Nordland. Hamburg 2059 - Freiheit (eBook)

Roman (Dystopie)
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2018 | 1. Auflage
661 Seiten
Acabus Verlag
978-3-86282-551-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nordland. Hamburg 2059 - Freiheit -  Gabriele Albers
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'Er lenkte die Limousine um die nur scheinbar harmlosen Pfützen herum. Im Schanzenviertel durfte man nichts und niemandem trauen.' Hamburg im Jahr 2059. Die Bundesrepublik ist Geschichte. Die nördlichen Bundesländer haben sich zu 'Nordland' zusammengeschlossen, einem Staat, in dem allein das Geld regiert. Politiker, Richter, Frauen - in Nordlands Hauptstadt Hamburg ist alles käuflich. Als ein Mann aus dem heruntergekommenen Schanzenviertel für ein Verbrechen hingerichtet wird, das er nicht begangen hat, regt sich ein lang vergessener Widerstand. Lillith, die zu den reichen Birds gehört, sympathisiert mit den Rebellen. Sie ahnt, dass mehr hinter dem Aufstand steckt. Aber Nordland ist ein gefährlicher Ort für Frauen, die das bestehende System hinterfragen. Die Männer an der Spitze räumen jeden aus dem Weg, der das fragile Gleichgewicht des Landes bedroht. Und Lilliths Vater ist nicht dafür bekannt, Ausnahmen zu machen ...

Gabriele Albers ist Journalistin und Volkswirtin und veröffentlichte unter anderem bei Capital und der Financial Times Deutschland. In ihren Geschichten thematisiert sie gefährliche Entwicklungen unserer Zeit, indem sie deren Folgen in einer fiktiven Zukunft beschreibt. Ihre persönliche Zeitreisemaschine würde sie rund 500 Jahre in die Zukunft katapultieren, obwohl sie sich nicht sicher ist, dass es dann noch Menschen gibt. 'Nordland' ist ihr erster Roman.

Gabriele Albers ist Journalistin und Volkswirtin und veröffentlichte unter anderem bei Capital und der Financial Times Deutschland. In ihren Geschichten thematisiert sie gefährliche Entwicklungen unserer Zeit, indem sie deren Folgen in einer fiktiven Zukunft beschreibt. Ihre persönliche Zeitreisemaschine würde sie rund 500 Jahre in die Zukunft katapultieren, obwohl sie sich nicht sicher ist, dass es dann noch Menschen gibt. "Nordland" ist ihr erster Roman.

Kurz zuvor


Besuch


Die Kieselsteine waren rund und glatt. Es waren perfekte kleine Kieselsteine für die perfekte Auffahrt zu einer perfekten Villa. Sie waren eine Katastrophe für Frauen mit hohen Absätzen. Lillith knickte um und klammerte sich an den Arm ihres Vaters, bevor ihre Röckepracht sie komplett aus dem Gleichgewicht brachte und sie wie ein gestrandeter Feuerfisch auf den Steinen landete.

»Einen gebrochenen Knöchel können wir gerade nicht gebrauchen, meine Liebe«, sagte ihr Vater und hastete weiter.

Sehr witzig. Als ob sie sich darum reißen würde, in Stilettos herumzulaufen.

»Mit flachen Schuhen – «

» – siehst du aus wie ein Dienstmädchen.«

Sie freute sich auf ihr Sofa und darauf, die Dinger gleich in die Ecke zu schleudern. Der Tag war lang gewesen und trotz diverser Polster und Ausgleichsmechanismen im Inneren des Schuhs brannten ihre Füße. Langsam humpelte sie die Treppe hoch. Ihr Vater war bereits oben und bog in den Bürotrakt ab. Lillith blieb stehen und löste den Riemen um ihre Fessel. Sobald ihr Vater in seinem Büro verschwunden war, würde sie auf Strümpfen weiterlaufen.

»Ich brauche dich noch für eine halbe Stunde im Grauen Salon. Willem will gleich vorbeikommen.«

Sie stöhnte auf. »Muss das sein? Kannst du die alte Krähe nicht ohne mich empfangen?«

Ihr Vater beachtete ihren Einwand gar nicht. »Außerdem gibt es erste Kandidaten.«

In Lilliths Bauch krampfte sich ein ungutes Gefühl. »Kandidaten? Wofür?«

»Lillith.« Ihr Vater drehte sich zu ihr um und schaute sie an, als ob er nicht glauben konnte, dass sie nicht begriff. »Du bist fast 25. Ich habe unseren Geschäftspartnern eine offizielle Note zukommen lassen, dass ich ihre Angebote erwarte.«

Es dauerte einen Moment, bis die Nachricht einsickerte.

