Junger Herr - ganz groß -  Hans Fallada

Junger Herr - ganz groß (eBook)

Oder: Der Jungherr von Strammin

(Autor)

Jürgen Schulze (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
427 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-431-1 (ISBN)
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Ein tatsächlich vergnüglicher Roman von Fallada, über den er selbst sagte: 'Ein Manuskript, das ich ohne alles schlechte Gewissen absende - wenn es auch nur ein Unterhaltungsroman ist -, und das sage ich nur selten.' Der Auftrag, an den Jungherrn von Strammin, lautet, 400 Zentner Weizen zum Stralsunder Hafen zu schaffen - eine leichte Aufgabe, eine Aufgabe, sich zu beweisen. Aber unvorhergesehene Ereignisse bringen alle Pläne durcheinander. Er begegnet der lieblichen Catriona (»... mit einem C am Anfang ...«), trifft auf von Lassenthin, den berüchtigten pommerschen Raubold. Und schließlich muss er sogar in See stechen - wenn auch nur bis Hiddensee. Ein vergnüglicher Roman um das Erwachsenwerden, im Handeln und im Lieben - ein leichter Roman, wie man ihn von Fallada nicht erwartet hätte. Null Papier Verlag

Hans Fallada (21. Juli 1893-5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der 'Neuen Sachlichkeit'.

Hans Fallada (21. Juli 1893–5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit".

1 – Ich fahre mit vierhundert Zentnern Weizen nach Stralsund und komme ohne ein Pfund dort an
2 – Ich verliebe mich vom Fleck weg in die schöne Unbekannte und gerate in tausend neue Schwierigkeiten
3 – Ich erfahre Catrionas Geschichte und setze sie auf einer Insel aus
4 – Ich komme zu Geld, verliere Bessy und habe eine Auseinandersetzung mit Onkel Gregor
5 – Ich wohne einem Kampf bei, soll festgenommen werden und gewinne einen Bundesgenossen
6 – Ich segle mit dem Professor nach Hiddensee und werde von ihm aus dem Sattel geworfen
7 – Ich muss mich von Catriona trennen, treffe Bessy und gerate in die Hände des Raubolds
8 – Ich werde Schlossherr auf Ückelitz und mache meinerseits einen Gefangenen. Viele neue Überraschungen
9 – Ich verzanke mich mit Mama, erschrecke sehr über den Raubold und bringe Catriona wider Willen nach Ückelitz
10 – Ich verbringe die schlimmste Nacht meines Lebens, erwache aber recht angenehm
11 – Ich richte mich häuslich auf Ückelitz ein, werde gequält und getröstet. Ein Blitz aus heiterem Himmel
12 – Ich kämpfe gegen Major von Brandau, erhalte einen wichtigen Auftrag und werde durch Mama überlistet. Meine Verzweiflung
13 – Ich kühle mich ab, Bessy und Meister Licht helfen, und ich gehe auf meine Reise ins Ungewisse
14 – Ich reise mit Gregor und werde bestohlen. Mein Glück und meine schreckliche Niederlage. Alles verloren!
15 – Es kommt alles zu einem Ende – und geht weiter, wie es sich gehört

1 – Ich fahre mit vierhundert Zentnern Weizen nach Stralsund und komme ohne ein Pfund dort an


Es war ganz fei­er­lich. Auf dem Hof hiel­ten hin­ter­ein­an­der die zwan­zig vier­zöl­li­gen Acker­wa­gen, je­der bis oben be­la­den mit pral­len Wei­zen­sä­cken und je­der be­spannt mit vier Füch­sen, mit je­nen pracht­vol­len Füch­sen, die un­ser Fa­mi­li­en­gut Stram­min weit über Pom­mern hin­aus be­rühmt ge­macht ha­ben. Auf der Freitrep­pe aber stand mein lie­ber Papa und hat­te eben vor lau­ter Rüh­rung und Auf­ge­regt­heit zum drit­ten Mal sein Ein­glas ver­lo­ren. Und hin­ter Papa stand Mama, rück­te ihr Häub­chen noch schie­fer und mur­mel­te im­mer wie­der: »Oh, quel grand mo­ment! Ma­de­moi­sel­le Thi­baut, mon ca­che­nez!«

Wäh­rend Ma­de­lei­ne Thi­baut der Mama das Ta­schen­tuch aus dem großen Pom­pa­dour reich­te, warf sie, näm­lich die klei­ne Thi­baut, mir einen ih­rer ra­schen ver­füh­re­ri­schen Bli­cke zu und feuch­te­te da­bei schnell ihre Lip­pen mit der spit­zes­ten Zun­ge an – als dür­fe sie sich heu­te früh er­lau­ben, was ich ihr schon zehn­mal ver­bo­ten hat­te, näm­lich das Pous­sie­ren mit mir, dem Jung­herrn von Stram­min.

