Dana und das Tagebuch einer fantastischen Reise

Buch | Softcover
332 Seiten
2018 | 1. Verlagsauflage
Hunter Verlag
978-3-947086-18-4 (ISBN)
12,99 inkl. MwSt
Während Ses in der Dämonenwelt nach Hinweisen zu den Geschehnissen in der Zukunft sucht, erhält Dana eine Nachricht von einem alten Bekannten aus der Menschenwelt.
Dieser überreicht ihr ein Tagebuch. Es berichtet von einer Reise in ein fremdes Reich und dem plötzlichen Erscheinen eines Magier-Paares in einer längst verloren geglaubten Stadt.
Ist das die Stadt des vergessenen Alten Volkes, der anderen Ahnenlinie der Magier?
Doch in diesem Buch fehlen wichtige Angaben. Gomek erinnert sich daran, dass auch sein Urgroßvater Nargot eine Menge Tagebücher besaß.
Dana und Gomek finden die Tagebücher. Nach weiteren Hinweisen können sie sich auf die Suche nach dieser Stadt machen, um festzustellen, wer dort erschien und ob sie noch dort sind. Die Reise führt unsere Helden tief ins Innere des Gebirges und noch darüber hinaus in eine uralte fantastische Welt. Selbst vor dem Hades schrecken sie nicht zurück, um an ihr Ziel zu gelangen.

Thomas L. Hunter Wurde 1958 in dem schönen Schleswig Holstein geboren. Nach erfolgreichem Abschluss des Kindergartens und der Schule begann die Lehrzeit. Anschließend rief die See nach ihm da er immer schon den Hang zum Abenteuer und zur Fantasy hatte. Bis er dann vor einigen Jahren selbst anfing zu schreiben. Geschichten, konnte er schon immer gut erzählen, so dass sein erster Fantasieroman endlich zu Papier gebracht wurde. Mittlerweile ist daraus eine Serie entstanden, und andere Bücher folgten.

Noch schneller und fantastischer als die Teil 1-3

Ende des elften Jahrhunderts Es war ein trüber Herbsttag. Tief hingen die Wolken über Burg Falkenhorst. Es sah nach Regen aus. Auf der Plattform einer der Burgtürme stand ein junger Mann und warf einen schwermütigen Blick über die Landschaft. Seine Blicke wanderten weit über das Tal hinaus, in dem das Dorf Falkenstein lag, hinunter bis in die weiten Ebenen. Das alles gehörte seinem Altvorderen, dem Herrn über all diese Ländereien, dem Fürsten von Falkenhorst. Gerald war der erstgeborene Sohn dieses Geschlechts und sollte bald seinen Vater als Clanoberhaupt ablösen. Dem jungen Adeligen war gar nicht wohl dabei. Lieber hätte er gesehen, dass sein jüngerer Bruder dies übernahm. Er musste eine Entscheidung treffen. Bald würde er volljährig sein und in den Ritterstand erhoben werden. Danach gab es kein Zurück mehr. Da gab es aber noch das andere Problem: Der Kaiser würde bald zur Heerschau rufen. Irgendwo im Abendland hatte sich eine andere Religion ausgebreitet und als Reaktion darauf und auf Drängen des Papstes wollte das Oberhaupt der christlichen Welt den Fürstenhäusern einen Heiligen Krieg aufzwingen. Das wollte Gerald nun gar nicht. Für ihn war es in Ordnung, wenn andere Völker andere Religionen ausübten. Er wollte sich da nicht mit hineinziehen lassen. Sein Vater, mittlerweile weit über siebzig Jahre alt und eine imposante Erscheinung mit einem wettergegerbten Gesicht, war da ganz anderer Meinung. In Gedanken versunken vernahm er schwere Schritte hinter sich. Sein alter Herr hatte ihn gesucht und hier oben auf der Plattform aufgestöbert. Langsam und selbstsicher ging der Fürst auf seinen Stammhalter zu und stellte sich wortlos neben ihn. Alles, was man von hier aus sehen konnte, hatte er mit Mut, Stärke und dem unerschütterlichen Glauben an sich und die Seinen erschaffen. Seine Triumphe hatte ihn weit über sein Fürstentum hinaus bekannt gemacht. Nun standen beide schweigend nebeneinander und betrachteten die Landschaft. Gerald nahm seinen ganzen Mut zusammen. Ungestüm wandte er sich seinem alten Herrn zu. »Vater …«, begann er mit fester Stimme, »… ich möchte nicht …!« Mit einer Geste, die keinen Widerspruch duldete, unterbrach ihn der Fürst. »Mein Sohn, in ein paar Tagen wirst du volljährig sein und in den Ritterstand erhoben. Danach wird dies alles«, er wies mit einem Arm in die Ferne, »künftig dir gehören!« »Ja, aber ich …«, versuchte es Gerald aufs Neue. Der herrische Blick seines Vaters ließ ihn stocken. »Du wirst bald in den Krieg ziehen. Meine Armee, meine Soldaten, alle Kämpfer werden dann dir unterstehen und dir bis ans Ende der Welt folgen.« Gerald nahm einen erneuten Anlauf. »Vater, wir beide verfolgen nicht die gleichen Ziele. Krieg ist nicht meine Intention. Warum übergibst du die Aufgabe nicht an meinen jüngeren Bruder? Er ist viel besser für den Krieg gerüstet und würde dir mit Freuden zu Diensten sein. Er wäre die bessere Wahl.« Schweigend hatte der Fürst zugehört. Nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Du bist der Älteste, es ist deine Aufgabe.« »Ich bin die falsche Wahl!« Wütend wandte sich der junge Mann von seinem Vater ab, ballte die Fäuste und drückte sie auf die Burgzinne, bis sie schmerzten. Eine solche Respektlosigkeit konnte der Fürst nicht dulden. »Es ist alles gesagt«, knurrte er verärgert, verließ wutschnaubend den Turm und ließ einen aufgebrachten jungen Mann zurück. Enttäuscht lehnte sich Gerald an die Zinne. Er hatte sich von dem Gespräch mehr erhofft. Nun musste er doch auf seinen Plan zurückgreifen, um aus dieser unerfreulichen Zwickmühle zu entkommen. Fernab in den Tiefen des Gebirges gab es ein Volk, dass man Zwerge nannte. Sie waren hoch angesehen und weithin als gute Handwerker bekannt. Selbst sein sonst so eigensinniger Vater trieb Handel mit ihnen. Über die Zeit hatte Gerald sich mit diesen friedliebenden Leuten angefreundet, ganz speziell mit einem einzelnen Zwerg. Dieser galt selbst bei seinem eigenen Volk als Außenseiter, da er ständig auf Reisen ging, um irgendwo irgendetwas zu erforschen und zu entdecken. Manchmal, wenn sie zusammensaßen und sich über ihre Zukunft Gedanken machten, hatte der Zwerg ihn eingeladen, ihn zu begleiten. Bis vor kurzem kam dies für Gerald nicht infrage, aber nun …? In den letzten Tagen hatte er einiges, was er für eine Reise benötigte, zur Seite geschafft, für den Fall, dass er seinen Vater nicht umstimmen konnte. Dieser war nun eingetreten. »Ich kann nicht mehr zurück … ich werde es tun!