»Das ist nicht dein Ernst.«

»Du weißt seit Jahren, dass du eines Tages heiraten wirst. Tu nicht so, als käme das jetzt überraschend.«

Aber Lillith war überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, das Schicksal ihrer Freundinnen jemals teilen zu müssen.

Ihr Vater ging weiter den langen Gang hinunter.

»Warte!« Lillith stöckelte hinter ihm her. Das Wasser in ihren Augen hatte nichts mit den schmerzenden Füßen zu tun. »Wie kannst du mit den Verhandlungen anfangen, ohne mich vorher zu fragen? Mich wenigstens darüber zu informieren? Was ist mit unserem Abkommen?« Sie hasste sich für ihren jammernden Ton. Und dafür, die Tränen nicht wegdrücken zu können.

Ihr Vater hatte den Grauen Salon erreicht und hielt die Tür für sie auf. Seine Mundwinkel zuckten, als er die beiden schmalen Spuren in ihrem Makeup entdeckte. »Beherrsch dich gefälligst«, sagte er so leise, dass sie nicht sicher war, ob er überhaupt geredet hatte oder ob seine Stimme automatisch in ihrem Kopf angesprungen war.

Lillith wischte sich über die Augen, zog undamenhaft die Nase hoch und schluckte ein paar Mal, bis der Kloß in ihrem Hals so klein geworden war, dass die Luft zum Argumentieren wieder daran vorbeipasste.

»Ich dachte, ich soll erst über alles Bescheid wissen, bevor ich heirate. Damit ich meinen Zukünftigen bei seinen Geschäften beraten kann.« Ihre Stimme zitterte heftiger als ihr lieb war.

»Daran hat sich nichts geändert. Deshalb bist du jetzt hier und nicht auf deinem Zimmer.«

»Aber wenn ich verheiratet bin – wie soll ich dich dann unterstützen?«

»Ich war in der Vergangenheit erfolgreich, ich werde es auch in Zukunft sein.« Ihr Vater setzte sich an seinen gläsernen Arbeitstisch und öffnete mit einigen schnellen Fingerbewegungen mehrere Dokumente. Für ihn war die Diskussion beendet.

Aber nicht für Lillith. »Und was ist, wenn ich mich weigere?« Ihr Vater reagierte nicht. In seinem Gesicht bewegte sich kein einziger Muskel. Nur die Ader an der Schläfe pulste. Lillith stellte sich vor den Tisch, die Hände auf die Glasoberfläche gestemmt. »Ich bin keine Ware«, rief sie und es war ihr egal, dass die Stimme zitterte und die Tränen wieder nach oben drängten. »Ich lasse mich nicht meistbietend verkaufen.«

»Ich kann dir versichern, dass es nicht nur eine Frage des Preises sein wird«, sagte ihr Vater, ohne seinen Blick von einem Kurvendiagramm abzuwenden. »Du wirst jemanden heiraten, der außerdem gut fürs Geschäft ist.«

Die Logik ihres Vaters. Lillith blieb der Mund offen stehen, aber eine passende Antwort wollte ihr nicht einfallen.

Ein gelber Punkt blinkte auf dem Glastisch. Der Besuch war auf dem Weg zu ihnen.

»Wir reden später über die Kandidaten. Und jetzt beruhig dich. Bis die Verhandlungen abgeschlossen sind, werden noch gut und gerne zwei Jahre vergehen. Du hast also noch reichlich Zeit, um zu lernen, wie man sich beherrscht.«

Ihr Vater schaltete das Bild einer Kamera auf die Arbeitsplatte und Lillith sah, wie Willem Duhnkreih sich die Treppe hochquälte, eine Hand am Treppengeländer, den Blick starr auf ihren Sicherheitsmann gerichtet, der ihn zum Grauen Salon begleitete.

Sie hätte gut Lust, sich aus dem Staub zu machen. Aber wenn sie jetzt herumzickte, würde sie in den nächsten Wochen einen Vorgeschmack auf ihre Ehe bekommen und sich mit langweiligen Frauen über Kosmetik, Mode und ausländische Königsfamilien unterhalten, anstatt mit ihrem Vater zu reisen und über Windgas zu verhandeln. Lillith bückte sich und schloss den Riemen ihres Schuhs. Eine halbe Stunde lang konnte sie die schmerzenden Füße noch aushalten. Aus ihrer Handtasche holte sie Makeup und Spiegel und beseitigte die Spuren ihres Wutausbruchs. Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Das sollte reichen, um sich unersetzlich zu machen. Sie zog die Lippen nach und bemerkte erst, als es zu spät war, dass sie den blutroten Lippenstift erwischt hatte, nicht den roséfarbenen.

An ihrem Stehpult öffnete sie das Übungsprogramm für chinesische Schriftzeichen. Die Geschäftspartner akzeptieren ihre Anwesenheit als eine Marotte des mächtigen Davide Civetta, solange sie sich unauffällig im Hintergrund hielt und scheinbar beschäftigt war. Keiner von ihnen wusste, dass sie mehr war als schmückendes Beiwerk.

