Alle anderen können einpacken (eBook)

Über Weihnachten nach Hause
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40549-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alle anderen können einpacken -  Christian Pokerbeats Huber
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Vom Autor des Comedy-Bestsellers '7 Kilo in 3 Tagen'. Klaas Heufer-Umlauf sagt: 'Ich möchte Ihnen dieses Buch uneingeschränkt ans Herz legen. Und ans Hirn.' Dieses Weihnachten wird alles anders - außer dass Bastian Geschenke immer noch einpackt wie ein Dreijähriger mit Gipsarmen. Bastian wird Heiligabend nicht zu Hause sein. Zum ersten Mal. Und das muss er seiner Mutter jetzt irgendwie beibringen. Fehlt zur Besinnlichkeit nur, dass die 'nicht ganz einfachen' Eltern seiner neuen Freundin Bastian für einen Volltrottel halten. Und die haben ihn noch nicht mal kennengelernt ... Christian Huber schreibt ziemlich lustige Bücher über die Absurditäten des Alltags. (ARD-Morgenmagazin)

Christian Huber, geboren in Regensburg, ist Autor für TV, Online, Print und Bühne. Seine Kolumnen wurden u. a. von VICE und ICON / DIE WELT publiziert. Sein Buch «7 Kilo in 3 Tagen» war wochenlang auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste und wurde 2020 für Netflix verfilmt. Mit dem Team von Jan Böhmermanns «Neo Magazin Royale» wurde er u. a. für die Goldene Kamera und den Deutschen Comedypreis nominiert und mit dem Webvideopreis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Unter @christian_huber führt er einen der beliebtesten Twitter-Accounts Deutschlands.

Christian Huber, geboren in Regensburg, ist Autor für TV, Online, Print und Bühne. Seine Kolumnen wurden u. a. von VICE und ICON / DIE WELT publiziert. Sein Buch «7 Kilo in 3 Tagen» war wochenlang auf der SPIEGEL-Bestseller-Liste und wurde 2020 für Netflix verfilmt. Mit dem Team von Jan Böhmermanns «Neo Magazin Royale» wurde er u. a. für die Goldene Kamera und den Deutschen Comedypreis nominiert und mit dem Webvideopreis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Unter @christian_huber führt er einen der beliebtesten Twitter-Accounts Deutschlands.

1. Kapitel Das könnte eng werden


Zwei Tage bis Heiligabend

Offenbar ist für die nächsten Tage ein Atomkrieg angekündigt. Hunderte Menschen drücken sich, eine Mischung aus Panik und Überlebenstrieb in den Augen, durch die ohnehin schon zu schmalen Gänge des Kleinstadtsupermarktes. Jeder ist sich selbst der Nächste. Denn Vorräte müssen angelegt werden. Wasser, Konserven, Back-, Fleisch- und Wurstwaren, um die kommenden Wochen autark überleben zu können. Und Süßigkeiten dürfen natürlich nicht fehlen. Auch im Atomkrieg will schließlich niemand auf Elisenlebkuchen, Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaogehalt und Mandelsplitter verzichten. Zumal der nukleare Super-GAU ausgerechnet für Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage ausgerufen zu sein scheint.

Es ist Samstag, der 22. Dezember, der letzte volle verkaufsoffene Tag vor Weihnachten, was offenbar für alle Einwohner meines alten Heimatstädtchens Schwarzendorf wahnsinnig überraschend gekommen ist und jetzt den gesamten Ort zu einer Art Einkaufsflashmob bei Aldi-Süd versammelt.

Wer keinen Einkaufswagen ergattern konnte, stemmt mit Lebensmitteln vollgepackte Milchkartons, schleppt zum Zerreißen gespannte Plastiktüten oder lässt die Konsumgüter direkt in die nach vorne gespannte Jacke fallen wie im Sterntalermärchen.

Wir haben einen Einkaufswagen. Brigitte Kollinger – meine Mutter – manövriert in einer eleganten Kombination aus Slalom, Autoscooter und The Fast and the Furious durch die Regalreihen. Dabei missachtet die kleine Frau bewusst jedes Reißverschlussverfahren, jedes Vorfahrtsgebot und jede weitere Supermarkt-Verkehrsregel. Sie bremst ein junges Pärchen aus, driftet um die Gemüseauslage, lässt den Wagen einen Augenblick frei rollen und wirft, über einen Block aus zwei zeternden Seniorinnen hinweg, zwei Salatköpfe in den übervollen Drahtkorb wie Michael Jordan zu seinen besten Zeiten. Fadeaway Jumpshot mit elegant nachklappendem Handgelenk. Fehlt nur noch, dass sie dabt. Ich bin kurz davor, mit ihr abzuklatschen.

