Das Haus der Mädchen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Hamburg-Thriller
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40480-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus der Mädchen -  Andreas Winkelmann
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Leni kommt nach Hamburg, um dort ein Praktikum zu machen. Über eine Zimmervermittlung mietet sie sich in einer Villa am Kanal ein. Schnell freundet sie sich mit ihrer Zimmernachbarin an - aber die ist am nächsten Morgen spurlos verschwunden. Weil ihr das merkwürdig vorkommt, sucht sie nach ihr. Freddy Förster, früher erfolgreicher Geschäftsmann, ist inzwischen auf der Straße gelandet. Zufällig beobachtet er, wie jemand einen Mann am Steuer seines Autos erschießt. Um nicht zum nächsten Opfer zu werden, sucht er den Mörder. Bis er auf Leni trifft, die das Verschwinden ihrer neuen Freundin nicht hinnehmen will. Bald begreifen die beiden, dass ihre beiden Fälle mehr miteinander zu tun haben, als ihnen lieb ist - und dass sie in großer Gefahr schweben ...

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren, in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren, in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

Kapitel 1


1.


Der Mann am Straßenrand erinnerte Oliver an einen Untoten. Groß und vogelscheuchendürr, schlich er gebückt durch den feinen Nieselregen, die Schultern nach vorn gebeugt, das Kinn auf der Brust. Seine Arme schlenkerten hin und her, als habe er keine Kontrolle über sie, er torkelte auf steifen Beinen von einer Seite des Gehsteiges zur anderen. Die Straßenlaternen übergossen ihn mit schmutzig fahlem Licht. Sein langer Mantel reichte ihm bis in die Kniekehlen, die losen Enden des Gürtels wehten hinter seinem Rücken wie zwei zusätzliche Arme.

Eine Nachtgestalt, wie es sie viele gab in der Stadt, ein obdachloser Streuner auf der Suche nach einem Lager. Vielleicht hatte ihn jemand fortgejagt von dem Platz, an dem er es sich für die Nacht bequem gemacht hatte. Das Leben auf der Straße war gefährlich. Erst vor zwei Wochen war ein Landstreicher im Stadtpark von Unbekannten angezündet worden. Mit schwersten Brandverletzungen war er in die Notaufnahme gekommen, wo Oliver ihn im Vorbeigehen gesehen hatte. Ein Klumpen Fleisch, mit der Kleidung verschmolzene schwarze Krusten, hie und da nässende rote Inseln. Nur Beine und Füße waren unversehrt geblieben, und der sportlich-fröhliche Nike-Schriftzug auf den verdreckten neongelben Laufschuhen hatte sich Oliver tief ins Gedächtnis eingebrannt. In dem Moment war er froh gewesen, als Krankenpfleger auf Station zu arbeiten und nicht in der Notaufnahme. Zwar bekam er auch dort Schlimmes zu sehen, hatte aber deutlich mehr Zeit, sich darauf einzustellen.

Der Untote auf dem Gehweg torkelte gegen einen Laternenpfahl, hielt sich einen Moment daran fest, stieß sich ab und driftete zur Fahrbahn hin. Falls er stürzte, würde Oliver ihm helfen müssen. Wegsehen und weiterfahren verbot ihm die Berufsehre, aber mitten in der Nacht seinen Wagen zu verlassen, um einem offensichtlich unter Alkoholeinfluss stehenden Mann zu helfen, ängstigte ihn.

Der Fremde erreichte eine Bahnunterführung, tauchte in die Dunkelheit darunter ein, und als er auf der anderen Seite in den orangefarbenen Lichtschein der Bogenlampe geriet, drehte der Mann sich plötzlich um, hob die Hand und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Oliver, so als wolle er ihn wissenlassen, dass er ihn sehr wohl bemerkt hatte.

Olivers Herz setzte einen Schlag aus. Sein Fuß senkte sich automatisch aufs Gaspedal. Der alte Corsa hoppelte, wollte absaufen, überlegte es sich im letzten Moment anders und machte einen Satz nach vorn. Er schoss an dem Mann vorbei. Im Rückspiegel sah Oliver ihn winken.

