Ein dänisches Verbrechen (eBook)

Gitte Madsen ermittelt
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2018 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1742-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein dänisches Verbrechen -  Frida Gronover
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Der Tod lauert am schönsten Strand Dänemarks Als Bestatterin ist Gitte Madsen darauf vorbereitet, dem Tod ins Auge zu blicken. Doch eine Leiche auf der Terrasse ihres gemütlichen Ferienhauses bringt selbst die patente Halbdänin aus dem Konzept. Schon auf der Fähre von Puttgarden ist ihr ein junger Mann aufgefallen, der sich offenbar bedroht fühlte. Dass er noch am selben Abend tot vor Gittes Tür liegt, kann kein Zufall sein. Was hat es mit den Wikingerrunen auf sich, die dem Toten in die Haut geritzt wurden? Und welche Rolle spielt Gittes Vater, der zwanzig Jahre zuvor in Marielyst verschwunden ist? Zusammen mit Ole Ansgaard, dem einheimischen Kommissar, geht Gitte den Geheimnissen des idyllischen Urlaubsortes auf den Grund.  Ein wunderbaren Urlaubskrimi mit 'Hygge'-Garantie!

Frida Gronover, geboren 1969, verbrachte die Sommer ihrer Kindheit auf Falster und ist der dänischen Insel seitdem besonders verbunden. Wenn sie nicht in ihre Wahlheimat reist oder sie sich in ihren Krimis herbeischreibt, lebt sie zusammen mit ihrer Familie und ihren Tieren in Nordrhein-Westfalen.

Frida Gronover, geboren 1969, studierte Diplom-Pädagogik und Kunsttherapie an der Universität Münster. Seit 1993 arbeitet sie als Klinik-Therapeutin. Die Sommer ihrer Kindheit verbrachte sie auf Falster und ist der dänischen Insel seitdem besonders verbunden. Sie lebt zusammen mit ihrer Familie und ihren Tieren in Nordrhein-Westfalen.

1


Eine Überfahrt mit der Autofähre von Puttgarden im Norden Deutschlands nach Rødby in Dänemark dauerte keine Stunde.

Bereits wenige Minuten nach dem Ablegen des großen Kahns sah Gitte eine Menge Passagiere dösend in den Sesseln und auf den Bänken sitzen, oft mit einem Becher Kaffee in der Hand. Sie grinste, als sie umherblickte. Viele der älteren Kinder sprangen herum, schauten durch die großen Fenster aufs Meer hinaus oder stürmten über die Sonnendecks. Die kleinen Kinder hingegen hingen im Arm der Eltern, viele weinerlich und völlig übermüdet. Es gab auf dieser Fähre zum Zeitvertreib sogar einarmige Banditen, aber insgesamt erinnerte der Wartebereich an eine Bahnhofshalle.

Die Ungeduldigen unter den Touristen strebten schon früh zum großen Shop und wussten offenbar genau, was sie an Spirituosen und Kosmetikwaren brauchten.

Gitte wollte erst kurz vor dem Anlegen in den Shop gehen und in sentimentaler Erinnerung an alte Zeiten mit ihrem Vater einige gefüllte Schildkröten kaufen. Es gab diese Schokodinger mit Lakritze oder Karamell. Als Kind hatte sie die Schokoschildkröten geliebt.

Derweil beobachtete sie relativ ungeniert die Leute in der Nachbarschaft ihres Sessels. Nach zwanzig Minuten wusste Gitte, dass die Familie ihr gegenüber bereits zum dritten Mal in Dänemark Urlaub machte und hoffte, diesmal endlich gutes Wetter zu haben. Sie erfuhr auch, dass der Mittlere der drei Geschwister eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und deshalb neben der Badehose auch seine Deutschbücher dabeihatte. Grausam. Am liebsten hätte Gitte der Familie einige Tipps für einen entspannten Urlaub mitgegeben.

Es war Samstagmorgen, die Fähre war bis auf den letzten Autoplatz gefüllt und schipperte bei strahlendem Sonnenschein durch das blaue Wasser. Alle Urlaubsgäste an Bord waren entzückt, viele saßen draußen auf den Sonnendecks. Was für ein herrlicher Start in die schönste Zeit des Jahres.

Gitte selbst war das Wetter beinahe egal, sie würde noch genug Gelegenheit bekommen, jede Variante des Sommers in Dänemark zu erleben. Denn sie hatte eine anfangs nur vage Idee tatsächlich in Realität verwandelt und siedelte nach Dänemark über. Das klang ungewöhnlicher, als es für Gitte war. Mit einem dänischen Vater und einer deutschen Mutter war sie in beiden Ländern und beiden Sprachen heimisch. Die glatten blonden Haare hatte sie von ihrem Vater geerbt, obgleich längst nicht alle Dänen blond waren. Ihr Naturell hätte jeder, der sich da auskannte, als original westfälisch beschrieben, womit die sehr direkte, aber manchmal wortkarge oder auch sture Art der münsterländischen Landbevölkerung gemeint war.