«, murmelte er. »Ich werde mit dem Zwerg reisen. Vater kann seinen Krieg allein führen, ich erforsche lieber die Welt! Ein Notizbuch, das benötige ich noch. Ich werde meine Abenteuer für die Nachwelt festhalten … ja genau, das werde ich!« Noch vor Anbruch des Tages, vor Sonnenaufgang, schlich er sich davon – nicht, dass ihn doch noch jemand aufhalten würde. Auf einem Hügel blieb er noch einmal stehen. Die Sonne erhob sich langsam über dem Bergkamm. Nachdenklich blickte er zurück auf das Dorf und sein Zuhause, Falkenhorst … seinen Geburtsort. Er setzte sich auf einen Stein, zückte sein Notizbuch und schrieb seinen ersten Satz, seinen ersten Gedanken, in gestochen scharfer Handschrift hinein: »Das Abenteuer beginnt!« Sorgfältig verstaute er seine Schreibutensilien. Schweren Herzens erhob er sich, ohne noch einmal einen Blick zurückzuwerfen, und machte sich auf den Weg. Er konnte nicht ahnen, dass er sein Zuhause für lange Zeit nicht mehr wiedersehen würde. Kapitel 1 Ein Umzug mit Folgen Dana, eine junge, fünfzehnjährige Magierin, glaubte, ein Déjà-vu zu erleben. Sie lag noch im Halbschlaf in ihrer Schlafnische und verspürte einen leichten Druck auf ihrer Brust, gefolgt von rhythmischen Schlägen kleiner Fäuste. Zusätzlich drang das zarte Stimmchen eines kleinen Wesens an ihr Ohr. »Aufstehen! Wir haben noch was vor!« Lachend öffnete Dana ihre Augen und sagte: »Würdest du jetzt noch anfangen zu singen, ich hätte geschworen, dass wir diese Situation schon erlebt haben.« »Wieso singen?« Shari, Danas kleine Fee, hielt mit ihren Aktivitäten inne und sah ihre große Freundin irritiert an. Lachend schubste Dana das kleine Wesen von der Brust und kletterte umständlich aus der Schlafnische. In der kleinen Küche werkelte schon Tala, ihre Ziehmutter, um für die Langschläferin das Frühstück auf den Tisch zu bekommen. Dana benötigte nach den letzten anstrengenden Monaten anscheinend diese Ruhe. Die Erschaffung des Portales und die Reisen durch die Zeit sowie die in die Zukunft hatten die junge Magierin mehr mitgenommen, als sie zugeben wollte. Sie drückte Tala einen dicken Kuss auf die Wange und wollte sich schon an den Tisch setzen, doch ihre Mutter scheuchte sie mit gespielt ernsthafter Miene ins Bad: »Erst waschen und anziehen! Sonst gibt es kein Frühstück!« »Aber ich …!«, protestierte Dana. Doch Tala unterbrach sie. »Papperlapapp, nix aber! Richtig, wie es sich gehört!« Ihre Mutter hielt nichts von Danas magischer Reinigung. Sie liebte es eher klassisch, nämlich mit Wasser. Ein fröhliches Liedchen summend, wandte sie sich wieder ihrer Küchenarbeit zu und rührte weiter in ihren Töpfen und Pfannen. Etwas verstimmt trottete Dana ins Badezimmer und machte sich daran, sich frisch zu machen. »Immer diese Kleinigkeiten!« Sie blickte Shari, die ihr vom Rand des Waschtisches neugierig dabei zusah, nachdenklich an: »So etwas sagt uns keiner, wenn wir beide unterwegs sind! Oder?« Die kleine Fee hob den Daumen und zeigte damit ihre Zustimmung. Dana beeilte sich und saß nach ein paar Minuten wieder am Tisch. Es sah schon merkwürdig aus, wie Tala das Ergebnis der Reinigung begutachtete. Dana, mittlerweile fast zwei Köpfe größer, ließ von ihr kontrollieren, ob sie auch ja alle Stellen getroffen hatte. »Ach, bitte! Ich bin doch kein Kind mehr!«, maulte sie. »Anscheinend doch!«, konterte ihre Ziehmutter. »Sonst müsste ich das ja nicht tun!« Sie griff nach Danas Kopf und drehte ihn, so weit sie konnte, um auch wirklich jede Stelle in Augenschein zu nehmen. Für sie war Dana ungeachtet dessen, was sie bis jetzt geleistet hatte, immer noch ihre kleine Tochter. »Muss das wirklich sein?« Nur widerwillig ließ Dana diese Prozedur über sich ergehen. »Ich bin schließlich fast sechzehn!« »Und du vergisst allzu oft die Morgenpflege!« Ein Lächeln huschte über Talas Gesicht, als sie von Dana abließ. »Alles in Ordnung! Es geht doch! Immer muss ich es zweimal sagen. Nun gibt es Essen!« Die Zwergin füllte gerade die Teller, als die Haustür aufgestoßen wurde und Gomek hereingestürzt kam. Er war Danas bester Freund, früher sogar der einzige. Die anderen Zwergenkinder hatten damals die beiden gemieden, da sie … anders waren, vor allem größer. Doch heute, nach ihren vielen Abenteuern und seinem Aufstieg zum Kronprinzen, waren sie die Helden der Jugend – sehr zum Verdruss von Dana. Ihr gefiel diese Verehrung gar nicht. »Hallo! Bin ich zu spät? Bekomme ich auch noch was ab?«, begrüßte Gomek freudestrahlend die Anwesenden. Bevor jemand darauf antworten konnte, verließ Shari mit einem Freudenschrei ihren kleinen Tisch und flog mit den Worten »Mein liebster Frumpel ist da!