«Basti, wir brauchen Eier. Holst du die eben?», ruft sie mir zu, saust um die nächste Ecke zur Getränkeabteilung und lässt mich in dem chaotischen Gewusel zurück. Eier. Wo werden die wohl sein? Fremde Supermärkte sind mit Neuronenüberlastung ballernde Labyrinthe. Bis ich mich in dem Lidl an der Kreuzung zu meiner Wohnung in Köln nicht mehr hoffnungslos verlaufen habe, hat es über ein Jahr gedauert. Und ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal mit meiner Mutter in ihrem Stammdiscounter war. Seitdem wurde hier auf jeden Fall alles umgebaut. Ich bin einigermaßen überfordert. Wie ein Wellenbrecher stehe ich in dem Korridor zwischen den Obst- und Gemüsefächern und stemme mich gegen den Strom aus Nahrungsmittel hortenden Kunden, der unablässig wie durch eine geöffnete Schleuse durch die gläserne Eingangstür quillt. Ich bin unschlüssig, welche Abzweigung ich nehmen soll. Statistisch gesehen soll man sich in Irrgärten immer links halten, um mit doppelter Wahrscheinlichkeit zum Ziel zu kommen. Das ist selbstverständlich absoluter Quatsch. Aber mein Hirn hat es sich angewöhnt, sich in Stresssituationen mit erfundenen Statistiken zu beruhigen. Fiktive Fakten geben mir in Drucksituationen ein Gefühl von Sicherheit. Also nach links. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich meine Mutter zwischen dem Weinsortiment und Wänden aus Bier-, Wasser- und Saftkästen für eine – offensichtlich von ihr heimlich geplante – Bareröffnung eindeckt.

Eigentlich hatten meine Eltern das Menü für die Festtage schon vor Wochen festgelegt und alle Einkäufe längst erledigt. Was heißt hier vor Wochen? Seit ich denken kann, läuft Weihnachten bei uns Kollingers gleich ab. Eine herrliche, kulinarische Routine. Ein durchgehender Festschmaus, auf den ich mich das ganze Jahr freue. Wie auch auf die Zeit mit meiner Familie, die ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen habe.

Diese Vorfreude alleine ist allerdings nicht ausschlaggebend dafür gewesen, diesmal einen Tag früher als sonst in die bayerische Heimat zu kommen. Vielmehr hoffe ich, dass mir ein Tag mehr bei meiner Mutter und meinem Vater die Gelegenheit gibt, endlich den richtigen Moment abzupassen, um mit ihnen über eine entscheidende Veränderung in meinem Leben zu sprechen: Ich habe eine neue Freundin. Und ich muss meinen Eltern noch etwas sagen, das untrennbar mit dieser Neuigkeit verknüpft ist: Ich werde Heiligabend dieses Jahr das erste Mal nicht mit ihnen zusammen verbringen.

Irgendwie muss ich meiner Mutter und meinem Vater beichten, dass die Eltern meiner neuen Freundin, die auch erst von meiner Existenz erfahren haben, darauf bestehen, mich zur Bescherung zu sich nach Hause einzuladen, um den neuen Mann an der Seite ihrer Tochter kennenzulernen.

 

Doch im Moment ist weder die Zeit noch der Ort, diese Themen anzusprechen. Denn nicht zu wenige Gäste sind gerade das Problem der Familie Kollinger, sondern zu viele. Fest geplant hatten meine Eltern über Heiligabend hinaus nämlich lediglich mit mir. Sie hatten für mich, wie jedes Jahr, eine Matratze in meinem alten Zimmer überzogen, die Speisekammer mit meinem Lieblingsessen gefüllt und den knisternden Kachelofen vorgeheizt. Mein Bruder Niklas und seine Frau Fine wollten mit ihrem kleinen Sohn Lenni ebenfalls am Vierundzwanzigsten für den Abend aus München vorbeikommen, was meinen Eltern beim bloßen Gedanken an den kleinen Wonneproppen das pure Entzücken um die Mundwinkel malte. Lenni ist jetzt knapp fünf Monate alt. Ein Kind so süß wie in Zuckerwatte gepackter Sonnenschein. Kennengelernt habe ich Baby-Lenni noch nicht. Dafür ist seine Entwicklung in der Kollinger-Familien-WhatsApp-Gruppe mit so vielen Fotos dokumentiert worden, dass diese zettabytegroße Bilderflut mutmaßlich der Auslöser für die sich in letzter Zeit häufenden Serverprobleme der App-Betreiber war. Wenn WhatsApp down ist, hat Lenni vermutlich gerade unfreiwillig eine lustige Grimasse geschnitten.