Da fiel ihr jemand auf, der ebenso wenig Urlaubsstimmung ausstrahlte wie sie selbst. Der südländisch wirkende junge Mann stand aufrecht an die Wand gelehnt, eine Hand umschloss einen weißen Pfeiler, die andere umklammerte einen sehr großen Rucksack, der zwischen den Beinen des Jungen steckte, beides so angestrengt, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Das Gesicht mit den schwarzen Augen und dem feinen dünnen Schnurrbart war starr. Und wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass der junge Mann leise vor sich hin redete.

Gitte Madsen erkannte Angst bei einem Menschen, wenn sie sie sah. Sie hatte lange als pädagogische Mitarbeiterin in der Opferhilfe gearbeitet. Außerdem fühlte sie sich selbst gerade nicht besonders mutig. Immer wieder musste sie zu dem jungen Mann hinüberblicken. Er sah so hilflos und einsam aus.

Sie vermutete eine panische Furcht, das Schiff könnte kentern. Er blieb trotz seines starren Gesichtsausdrucks fluchtbereit, behielt ständig den Ausgang im Auge und stand nahe an der Tür zu den Decks. Ungünstig nahe. Die Wahrscheinlichkeit, von einem anderen Passagier geschubst zu werden und hinzufallen, war deutlich größer als die zu ertrinken. Zumal der junge Mann sehr schmal gebaut war. Gitte überlegte, wie sie ihn zum Lächeln bringen könnte. Dann sähe er mit diesen runden Augen und dem schönen Mund bestimmt fantastisch aus.

Als neben ihr ein Platz frei wurde, machte sie dem fremdländischen Jungen ein Zeichen, dass er sich setzen könne. Er lächelte, ganz kurz, aber tatsächlich sehr schön. Doch er blieb stehen und starrte weiterhin durch die Fenster aufs Meer hinaus. Ruhiger würde er wohl erst werden, wenn das dänische Land in Sicht kam. Dann würde allerdings in ihr selbst Unruhe aufkommen.

Und das wäre auch kein Wunder. Mit vierunddreißig Jahren den Job zu kündigen und mit der Fähre nach Dänemark überzusiedeln riss einen auf jeden Fall aus dem Alltag. In ihrem Fall einem eigentlich recht geordneten Alltag. Wäre da nicht der Tod der Mutter gewesen. Der hatte ein ganz schönes Loch in ihr Leben gerissen, und sie musste feststellen, dass Münster nicht mehr ihre erste Wahl war. Die Trennung von ihrem Freund kam erschwerend hinzu, und Gitte beschloss, nach Dänemark zu ziehen, in das Land ihres Vaters. Das war ein großer Schritt, der viel mit ihren Gefühlen zu Dänemark zu tun hatte, denn ihr Vater war vor knapp zwanzig Jahren bei einem Auftrag dort spurlos verschwunden.

Immerhin hatte sie sich in Dänemark einen Job besorgt. In Marielyst, das sie von Urlauben her kannte, würde sie bei einem örtlichen Bestatter arbeiten. Dieser Beruf faszinierte sie, seit sie noch während der Schule ein Praktikum gemacht hatte. Nun hatte sie noch einen entsprechenden Lehrgang absolviert und war froh, dass der Bestatter in Marielyst sehr kurzfristig jemanden gesucht hatte, als Ersatz für einen verunglückten Mitarbeiter. Zusammen mit dem Geld, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte, würde sie eine Zeit lang über die Runden kommen. Ein kleines Häuschen, so eine niedliche Ferienholzhütte, wartete ebenfalls auf sie.

Die Hütte sei sogar wintertauglich, hatte der Vermieter geprahlt. Darin hätten schon jede Menge deutsche Touristen Weihnachten gefeiert. Das hatte er eigens betont: deutsche Touristen. Die bräuchten es doch immer extra warm, trocken und sauber. Und auf die Beleuchtung legten sie auch großen Wert. Hell sollte der Raum sein, jede Ecke musste man erkennen können. Der Däne hingegen hatte seine Beleuchtung lieber »hyggelig«, gemütlich halt. Und dann hatte er gelacht, der Herr Asgersen.

Nun, dieses Jahr würde sie dort Weihnachten feiern.