In einiger Entfernung leuchtete eine Ampel rot. Oliver nahm den Fuß vom Gas und ließ den Wagen ausrollen. Mit einem Blick in den Rückspiegel überzeugte er sich davon, dass der Zombie ihm nicht folgte.

An der Ampel wartete bereits ein alter weißer Fiat-Kastenwagen. Nieselregen zog durch das Streulicht seiner Bremsleuchten. Aus dem verrosteten Auspuffrohr tuckerten in Stößen dunkle Abgase, so als habe der Wagen starken Husten.

Sicher einer dieser Zeitungsverteiler, die jede Nacht unterwegs waren, um an bestimmten Stellen zusammengeschnürte Pakete zu deponieren, von denen sich die Verteiler bedienten. Dann bemerkte Oliver das polnische Kennzeichen. Vielleicht waren es doch eher Wanderarbeiter auf dem Weg zu einer der zahllosen Baustellen in der Stadt.

Zwei Dinge geschahen gleichzeitig.

Die Ampel schaltete auf Gelb, und hinter der schmutzigen Heckscheibe in der rechten Tür des Kastenwagens tauchte eine Hand auf, klatschte gegen das Glas und rutschte daran herunter. Die weit gespreizten Finger hinterließen eine blutige Spur.

Das Ganze dauerte nur so lange, wie die Ampel brauchte, um auf Grün zu springen, und während Oliver wie erstarrt hinter dem Steuer saß, zog der Kastenwagen davon, eine schwarze Abgaswolke hinter sich herziehend.

Oliver fuhr nicht weiter. Er atmete auch nicht, bis die Ampel über Gelb wieder auf Rot schaltete. Das Signallicht riss ihn aus der Schockstarre, und er fragte sich, ob er das gerade wirklich gesehen hatte. Eine blutige Hand im Innenraum des alten Kastenwagens?

Das konnte nicht sein! Er war übermüdet und verwirrt, wahrscheinlich wurde er krank, seine Sinne spielten ihm Streiche, so wie eben mit dem Zombie.

Als die Ampel wieder auf Grün sprang, gab er Gas, drückte richtig auf die Tube, der altersschwache Motor des Corsa heulte auf, als er bis in den Vierten hochschaltete. Hinter der abknickenden Vorfahrt einer scharfen Rechtskurve entdeckte er den weißen Kastenwagen, bevor der nach links in eine Seitenstraße einbog. Oliver setzte ordnungsgemäß den Blinker und folgte ihm.

Erkältung und Müdigkeit hin oder her, Oliver glaubte nicht daran, sich getäuscht zu haben. Dafür war das Bild vor seinem inneren Auge zu real. Die verkrümmten Finger, das Handgelenk mit diesen bunten Freundschaftsbändern, die blutigen Streifen an der schmutzigen Scheibe.

Die Straße führte in ein Industriegebiet, das sich bis zum Hafen hin erstreckte. Hier fuhr Oliver nie entlang, auch wenn es auf der Strecke zu seiner Wohnung eine Abkürzung gewesen wäre. Die Gegend war ihm unheimlich. Zu viele dunkle Ecken, zu viele verfallene Hallen, verrostete Schienenstränge und fensterlose Häuserfassaden.

Schnell holte er den Kastenwagen ein und sah schon von weitem den blutigen Handabdruck an der Scheibe.

Oliver zog sein Handy hervor, um während der Fahrt ein Foto zu schießen, auf dem sowohl der Handabdruck als auch das polnische Kennzeichen zu erkennen waren. Dafür musste er dicht auffahren. Als plötzlich die Bremsleuchten des Kastenwagens aufleuchteten, stieg Oliver voller Schreck auf die Bremse. Der Corsa bockte und brach nach rechts aus. Oliver packte mit beiden Händen das Lenkrad, das Handy fiel in den Fußraum, der Straßenrand mit der schroff aufragenden Mauer kam rasend schnell näher. Oliver schrie, kurbelte am Lenkrad, der Corsa änderte die Richtung, rammte ein paar Meter weiter ein Straßenschild, soff ab und blieb stehen. Das Schild kippte mit der Kante auf die Windschutzscheibe, blitzartig breitete sich darauf ein Riss aus.

