Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - Der Trinker - In meinem fremden Land (eBook)

Drei Romane in einem E-Book

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
1285 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1533-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - Der Trinker - In meinem fremden Land -  Hans Fallada
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Wer einmal aus dem Blechnapf frißt: Der Häftling Kufalt kann sein fünfjähriges Gefängnisleben nicht mit der Gefängniskluft abstreifen. Es bleibt an ihm haften, begleitet ihn auf Schritt und Tritt wie unsichtbar an ihn gekettet. Sein Leidensweg ins bürgerliche Dasein ist von den Vorurteilen seiner Umwelt begleitet. Es platzt die Verlobung und sein Traum von der ehrbaren Existenz. Er, der ewige Pechvogel, bleibt ein Versager für die Bürger und für die Ganoven. Erleichtert geht er zurück ins Gefängnis: Nun hat er Ruhe - er ist zu Hause.

Der Trinker: Untergang eines Kleinbürgers. In gut zwei Wochen, bis zum 21. September 1944, schrieb Fallada seinen persönlichsten Roman nieder. Zu der Zeit lebte er auf richterlichen Beschluss für dreieinhalb Monate in der Strelitzer Landesanstalt. Vorangegangen war ein Streit mit seiner geschiedenen Frau, bei dem Fallada einen ungezielten Schuss aus seinem Terzerol abgab. 'Solange ich schreibe, vergesse ich die Gitter vor dem Fenster', teilte er seiner Mutter in einem Brief mit. Umgeben von kranken Kriminellen, Wärtern und Pflegern, selten ungestört, schrieb Fallada nicht nur den Roman, sondern noch fünf Erzählungen und seine Sicht auf die Nazizeit nieder. Um das Manuskript zu schützen, tarnte er es durch Unleserlichkeit: fertige, eng beschriebene Manuskriptblätter stellte er auf den Kopf und schrieb in den Zwischenräumen zurück. Mitunter wiederholte er den Vorgang, so dass die Seiten wie mit einer Geheimschrift bedeckt erschienen. In monatelanger Entzifferungsarbeit wurde der Roman nach Falladas Tod im Aufbau-Verlag rekonstruiert. In dieser Fassung erschien er als Lizenzausgabe 1950 im Rowohlt-Verlag, 1953 im Aufbau-Verlag.

'Ein zeitloses Dokument über die Abgründe einer Sucht.' Nürnberger Nachrichten. 

In meinem fremden Land: »Ich habe das Leben wie alle gelebt, das Leben der kleinen Leute.« Noch bevor der Zweite Weltkrieg zu Ende ist, im Herbst 1944, resümiert Hans Fallada in einer Gefängniszelle die Jahre unter der NS-Diktatur. In ständiger Angst vor Entdeckung beginnt er sich vom Alpdruck der Nazi-Zeit freizuschreiben. Hellsichtig, selbstkritisch und mutig legt er mit seiner politischen Abrechnung den Grundstein für ein Spätwerk, das in seinem letzten Roman 'Jeder stirbt für sich allein' kulminiert - und mit dem er ein einzigartiges Vermächtnis hinterlässt.



Rudolf Ditzen alias HANS FALLADA (1893 Greifswald - 1947 Berlin), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit »Der junge Goedeschal«. Der vielfach übersetzte Roman »Kleiner Mann - was nun?« (1932) macht Fallada weltbekannt. Sein letztes Buch, »Jeder stirbt für sich allein« (1947), avancierte rund sechzig Jahre nach Erscheinen zum internationalen Bestseller. Weitere Werke u. a.: »Bauern, Bonzen und Bomben« (1931), »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937), »Der eiserne Gustav« (1938).

ERSTES KAPITEL

Reif zur Entlassung


1

 

Der Strafgefangene Willi Kufalt geht in seiner Zelle auf und ab. Fünf Schritte hin, fünf Schritte her. Wieder fünf Schritte hin.