Plötzlich schrie ein kleiner Junge los: »Mami, Feuer, Feuer, es brennt!« Gitte sah, wie der Junge mit dem Rucksack zwischen den Beinen heftig erschrak. Aufgeregt blickte er um sich, ohne dabei die Hand von der Eisenstange zu nehmen.

Zwei, drei andere Passagiere sprangen beunruhigt auf und drehten den Kopf suchend in sämtliche Richtungen, doch die meisten Leute sahen ruhig den beiden Stewards entgegen, die den Gang entlangeilten. Tatsächlich konnte man einen Brandmelder gedämpft tuten hören. Für einen ganz kleinen Moment durchfuhr auch Gitte ein Schreck, dann beruhigte sie sich wieder. Der Signalton kam von den Toilettenräumen, da explodierte so leicht nichts.

Hinter dem kleinen Jungen tauchte jetzt ein langhaariger Mann auf, zu dem sein teurer Blazer nicht recht passen wollte.

Er sagte zerknirscht: »Ich habe auf der Toilette geraucht, und die Rolle Klopapier hat sich entzündet. Ein Versehen. Entschuldigung.«

Gitte war sich nicht sicher, ob der ängstliche Passagier die auf Dänisch gesprochenen Worte verstanden hatte, und sie ging zu ihm, um ihm auf Englisch Entwarnung zu geben. Er nickte eifrig und sagte in einem leidlich verständlichen Gemisch aus Englisch und Deutsch, dass alles okay sei. Er wisse schon, dass er keine Angst haben müsse.

Einmal ins Reden gekommen, wurde der junge Mann gesprächig und wiederholte mehrmals, dass es doch so voll sei auf der Fähre.

»Volle Boote bringen Tod im Wasser. Das Meer holt sich Tribut.« Dazu nickte er mit dem Kopf, sodass einzelne schwarze Locken wippten.

Das klang sehr nach einer traumatischen Erfahrung, und kurz kam ihr der Gedanke, es könnte sich um einen Flüchtling handeln. Sie fragte ihn, woher er komme.

»Ich bin Grieche. Ich habe gearbeitet auf einem Fischerboot. Und dann kam kleines Boot mit Flüchtlingen. So viele Leute. Sie schreien und wollen Hilfe, aber beide Boote sind zu klein für so viele Menschen. Ich habe immer wieder Menschen aus dem Wasser gezogen.« Er ließ die Stange los und machte mit den Armen Bewegungen, als fischte er jemanden aus dem Wasser.

»Ich konnte nicht mehr, war so schwach, zu viele im Wasser, und alle rufen nach Hilfe. Und sie starren mich an. Da war so viel Angst. Vier Menschen sind ertrunken.« Er riss die Augen so weit auf, dass zu viel Weiß zu sehen war. Diese Augen machten Gitte ganz nervös.

»Das muss schrecklich gewesen sein. Aber auf dem Schiff sind nicht zu viele Menschen, die Fähre ist groß genug. Es gibt nur einen Blödmann an Bord«, sagte sie in beruhigendem Tonfall.

Jemand lachte bestätigend, als er ihre Worte hörte.

Wie furchtbar, mitansehen zu müssen, wie andere ertrinken, ohne helfen zu können. Kein Wunder, dass eine Überfahrt über das offene Meer, egal, wie groß das Schiff war, ihn daran erinnerte.

Und endlich befand sie sich auf dänischem Boden. Gitte ließ ihren...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2018
Reihe/Serie Ein Gitte-Madsen-Krimi
Ein Gitte-Madsen-Krimi
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2018 • Amateur • Arbeit • Bannalec • Bestatterin • Bestattung • Bestseller • buch neu • Camping • COSY • Cosy Crime • Crime • Dänemark • Dänemarkurlaub • Dänemark-Urlaub • Dänisch • dänische Krimiserie • Detektivin • Detektivin Serie • Ermittlerin • Falster • Fehde • Ferienhaus • Ferienwohnung • Gemütlich • Geschenk • Hobby • Hotdog • hygge • Hygge-Trend • Idylle • Insel • Inselkrimi • Inselkrimi Dänemark • Insel Urlaub • Insel_Urlaub • Jean-Luc Bannalec • Krimi • Krimi Dänemark • Krimiserie • Marielyst • Neu • Neu 2018 • Neuerscheinung • Neuheit • Ostergeschenk • Ostern • Ostsee • Polizei • regional • Regionalkrimi • Regionalkrimi 2019 • Sandstrand • Serie • Softeis • spannende Ermittler • ungewöhnliche Ermittler • Urlaub • Urlaubskrimi • Verbrechen • Viveca Sten • weibliche Ermittlerin • Wohmobil
ISBN-10 3-8437-1742-7 / 3843717427
ISBN-13 978-3-8437-1742-7 / 9783843717427
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