Mit weit aufgerissenen Augen saß Oliver da.

Stille.

Tiefe, eindringliche Stille.

An der rechten Straßenseite stand eine alte Tankstelle ohne Tanksäulen, in der sich eine Werkstatt für Autoglas befand. Sprung im Glas, wir machen das, hieß es auf einer Werbetafel vorn am Überdach.

Sekunden vergingen, die sich wie Minuten anfühlten. Oliver presste sein Gesicht gegen das Lenkrad, griff zwischen seinen Beinen hindurch nach hinten, tastete nach seinem Handy und fand es unter dem Sitz. Mit den Fingerspitzen versuchte er, es zu sich herzuziehen, ohne dabei die Straße aus den Augen zu verlieren.

In einiger Entfernung tauchten aus der Richtung, in der der Kastenwagen verschwunden war, Scheinwerfer auf. Mattgelbes Licht, wie es die alten Fahrzeuge noch hatten. Kein Xenon, kein Neon – eher eine Kerze hinter Glas.

«Komm schon, komm schon.» Oliver geriet ins Schwitzen, bekam die glatte gläserne Kante des Handys aber nicht richtig zu fassen.

Die Scheinwerfer kamen näher und näher, hielten unaufhaltsam auf ihn zu.

In Panik verriegelte Olli die Türen. Sein Herz raste, und sein Atem kondensierte an der Seitenscheibe.

In weniger als zwei Metern Entfernung rollte der weiße Kastenwagen langsam an ihm vorbei. Wegen der beschlagenen Scheibe war es Oliver nicht möglich, Details zu erkennen. Was er sah, war der helle Fleck eines Gesichts mit den Augen darin, die zu ihm herüberstarrten. Täuschte er sich, oder leuchteten sie wirklich rot?

Oliver verdrehte seinen Hals, um dem Wagen hinterherschauen zu können. Plötzlich flammten die Bremsleuchten auf, und der Fiat wendete auf der Fahrbahn.

«Nein, nein, nein!», rief Oliver und tastete wie von Sinnen nach seinem Handy.

Die gelblichen Scheinwerfer tauchten im Rückspiegel des Corsa auf.

Oliver wusste, er musste hier weg. Seine einzige Chance lag in der Flucht. Allerdings stand sein Wagen noch immer mit der Schnauze an dem gekippten Verkehrsschild. Zurück konnte er nicht, weil hinter ihm der Kastenwagen heranrollte. Er saß in der Falle!

Die Scheinwerfer blendeten auf. Helles Licht flutete den Innenraum des kleinen Corsa. Endlich konnte Olli mit den Fingerspitzen sein Handy berühren, war aber zu hektisch und stieß es nur noch weiter unter den Sitz.

Im selben Moment flog die Fahrertür des Fiat auf.

Eine Gestalt im schwarzen Regenmantel stieg aus und tauchte an der Seitenscheibe des Corsa auf. Sie klopfte gegen das Glas. Nur leicht, ohne Nachdruck, so als sei dies ein Vorschlag und kein Befehl.

Oliver war vor Angst wie gelähmt. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er sich nicht bewegen können. In diesem Moment hasste er sich dafür, nicht mutiger zu sein.

Die Hand klopfte noch einmal, jetzt fordernder. Dann machte sie ein eindeutiges Zeichen: Er solle die Scheibe herunterkurbeln.

Obwohl eine Stimme in seinem Kopf schrie, es nicht zu tun, überwand Oliver seine Lähmung,...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2018
Reihe/Serie Kerner und Oswald
Kerner und Oswald
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Deutsche Krimis • Entführung • Fitzek • Hamburg • Hamburg Krimi • Hamburg Thriller • Killer • Kriminalliteratur • Nervenkitzel • Pageturner • Praktikum • Psychospiele • Psychothriller • Serienmörder • Thriller • Verlies • Zimmervermittlung
ISBN-10 3-644-40480-1 / 3644404801
ISBN-13 978-3-644-40480-9 / 9783644404809
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