Einen Augenblick bleibt er unter dem Fenster stehen. Es ist schräg aufgestellt, soweit die eisernen Blenden das zulassen, und herein dringt das Scharren vieler Füße, auch einmal der Ruf eines Wachtmeisters: »Abstand halten! Fünf Schritte Abstand!«

Station C 4 hat Freistunde, eine halbe Stunde gehen sie dort im Kreis, an der frischen Luft.

»Nichts haben Sie zu reden! Verstanden?!« ruft der Wachtmeister draußen, und die Füße scharren weiter.

Der Gefangene geht gegen die Tür, nun bleibt er dort stehen und lauscht in den Bau, der still ist.

Wenn Werner heute nicht schreibt, denkt er, muß ich zum Pfaffen gehen und betteln, daß sie mich in das Heim aufnehmen. Wohin soll ich sonst? Über dreihundert Mark macht mein Arbeitsverdienst sicher nicht. Die sind bald alle.

Er lauscht immer noch. In zwanzig Minuten ist die Freistunde vorbei. Dann kommen wir runter. Sehen, daß ich vorher noch was Tabak krampfe. Ich kann doch nicht die letzten zwei Tage ohne Tabak sein.

Er öffnet das Schränkchen. Sieht hinein. Aber natürlich ist kein Tabak da. Die Eßschüssel muß ich auch noch wienern, sonst kotzt Rusch mich an. Putzpomade …? Besorgt mir Ernst.

Auf den Tisch legt er Jacke, Mütze, Halstuch. Wenn draußen auch ein strahlender, warmer Maitag ist, Halstuch und Mütze sind Vorschrift.

In zwei Tagen ist es ja überstanden. Dann kann ich mich anziehen, wie ich mag.

Er versucht sich vorzustellen, wie sein Leben dann sein wird, aber er kann es nicht. Da gehe ich also die Straße lang, und da ist eine Kneipe, und ich mache einfach die Tür auf und sage: Ober, ein Glas Bier …

Draußen, in der Zentrale, der Hauptwachtmeister Rusch schlägt mit dem Schlüssel gegen das Eisengitter. Es hallt durch den ganzen Bau, in sechshundertvierzig Zellen ist es zu hören.

Schwein das, mit seiner ewigen Krachmacherei, murrt Kufalt. Stimmt wieder was nicht, Ruscheken? Wenn ich nur wüßte, was ich anfange, wenn ich rauskomme! Die werden mich doch fragen, wohin ich entlassen werden will … Und wenn ich keine Arbeit weiß, wird mein Verdienst von hier an die Wohlfahrt überwiesen, und ich darf mir alle Wochen ein bißchen holen. Euch hust ich was! Lieber dreh ich noch mit Batzke ein großes Ding …!

Er schaut gedankenverloren auf seine Jacke, deren blauer Ärmel mit drei weißen Streifen Wäscheband geziert ist. Was bedeutet, daß er »dritte Stufe« ist, ein Gefangener also, dessen Führung auf »nachhaltige Besserung und Wohlverhalten in der Freiheit« schließen läßt.

Hab ich kriechen müssen, um die zu kriegen! Und hat es gelohnt? Das bißchen Tabak und eine halbe Freistunde mehr und Radio einmal in der Woche abends und daß sie die Zelle nicht abschließen tagsüber …

Das ist so: Kufalts Zellentür ist nicht abgeschlossen, die Zellentüren der dritten Stufe werden nicht abgeschlossen, sondern nur angelehnt. Aber es ist das eine seltsame Art Vergünstigung: Beileibe darf er die Tür nicht aufstoßen, auf den Gang treten und auch nur zwei Schritt dort machen! Das ist verboten. Wenn er das tut, wird ihm die dritte Stufe wieder entzogen. Sie ist eben offen, die Tür, daß er das weiß, das ist Vorbereitung auf das Leben draußen, wo ja auch die Türen nicht abgeschlossen sind … eine allmähliche Akklimatisierung, erdacht von einem Geheimratshirn.

Der Gefangene steht wieder unter dem Fenster und überlegt einen Augenblick, ob er hochklettern soll und hinaussehen. Vielleicht sieht er jenseits der Mauern eine Frau …?