Sie war Teil des Geschäfts.

»Was für ein Scheißwetter.« Willem Duhnkreih stand im Türrahmen und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Lillith betrachtete ihn: das fahle Gesicht, die Schatten unter den Augen, die bläulich schimmernden, dünnen Lippen. In seiner vor Nässe fast schwarzen Barbour-Jacke sah er aus wie der Tod persönlich. Sie roch seinen Schweiß und den nach Schnaps stinkenden Atem. Ihr wurde übel, als er näher kam, und sie trat einen Schritt zurück. Der Gestank ließ nach, aber die Übelkeit blieb. Sie schluckte.

»Und was für ein Scheißteil.« Duhnkreih warf die Jacke über einen der Sessel. »Die Russen kriegen echt alles kaputt. Das kann doch nich’ so schwer sein, ’ne Jacke wasserdicht zu machen. Ich mein, selbst die Engländer haben das früher geschafft, und die – «

»Guten Abend, Willem«, unterbrach Davide ihn und schloss mit einer kleinen Handbewegung die Dokumente auf seinem Tisch. »Soll ich dir eine neue Jacke bringen lassen oder reicht dir ein Handtuch?« Der Ton ihres Vaters war sachlich, kontrolliert, als er seinem Gast entgegenging und ihm die Hand schüttelte. Aber Lillith spürte seine Abneigung Duhnkreih gegenüber genauso deutlich wie die Übelkeit, die von ihrem Besucher ausging.

Sie reichte ihm ebenfalls die Hand. »Guten Abend, Herr Duhnkreih.«

»Lillith!« Willem drückte ihr einen feuchten Handkuss auf. »Du wirst deiner verstorbenen Mutter immer ähnlicher. Welchem Designer haben wir diese atemberaubende Wespentaille zu verdanken?«

»Baoxiniao.«

»Ich wusste gar nich’, dass die auch in Businessmode für Damen machen.«

»Scheint ein Markt zu sein in China.«

»Ist das so?« Duhnkreih grinste schief. »Ich muss gestehen, die Bekleidungsindustrie verfolge ich mangels Frau und Tochter nur am Rande.« Endlich ließ er ihre Hand los.

»Und dich braucht das auch nicht zu interessieren, Lillith.«

»Ach lass sie doch, Davide. Ein bisschen Konversation muss erlaubt sein. Ich hab gehört, du kommst bald unter die Haube? Wird ja auch langsam Zeit. Ich stehe zur Verfügung.« Er tätschelte mit nassen, kalten Fingern ihre Wange.

Lillith wich zurück und musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufwenden, um Duhnkreih nicht zu ohrfeigen. Sie wischte ihre Hand an den zahlreichen Lagen ihres langen Rocks ab und sah dabei zu ihrem Vater. Wenn jemand wie Duhnkreih auf der Liste stand, dann konnte er sich seine Pläne aber sowas von aus dem Kopf schlagen. Da würde sie eher ins Kloster gehen.

»Danke, alter Freund, aber du weißt doch, dass meine Tochter niemanden aus Nordland heiraten kann. Das würde unser Gleichgewicht zu sehr stören.« Davide legte seinen Arm auf Duhnkreihs Schulter und steuerte ihn zum Konferenztisch. »Was möchtest du trinken?«

»Ach, du immer mit deinem Gleichgewicht.« Duhnkreih zog lautstark die Nase hoch. »Ich nehm ’nen schönen steifen Grog. Aber nicht mit Hamburger Wasser verdünnen, das kriegt Meik grad nicht anständig gefiltert. Tu mir lieber ’nen zweiten Schuss Rum dazu.« Er schlug Davide auf den Rücken. »Der Löffel muss drin stehen, dann ist er richtig.«

Als ob Alkohol den Grog zähflüssiger machen würde.
Lillith verdrehte die Augen, zog sich an ihr Stehpult zurück und rieb die virtuelle Stangentusche,...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2018
Reihe/Serie Nordland
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 1984 • Alster • Altona • Deportation • Dritte Welt • Dystopie • Elbe • Elbtunnel • Emanzipation • Energiepolitik • Exodus • Fernsehturm • Finanzkrise • Finkenwerder • Gleichberechtigung • Hamburg • Konzentratioslager • KZ • Moses • Mundsburg • Neugraben • Plagen • Rebellion • Schanzenviertel • Science Fiction • Smarttechnologie • tribute von panem • Widerstand • Wilhelmsburg • Zukunft
ISBN-10 3-86282-551-5 / 3862825515
ISBN-13 978-3-86282-551-6 / 9783862825516
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