ein Arzt war da, und alle taten mit unaufgeregter Professionalität, was zu tun war. Die Leiche lag inzwischen am Rand des Uferwegs auf dem Rücken. Nach einer ersten flüchtigen Untersuchung erklärte der junge Arzt mit sommersprossigem Lausbubengesicht, zur Todesursache könne er noch nichts sagen.

»Äußere Verletzungen hat sie auf den ersten Blick keine. Mit der Obduktion wird es ein paar Tage dauern. Wir sind zurzeit ziemlich voll.«

Inzwischen war es dunkel geworden, und es nieselte ein wenig. Ich hatte die Kollegen um eine Decke gebeten, da mir beim Warten kalt geworden war. Theresa hatte sich bald verabschiedet, um sich zu Hause zusammen mit ihrer Untermieterin um das Abendessen zu kümmern.

Hübsch war sie, diese Frau von Lembke, ja, beinahe schön mit ihrer im Tod so überraschend friedlichen und unschuldigen Miene. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass sie mir die nächsten Wochen zur Qual machen sollte.

»Laut Obduktionsbericht eindeutig Suizid«, verkündete Klara Vangelis vier Tage später bei der Lagebesprechung zum Wochenbeginn. »Nach dem Wenigen, was das Labor an Spuren gefunden hat, ist sie wohl von der Alten Brücke gesprungen.«

Abgesehen von Abschürfungen an der linken Hand und an der Hinterseite des rechten Unterschenkels hatten die Rechtsmediziner keinerlei Verletzungen an der Toten gefunden. Weder innere noch äußere.

»An der verletzten Hand waren Anhaftungen von rotem Sandstein«, fuhr Vangelis fort. »Sie hat sich die Schrammen vermutlich zugezogen, als sie im letzten Moment versuchte, sich an der Brüstung festzuhalten.«

Was Selbstmörder nicht selten taten, wenn in der letzten Sekunde der Selbsterhaltungstrieb noch einmal die Oberhand über die Todessehnsucht gewann. Vangelis blätterte den vorläufigen Bericht um, der aus nur drei zusammengetackerten Blättern bestand, überflog den Text.

»Keine Anzeichen auf Fremdeinwirkung, keine Hämatome, keine Abwehrverletzungen, nichts, was irgendwie auffällig wäre.«

Da die Tote nicht einmal vierundzwanzig Stunden im Wasser gelegen hatte, war es unseren Technikern gelungen, am Mantel DNA-Spuren zu sichern, deren Auswertung jedoch noch einige Tage dauern würde.

Vangelis sah auf. »Sie hatte einiges getrunken an dem Abend. Ansonsten keine ungewöhnlichen Substanzen im Blut, keine Anzeichen für Betäubungsmittel, alles clean und unauffällig.«

Der noble Mercedes mit Düsseldorfer Kennzeichen war erst gestern, am Sonntag, gefunden worden. Er hatte im Halteverbot nahe der Handschuhsheimer Tiefburg gestanden, im Zentrum des nördlichsten Stadtteils Heidelbergs. Ein wutentbrannter Anwohner hatte die Polizei gerufen, nachdem er sich mehrere Tage lang über den rücksichtslosen Besitzer der Nobelkarosse geärgert hatte, und einem ausgeschlafenen Kollegen war aufgefallen, dass der Wagen auf der Suchliste stand.

Der Mercedes gehörte nicht Frau von Lembke, sondern ihrem Arbeitgeber, der ORMAG, einer Aktiengesellschaft, deren Namen ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal hörte und bis ans Ende meiner Tage nicht wieder vergessen werde.

»Der Kofferraum war voll mit Reisegepäck.« Vangelis klappte die dünne...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2018
Reihe/Serie Alexander-Gerlach-Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Alexander Gerlach • Bestseller • Bestsellerautoren • Betrug • Buch • Bücher • Deutscher Krimi • Dienstjubiläum • Eifersucht • Ermittler • Ermittlungen • ermittlungsarbeit • Geheimnis • Habgier • Heidelberg • Kommissar • Kriminalroman • Liebhaber • Mord • Polizei • Polizist • Regionalkrimi • Roman • Selbstmord • spannende Bücher • spannende Krimis • SPIEGEL-Bestseller • SPIEGEL-Bestsellerautor
ISBN-10 3-492-99174-2 / 3492991742
ISBN-13 978-3-492-99174-2 / 9783492991742
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