Fuck the Reiswaffel (eBook)

Ein Kleinkind packt aus

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
288 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1613-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fuck the Reiswaffel - Barbara Ruscher
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'Babymund tut Wahrheit kund - und das auch noch sehr komisch.' Horst Evers.

Gerade ist Mia eins geworden, hat gelernt, wie man aus Bio-Essen Kunstwerke schafft und Eltern wachhält, da beschließen Mama und Papa, dass ihnen einmal Babyhölle nicht reicht. Sie holen allen Ernstes noch ein Kind ins Haus - einen Jungen, igitti! -, und dann will Mama wieder arbeiten. Und während Papa gezwungenermaßen mit Brüderchen Fritz zu Hause bleibt, soll Mia tatsächlich in die Kita gehen. Abschiebung - nicht mit Mia! Da haben die lieben Eltern die Rechnung ohne das Kind gemacht ...

Aus der Sicht eines frühgeförderten Kleinkindes gibt die preisgekrönte Kabarettistin Barbara Ruscher hoch amüsante Einblicke in die biologisch korrekte Familienwelt.



Barbara Ruscher, geboren 1969 in der Nähe von Bonn, hat ein Lehramtsstudium und Referendariat in Musik und Germanistik absolviert, was ihr die Grundausbildung für die Bühne lieferte - schaffst du das, schaffst du alles. Seit 1998 ist sie auf den deutschsprachigen Kabarettbühnen unterwegs. 'Fuck the Möhrchen' ist ihr erster Roman. www.barbara-ruscher.de

Kapitel 1
Schnuller, die im Dunkeln leuchten


Ich wache auf.

Um mich herum herrscht Dunkelheit.

Nur in meinem Mund leuchtet es.

Neonpink.

So wird man heutzutage als Kind also in die Welt hineingeschubst. Oral gut versorgt, aber richtig mies gegendert.

Ganz ehrlich. Es gibt herrliche Schnuller, runde, symmetrische und kiefergerechte, mit Kirschkernform, aus Kautschuk, Silikon oder Latex, Bisphenol-A-freie Schnuller und sogar Schnuller aus in Mondlicht geschnitztem Ahornholz mit schamanisch besprochenen Poren.

Wäre mir alles recht. Nur PINK soll er bitte nicht sein.

Schaue in den Spiegel des gegenüberliegenden Wandschranks. O mein Gott. Es ist noch schlimmer, als ich dachte. Den Leuchteschnulli ziert ein Einhorn.

In den Akademikerkreisen, in denen sich Mama und Papa zu meinem Leidwesen bewegen, hat sich offensichtlich noch nicht rumgesprochen, dass ein kitschiges Fabelwesen mitnichten die richtige Vorbereitung auf das Leben im dritten Jahrtausend ist. Das Einhorn soll zwar das edelste und reinste aller Fabeltiere sein, da es für Anmut und Eleganz und Freiheit steht, aber jedes Kind kennt doch die schreckliche Wahrheit über das Tier mit dem langen Kegel auf der Nase: Einhörner pupsen Regenbögen in allen Farben.

Schlimmer geht es nicht.

Ich spucke das Ding aus, vermisse es jedoch sofort, diesen gummierten Brustwarzenersatz, dieses unvergleichlich befriedigende Gefühl im oralen Bereich. Einhorn hin oder her. Ich taste nach dem Schnuller, doch er fällt durch die Stäbe meines Gitterbettchens – und rollt fort, in unerreichbare Ferne. Ich gerate in Panik. Mein Gehirn gibt ein Signal an die Stimmbänder, und sie gehen in Stellung. Ich schreie mit all der Kraft, die meine zwölf Monate alten Lungen zu bieten haben, und gebe wirklich alles, um meinen Beruhigungssauger zurückzuordern. Doch nichts passiert. Noch nicht einmal das Fürsorgepersonal erscheint.

Ich schreie weiter.

Endlich hastet Mama herein und beginnt sofort, hektisch den Schnuller zu suchen. Sie hat ihre Brille nicht auf, also geht sie auf die Knie und tastet sich vorwärts, ihre dunklen langen Haare fallen in ihr bleiches Gesicht.

»Da!«, schreie ich.

»Wo?«, fragt sie.

»Da!«

»Wo?«

»Dadada!«

Mama holt Papa.

