Der Ruf der Erde - Die Homecoming-Saga 2 (eBook)

Roman
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2018
Heyne Verlag
978-3-641-22870-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Ruf der Erde - Die Homecoming-Saga 2 - Orson Scott Card
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Kontrollverlust
Überseele, die KI, die auf dem Planeten Harmonie jahrhundertelang verhindert hat, dass die Menschen gegeneinander Krieg führen, wird immer schwächer. Sie hat zwar schon Schritte zu ihrer Rettung eingeleitet, aber bis die Menschen, denen bisher jede potenziell waffenfähige Technik fehlte, die Raumfahrt wiederentdecken und Überseele zurück zur Erde bringen können, wird es noch Jahre dauern. Überall auf Harmonie entgleiten die Menschen Überseeles Kontrolle: Muuzh, ein Krieger, der mit Hilfe der verbotenen Technologie die Kontrolle über eine Armee errungen hat, zieht gegen die Hauptstadt Basilika. Nafai ist mit seinen Brüdern und seinem Vater unterwegs im Auftrag Überseeles, doch Nafais Mutter Rasa ist in der Stadt geblieben. General Vozmuzhalnoi Vozmozhno hat ebenfalls eine Armee aufgestellt und bietet ihr seine Hilfe an - doch er glaubt nicht an Gott, nicht einmal an Überseele. Und doch könnte er, ohne es zu wissen, fester Bestandteil dessen Pläne sein ...

Orson Scott Card, 1951 in Richland, Washington geboren, studierte englische Literatur und arbeitete als Theaterautor, bevor er sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Mit 'Enders Spiel' gelang ihm auf Anhieb ein internationaler Bestseller, der mit dem Hugo und dem Nebula Award ausgezeichnet wurde. Auch die Fortsetzung 'Sprecher für die Toten' gewann diese beiden prestigeträchtigen Auszeichnungen, somit ist Orson Scott Card der bislang einzige SF-Schriftsteller, dem es gelang, beide Preise in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu gewinnen. Orson Scott Card kehrte immer wieder in Enders Welt zurück und schrieb mehrere Fortsetzungen. Mit 'Enders Schatten' erschuf er einen zweiten Helden, dessen Geschichte parallel zu 'Enders Krieg' erzählt wird. 'Enders Game' wurde 2013 mit Asa Butterfield und Harrison Ford in den Hauptrollen verfilmt. Card lebt mit seiner Familie in Greensboro, North Carolina.

1

 

Betrug

 

 

Der Traum des Generals

 

General Vozmuzhalnoi Vozmozhno erwachte schwitzend und stöhnend aus seinem Traum. Er öffnete die Augen, streckte die Hand aus und schloss die Finger. Eine andere Hand berührte die seine, hielt sie fest.

Die eines Mannes. Es war General Plodorodnui. Sein vertrauenswürdigster Leutnant. Sein bester Freund. Sein innigster Gefährte.

»Du hast geträumt, Muuzh.« Es war der Spitzname, mit dem nur Plod ihn anzusprechen wagte.

»Ja, allerdings.« Vozmuzhalnoi – Muuzh – erschauerte, als er daran dachte. »Ein eindringlicher Traum.«

»War er unheilvoll?«

»Auf jeden Fall entsetzlich.«

»Erzähle ihn mir. Ich kann mit Träumen etwas anfangen.«

»Ja, ich weiß genau, wie du mit Frauen etwas anfangen kannst. Wenn du mit ihnen fertig bist, sagen sie genau das, was du von ihnen hören willst!«

Plod lachte, wartete dann jedoch. Muuzh wusste nicht, warum er zögerte, Plod diesen Traum zu erzählen. Er hatte ihm so viele andere erzählt. »Na schön, das also war mein Traum. Ich sah einen Mann, der auf einer Lichtung stand, und überall um ihn herum waren schreckliche Flugwesen – keine Vögel, sie waren fellbesetzt, aber viel größer als Fledermäuse. Sie kreisten am Himmel, stießen nieder, berührten ihn. Er stand da und tat nichts. Und als ihn schließlich alle berührt hatten, flogen sie weg, bis auf ein Wesen, das sich auf seine Schulter niederließ.«

»Ah«, sagte Plod.

