Könige der Finsternis (eBook)

Roman
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2019 | 1. Auflage
640 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-21378-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Könige der Finsternis -  Nicholas Eames
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Einst war Clay Cooper Mitglied der gefürchtetsten Söldnertruppe im ganzen Land. Kein Ungeheuer, das nicht von ihnen besiegt wurde. Keine Jungfrau in Nöten, die nicht von ihnen gerettet wurde. Inzwischen liegen die Heldentage lange hinter Clay - er hat eine Familie, arbeitet bei der Stadtwache. Dann steht eines Tages sein Freund Gabriel vor der Tür und bittet Clay um Hilfe bei einer Mission, der sich nur die tapfersten Krieger anschließen würden - oder die dümmsten: Gabriel will die alten Gefährten zusammentrommeln und in ein neues Abenteuer ziehen. Doch ein Held zu sein, ist heutzutage gar nicht mehr so einfach wie früher ...

Nicholas Eames wurde in Wingham, Ontario geboren. Er besuchte das College für Theaterkünste, gab seine Schauspielkarriere aber auf, um Fantasy-Romane zu schreiben. »Könige der Finsternis« ist sein Debütroman. Er lebt in Ontario, Kanada.

1

EIN GEIST AUF DER STRASSE

Clay Coopers Schatten wirkte mächtiger, als der Mann in Wirklichkeit war. Allerdings überragte er immer noch die meisten anderen Menschen, hatte breite Schultern und einen Brustkorb wie ein Fass mit Eisenringen. Seine Hände waren so groß, dass die meisten Krüge darin wie Teetassen aussahen, und das Kinn unter seinem zotteligen braunen Bart wirkte so breit und scharfkantig wie ein Schaufelblatt. Aber sein Schatten, der durch die untergehende Sonne verlängert wurde, schlich wie die beharrliche Erinnerung an den Mann, der er einmal gewesen war, hinter ihm her: gewaltig und dunkel und mehr als nur ein wenig monströs.

Clay hatte sein Tagewerk vollbracht und schlich nun den ausgetretenen Pfad entlang, der in Decktal als Hauptstraße galt. Er grinste und nickte all jenen zu, die vor dem Einbruch der Dunkelheit noch schnell nach Hause wollten. Dabei trug er den grünen Wappenrock der Wächter über einem schäbigen Lederwams, und an seiner Hüfte hing ein abgenutztes Schwert in einem groben alten Futteral. Seinen Schild – mit den Jahren durch die Wirkung vieler Äxte und Pfeile und zupackender Krallen abgeplatzt, eingedellt und zerkratzt – hatte er sich über den Rücken geschlungen, und sein Helm … na ja, Clay hatte den, der ihm in der letzten Woche vom Sergeanten gegeben worden war, verloren, so wie er den, den er vor einem Monat erhalten hatte, inzwischen verlegt hatte. So etwas passierte ihm während der beinahe zehn Jahre, die er nun schon in der Wache verbrachte, fast jeden Monat.

Ein Helm versperrte die freie Sicht und behinderte das Hören, und meistens sah man darunter einigermaßen dämlich aus. Clay Cooper mochte einfach keine Helme, das war alles.

»Clay! He, Clay!« Pip kam zu ihm herübergetrottet. Der Junge trug ebenfalls das Grün der Wächter und hatte seinen eigenen lächerlichen Flachhelm in die Armbeuge gesteckt. »Ich hab grade meinen Dienst am Südtor hinter mir«, sagte er fröhlich. »Und du?«

»Nord.«

»Nett.« Der Junge grinste und nickte, als hätte Clay nicht bloß das Wort Nord gemurmelt, sondern etwas außerordentlich Interessantes von sich gegeben. »Gibt’s da draußen irgendwas Spannendes?«

Clay zuckte die Achseln. »Berge.«

»Ha! ›Berge‹, sagt er. Mustergültig. He, hast du gehört, dass Ryk Yarsson draußen bei Tassels Hof einen Zentauren gesehen hat?«

»Vermutlich war es ein Elch.«

Der Junge schenkte ihm einen zweifelnden Blick, als ob es höchst unwahrscheinlich sei, dass Ryk statt eines Zentauren tatsächlich nur einen Elch gesehen hatte. »Wie auch immer, kommst du noch für ein paar Becher mit in den Königskopf

»Das sollte ich lieber nicht tun«, sagte Clay. »Ginny erwartet mich zu Hause, und …« Er verstummte, denn eine bessere Entschuldigung hatte er nicht.