»Ja, wo ist denn unser kleiner Dadaist?« Papa fährt sich durch seinen Hipster-Bart, wie ihn heutzutage alle Väter haben, die modisch was auf sich halten. Was ich über das Gestrüpp an seinem Kinn denke, habe ich ihm noch nie gesagt, denn ich habe ihn lieb und will ihn nicht verletzen. Da muss er schon selbst drauf kommen. Außerdem: Mode kommt, Mode geht.

Bei der Schnullersuche bemüht er sich jedenfalls redlich und lacht gequält unter meinem Bettchen hervor. Doch Humor dieser Art ist mitten in der Nacht nicht meine Sache. Ich schreie noch lauter, um meinen Punkt klarzumachen. Papa fragt: »Mia, wollen wir uns nicht lieber beruhigen?«

Du vielleicht, denke ich. Ich nicht. Erst brauche ich mein Einhorn zurück.

Ich schreie weiter, denn er hat meinen wunden Punkt getroffen. Das Einzige, was ich sagen kann, ist »Mama«. Und vielleicht noch »Da.« Gut, ich bin erst ein Jahr alt, aber durch die monatelange Frühförderung bereits im Mutterleib meiner sprachlichen Kompetenz geistig weit voraus. Ein unangenehmer Zustand, und ich trainiere hart, um meinen Wortschatz zu erweitern. Kurz: Ich rede den ganzen Tag, selbst wenn mich so gut wie niemand von den Erwachsenen versteht. Bloß meine Mama scheint manchmal zu spüren, worum es mir geht. Auf die ist Verlass.

Meinen besten Freund Teddy, der jede Nacht bei mir schläft, nervt mein Gebrabbel, aber ich lasse mich nicht vom Üben abhalten, immerhin möchte ich später in der Lage sein, souveräner als ehemalige bayrische Ministerpräsidenten beschreiben zu können, wie man vom Bahnhof zum Flughafen kommt.

»DAAAAA

Obwohl mein Redefluss Teddy oft zu viel wird, bin ich erleichtert, dass wenigstens er mich versteht. Ebenso wie meine gleichaltrigen Freunde Sören-Wotan und Levke-Fee – auch wenn sie die Einzigen sind.

»DAAAAA

Mama sagt, ihr Rücken mache ihr schon wieder Probleme, sie müsse sich sofort hinlegen, Papa solle weitersuchen und um Himmels willen endlich dafür sorgen, dass Mia sich beruhige.

Ist klar.

»Du brüllst wie Carmen Geiss nach ihrem Mann«, sagt Teddy.

»Ooooooh neeeeee«, rufe ich, und er äfft mich nach und schreit: »Rooooobert!«

Ich sehe das einfach nicht ein. Seit Mama wieder schwanger ist, geht es immer nur um dieses Baby, das doch realistisch betrachtet noch gar nicht da ist. Um mich kümmert sich überhaupt niemand mehr. Ich werde ignoriert und könnte kotzen. Wie Mama, sie macht das oft, seit ihr Bauch dicker wird. Hat wohl auch keinen Bock auf Fritz, den Fötus.

Statt mich – wie früher – selig lächelnd anzustrahlen und mir ununterbrochen zu sagen, wie lieb sie mich habe und dass ich ihr allerliebster Schnurzipurz sei – ein Kosewort, das seinesgleichen sucht –, gibt es nun immer etwas, worüber sie sich beschwert. Fritz mache Streifen auf ihren Bauch, sie habe Sodbrennen und könne nicht mehr mit mir toben. Ich frage mich ernsthaft, warum sie Fritz nicht einfach aus ihrem Bauch rausschmeißt. Zu nichts nütze, dieser Zwerg, einfach nur ein Störfaktor. Ein Kind reicht doch.

Vor kurzem noch hat sie immer mit mir »Hoppe, hoppe Reiter« gespielt, ein wirklich dämliches Spiel, bei dem sie irgendwann so tut, als ließe sie mich fallen, was sie aber sowieso nicht macht, immerhin ist sie meine Mama. Trotzdem hat mir dieser Quatsch mit ihr immer Spaß gemacht. Habe mich ihr zuliebe bei jedem Hops ahnungslos gestellt und dann gejuchzt, wenn sie mich im Fallen ganz überraschend aufgefangen hat. Zugegebenermaßen eine sehr schlichte Form der Unterhaltung, aber es war schön, sie glücklich zu machen.