« auf den Zwerg zu, um ihn zu begrüßen. Es hatte auch schon andere Zeiten gegeben, da hatten sich die beiden wie Elf und Kobold verhalten. Aber das war lange vorbei. Sie klammerte sich umgehend an seinen Hals, dass dem armen Kerl fast die Luft wegblieb. Dana schüttelte missbilligend den Kopf. Nicht, dass die kleine Fee Gomek bedrängte, das machte sie fast bei jedem so. Nein, es war dieses Wort, das sie irgendwann, irgendwo aufgeschnappt hatte. Als Shari es das erste Mal benutzt hatte, hatte Dana sie entgeistert gefragt, was diese Wortkreation denn zu bedeuten habe. Da hatte ihre Freundin lachend geantwortet: »Frumpel! So nenne ich meine Freunde und Kumpels!«, und sie mit dieser Antwort stehen gelassen. Seit jenem Tage benutzte Shari dieses Wort bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Zum Glück hatte sie es vermieden, den König so zu titulieren. »Obwohl … vielleicht hätte er auch gar nichts gesagt. Schließlich hat die kleine Fee bei dem Monarchen einen mächtig großen Stein im Brett«, dachte sich Dana. Währenddessen hatte Tala ein weiteres Frühstück auf den Tisch gestellt. Mit Schwung nahm Gomek am Tisch Platz und begann sofort mit dem Essen. »Und da sagt Mutter immer, ich soll mir an ihm …«, platzte es aus Dana heraus. »Was sagst du?«, unterbrach Gomek sie mit vollem Mund. »Oh, nichts! Ich sagte, wir haben heute noch einiges vor!« Danas Wangen liefen vor Verlegenheit rosa an. Zum Glück kam gerade Tala wieder an den Tisch, um noch einmal nachzufüllen, und fragte: »Und was habt ihr heute vor?« Ein bisschen Neid klang aus ihrer Stimme, was man von ihr sonst gar nicht kannte. Natürlich wusste sie, dass heute der große Umzug von Gomek und seinen Eltern in den Palast auf der Tagesordnung stand. Sie hätte natürlich lieber Dana als Kronprinzessin gesehen, doch wusste sie auch, dass nur ein Zwerg König werden konnte … und Dana hätte es sowieso abgelehnt. »Die Umbauten im Palast sind fertig!«, erwiderte Gomek zwischen zwei Bissen. »Damit meine ich die Wohnung meiner Eltern auf der Seite hinter den Räumlichkeiten der Minister«, er schluckte ein weiteres Mal, »und mein Zimmer im Königsquartier.« »Ah! Dann habt ihr heute einiges zu tun. Wer hilft denn noch dabei?« Wortlos zeigte der junge Zwerg auf Dana und Shari. »Das weiß ich doch!«, entgegnete Tala lächelnd. »Toben und deine Eltern natürlich auch, aber wer sonst noch?« Gomek zuckte nur mit den Schultern und sah Dana verlegen an. »Ses vielleicht?«, nuschelte er mit vollem Mund, während er die letzten Reste seines Frühstücks verdrücke. Dana schüttelte verneinend den Kopf. »Er wird nicht kommen können. Ich habe ihn gebeten, in der Dämonenwelt Nachforschungen zu betreiben, um herauszufinden, warum das in dieser Zukunft passiert ist.« Gomek legte grübelnd die Stirn in Falten. »Glaubst du, dass die Dämonen etwas mit der Zerstörung zu tun haben?« »Keine Ahnung«, brummte Dana. »Aber schließlich haben sie so etwas schon mal geschafft!« Dana erinnerte sich an die Geschichte, die Erogat ihr erzählt hatte: vom großen Krieg, Licht gegen Schatten, den damals die Dämonen zunächst für sich entschieden hatten, bis mit Hilfe der Magier das Blatt gewendet werden konnte, obwohl diese eigentlich Pazifisten waren. Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg zu Gomeks Wohnhöhle, wo sie sich mit seinen Eltern und Toben treffen wollten. Sie hatten es zum Glück nicht weit, da er quasi bei ihr um die Ecke wohnte. Die Begrüßung durch Toben fiel sparsam aus, da die anderen bereits mit dem Ausräumen angefangen hatten. »Na, ihr beiden – Verzeihung, ihr drei?« Er knuffte die kleine Fee sachte. »Kommt ihr auch schon?« Dana murmelte eine Entschuldigung und machte sich umgehend mit ihren Freunden an die Arbeit. Sie räumten den ganzen Vormittag die Wohnung aus, die vollgestopft von Erinnerungen der Jahrhunderte war. Und während die drei die Sachen auf einen Handkarren luden, brachte die andere Gruppe um Toben schon einen gefüllten zur Regierungspyramide und entlud ihn dort. Schließlich befand sich die neue Wohnung im Palast. Auch die Sachen von Gomeks Urgroßvater, der vor ewigen Zeiten verschwunden war, lagerten noch in der alten Behausung in einer Ecke. Diese wanderten ebenfalls auf den Handkarren. Um die Mittagszeit hatten sie die Wohnung fast leergeräumt, bis auf eine eisenbeschlagene Kiste, die Dana plötzlich magisch anzog. Wie hypnotisiert steuerte sie darauf zu, als Gomek neben ihr auftauchte und meinte: »Was machst du denn noch hier?« Er beobachtet sie dabei, wie sie schweigend, ohne auf ihn zu reagieren, die Kiste öffnete. Ihr Inhalt bestand aus einer Menge alter Bücher, die sie nun einzeln herausholte und sofort zu lesen begann. Fasziniert betrachtete Gomek sie dabei eine Zeitlang, bis er beunruhigt nach ihrer Schulter griff und sie vorsichtig schüttelte. Erschrocken sah sie ihn an: »Was hast du gesagt?« Erstaunt blickte er zurück. »Ich? Gesagt? Das war vor gut einer halben Stunde!« »Das kann nicht sein! Ich habe doch gerade erst …« Sie betrachtete erst das Buch in ihrer Hand und anschließend den Inhalt der Truhe. Irritiert schüttelte sie den Kopf und flüsterte: »Das kann nicht sein!« Dann gab sie sich einen Ruck und sah Gomek fragend an. »Weißt du, was dieses hier alles ist?« »Äh … nein! Oder … doch! Bestimmt Sachen von meinem Uropa«, brummte er. »Richtig!«, entgegnete Dana fröhlich. »Tagebücher, passender: Reisetagebücher, deines Urgroßvaters. Ich habe ein bisschen in ihnen gelesen. Wo der überall gewesen ist! Fantastisch! Da kommen wir noch nicht ran!« Gomek schmunzelte. »Ist doch klar! Schließlich war er um vieles älter als wir. Außerdem kennst du doch schon eins davon!« Dana sah ihn irritiert an. »Unsere erste Reise zu den Höhlen? … Das Reisetagebuch!«, erklärte er ihr. Dana überlegte kurz und nickte schließlich. »Stimmt! Damals hattest du ein Buch deines Urgroßvaters mit.