Nee, lieber nicht, sparen wir uns auf bis Mittwoch.

Ruhelos nimmt er das Netz in die Hand und strickt sechs, acht, zehn Maschen. Dabei fällt ihm ein, daß er sowohl Putzpomade wie Tabak beim Netzekalfaktor schnorren kann – und er läßt die Holznadel wieder fallen und geht gegen die Tür.

Einen Augenblick steht er und überlegt, ob er es wagen soll. Dann fällt ihm was ein, er knöpft schnell die Hosen ab, geht auf den Kübel und legt sein Morgenei. Er kippt einen Schuß Wasser darüber, schließt den Deckel, knöpft die Hosen wieder an und nimmt den Kübel in beide Hände.

Wenn er mich schnappt, sag ich, die haben heute früh vergessen, bei mir zu kübeln, überlegt er und drückt mit dem Ellbogen die angelehnte Tür auf.

 

 

2

 

Er wirft über die Schulter einen Blick gegen den Glaskasten der Zentrale, wo, wie eine Spinne in ihrem Netz, sonst der Hauptwachtmeister Rusch sitzt und alle Gänge, alle Zellentüren überschaut. Aber Kufalt hat Dusel: Der Hauptwachtmeister ist fort. Statt seiner sitzt ein Oberwachtmeister da, den der ganze Krempel langweilt: Er liest Zeitung.

Kufalt geht möglichst leise über den Gang zum Spülraum. Dabei kommt er an der Zelle des Netzekalfaktors vorbei und zögert einen Augenblick: Da streiten zwei drin. Die eine Stimme kennt er, die ist ölig: Das ist der Netzemeister. Aber die andere …

Er steht und lauscht. Dann geht er weiter.

In der Spülzelle ist Hochbetrieb. Die Kalfaktoren von C 2 und C 4 haben sich heraufgeschlichen, eine stoßen.

Und noch jemand ist hier.

»Gott, Emil, Junge, Bruhn, sieht man dich wirklich mal wieder?! Du mußt doch deinen Knast auch bald abgerissen haben?!« Dabei kippt Kufalt seinen Kübel in das Spülbecken.

»Sauerei! Wo wir hier rauchen!« schimpft ein Kalfaktor.

Kufalt gibt an. »Du hältst dein Maul, Stubben! Seit wann bist du denn überhaupt im Bunker? Ein halbes Jahr? Und so was reißt hier die Fresse auf von wegen Sauerei?! Hättest ja draußen bleiben können, wenn du Wasserspülung gewöhnt bist! Ach, halt die Klappe! Ich bin dritte Stufe! – Hat einer von euch Tabak für mich?«

»Hier, Willi«, sagt der kleine Emil Bruhn und gibt ihm ein ganzes Paket Flaggenstolz und Blättchen. »Kannst du behalten. Ich hab bis Mittwoch stief.«

»Mittwoch? Kommst du Mittwoch raus? Ich auch!«

Bruhn fragt: »Sag mal, Willi, bleibst du eigentlich hier im Kaff?«

»Ausgeschlossen! Hier, wo lauter Wachtmeister rumlaufen! Ich fahre nach Hamburg.«

»Hast du denn da Arbeit?«

»Nee, noch nicht. Aber ich krieg sicher was. Ich denke, meine Verwandten … Oder der Pfaffe … Ich komme immer durch!« Und Kufalt lächelt, aber etwas kümmerlich.