Jetzt hat sie Angst, dass ich beim Hopsen gegen ihren Bauch stoße und Fritz dann anfängt zu boxen. Wo soll das noch enden? Wird sie mich irgendwann gar nicht mehr auf den Arm nehmen, wenn ihr Bauch so weiterwächst? Das einzig Gute an dem Bauch sind die Streifen darauf. Ich stelle mir immer vor, das seien Straßen und fahre mit meinem Spielzeugauto darauf entlang. Manchmal nehme ich auch ein Flugzeug, dann sind es die Landebahnen des Berliner Flughafens. Papa hat mal gesagt, da sei jetzt sehr viel Platz.

Wo bleibt eigentlich mein Schnuller? Die waren auch schon mal flotter.

Ich schreie lauter.

Papa redet nun irgendetwas vor sich hin, was sich ehrlich gesagt kaum von meiner Brabbelei unterscheidet, rennt in die Küche, kramt wie ein wildgewordener Minion in den Schubladen, kommt zurück und stopft mir ein unbekanntes Objekt in den Mund. Was ist das? Auf jeden Fall nicht mein Schnuller.

Mit mir kann man es ja machen.

In meiner Not wünsche ich mir zum ersten Mal in meinem Leben meine Hebamme Gudrun Rudolf-Steiner-Wiebkötter herbei und will von neuem schreien, doch mein Mund ist versiegelt. Fühle mich wie ein mittelalterlicher Brief, dessen Siegel nur der Papst aufbrechen kann. Unerwarteterweise schmeckt es aber plötzlich wunderbar nach Traube, ein bisschen vergoren vielleicht, aber das ist eindeutig Traube.

Papst, du kannst zu Hause bleiben.

Teddy wacht auf. Bestimmt hilft er mir und erklärt mir, was das alles zu bedeuten hat. Teddy, mein Buddy, mein brother in brain. Und in Braun. Der Einzige in meiner Umgebung, der einen tiefen Schlaf hat und der mich versteht wie kein anderer. Immer und überall. Mit ihm kann ich über alles reden, wirklich alles. Und er hat viel Erfahrung, denn er macht den Job als kuschliger Kinderbeistand schon lange. Sogar Oma hat er schon begleitet, als sie klein war, und dass er das überlebt hat, zeigt, wie robust, willensstark und gutmütig er ist.

Teddy sieht das Ding in meinem Gesicht und fängt an zu schnuppern. »Mmh, Merlot von 2013, fruchtig und mit leicht holzigem Geschmack«, murmelt er und will mir den Korken aus dem Mund ziehen, doch ich beiße zu.

»So was Gutes kriegt Fritz nicht, da kann er es im Bauch noch so schön haben«, triumphiere ich, »Merlot, aha, das merke ich mir! Danke für die Information, Teddy-Buddy, aber das ist jetzt meiner.«

Doch inzwischen hat Papa den Bling-Bling-Schnuller gefunden und tauscht die beiden aus.

»Ich will den Merlot-Nucki zurück«, schreie ich erbost, doch heraus kommt nur: »Da, da, da.«

»Ja genau, da ist dein Leuchteschnulli«, freut sich Papa.

Ich gebe auf.

Teddy dreht sich auf den Bauch, um weiterzuschlafen, vielleicht auch aus Frust, weil er nicht an dem Korken lecken durfte, denn Teddy liebt guten Wein. Doch Papa hebt ihn hoch, drückt ihn mir in den Arm und verlässt seufzend das Zimmer.

»Auch gut«, murmelt Teddy und widmet sich genüsslich einer lautstarken Flatulenz. »Das musste noch raus«, kommentiert er und kuschelt sich behaglich in meinen Arm.

Wenn mein braunhaariger Freund aufgeregt ist, muss er immer pupsen, was viele mit dem »Bööööh« verwechseln, das Teddys manchmal machen, wenn man sie auf den Bauch dreht.

Kurze Zeit später ist er eingeschlafen und schnarcht wie ein Holzfäller.

Ich liege wach, warte darauf, dass die Feinstaubwerte wieder sinken, und denke über einen neuen Geschäftszweig nach. Es muss doch möglich sein, Schnuller mit Aroma...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Achterwinter • Barbara Ruscher • Benni-Mama • Comedy • Ehestreit • Einhorn • Elternzeit • Erziehung • Ess euer Eis auf, sonst gibt's keine Pommes • Familie • Fuck the Mörchen • Große Ärsche auf kleinen Stühlen • Hayers • Humor • Kabarett • Möhrchen-Massaker • Papa werden • Ruscher • Schnall dich an, sonst stirb ein Einhorn • Streit Familie • Vater werden • Willy Breinholst • Wir sind Papa
ISBN-10 3-8412-1613-7 / 3841216137
ISBN-13 978-3-8412-1613-7 / 9783841216137
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