« Sie wandte sich wieder der Truhe zu. »Aber hier stimmt etwas nicht! Da fehlen anscheinend einige, oder zumindest eins seiner Bücher!« Sie begann die Nummern der Bücher aufzuzählen: »1,2,3, … 8, … Da ist eins nicht da! Siehst du? 10, 11, … 15 und so weiter! Genau hier fehlt ein Buch!« Sie zeigte auf eine Lücke zwischen den Büchern. »Das neunte!« »Glaubst du nicht, dass es das ist, was wir früher schon einmal benutzt haben?«, versuchte Gomek einer Erklärung. Dana schüttelte den Kopf. »Das ist hier!« Sie tippte auf eines der andern Bücher. Schließlich begann sie unruhig die Kiste auszuräumen. Wie in Trance nahm sie Buch um Buch heraus, bis der gesamte Inhalt vor ihr auf dem Boden lag. »Siehst du … nichts!« Ihre Stimme klang verzweifelt. Sachte ergriff Gomek ihre Hände und zog sie vom Boden hoch. »Aber das macht doch nichts! Es sind doch nur die alten Bücher meines Urgroßvaters. Toben weiß bestimmt mehr darüber! Wenn wir mit dem Umzug fertig sind, kannst du ihn danach fragen.« Dana schüttelte ihre Benommenheit ab und begann alles wieder einzupacken. »Du hast wahrscheinlich recht. Nur … was war eigentlich mit mir los?«, brummte sie und schloss mit Schwung den Deckel der Truhe. Anschließend transportierte sie diese mit Gomeks Hilfe vor die Tür. »Natürlich!«, stieß sie verärgert hervor. »Die anderen sind schon wieder vorausgegangen!« »Was dachtest du denn? Sitzt hier über eine Stunde, schmökerst in den alten Schwarten von meinem Urgroßvater und glaubst, dass die anderen auf dich warten! Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, knurrte Gomek verdrießlich. »Komm, fass mit an. Vielleicht holen wir die anderen noch ein.« Dana griff schweigend nach einer freien Stelle des Zugbügels, und während es sich Shari auf dem Handwagen bequem machte, zogen die beiden den Wagen in Richtung Pyramide. Nach einer Weile wolle Gomek wissen: »Warum ziehen wir eigentlich diesen Karren, wo du doch mit Magie …« Dana unterbrach ihn mit gespielt ernster Miene: »Magie ist nicht zu meinem Vergnügen da! Sie sollte nur mit Bedacht eingesetzt werden.« Gomek sah sie mit großen Augen an. »Wirklich?« Dana begann zu lachen. »Ach was! Das ist Erogats Spruch! Er sagte es oft während meiner Ausbildung. Der einzige Grund ist: Ich finde es gut, etwas mit den Händen zu machen.« Sie setzten sich wieder in Bewegung und erreichten etwas später die Regierungspyramide. Dort angekommen, brachten sie die letzten Teile nach oben in die neue Wohnung von Gomeks Eltern. Leider konnte sich Dana das Zimmer, das man für ihren Freund zusätzlich beim König in den Felsen hineingearbeitet hatte, nicht ansehen. »Schade, nicht wahr? Aber der Monarch ruht gerade«, entschuldigte sich Gomek grinsend. »Die Aussicht vom Balkon über das weite Land hätte dir bestimmt gefallen. Ich glaube, die Wohnung meiner alten Herrschaft hat auch einen!« Die drei machten sich auf den Weg, das neue Refugium von Gomeks Eltern zu inspizieren. Sie passierten den Thronsaal und betraten den Gang, der zum Büro des Premierministers führte. Früher endete dieser Gang an einer Wand, doch mittlerweile hatten die Zwerge eine Tür hinein- und dahinter die gesamte Wohnung aus dem Felsen gehauen. Sie war nicht besonders groß, besaß aber zwei Balkone. Von einem blickte man hinunter auf den großen Platz. Dana sah hinunter auf die wunderschönen Mosaike, die eine Hochzeit von Zwergen darstellten. Ihr Blick verharrte auf dem Ehrenmal von Gomek, Shari und sich selbst. Sie mochte es nicht besonders. Damals hatte sie diese Ehrung nur widerwillig akzeptiert. Schließlich hatte sie nur helfen wollen und es nicht für Ruhm und Ehre getan. Langsam schlenderte sie durch die Räume auf die andere Seite der Wohnung, bis sie den anderen Balkon erreichte. Schweigend betrat sie ihn und genoss den Anblick, der sich ihr darbot. Dort stand sie geistesabwesend und blickte verträumt auf die bunte Landschaft vor sich, als Toben neben ihr erschien und sie aus ihren Träumen riss. »Geht’s dir gut?« Er hatte sie eine ganze Weile beobachtet, wie sie da schweigend und unbeweglich gestanden hatte. »Wer? Mir … Natürlich! Aber ich habe …« Unvermittelt packte sie den Zwerg mit beiden Händen an den Schultern und drückte ihn sanft in einen Stuhl, der in einer Ecke des Balkons stand. »Was weißt du über das verschollene Tagebuch von Nargot?«, bedrängte sie ihn übergangslos. Irritiert sah der Überrumpelte sie an. Vollkommen überrascht stotterte er: »Nichts … nicht viel! Alles nur Gerüchte und das, was mir mein Vater damals erzählt hat.« »Und …?«, forschte Dana weiter. Während Toben weitersprach, befreite er sich sachte aus ihrem Griff. »Und?! … Nur so viel, dass der Vater unseres jetzigen Königs Nargot dieses Buch weggenommen und ihm gleichzeitig verboten hatte, jemals darüber zu sprechen.« Er sah sich verschwörerisch nach allen Seiten um, als wenn er glaubte, jemand könne ihn belauschen. Er winkte Dana wieder näher an sich heran und flüsterte ihr ins Ohr: »Nargot sprach einmal davon, dass er in jungen Jahren auf seinen Reisen eine geheimnisvolle Stadt entdeckt habe, irgendwo tief im Erdinneren! Damals, lange vor meiner Zeit, hatte er jedem davon berichtet und so die jugendlichen Zwerge dazu gebracht, auch diese Stadt zu suchen. Schließlich wurde er vor den König zitiert. Mein Urahn erhielt ein Verbot, jemals wieder darüber zu sprechen. Damit nicht genug, sie nahmen ihm auch noch das Tagebuch weg. Ich glaube, das hat er nie verwunden. Als ich noch ein junger Zwerg war, verschwand er endgültig aus unserem Leben und aus der Zwergengemeinschaft. Niemand hat seit diesem Tage jemals wieder etwas von ihm gehört oder gesehen.