Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
704 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-22648-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben - Marie Lacrosse
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Die Ehe zwischen dem Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz sollte eine Liebesheirat sein. Doch nach einer ungeheuerlichen Enthüllung von Franz' Vater verlässt die schwangere Irene ihren geliebten Bräutigam ohne ein Wort. Einsam bringt sie ihren kleinen Sohn zur Welt und tritt eine Stelle als Textilarbeiterin in einer Fabrik an. Die Bedingungen dort sind grausam, und Irene muss bis zur Erschöpfung arbeiten. Aber dann lernt sie den charismatischen Arbeiterführer Josef kennen, der ihr Kraft und Geborgenheit gibt. Obwohl sie Franz noch immer liebt, beginnt sie eine Beziehung mit ihm. Aber kann Irene den Verlust von Franz wirklich überwinden?

Marie Lacrosse hat in Psychologie promoviert und arbeitete viele Jahre hauptberuflich als selbstständige Beraterin überwiegend in der freien Wirtschaft. Ihre Autorentätigkeit begann sie unter ihrem wahren Namen Marita Spang und schrieb erfolgreich historische Romane. Heute konzentriert sie sich fast ausschließlich aufs Schreiben. Ihre Trilogie »Das Weingut « wurde ebenso zu einem großen SPIEGEL-Bestseller wie die »Kaffeehaus«-Saga. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Weinort. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung.

Kapitel 1


Weingut bei Schweighofen
Februar 1871, vier Wochen vorher

Es hatte endlich zu nieseln aufgehört, als Franz mit dem Einspänner in die Auffahrt einbog, die in schnurgerader Linie auf das Gutshaus der Gerbans bei Schweighofen zulief. Obwohl nicht so prächtig und opulent wie das Herrenhaus bei Altenstadt, in dem Franz aufgewachsen war, wirkte auch das Eltern­haus seines Vaters Wilhelm majestätisch. Seine Fassade bestand aus von weißen Kacheln umrahmten beigefarbenen Klinkersteinen. Aus dem hohen Walmdach mit den drei vorgelagerten Gauben erhob sich an der linken Seite ein schlanker Eckturm mit spitzem Dach. Immer wenn Franz als kleiner Knabe hier zu Besuch war, hatte er das Haus für ein ehemaliges Märchenschloss gehalten.

In Wahrheit hatte der Bau, den sein Großvater väterlicherseits errichten ließ, beinahe zum Ruin der Familie geführt. Als in drei aufeinanderfolgenden Jahren Unwetter und Pilzkrankheiten fast die gesamte Weinernte vernichteten, fehlte plötzlich das Geld, um die Hypothek abzuzahlen. Das war jedoch weit vor Franz’ Geburt gewesen.

Letztlich hatte sein Vater die Gerbans durch die Heirat mit Franz’ Mutter Pauline, einer vermögenden Straßburger Weinhändlertochter, gerettet. Wilhelm Gerban war heute der wohlhabendste Weinhändler im nördlichen Elsass und der südlichen Pfalz. Doch seit Franz denken konnte, war die Ehe seiner Eltern unglücklich.

Auch wenn er widerwillig zugeben musste, dass sein Vater mit Paulines Geld überaus geschickt agierte und dadurch den Wohlstand der Familie Jahr um Jahr sicherte, hatte vor allem der Deutsch-Französische Krieg die Zerrissenheit der Familie, deren Mitglieder beiden Nationen angehörten, offenbart und sogar noch vertieft. Franz, der gemäß dem Ehevertrag seiner Eltern wie seine Mutter als einziger Sohn und Erbe französischer Staatsbürger war, hatte gegen die Deutschen gekämpft und litt nun unter der Niederlage Frankreichs. Diese schien besiegelt zu sein, da die Franzosen bislang keine einzige Schlacht gewonnen und kürzlich einem Waffenstillstand zugestimmt hatten.

Doch auch innerhalb der Familie seines Vaters gab es Konflikte. Wilhelms jüngerer Bruder Gregor bewirtschaftete das Weingut, das allerdings mit dem Geld von Franz’ Mutter entschuldet worden war. Trotz seines großen Erfolgs war Wilhelm nur der Nutznießer des Stammvermögens. Unter der Voraussetzung, dass seine Ehe mit Pauline Bestand hatte, besaß er lediglich den in dreißig Jahren erwirtschafteten Zugewinn abzüglich der Zinsen für die ursprünglich eingebrachte Summe. Deren genaue Höhe würde Franz erst am Tag seiner Volljährigkeit erfahren.