»Ach, bitte«, stachelte Pip ihn an. »Dann eben nur einen … einen einzigen Becher.«

Clay grunzte, blinzelte in die Sonne und wog die Aussicht auf Ginnys Zorn gegen den bitteren Geschmack des Bieres ab, das ihm durch die Kehle rinnen würde. »Also gut«, gab er nach. »Aber wirklich nur einen einzigen Becher.«

Schließlich war es harte Arbeit, den ganzen Tag nach Norden zu schauen.

Im Königskopf war es schon ziemlich voll; an den langen Tischen drängten sich die Gäste, die nicht nur zum Trinken, sondern auch zu Klatsch und Tratsch herkamen. Pip drängte sich zur Theke, während Clay einen Platz an einem Tisch fand, der so weit wie möglich von der Bühne entfernt stand.

Die Gespräche um ihn herum waren von der üblichen Art: das Wetter und der Krieg, und beides war nicht besonders verheißungsvoll. Weit im Westen, im Endland, hatte es eine große Schlacht gegeben, und den Gerüchten zufolge war sie nicht besonders gut verlaufen. Eine ganze Armee der Republik, die zwanzigtausend Mann umfasste und von einigen Hundert Söldnertruppen unterstützt wurde, war von einer Herzwyld-Horde überrannt worden. Die wenigen, die davongekommen waren, hatten sich in die Stadt Castia zurückgezogen und wurden nun dort belagert. Sie mussten Krankheit und Hunger trotzen, während sich der Feind außerhalb der Mauern an den Toten gütlich tat. Außerdem war der Boden heute Morgen ein wenig gefroren gewesen, was für den frühen Herbst recht ungewöhnlich war.

Pip kehrte mit zwei Krügen und zwei Freunden zurück, die Clay nicht kannte und deren Namen er – kurz nachdem sie ihm mitgeteilt worden waren – schon wieder vergessen hatte. Aber es schienen eher nette Kerle zu sein. Clay konnte sich bloß keine Namen merken.

»Du warst also bei der Truppe?«, fragte der eine. Er hatte strähnige rote Haare, und sein Gesicht war eine postpubertäre Masse aus Sommersprossen und angeschwollenen Pickeln.

Clay nahm einen tiefen Zug aus seinem Krug, setzte ihn ab und sah zu Pip hinüber, der immerhin den Anstand besaß, beschämt zu wirken. Dann nickte er.

Die beiden warfen sich einen verstohlenen Blick zu, dann beugte sich Sommersprosse über den Tisch. »Pip sagt, ihr Jungs habt den Kaltfeuerpass drei Tage lang gegen tausend wandelnde Tote gehalten.«

»Ich hab zwar nur neunhundertneunundneunzig gezählt«, berichtigte ihn Clay. »Aber ganz schön viele waren das schon, ja.«

»Er sagt, ihr habt Akatung den Schrecken getötet«, meinte der andere, dessen Versuch, sich einen Bart wachsen zu lassen, lediglich ein paar flaumige Büschel hervorgebracht hatte, über die die meisten Großmütter höhnisch gelacht hätten.

Clay nahm noch einen Schluck, dann schüttelte er den Kopf. »Wir haben ihn bloß verletzt. Aber ich hab gehört, dass er später in seinem Nest gestorben ist. Friedlich. Im Schlaf.«

Sie wirkten enttäuscht, dann jedoch stieß Pip den einen mit dem Ellbogen an. »Frag ihn nach der Belagerung von Hohlberg.«

»Hohlberg?«, murmelte Flaumi, und seine Augen wurden so groß wie Hofmünzen. »Warte mal, meinst du die Belagerung von Hohlberg? Dann war die Truppe, in der du gedient hast …«

»Die Saga«, beendete Sommersprosse den Satz mit großer Ehrfurcht. »Du bist in der Saga gewesen.«

»Ist schon eine Weile her«, sagte Clay und zupfte an einem Knötchen in dem verzogenen Holz der Tischplatte vor sich. »Aber der Name klingt vertraut.«

»Hui«, seufzte Sommersprosse.

»Du willst mich veräppeln«, brachte Flaumi hervor.

»Also … hui«, sagte Sommersprosse noch einmal.