Gestern hat mein Bruder dann angerufen und gefragt, ob es möglich wäre, dass Fine, Lenni und er vielleicht doch für eine oder zwei Nächte bleiben könnten, da sie Freunde von früher in der Nähe besuchen wollten und dann nicht mehr extra zurück nach München fahren müssten. Die frischgebackenen Großeltern waren natürlich einverstanden. Mehr Lenni-Time!

Jetzt sind drei zusätzliche Erwachsene und ein Baby-Lenni logistisch schon eine Herausforderung für ein kleines Einfamilienhaus mit nur einem Badezimmer, aber nichts, was mein Vater nicht mit einem mit dem Schichteinteilungsprogramm seiner Apotheke erstellten Excel-Zeitplan in den Griff bekommen würde. Jedem von uns ist ein Ausdruck des von ihm ausgeklügelten Badplans auf das Kopfkissen gelegt worden – auch Lenni –, mit dem Hinweis, dass sich alle Bewohner möglichst an die vorgeschriebene Zeit zu halten hätten. Meine Mutter war ihre Menüs und das Plätzchenlager im Keller noch mal durchgegangen und zu dem Schluss gekommen, dass niemand verhungern würde. So weit, so gut.

Der Grund, warum mein Vater in dieser Sekunde über einem neuen Einteilungsplan für die Badzeiten brütet, meine Mutter bereits den zweiten Einkaufswagen heranzieht und ich immer noch auf der Suche nach Eiern durch die Supermarktgänge stolpere wie ein Kleinkind an Ostern, dessen Eltern beim Verstecken des Nestchens übermotiviert gewesen waren, ist eine Sprachnachricht meines inzwischen 91-jährigen, fast tauben, so gut wie erblindeten Großvaters Georg und seiner Lebensgefährtin Lisbet von heute Morgen auf der Mailbox meiner Mutter:

«Brigitte, Schatz, hier ist Lisbet …», hatte Lisbet in ihr altes Tastentelefon geflötet.

«Wo ist die Brigitte?», hatte mein Opa sie, neben ihr sitzend, verwirrt unterbrochen.

«Bei sich zu Hause, Georg. Wir rufen sie gerade an.» Kurzes, ungläubiges Schweigen.

Dann Opa Georg: «Gib mir mal das Telefon!»

«Wir sind auf Lautsprecher, Georg», hatte Lisbet geantwortet.

Was ein Telefonlautsprecher ist, weiß mein Großvater. Doch diese Information schien ihn nur noch mehr verwirrt zu haben: «Auf Lautsprecher? Warum höre ich Brigitte dann nicht, hm? Bestimmt sind die blöden Hörgerätbatterien schon wieder leer. Kannst du mal gucken, Lisbet? BRIGITTE, HALLO

«Das Hörgerät funktioniert einwandfrei, Georg. Mich hörst du doch auch», hatte Lisbet Opa Georg die Situation in sanftem Ton weiter zu erklären versucht. Erneut ungläubiges Schweigen.

Dann wieder mein Opa: «Na, wenn alles funktioniert, warum antwortet meine Tochter dann nicht, hm? Ist sie wieder eingeschnappt? BRIGITTE, BIST DU WIEDER EINGESCHNAPPT

«Niemand ist eingeschnappt, Georg. Brigitte ist gar nicht am Telefon.»

«Aber eben hast du doch noch …? Hast du heimlich einen Kräuter getrunken, Lisbet?»

«Nein.»

«Wollen wir gleich zusammen einen Kleinen?»

«Es ist 9 Uhr morgens, Georg.»

«Vielleicht ein Schüsschen in den Kaffee?»

«Schauen wir gleich. Brigitte, also …»

«Ist sie jetzt doch dran? Schätzchen, grüß dich, freust du dich schon?»

«Wir telefonieren mit dem Anrufbeantworter, Georg. Und Brigitte weiß doch noch gar nichts.»

«Was weiß sie noch nicht?»

Es war förmlich zu hören gewesen, wie Lisbet ihrem Lebensgefährten liebevoll die Hand auf den Oberschenkel legte, während sie weitersprach: «Na, Georg, dass wir sie morgen für die Weihnachtstage besuchen kommen. Deswegen rufen wir doch an. Brigitte, hörst du? Dein Vater und ich kommen...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2018
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte 7 Kilo in 3 Tagen • Das beste Weihnachten des Jahres • Geschenkbücher Weihnachten • Humor • Jan Böhmermann • lustige Weihnachtsgeschichten • Neo Magazin Royale • Satire • Verwandtschaft • Weihnachtsessen • Weihnachtsmarkt • Weihnachtsroman • Weihnachtszeit
ISBN-10 3-644-40549-2 / 3644405492
ISBN-13 978-3-644-40549-3 / 9783644405493
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