»Ich bin noch nicht fertig. Augenblicklich kamen riesige Ratten, die aus Erdhöhlen ausschwärmten. Sie waren mindestens einen Meter lang – halb so groß wie der Mann. Und erneut kamen sie, bis alle ihn berührt hatten …«

»Womit? Den Zähnen? Den Pfoten?«

»Und den Nasen. Sie haben ihn berührt, mehr weiß ich nicht. Lenke mich nicht ab.«

»Verzeih mir.«

»Als alle ihn berührt hatten, gingen sie davon.«

»Bis auf eine.«

»Ja. Sie schmiegte sich an sein Bein. Du begreifst das Muster.«

»Was geschah dann?«

Muuzh erschauerte. Es war das Schrecklichste überhaupt gewesen, und doch begriff er nicht, wieso, als die Worte nun über seine Lippen kamen. »Menschen.«

»Menschen? Sie kamen und berührten ihn?«

»Sie … haben ihn geküsst. Seine Hände, seine Füße. Sie haben ihn angebetet. Tausende. Aber sie haben nicht nur den Mann geküsst. Sie haben auch das … Flugding geküsst. Und die Riesenratte, die sich an sein Bein schmiegte. Sie haben sie alle geküsst.«

»Ah«, sagte Plod. Er wirkte besorgt.

»Und? Was hat der Traum zu bedeuten? Was sagt er voraus?«

»Offensichtlich ist der Mann, den du gesehen hast, der Imperator.«

Manchmal klangen Plods Interpretationen wie die Wahrheit, doch diesmal rebellierte Muuzh' Herz bei der Vorstellung, den Imperator mit dem Mann in dem Traum in Verbindung zu bringen. »Warum ist das offensichtlich? Er sah gar nicht aus wie der Imperator.«

»Natürlich, weil die gesamte Natur und die Menschheit ihn verehrt hat.«

Muuzh zuckte mit den Schultern. Das war wohl kaum eine von Plods scharfsinnigsten Interpretationen. Und er hatte nie davon gehört, dass Tiere den Imperator mochten, der sich für einen großen Jäger hielt. Natürlich jagte er nur in einem seiner Parks, in denen alle Tiere gezähmt waren und die Furcht vor Menschen verloren hatten und in denen alle Raubtiere darauf dressiert waren, sich wild zu gebärden, aber niemals zuzuschlagen. Der Imperator bekam die Gelegenheit, seine Rolle in dem großen Schauspiel des Kampfes zwischen Mensch und Tier zu spielen, geriet aber niemals in Gefahr, da das Tier sich arglos seinem schnellen Pfeil, seinem sicheren Speerwurf, seiner gnadenlosen Klinge darbot. Falls dies Verehrung war, falls dies Natur war, ja, dann konnte man sagen, dass die gesamte Natur den Imperator verehrte und anbetete …

Plod wusste natürlich nichts von Muuzh' Gedanken in dieser Hinsicht; wenn man schon das Unglück hatte, ätzend scharfe Gedanken über den Imperator zu hegen, achtete man sorgsam darauf, seine Freunde nicht damit zu belasten.

Also fuhr Plod mit seiner Interpretation von Muuzh' Traum fort. »Was für ein Vorzeichen liegt in dieser Verehrung des Imperators? An sich gar keins. Aber die Tatsache, dass du dich aufgelehnt hast, dass du entsetzt zurückgeschreckt bist …«

»Sie haben eine Ratte geküsst, Plod! Sie haben dieses abscheuliche Fluggeschöpf geküsst …«

Doch Plod sagte nichts, als er mitten im Satz verstummte. Sagte nichts und beobachtete ihn.

»Mich entsetzt keineswegs der Gedanke, dass Menschen den Imperator verehren. Ich habe selbst vor dem Unsichtbaren Thron gekniet und die Ehrfurcht seiner Gegenwart verspürt. Es war nicht schrecklich, es war … adelnd.«

»Das sagst du«, erwiderte Plod. »Aber Träume lügen nicht. Vielleicht musst du dich von etwas Bösem in deinem Herzen säubern.«

»Hör mal, du hast doch gesagt, ich hätte den Imperator in meinem Traum gesehen. Wieso kann dieser Mann nicht der … keine Ahnung … der Herrscher Basilikas gewesen sein?«

»Weil die elende Stadt Basilika von Frauen beherrscht wird.«

»Dann eben nicht Basilika. Aber ich glaube trotzdem, der Traum galt …«

»Ja? Wem?«

»Woher soll ich das wissen? Ich werde mich reinigen, nur für den Fall, dass du recht haben solltest. Ich bin schließlich kein Traumdeuter.« Das bedeutete, dass er heute einige Stunden im Zelt des Fürsprechers verschwenden musste. Es war so ermüdend, doch es war auch politisch notwendig, jeden Monat dort eine gewisse Zeit zu verbringen, oder Berichte über die Gottlosigkeit des Betreffenden gelangten schon bald nach Gollod, wo der Imperator von Zeit zu Zeit entschied, wer eines Kommandos und wer der Erniedrigung oder des Todes würdig war. Muuzh musste sich sowieso bald im Tabernakel des Fürsprechers sehen lassen, doch er konnte den Gedanken daran nicht ausstehen, wie ein kleiner Junge den Gedanken an ein Bad nicht ausstehen konnte. »Lass mich allein, Plod. Du hast mich sehr unglücklich gemacht.«