Nein, es war wirk­lich schon gar zu al­bern und gar nicht mehr fei­er­lich! Es stimm­te wohl: auf den Wa­gen wa­ren un­se­re letz­ten vier­hun­dert Zent­ner Wei­zen, und wir brauch­ten den Er­lös da­für recht nö­tig. Und es stimm­te wei­ter, wir hat­ten bis zum Stral­sun­der Ha­fen acht­und­zwan­zig Ki­lo­me­ter zu fah­ren, und un­ser Käu­fer, der Käp­t’n Ole Pe­der­sen der klei­nen schwe­di­schen Brigg Svio­nia war trotz sei­ner sil­ber­nen Ohr­rin­ge ein höchst zwei­fel­haf­ter Bur­sche und wür­de al­les ver­su­chen, mich um den Kauf­preis zu prel­len. Und zum drit­ten war es rich­tig, dass ich zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben eine der­ar­ti­ge Auf­ga­be zu er­fül­len hat­te, weil näm­lich un­ser In­spek­tor Hoff­mann mit ei­nem ge­bro­che­nen Bein im Bett lag.

Aber dies war mir nun doch zu viel! Schließ­lich war ich kein ba­rer Säug­ling mehr, son­dern schier drei­und­zwan­zig Jah­re alt, Erb­herr auf, zu und von Stram­min, so gut wie ver­lobt und Be­sit­zer ei­nes viel­ver­spre­chen­den rot­blon­den Bärt­chens (und ver­dammt vie­ler Som­mer­spros­sen). Au­ßer­dem war un­ser lie­bes Stral­sund kein Ort, wo die Ot­tern und der Rost hau­sen, oder wie es sonst in der Schrift heißt, son­dern eine gute, alte, ehr­ba­re Ha­fen­stadt, voll tu­gend­sa­mer Bür­ger, die ei­nem Stram­min in je­der Not bei­ste­hen wür­den.

So rief ich denn mit ge­wal­ti­ger Stim­me über den Hof: »Jung­hanns, ab­fah­ren!« und der Vor­spän­ner Jung­hanns knall­te mit der Peit­sche, sei­ne Füch­se war­fen die Köp­fe und leg­ten sich in die Sie­len: knar­rend setz­te sich der Vier­zöl­ler in Be­we­gung. Und der nächs­te Knecht knall­te mit sei­ner Peit­sche und der drit­te, der sie­ben­te, der zehn­te, der fünf­zehn­te – don­nernd fuhr ein Ge­spann nach dem an­de­ren durch die ge­wölb­te Tor­fahrt, acht­zig Füch­se, ei­ner wie der an­de­re. Und alle Knech­te fuh­ren vom Sat­tel aus und sa­hen ge­nau­so statt­lich und zu­ver­läs­sig aus wie ihre Gäu­le. Stolz er­füll­te wie­der ein­mal mein Herz auf un­ser Rit­ter­gut Stram­min, und ich wuss­te, die Knech­te wa­ren eben­so stolz wie ich, und ich bin über­zeugt, selbst die Füch­se wa­ren stolz dar­auf, die schwe­ren Wei­zen­wa­gen für ein sol­ches Gut zie­hen zu dür­fen.

»Wenn es euch recht ist, Mama, Papa«, sag­te ich und mach­te eine klei­ne, scherz­haf­te Ver­beu­gung, »so wird sich euer Aus­hilfs­in­spek­tor jetzt auf die St­rümp­fe ma­chen.« Und ich wink­te mit den Au­gen dem Stall­bur­schen, der mei­nen Reit­fuchs Alex am Fuß der Freitrep­pe auf und ab führ­te.

»Du hast völ­lig Zeit, noch eine Tas­se Tee mit uns zu trin­ken, Lutz«, sag­te Mama.

»Und noch mehr Er­mah­nun­gen an­zu­hö­ren, nein, ich dan­ke schön!« rief ich. Aber als ich ihr Ge­sicht sah, be­reu­te ich, was ich eben ge­sagt. »Oh, ver­zeih mir, Mama«, sag­te ich schnell, »das war eben sehr un­ge­zo­gen von mir. Aber ich glau­be, ich ma­che mich jetzt wirk­lich auf mei­ne Rei­se. Alex wird schon recht un­ru­hig. Aber ich ver­spre­che dir, ich wer­de nur im ›Hal­ben Mon­d‹ am Markt lo­gie­ren, ich wer­de mit kei­nem Un­be­kann­ten trin­ken, kein jun­ges Mäd­chen an­schau­en. Ich wer­de das Geld kei­ne Mi­nu­te von mir las­sen …«