Gregor hatte kein eigenes Geld. Seine Familie lebte ausschließlich von den Zuwendungen seines Bruders. Diese völlige Abhängigkeit hielt Franz für den Hauptgrund der Feindseligkeit seiner Tante Ottilie gegenüber Wilhelm und vor allem gegenüber seiner Mutter Pauline. Vielleicht gab es auch noch andere Ursachen, die Franz nicht kannte. Jedenfalls hatten Gregor und Ottilie schon wenige Jahre nach seiner Geburt das Herrenhaus in Altenstadt verlassen und waren nach dem Tod des Großvaters ins Weingut übergesiedelt.

Ich bin gespannt, wie Vater und Onkel Gregor sich einigen, wenn ich im September volljährig werde und mein Erbe antreten möchte, dachte Franz, während er den Blick über die noch kahlen Rebenfelder gleiten ließ. Hier rund um das Gutshaus, das zwischen dem Straßendorf Schweighofen und dem winzigen Weiler Windhof lag, waren die Weinberge relativ flach. Grauburgunder, Silvaner und eine Rotweinsorte, die man »Portugieser« nannte, wurden dort angebaut.

Passierte man einige Streuobstwiesen, die auch zum Gut gehörten und aus deren Baumfrüchten man begehrte Obstbrände herstellte, kam man zu den wertvollsten Lagen der Gerbans. Bei Schweigen, wo die Weinhänge am Rand des südlichen Pfälzer Waldes immer steiler wurden, wuchsen Riesling und Spätburgunder, aus deren Trauben Jahr für Jahr Spitzenweine gekeltert wurden, die sogar bis nach Übersee verschifft wurden.

Kurz überlegte Franz, ob er am Gutshaus anhalten und vorsprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Denn sein Cousin Fritz war als Offizier der preußischen Königsgrenadiere schon in der ersten Schlacht des Krieges auf dem Geisberg bei Weißenburg gefallen. Seitdem verfolgten dessen Eltern, insbesondere seine Tante Ottilie, Franz mit unversöhnlichem Hass, obwohl er völlig unschuldig am Tod ihres Sohnes war.

Auch wenn es Vater ärgern wird, werde ich ihnen keinen Besuch abstatten, beschloss er im Vorbeifahren, zumal ihn ohnehin eine weitere traurige Folge des Krieges hierherführte. Er wollte der Familie seines gefallenen Freundes Karl Krüger einen Besuch abstatten. An den Gewürztraminer- und Weißburgunderlagen vorbei lenkte Franz den Einspänner unter dem trüben Februarhimmel bis zum Abzweig, der zu dem kleinen Dörfchen der Landarbeiterfamilien führte, das ebenfalls zum Gut der Gerbans gehörte.

Karl war zuletzt einer der Vorarbeiter auf dem Weingut gewesen. Im letzten Sommer wurde er nach Kriegsbeginn eingezogen und fiel am 1. September als Soldat der bayerischen Truppen in den Kämpfen um Bazeilles. Franz, damals Sanitätsgefreiter bei den französischen Marineinfanteristen, die diesen Vorort von Sedan buchstäblich bis zur letzten Patrone verteidigt hatten, war Zeuge seiner tödlichen Verwundung geworden. Da er ihm nicht mehr helfen konnte, gab er Karl vor dessen Tod das Versprechen, für seine Familie zu sorgen. Insbesondere seinen begabten ältesten Sohn Hansi wollte er fördern.

Auch an Franz war der Krieg nicht spurlos vorübergegangen. Als der Einspänner auf dem unbefestigten Weg zum Dörfchen durch ein Schlagloch rumpelte, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz.

Kurze Zeit nachdem Karl verblutet war, hatte eine Granate Franz’ linkes Bein zerfetzt. Nur noch ein kurzer Oberschenkelstumpf war zu retten gewesen, der zum Glück gerade noch ausreichte, um eine nach den neuesten technischen Möglichkeiten gefertigte Beinprothese daran zu befestigen. Sie verschaffte Franz zwar eine vergleichsweise große Bewegungsfreiheit. Doch der Stumpf schmerzte gerade an feuchten, kühlen Tagen wie heute immer noch stark.

Jetzt erreichte der Einspänner die ersten Häuschen. Neugierige Augen folgten ihm durch das trübe Glas der kleinen Fenster. Leute aus dem Gutshaus verirrten sich nur selten hierher. Da kam auch schon Hansi aus dem Haus seiner Familie, ihm auf dem Fuß folgten seine jüngeren Geschwister.