»Ich habe schon was. Ich fange hier in der Holzfabrik an. Fallennester im Akkord. Ich komme mindestens auf fünfzig Mark die Woche, hat mir der Meister gesagt.«

»Das schaffst du«, bestätigt Kufalt. »Das kannst du. Das hast du ja nun neun Jahre gemacht.«

»Zehneinhalb«, sagt der kleine blonde Bruhn und blinzelt mit seinen wasserblauen Augen. Er hat einen Seehundskopf, kuglig, gutmütig. »Elf Jahre waren’s. Ein halbes haben sie mir geschenkt auf Bewährung.«

»Mensch, Emil, das hätte ich doch nicht angenommen! Ein halbes Jahr geschenkt – und wie lange sollst du dich bewähren?«

»Drei Jahre.«

»Schön dumm bist du. Und wenn du ’ne Kleinigkeit machst, wenn du nur ’ne Scheibe einschmeißt in der Besoffenheit oder Krach schlägst auf der Straße, schon mußt du dein halbes Jahr abreißen. Das hätte ich doch noch gleich mit runtergerissen.«

»Na, Willi, wenn man zehneinhalb Jahr Knast geschoben hat …«

»Mir haben sie ewig gesagt, der Direktor und der Lehrer und der Pfaffe, alle: Ich soll ein Gesuch auf Bewährung machen. Aber ich bin nicht so dumm. Wenn ich Mittwoch rauskomme, dann hab ich freie Bahn …«

Ein Kalfaktor mischt sich ein: »Ich denke, dir haben sie dein Gesuch abgelehnt?«

»Abgelehnt? Gar keins gemacht habe ich, hast du Dreck in den Ohren?«

»Mir hat’s aber der Hausvaterkalfaktor erzählt.«

»Der? Was der weiß! Die dünken sich was, die vom Hausvater! Weißt du, was das für einer ist? Kleine Kinder stößt der vor den Hintern und nimmt ihnen die Mark weg, die ihnen ihre Mutti für Besorgungen gegeben hat. Von so einem läßt du dir Geschichten erzählen! – Hast du Putzpomade?«

»Der Kaliebe hat aber auch gesagt …«

»Quatsch! Ob du Putzpomade hast? Zeig mal her. Gut, die hab ich. Kriegst du nicht wieder. Ich muß noch wienern. Red hier bloß keine Töne, Mensch. Außerdem hab ich bei meinen Sachen ein großes Stück Toilettenseife, das geb ich dir dafür. Komm Mittwoch zur Abgangszelle. Soll ich dir auch einen Brief mit rausnehmen? Gut, gemacht. Mittwoch morgen Abgangszelle.«

Der Kalfaktor von C 2 läßt sich vernehmen: »Der gibt ja heute an, noch und noch. Richtig durchgedreht, weil er übermorgen rauskommt.«

Aber Kufalt plötzlich stockwütend: »Ich und durchgedreht wegen Rauskommen? Du spinnst ja. Mir ist das so Scheiße, ob ich noch ein paar Wochen hier bleibe oder nicht. 260 Wochen abgerissen – 1825 Tage – da staunste: – und ich soll angeben wegen Rauskommen?!«

Dann wendet er sich ruhiger zum kleinen Bruhn: »Also, hör mal, Emil – ach, willst du dich verdrücken? Freistunde muß gleich alle sein. Sieh doch, daß du dich heute mittag in die dritte Stufe mogelst …«

»Das kann angehen. Bei uns auf F hat Petrow Dienst. Der macht es.«

»Schön. Ich möcht noch was mit dir reden. Also, hau jetzt ab.«

»Wiedersehen, Willi.«

»Wiedersehen, Emil.«

»Da will ich auch gleich …«, sagt Kufalt und nimmt seinen geleerten Kübel. »Ach so! Weiß einer, was mit dem Netzekalfaktor los ist?«

»Den hat wer in die Pfanne gehauen. Der schiebt Arrest.«

»Ei wei! Wieso denn?«

»Hat Briefe durchgeschmuggelt mit der...

Erscheint lt. Verlag 2.4.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Absturz • Alkohol • Alkoholiker • Alkoholsucht • Denunziation • Gefängnis • Gefängnisalltag in den 40er Jahren • Gefängnisleben • Gefängnistagebuch • Haft • Leben im Gefängnis • Nazi-Zeit • NS-Zeit • Pechvogel • Rausch • Sozialkritik • Tagebuch • Versager
ISBN-10 3-8412-1533-5 / 3841215335
ISBN-13 978-3-8412-1533-8 / 9783841215338
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