»Ich weiß, ich weiß«, ant­wor­te­te Mama, schon wie­der ganz ver­söhnt. »Den bes­ten Wil­len hast du. Wenn du nur nicht gar so sehr ein Stram­min wä­rest.«

»Und was fehlt den Stram­mins?« frag­te Papa kampf­lus­tig. »Was hast du an den Stram­mins aus­zu­set­zen, Amé­lie?«

»Dass sie sich in je­des Aben­teu­er stür­zen, dass sie den Mor­gen schon über dem Vor­mit­tag ver­ges­sen, das fehlt den Stram­mins, Herr von Stram­min«, ant­wor­te­te Mama mit ei­ni­ger Stren­ge. »Dass sie kei­nem Mäd­chen­ge­sicht und kei­ner Spiel­kar­te wi­der­ste­hen kön­nen. – Nun, nun, Ben­no«, mein­te sie, als Papa sehr rot wur­de und Blit­ze durch sein Ein­glas schoss, »du hast doch wohl kaum Ur­sa­che, dich über die­se Be­mer­kun­gen zu er­re­gen. Wer hat die­sen Win­ter von Can­nes ab­ge­ra­ten? Wer hat ge­sagt: Mon­te liegt gar zu nahe? Und wer hat geant­wor­tet: kei­nen Fuß set­ze ich in die­se Spiel­höl­le, kei­ne Kar­te rüh­re ich dort an? Und nun? Wa­rum fah­ren wir denn un­sern letz­ten Wei­zen vom Hof und ver­kau­fen ihn an einen Schuft von Ka­pi­tän statt an un­sern eh­ren­er­prob­ten Ka­lan­der?«

»Der Schwe­de zahlt drei­ßig Mark für die Ton­ne mehr«, mur­mel­te Papa, nun doch sehr be­tre­ten.

»Er wird sie nie zah­len«, er­klär­te Mama. »Er wird über­haupt nicht zah­len. Er wird un­sern Jun­gen be­gau­nern und ihn in tau­send Ver­le­gen­hei­ten stür­zen. Aber, Lutz«, wand­te sich Mama wie­der an mich, der bei die­ser Aus­ein­an­der­set­zung wie auf Koh­len ge­stan­den hat­te, denn die­se Per­son, die Thi­baut, hat­te das al­les mit der spitz­bü­bischs­ten Mie­ne an­ge­hört, ein wah­rer Ga­min … »Aber, Lutz«, sag­te Mama, »ich weiß, du wirst lie­ber ohne einen Pfen­nig Geld zu­rück­keh­ren als mit dem kleins­ten Fle­cken auf dei­ner Ehre.«

»Liebs­te Mama«, sag­te ich und bück­te mich, um ihr die Hand zu küs­sen.

Aber sie zog mich an sich und küss­te fei­er­lich mei­ne Stirn. »Was man auch ge­gen die Stram­mins ein­wen­den kann«, sag­te sie dann, »in schwie­ri­gen La­gen hat ein Stram­min im­mer ge­wusst, was ihm sei­ne Ehre ge­bot. Und ein Las­senthin auch«, setz­te sie hin­zu, denn Mama ist eine ge­bo­re­ne Las­senthin, wor­an ich in den nächs­ten Ta­gen noch mehr­fach ein­dring­lich er­in­nert wer­den soll­te.

»Und nun«, fuhr Mama mit ei­nem je­ner plötz­li­chen Über­gän­ge fort, die sie so liebt, und zog mich di­rekt vor Fräu­lein Thi­baut, »se­hen Sie nach, Ma­de­moi­sel­le Ma­de­lei­ne, ob Lutz auch völ­lig com­me il faut1 ist. Ich will doch, dass er in Stral­sund gute Fi­gur macht.«

Ich fühl­te, dass ich un­ter dem hel­len, mus­tern­den Blick der »Ei­dech­se« rot wur­de. Die­ses Frau­en­zim­mer hat lan­ge, ge­schlitz­te Au­gen, und sie kann mich da­mit so scham­los an­se­hen, dass ich ein­fach rot wer­den muss. Jetzt sah sie mich von un­ten bis oben an, als sei ich nur ein Hau­ben­stock, kein jun­ger Mann. Ich trug...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2024
Reihe/Serie Hans Fallada bei Null Papier
Hans Fallada bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Alkohol • Alkoholismus • Armut • Berlin • Berlinerisch • Der Jungherr von Strammin • Drittes Reich • Hyperinflation • Inflation • Knast • Weimarer Republik
ISBN-10 3-96281-431-0 / 3962814310
ISBN-13 978-3-96281-431-1 / 9783962814311
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