»Ich glaube, ich habe gerade Franz vorbeifahren sehen.« Ottilie Gerban schob die Spitzengardine zurück und rümpfte ihre spitze Nase. »Was hat er hier zu schaffen?« Wie immer, wenn sie sich ärgerte, nahm ihre Stimme eine höhere Tonlage an. »Noch dazu, ohne uns seine Aufwartung zu machen!«

Gregor Gerban stellte seine Teetasse aus geblümtem Porzellan vorsichtig auf einem Beistelltischchen mit geschwungenen Beinen ab. Das Service sollte wie echtes Geschirr aus Meißen wirken, war aber nur eine Imitation. Trotzdem hütete Ottilie es wie ihren Augapfel.

»Nun freu dich doch, dass er uns mit seinem Besuch verschont hat! Du kannst ihn doch genauso wenig leiden wie ich.«

»Trotzdem ist es ein Zeichen von fehlendem Anstand«, beharrte Ottilie.

Gregor seufzte leise. Je älter seine Gattin wurde, umso weniger konnte es ihr jemand recht machen.

»Hast du schon mit Wilhelm gesprochen?«, wechselte sie nun zu einem für ihn sehr unangenehmen Thema.

»Dazu ergab sich noch keine Gelegenheit«, wich er aus.

»Keine Gelegenheit?« Wieder wurde Ottilies Stimme unangenehm hoch. »Dann musst du sie eben herbeiführen, Gregor! Schau dich doch einmal in diesem Salon um! Der Teppich ist abgewetzt, die Vorhänge müssen dringend erneuert werden, Sofa und Sessel brauchen dazu passende neue Polster. Gar nicht davon zu reden, dass wir überhaupt zwischen diesem alten Gerümpel hausen müssen.« Sie machte eine weit ausholende Geste, die die Möblierung des Raumes umfasste. »Außerdem hätte ich gerne wieder eine echte Zofe. Das neue Dienstmädchen ist nicht dazu ausgebildet, meine Garderobe zu pflegen, geschweige denn, mich ordentlich zu frisieren. Überhaupt ist Gitta in allem furchtbar ungeschickt. Sie taugt nur zum Saubermachen.«

Gregor musterte die Einrichtung des Salons, der auch als Damenzimmer diente, wenn die Gerbans kleine Gesellschaften gaben. Die geschnitzten Schränke und Vitrinen aus Nussbaum und Eiche stammten aus der Hinterlassenschaft seines Vaters und waren zugegebenermaßen nicht neu. Aber sie waren auf Hochglanz poliert und wiesen keinen einzigen sichtbaren Kratzer auf.

Ebenso verhielt es sich mit dem bunt gemusterten Perserteppich, der einen Teil des blank gewienerten Parkettbodens bedeckte. Er wies keine Flecken oder gar abgewetzte Stellen auf, wie Ottilie behauptete. Die Farben wirkten frisch. Die dunkelroten Samtportieren passten perfekt dazu, ebenso wie die mit gemustertem, rotem Brokat bezogenen Sitzmöbel. Vorhänge und Polster waren zudem erst vor fünf Jahren erneuert worden.

Aber er widersprach Ottilie nicht. Aus leidvoller Erfahrung wusste er, dass dies ihren Kampfgeist nur noch mehr anstacheln würde. Steckt dahinter etwa wieder dein zänkisches Weib, das du nicht im Zaum halten kannst?, hörte er im Geiste schon seinen Bruder Wilhelm spöttisch fragen, würde er ihm seine Bitte vortragen, ihren prozentualen Anteil an den Gewinnen des Weinhandels zu erhöhen. Sie erhielten die Summe monatlich zu seinem Salär als Leiter des Weinguts. Es war die Gegenleistung für ihr Schweigen über Franz’ Kampf auf der falschen Seite.

Denn Franz war kein regulärer Soldat gewesen, sondern hatte als Zivilist für die Sache Frankreichs gekämpft. Das stand noch...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2019
Reihe/Serie Das Weingut
Das Weingut
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte eBooks • Elsass • Ende des 19. Jahrhunderts • Familiensaga • Frauenroman • Gesellschaftsroman • Historische Romane • Historischer Roman • Hörbuch • Lesung • Liebesroman • Pfalz • SPIEGEL-Bestseller • Weinberge • Weinhandlung
ISBN-10 3-641-22648-1 / 3641226481
ISBN-13 978-3-641-22648-0 / 9783641226480
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