« Dana wandte sich von ihm ab und sah nachdenklich in die Ferne. Plötzlich drehte sie sich wieder Toben zu. Der hob abwehrend die Arme. Lächelnd drückte sie diese herunter. »Entschuldigung! Ich bin etwas durch den Wind. Aber glaubst du, dass dieses Buch noch existiert?« Erleichtert, dass Dana sich wieder normal benahm, entgegnete Toben zaghaft: »Keine Ahnung. Man munkelt, dass es zerstört wurde … aber daran glaube ich nicht. Wir Zwerge zerstören nicht einfach unüberlegt etwas!« »Außer es geschehen Naturgewalten!«, meinte Dana lachend und spielte damit auf die abgebrannte Bibliothek an. »Warum interessierst du dich eigentlich dafür?«, wollte Toben wissen. »Es ist schon so lange her und ich weiß nicht einmal, ob das wirklich alles geschehen ist.« Dana kratzte sich nachdenklich am Kopf: »Ich habe keine Ahnung! Ich habe nur das Gefühl, das es für mich äußerst wichtig ist. Mehr kann ich dazu auch noch nicht sagen. Man wird sehen.« Sie wurden unterbrochen, Gomek erschien auf dem Balkon. »Was macht ihr hier? Die anderen suchen bereits nach euch. Das Essen ist fertig.« Während sie sich aufmachten und zum Essen gingen, gab Dana Gomek einen kurzen Überblick über das Gespräch mit Toben. Er wollte natürlich auch etwas dazu sagen, doch Dana ließ es nicht zu. »Später, wenn wir allein sind!« Sie spürte genau, da kam etwas Rätselhaftes auf sie zu. Kapitel 4 Ein verwegener Plan In freudiger Erregung begrüßte Erogat die drei, als sie seine Bibliothek betraten. Er griff nach Danas Arm und wollte sie mit sich ziehen, was natürlich misslang. Erst mit Hilfe seiner mentalen Energie war er in der Lage, die junge Magierin mit sich zu zerren, wobei er immer wieder begeistert die gleichen Worte wiederholte: »Sie funktionieren! Sie funktionieren alle wieder!« »Was funktioniert denn?« Etwas verstört ließ Dana ihn gewähren und folgte ihm notgedrungen. Er zog sie zu seiner Bildwand, auf der in gleichmäßigem Wechsel die verschiedensten Bilder auftauchten: Landschaften, Höhlen, Dörfer und vieles mehr. »Das hier! Die Monolithen funktionieren alle wieder!« Verblüfft betrachtete Dana den Bildschirm, auf dem ohne Zutun des Geistes Bild für Bild erschien. »Wie geht das? Was ist da passiert?« Fasziniert ging sie näher heran. Erogat war sich nicht ganz sicher, aber er hatte eine Vermutung. »Das Tor! Die Erschaffung des Portals … seine Energie hätte ausgereicht, um die kleineren Reisemonolithen zu aktivieren!« Dana nickte verstehend, das leuchtete ihr natürlich ein. Aber deswegen waren sie nicht zu Besuch gekommen. Dana winkte Gomek, der es sich bereits in einem Sessel bequem gemacht hatte, zu sich heran. Während Erogat weiterhin die Bildwand beobachtete und Dana ab und zu auf etwas Besonderes aufmerksam machte, flüsterte sie dem Zwerg zu: »Du weißt, was wir besprochen haben! Versuche jetzt, Erogat unter einem Vorwand aus der Bibliothek zu locken, damit ich meinen Plan umsetzen kann!« Der Geist unterbrach seine Anmerkungen zu den Bildern vor ihnen. »Was tuschelt ihr beide denn da? Soll ich …« »Oh, nichts besonders. Ich wollte dich nur fragen, ob du mir am großen Portal einige Sternenkonstellationen zeigen kannst. Ich lerne gerade im Schloss etwas über Sterndeutung«, unterbrach Gomek ihn hastig. »Aber natürlich! Das ist ein interessantes Wissensgebiet … und darin werden Zwerge ausgebildet?! Das gefällt mir! Gut!«, freute er sich. »Und du? Kommst du auch mit?«, wandte er sich an Dana. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte noch einige Bücher überprüfen.« Ihr Vorhaben, den Geist fortzulocken, schien gut zu klappen. Anschließend wollte sie durch den Reisespiegel in die Zeit von Nargot reisen, um zu versuchen, Gomeks Urgroßvater das Buch abzukaufen. Sollte das fehlschlagen, würde sie den König besuchen und mit ihm verhandeln. Und dann gab es noch die Option, dass die kleine Fee versuchen würde, das Versteck des Buches he-rauszufinden. Dana war der Meinung, dass es nicht schwer sein dürfte, in der damaligen Zeit zu den Zwergen zu gelangen. Es war schließlich die Zeit gewesen, in der sie Handel mit den Menschen betrieben hatten. Dana freute sich, denn ihr Plan ging auf: Der Geist schwebte hinter Gomek her und verließ mit ihm die Bibliothek. Dana hatte mit Gomek abgesprochen, dass er Erogat so lange wie möglich beschäftigen sollte. »Ich vermute, dass ich bestimmt eine halbe Stunde benötige, bis ich wieder hier bin«, hatte sie ihm noch zugeflüstert, bevor er sich zum Portal aufmachte. Kaum hatten die beiden den Raum verlassen, beeilte sich Dana, den Kristallschädel zu erreichen. Sachte klopfte sie an seine Stirn. »Was soll der Blödsinn!«, maulte er sie an. »Ich weiß bereits, was du möchtest! Nur glaube ich nicht, dass das, was du vorhast, eine so gute Idee ist«, knurrte er mürrisch. »Das lass mal meine Sorge sein, bring du mich nur in die richtige Zeit! Den Rest mache ich!« Mürrisch setzte der Schädel den Reisespiegel in Gang. Dana wartete fieberhaft und ungeduldig davor, bis sie sah, wie sich der dunkle Trichter formte. Bevor sie hineinging, sprach der Schädel sie noch einmal an: »Denk daran! Du kommst dort fünf Tage, bevor Nargot das Buch dem König übergibt, an. Verändere nichts, ansonsten …« Dana winkte ab, erwiderte: »Ich weiß, ich werde schon aufpassen!«, und stierte schweigend auf das Portal. Schließlich betrat sie es und verschwand. Die letzten Worte des Kristallschädels vernahm sie nicht mehr: »Wenn das mal gutgeht!