»Du willst mich veräppeln«, wiederholte auch Flaumi, der offenbar nicht überboten werden wollte, wenn es um den Ausdruck des Unglaubens ging.

Darauf sagte Clay nichts mehr, sondern nippte nur noch an seinem Bier und zuckte mit den Schultern.

»Dann kennst du den Goldenen Gabe?«, fragte Sommersprosse.

Ein weiteres Zucken. »Ja, ich kenne Gabriel.«

»Gabriel!«, trillerte Pip und vergoss ein wenig von seinem Bier, als er verwundert die Hände in die Luft warf. »›Gabriel‹, sagt er. Großartig.«

»Und Ganelon?«, fragte Flaumi. »Und Arcandius Moog? Und Matrick Schädeltrommler?«

»Oh, und …« Sommersprosse verzog die Miene, als er angestrengt grübelte – was dem armen Kerl nicht gut zu Gesicht stand, wie Clay fand. Er war so hässlich wie eine Regenwolke an einem Hochzeitstag. »Wen haben wir dabei vergessen?«

»Clay Cooper.«

Flaumi strich sich über die feinen Härchen an seinem Kinn, als er darüber nachdachte. »Clay Cooper … oh«, sagte er und sah verlegen drein. »Richtig.«

Sommersprosse brauchte noch einen Augenblick, bis er die Einzelteile des Bildes zusammengesetzt hatte, dann legte er die bleiche Handfläche gegen die Stirn und lachte. »Gute Götter, ich bin so dumm.«

Das wissen die Götter doch längst, dachte Clay.

Pip spürte die herannahende Peinlichkeit und mischte sich ein. »Erzähl uns eine Geschichte, ja, Clay? Vielleicht über den getöteten Nekromanten in Restfurt. Oder über die Rettung dieser Prinzessin aus … na, von diesem Ort da, erinnerst du dich?«

Von welchem Ort?, fragte sich Clay. Tatsächlich hatten sie mehrere Prinzessinnen gerettet, und er hatte nicht nur einen, sondern mindestens ein Dutzend Nekromanten getötet. Wer behielt bei so etwas schon den Überblick? Es spielte aber gar keine Rolle, denn er war jetzt nicht in der Stimmung, Geschichten zu erzählen oder das wieder auszubuddeln, was er so mühsam vergraben und noch mühsamer versucht hatte zu vergessen.

»Tut mir leid, Junge«, sagte er zu Pip und trank den Rest seines Biers. »Das war ein Becher.«

Er entschuldigte sich, gab Pip ein paar Kupfermünzen für das Bier und sagte Sommersprosse und Flaumi Lebewohl – hoffentlich sah er sie nie wieder. Er drängte sich zur Tür und seufzte tief und lange, als er nach draußen in die kühle Stille trat. Sein Rücken schmerzte, weil er sich zu weit über den Tisch gebeugt hatte. Clay reckte und streckte sich zunächst, hob dann den Kopf und betrachtete die ersten Sterne des Abends.

Er erinnerte sich daran, wie klein er sich früher beim Anblick des Nachthimmels gefühlt hatte. Wie unbedeutend. Also war er losgezogen und hatte viel Wind um sich gemacht und sich vorgestellt, dass er eines Tages zu der gewaltigen Menge der Sterne hochschauen und von ihrem Glanz nicht länger eingeschüchtert sein würde. Aber es war ihm nicht gelungen. Nach einer Weile riss Clay den Blick von dem dunkler werdenden Himmel los und ging die Straße entlang nach Hause.

Er tauschte ein paar freundliche Worte mit den Wächtern am Westtor aus. Sie fragten ihn, ob er von dem Zentauren gehört hatte, der angeblich in der Nähe von Tassels Hof gesehen worden war. Und von der Schlacht im Westen und von diesen armen Bastarden, die in Castia festsaßen. Üble, üble...

Erscheint lt. Verlag 11.2.2019
Reihe/Serie Könige der Finsternis
Übersetzer Michael Siefener
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Kings of the Wyld
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuer • Belagerung • eBooks • epische Schlachten • Fantasy • Helden-Fantasy • High Fantasy • Magie • Ungeheuer • verwunschener Wald • Zauberer
ISBN-10 3-641-21378-9 / 3641213789
ISBN-13 978-3-641-21378-7 / 9783641213787
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