Plod kniete vor ihm nieder und nahm Muuzh' rechte Hand zwischen die seinen. »Ach, verzeih mir.«

Muuzh verzieh ihm natürlich sofort, denn sie waren Freunde. Später an diesem Morgen brach er auf und tötete die Vorsteher eines Dutzends Khlami-Dörfer. Augenblicklich schworen die Dörfler dem Imperator ihre ewige Liebe und Hingabe, und als General Vozmuzhalnoi Vozmozhno an diesem Abend ins heilige Tabernakel ging, um sich zu reinigen, verzieh der Fürsprecher ihm recht bereitwillig, denn er hatte an diesem Tag viel dazu beigetragen, die Ehre und Erhabenheit des Imperators zu vergrößern.

 

 

In Basilika und nicht in einem Traum

 

Sie kamen, um Kokor singen zu hören, kamen aus ganz Basilika zusammen, und Kokor erfreute sich daran, wie ihre Gesichter sich aufhellten, als sie – endlich – auf die Bühne trat und die Musiker sanft an den Saiten zupften oder in der leisen Unterströmung der Töne, die stets ihre Begleitung darstellten, Atem durch ihre Instrumente streichen ließen. Kokor wird endlich für uns singen, sagten ihre Gesichter. Sie mochte diesen Ausdruck auf ihren Gesichtern mehr als jeden anderen, den sie je gesehen hatte, mehr als den Ausdruck eines Mannes, den in den letzten Augenblicken vor der Befriedigung die Lust überwältigte. Denn sie wusste sehr wohl, dass es einem Mann ziemlich gleichgültig war, wer ihm das Vergnügen der Liebe schenkte, während das Publikum unbedingt wollte, dass Kokor auf die Bühne trat und den Mund öffnete, damit es die hohen, immer höher steigenden Töne ihrer unglaublich süßen Gesangsstimme vernehmen konnte, die wie Blütenblätter auf einem Bach über die Musik trieben.

Zumindest wollte sie, dass es so war, und stellte es sich genauso vor, bis sie dann tatsächlich auf die Bühne trat und sah, wie das Publikum sie betrachtete. Heute bestand es hauptsächlich aus Männern. Männer, die sie mit den Blicken geradezu verschlangen. Ich sollte mich weigern, in Komödien zu singen, sagte sie sich wieder. Ich sollte darauf bestehen, genauso ernst genommen zu werden, wie sie meine geliebte Schwester Sevet mit ihrer männlich tiefen, froschartigen, gekünstelten Stimme ernst nehmen. Oh, sie betrachten sie mit Gesichtern der ästhetischen Ekstase. Männer genau wie Frauen. Ihren Körper verschlingen sie nicht mit den Blicken, um zu sehen, wie er sich unter dem Stoff ihres Gewandes bewegt. Was natürlich zum Teil auch daran liegen mochte, dass ihr Körper dermaßen schlaff und weich war, dass es kein Vergnügen war, ihn zu beobachten, und dass er sich wie Kies unter ihrem Kostüm bewegte. Das arme Ding. Natürlich schließen sie die Augen und lauschen ihrer Stimme – das ist doch viel, viel schöner, als ihren Körper zu betrachten.

Was für eine Lüge. Was für eine Lügnerin bin ich doch, sogar, wenn ich nur mit mir selbst spreche!

Ich darf nicht so ungeduldig sein. Es ist nur eine Frage der Zeit. Sevet ist älter – ich bin gerade mal achtzehn Jahre alt. Auch sie musste in Komödien auftreten, eine Zeitlang, bis sie bekannt war.

Kokor erinnerte sich daran, was ihre Schwester in jenen frühen Tagen gesagt hatte – vor über zwei Jahren, als Sevets siebzehnter Geburtstag nahte. Ständig hatte sie die Leidenschaft ihrer Bewunderer dämpfen müssen, die die unangenehme Eigenschaft hatten, in Erwartung augenblicklicher Liebe ihre Garderobe zu betreten, bis sie schließlich einen Leibwächter...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2018
Übersetzer Uwe Anton
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Call of Earth - Homecoming Book 2
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Die Heimkehr • Die Homecoming-Saga • diezukunft.de • eBooks • Ferne Zukunft • Generationenraumschiff • Kolonie • Künstliche Intelligenz
ISBN-10 3-641-22870-0 / 3641228700
ISBN-13 978-3-641-22870-5 / 9783641228705
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