« Sie landete in der richtigen Zeit, wie es der Schädel vorausgesagt hatte. »Leider nicht am richtigen Ort«, brummte sie verärgert und sah sich irritiert um. Sie stand in der Nähe der Feste Falkenhorst und wurde plötzlich von Shari unsanft in die Büsche befördert. »Was soll das?«, maulte Dana, da sie unsanft auf einem Baumstumpf gelandet war. Die kleine Fee übermittelte ihr, sie solle unbedingt leise sein. Dana schwieg verdutzt und spitzte die Ohren. Schließlich vernahm sie leise Stimmen, die sich ihrem Versteck näherten. »Eure Lordschaft! Ich bin mir sicher, vor uns auf dem Weg befand sich gerade noch ein junges Mädchen! Und es verschwand im …« Die jugendliche Stimme klang unsicher. Nun vernahm Dana eine weitere, autoritäre, aber nicht unsympathische Stimme: »Lass es gut sein! Da war nichts!« Dana wartete, bis sich die Stimmen entfernt hatten, bevor sie sich leise an Shari wandte. »Danke dir!« Sie tätschelte ihrer kleinen Fee den Kopf. »Das hätte auch schiefgehen können.« Sie orientierte sich kurz und machte sich im Schutze des Waldes, der in diesem Jahrhundert noch zuhauf vorhanden war, in Richtung Zwergenstadt auf. Bevor sie jedoch aus ihrem Versteck trat, verwandelte sie sich in einen alten Magier, wie es Leonardo sie gelehrt hatte. »Zum Glück hat uns Leonardo auch das Gedöns mit dem Bart beigebracht«, murmelte sie Shari mit einer tiefen, sympathischen Männerstimme zu und strich sich über die herrlich lange Gesichtsbehaarung. »So wird mich bestimmt niemand erkennen!« Am nächsten Morgen, sie hatten während ihres Nachtmarsches den dichten Wald nicht einmal ansatzweise durchquert, meldete sich Shari zu Wort: »In dieser Geschwindigkeit schaffen wir es nie rechtzeitig zur Zwergenstadt!« »Und, was hast du für einen Vorschlag?«, brummte Dana verdrießlich. Ihr war auch aufgefallen, dass sie nur sehr langsam vorankamen. Irgendwie ging es in der Wildnis von Peru einfacher. »Hier ist das Buschwerk so … stur!«, knurrte sie. »Also, was …« Ohne Vorwarnung verwandelte Shari ihre Freundin in einen pechschwarzen Raben. »Aber ich kann doch nicht fliegen!«, protestierte Dana und hüpfte über den Boden. »Dann solltest du jetzt damit anfangen!«, riet ihr die kleine Fee lachend und schwang sich hoch in das Blätterdach des Waldes hinauf. Dana legte ihren Rabenkopf zur Seite und blinzelte mit ihren Knopfaugen nach oben. »Das verzeihe ich dir nicht!«, krächzte sie und breitete versuchsweise die Flügel aus. Erstaunt über deren Auftrieb begann sie, immer kräftiger mit ihnen zu schlagen, bis sie tatsächlich vom Boden abhob. »Es klappt!«, frohlockte Dana, bevor ihr erster Flugversuch an einen Baumstamm endete. Benommen saß sie am Boden, während Shari ihr zu Hilfe kam. »Geht es wieder?«, erkundigte sich die Fee und untersuchte Danas Rabenflügel. »Du solltest die Augen beim Fliegen lieber nach vorne richten!«, belehrte sie ihre Freundin grinsend. »Natürlich!«, knurrte Dana und rappelte sich wieder hoch. »Auf ein Neues!« Eine Stunde später flogen beide, Dana mehr schlecht als recht, hoch über den Wipfeln in Richtung Gebirge, der Zwergenstadt entgegen. Sie mussten immer wieder Pausen einlegen, da Dana diese Art Anstrengung nicht gewohnt war. Shari tat ihr Bestes, um ihrer Freundin die Geheimnisse des Fliegens beizubringen. Während der Pausen erklärte sie Dana, wo sie die meisten Fehler machte: »Die Kraft sollte viel mehr aus den Schultern kommen! So, wie du die Flügel bewegst, verbrauchst du zu viel Energie!« Dana hörte sich alles geduldig an und versuchte, die Anmerkungen ihrer kleinen Fee umzusetzen. Es half tatsächlich! Nach jeder Pause fiel es Dana leichter, sich durch die Luft fortzubewegen. Inzwischen flog Dana fast so gut wie ein echter Rabe, als ihr Ziel in Sicht kam. »Wir sind da!«, rief sie freudig aus und machte sich zur Landung bereit, als ein Pfeil sie fast vom Himmel holte. Irgendwo vom Boden abgeschossen, verfehlte er sein Ziel nur knapp. »He, was soll der Blödsinn!«, schimpfte sie krächzend und drehte in die Tiefen des Waldes ab. Immer noch schimpfend landete sie auf einer Lichtung. Verärgert über diesen Schützen verwandelte Shari sie zurück in den alten Mann – gerade noch rechtzeitig, bevor eine Handvoll junger Männer durch das Unterholz brach und auf der Lichtung erschien! Mit wildem Blick sahen sie sich nach ihrer vermeintlichen Beute um, erblickten aber nur einen alten Mann vor sich auf der Lichtung. Einer von ihnen rief: »He, werter Herr! Haben sie zufällig …?« Dana unterbrach ihn verärgert: »Seid ihr diejenigen, die auf mi... auf meinen Raben geschossen haben?!« »Ihren … Raben?«, erwiderte der Bursche verblüfft. Anscheinend war er der Anführer dieser Horde. »Ja, was denkt ihr denn? Glaubt ihr wirklich, dass man unbedingt auf alles schießen muss, was hier im Wald kreucht und fleucht!?«, fauchte Dana die Jugendlichen an. In diesem Augenblick kam Shari, als Rabe getarnt, auf Danas Schulter geflogen. Da sie einen Verwandlungszauber allerdings nicht auf sich selber anwenden konnte, hatte sie kurzum eine Illusion des schwarzen Vogels um sich erschaffen, um die Burschen auf der Lichtung zu täuschen. »Ihr hättet dem Tier etwas antun können!«, maßregelte der „alte Mann“ die Jungs, die nun verlegen den Kopf senkten. »So, nun sucht euch mal ein anderes Spielfeld und einen anderen Zeitvertreib!« Langsam schlenderte Dana auf die Schützen zu. Da sie sie in dieser Gestalt um Haupteslänge überragte und einen natürlichen Respekt ausstrahlte, verabschiedeten sich die Jungen rasch und verschwanden wieder im Unterholz. »Das ging ja gerade noch mal gut«, murmelte Dana und bewunderte Shari als Rabe. »Ich habe nicht gedacht, dass sie in dieser Zeit …« »Raben gelten hier als Unglücksbringer«, unterbrach Shari sie. »Deswegen werden sie auch bejagt – vermute ich mal.« »Na schön, da habe ich noch einmal Glück gehabt«, erwiderte Dana grinsend. Mit einem schiefen Blick auf Shari fuhr sie fort: »Das hast du doch nicht etwa mit einem Hintergedanken gemacht?! Mich in einen Raben zu verwandeln, meine ich?« Shari, die jetzt wieder als Fee auf ihrer Schulter saß, riss entsetzt die Augen auf. »Ich?! Niemals!«, rief sie und presste sich fest an ihren Hals. Nachdem sie diesen Zwischenfall gut überstanden hatten, machten sich die beiden auf die letzte Etappe. Dana hatte bereits aus der Luft den Eingang zur Zwergenstadt gesehen und wusste nun, dass er sich ganz in ihrer Nähe befand. Sie kämpften sich durchs Unterholz und erreichten gegen Abend den Schotterweg, der sie dorthin bringen würde. Zwei Stunden später standen sie vor dem Tor zur Zwergenstadt. Shari musste sich auf Danas Geheiß vor dem Betreten unsichtbar machen. »Du weißt doch! In dieser Zeit kennt dich hier niemand! Feen hat von denen überhaupt noch keiner gesehen!« Nur widerwillig kam die Fee Danas Aufforderung nach und saß nun unsichtbar auf ihrer Schulter. Gemächlich durchschritt sie das Tor, betrat den Gang, den sie in ihrer eigenen Zukunft schon so oft benutzt hatte, und machte sich auf den Weg zum Versammlungsplatz. »Eigentlich könnten wir an unserer Wohnung vorbeigehen!« Danas Gedanken erreichten Shari auf ihre spezielle Art. »Es ist aber besser, wenn wir uns auf diese Weise verständigen. Es würde zu merkwürdig aussehen, wenn ein gestandener „Mann“, der ich jetzt nun mal bin, in der Öffentlichkeit Selbstgespräche führen würde.« »Klar, ich weiß, dass wir in dieser Zeit nicht auffallen dürfen!«, erwiderte die Fee auf die gleiche Weise. So verlief ihre Unterhaltung im Geheimen, ohne dass es jemand mitbekam. Dana unterließ es letztendlich, das alte Wohngebiet zu besuchen. Warum auch, Olo und Tala gab es zu dieser Zeit noch nicht. Sie erreichten stattdessen den großen Platz. Dana war verwundert, sie hatte mit … mehr gerechnet. »Hier sieht es ja immer noch so aus wie in meiner, in unserer Zeit!«, entfuhr es ihr. »Wie bitte?« Einer der vorbeigehenden Zwerge war stehen geblieben. »Oh, Entschuldigung … hab ich das etwa laut …«, murmelte sie, um dann abzuwiegeln: »Ich meinte natürlich ›wie bei meinen früheren Besuchen‹!« »Ach so!«, entgegnete ihr Gesprächspartner und ging weiter. »Puh, das war knapp! Ich sollte besser aufpassen!«, brummelte Dana verlegen und sah sich weiter um. Es stimmte, alles sah so aus, wie sie es kannte. Der einzige Unterschied war, dass es hier menschliche Händler und Ritter gab, die sich durch die Gassen schoben und ihren Geschäften nachgingen. Dana hielt auf den Gasthof »Zum goldenen Amboss« zu. Sie kannte ihn nur von außen. Zu ihrer Zeit durfte sie ihn nicht betreten, Olo wollte das nicht. »Das ist nichts für junge Mädchen!«, hatte er jedes Mal gesagt, bevor er sie nach Hause geschickt hatte. Doch nun war ihre Zeit gekommen. Sie stieß die Tür auf und betrat den Schankraum. Dicke Rauchschwaden von den Pfeifen schlugen ihr entgegen und nahmen ihr erst die Sicht und danach die Luft. Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, den Raum mit Magie zu reinigen. Hustend kämpfte sie sich durch die Massen an Menschen und Rittern, die ihr den Weg zum Tresen versperrten. Schließlich hatte sie es geschafft. Sie fiel allein schon durch ihre Größe auf, und der Wirt nahm von ihr Notiz. »Was kann ich für Euch tun?«, sprach er Dana an. »Ein Zimmer für die Nacht!«, erwiderte sie und legte ein Goldstück auf den Tresen. Der Wirt griff danach, steckte es zur Hälfte in den Mund und biss darauf. Danach verschwand es in seiner Tasche. Dana wunderte sich, dass er einfach das Geldstück einsteckte, schließlich brauchten Zwerge kein Gold – dann aber fiel ihr Blick erneut auf die Gäste der Wirtschaft. »Stimmt ja, die Menschen lieben das gelbe Metall über alles«, murmelte sie und nahm den Zimmerschlüssel entgegen. Der Zwerg hinter dem Tresen deutete mit dem Finger zur Treppe. Dana verstand. Schon bald stand sie in ihrem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Langsam wanderte ihr Blick durch das karg eingerichtete Zimmer. Außer einem Bett befanden sich nur noch ein Tisch, zwei Stühle und eine Truhe in dem Raum. »Oh Mann, ist das aber mager eingerichtet!«, wandte sie sich an Shari, die im Zimmer wieder sichtbar werden durfte. »Aber nur hier drinnen, wenn wir allein sind!«, ermahnte Dana sie scherzhaft, während sie die Tür zum umlaufenden Balkon öffnete. »Sobald du das Zimmer verlässt … du weißt Bescheid!« Shari nickte nur und flog aufs Bett. Sie hatte genug gesehen und wollte sich nur noch ausruhen. Währenddessen betrat Dana den Balkon und betrachtete das Durcheinander auf dem großen Platz. Überall standen Fuhrwerke, die be- oder entladen wurden. Menschen, Ritter und Zwerge drängelten sich umeinander und handelten. »Heute muss so etwas wie Markttag sein«, brummte Dana und wandte den Blick vom Platz ab. Sie verließ das Gebäude und schlenderte gemütlich einmal darum herum. Von der Rückseite aus hatte sie eine herrliche Aussicht auf das Handwerkerviertel. Auch hier das gleiche Bild, überall umgab sie hektisches Treiben. Dana sehnte sich irgendwie zurück in ihre Zeit. Nachdenklich betrat sie wieder das Zimmer und betrachtete Shari, die auf ihrem Kopfkissen schlief. »Du machst es richtig!«, flüsterte sie, um die Fee nicht zu wecken, und legte sich zu ihr. Am nächsten Morgen erwachte sie vom Lärm der Fuhrwerke, die über das Pflaster holperten und dem Ausgang zustrebten. Mürrisch erhob sich Dana, immer noch in der Gestalt eines alten Mannes, und sah aus dem Fenster hinaus auf den Platz hinunter. Gestern hatte sie die Ruhe, die sie von zu Hause aus kannte, nicht vermisst, doch heute … »Die hätten auch etwas leiser sein können!«, knurrte sie, während sie sich umsah. »Wo kann man sich hier denn nur waschen? Schließlich muss ich mit meiner Magie in dieser Zeit behutsam umgehen«, murmelte sie und sah die inzwischen ebenfalls erwachte Shari fragend an. Die Fee zuckte nur mit den Schultern, deutete auf die Tür und machte sich unsichtbar. »Soll wohl heißen, dass ich mal im Flur …« Dana öffnete die Tür und sah in den Korridor. Am Ende des Ganges verließ gerade ein anderer Gast mit einem alten Lappen um die Schulter, der ihm wahrscheinlich als Handtuch gedient hatte, einen Raum. »Ah ja! Dort könnte eine Waschgelegenheit sein. Da müssen wir auch hin«, brummte sie und betrat den Flur. Eine Stunde später flanierte sie über den großen Platz und wartete auf das Erscheinen von Nargot, Gomeks Urgroßvater. Der Schädel hatte ihr berichtet, dass der Zwerg am heutigen Tag zur Mittagszeit zum König gerufen werden würde, um dem Herrscher sein Tagebuch auszuhändigen. Diese Gelegenheit wollte Dana nutzen, um dem Zwerg vielleicht sein Buch abzuhandeln. Sollte das nicht gelingen, würde sie versuchen, eine Audienz beim jetzigen König zu bekommen. Und sollte auch das scheitern … »Mal sehen, was ich erreichen kann«, raunte sie Shari zu. Es war tatsächlich Mittagszeit, als ein junger Zwerg mit einem in Leder gebundenen Buch unter dem Arm den Platz betrat und eiligst auf die Regierungspyramide zuschritt. Dana war sich sicher: Das konnte nur Nargot sein. Sie richtete es so ein, dass sie seinen Weg kreuzte und mit ihm ins Gespräch kam. Unruhig beantwortete er ihre Fragen, bis er versuchte, das Gespräch zu beenden. »Ich habe keine Zeit! Ich muss zum König!« Er hielt ihr das Buch vor die Nase. »Das muss ich ihm umgehend überreichen!« Dana versuchte ruhig zu bleiben. Das Buch, so dicht vor ihr, war eine echte Versuchung. Doch sie widerstand und unterbreitete dem Zwerg ihren Vorschlag: »Ich bin ein Sammler schöner Geschichten. Ich ziehe von Ort zu Ort und schreibe sie auf, wenn sie vorgetragen werden, um sie andernorts weiterzuerzählen. Während meines Aufenthaltes in dieser schönen Zwergenstadt habe ich von deinen Abenteuern gehört und würde dir das Buch gerne …« Der junge Zwerg winkte energisch ab und erwiderte: »Der König will es, also bekommt er es auch!« Er zog ein verbittertes Gesicht, presste das Buch fester an seine Brust und stapfte an Dana vorbei. Irritiert sah sie ihm hinterher, wie er die Stufen der Pyramide erklomm. Da kam ihr eine Idee: »Shari, du fliegst ihm jetzt hinterher und versuchst herauszufinden, wo da drinnen sie dieses vermaledeite Tagebuch verstecken!« Sie merkte, wie sich die Fee von ihrem Hals löste, »Zum Glück hatte ich das Froschelixier«, murmelte sie und sah dem kleinen Wesen hinterher. Dann suchte sie sich einen ruhigen Platz, von dem aus sie den Eingang der Pyramide im Auge behalten konnte, und wartete auf die Rückkehr der Fee. Shari schaffte es natürlich ungesehen bis in den Palast, Dana fiel es nicht schwer, ihren Weg zu verfolgen. Allerdings erlebte sie so auch das Missgeschick, dass die Fee den Kontakt zu Nargot und zum Buch im Palastgewühl verlor. Shari bekam nur noch mit, dass der Premier es jetzt unter Verschluss hatte. Verärgert kam sie zurückgeflogen. »Ich konnte nichts dafür, da waren so viele …« Dana zischte: »Schhhht, nicht so laut! Wir sind nicht allein!« Einige Zwerge und auch Menschen sahen verwundert in ihre Richtung. Dana hob lächelnd ein kleines Buch: »Ich lese nur laut!« Ein allgemeines Raunen folgte und die vermeintlichen Zuhörer wandten sich anschließend wieder ihrer Arbeit zu. Aufatmend erhob sich die junge Magierin und schlenderte langsam in Richtung der Regierungspyramide. »Dann bleibt mir nur noch eine Sache zu tun: Ich werde den König persönlich um das Buch bitten!«, raunte sie Shari zu, während sie langsam die Stufen emporstieg. Oben angekommen, durchschritt sie das Tor und betrat den Thronsaal. Sie war erstaunt, was für ein reger Betrieb hier herrschte. Der Saal, zu ihrer Zeit eher verwaist, war überfüllt mit Bittstellern und wartenden Rittern, Zwergen und vereinzelt sogar Elben. Dana wandte sich an eine der Wachen in ihrer Nähe: »Ich möchte gerne eine Audienz beim König …« Der Angesprochene hob die Hand und unterbrach sie. »Siehst du das?« Er wies mit seiner Hand in die Weite des Thronsaals. »Jaaaaa!«, antwortete sie gedehnt. »Was soll damit sein?« Der Zwerg reckte sich in seiner prunkvollen Palastrüstung und betrachtete sie von oben bis unten – für ihn ein langer Weg, da er gut zwei Köpfe kleiner war als Dana. »Die wollen alle eine Audienz beim Herrscher! Also, stell dich hinten an!«, knurrte er gewichtig und stellte sich wie gehabt in Position ...

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Danas Abenteuer ; 4
Verlagsort Kiel
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 480 g
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Asgard • Dinosaurier • Drachen • Elfen • Fantasie • Freundschaft • Magie • Zwerge
ISBN-10 3-947086-18-0 / 3947086180
ISBN-13 978-3-947086-18-4 / 9783947086184
Zustand Neuware
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