Die Tiefe der Zeit (eBook)

Roman
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2018 | 1. Auflage
544 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99081-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tiefe der Zeit -  Andreas Brandhorst
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Seit vielen Tausend Jahren führt die Menschheit Krieg gegen die geheimnisvollen Crul. Und seit ebenso langer Zeit erzählt man sich Geschichten von der Hauptstreitmacht des Feindes, die seit Ewigkeiten die Weiten des interstellaren Raums durchstreift, um die Kernwelten der menschlichen Zivilisation zu vernichten. Der ehemalige Soldat Jarl, dem man Verrat und Mord zur Last legt, ist auf der Flucht vor den eigenen Verbündeten. Als Gejagter muss er die legendäre Erde finden, den mythischen Ursprungsplaneten der Menschen. Dort soll die größte aller Waffen lagern, die den Krieg beenden und Frieden bringen kann. Jarls Suche führt ihn durch die Tiefe der Zeit. Doch er ahnt nicht, dass er nur ein Werkzeug in einem viel größeren Plan ist ...

Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, schrieb mit seinen futuristischen Thrillern und Science-Fiction-Romanen wie »Das Schiff« und »Omni« zahlreiche Bestseller. Spektakuläre Zukunftsvisionen sind sein Markenzeichen. Zuletzt erschien im Piper Verlag der Roman »Infinitia«.

Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, schrieb mit seinen futuristischen Thrillern und Science-Fiction-Romanen wie "Das Schiff" und "Omni" zahlreiche Bestseller. Spektakuläre Zukunftsvisionen sind sein Markenzeichen. Der SPIEGEL-Bestseller "Das Erwachen" widmet sich dem Thema Künstliche Intelligenz. Sein aktueller Wissenschaftsthriller "Ewiges Leben" zeigt Chancen und Gefahren der Gentechnik auf.

Wir töten keine Kinder


1

Prizilla


Der Wind wirbelte Staub auf, kalt und tot. Im kraftlosen Schein einer blassen Sonne ragten Ruinen wie bleiche Knochen aus der Ebene.

»Wie lange ist es her?«, fragte Prizilla. Der Atemfilter dämpfte ihre Stimme ein wenig.

»Was glauben Sie?« Ewora, eine der Großen Mütter, die man auch »die Große Ewora« nannte, trug nicht wie sonst ein buntes Amtsgewand, sondern einen kobaltblauen Schutzanzug. Ihr Leib war kostbar – in den vergangenen vierhundert Jahren hatte er mehr als siebzigtausendmal Leben geschaffen. Keine der anderen Großen Mütter konnte von sich behaupten, mehr Kinder zu haben als Ewora.

Die junge Prizilla, kaum fünfzig Jahre alt, ging in die Hocke, berührte den Staub mit bloßen Händen und fühlte seine trockene Kälte. Sie schloss kurz die Augen und lauschte dem Flüstern ihrer Adapter. Konstantin, dachte sie plötzlich und fragte sich, woher der Name kam und was er bedeutete.

»Drei Tage, nicht mehr«, sagte sie und richtete sich wieder auf. Mehrere Waffenplattformen summten über sie hinweg, gelenkt von wachsamen Soldaten. Weiter hinten ragte das Landeschiff wie ein kleiner grauer Berg auf. Licht viel aus Hangars und geöffneten Schleusen in die beginnende Dämmerung. »Es sieht alt aus, aber so fühlt es sich nicht an.«

»Welche Waffe wurde eingesetzt?«

Gibt es Überlebende?, wollte Prizilla fragen, hielt die Worte jedoch zurück. »Kalter Brand.«

Ewora nickte. »Ja.« Die mehr als vierhundert Jahre alte Mutter hob die Arme und sprach wie zu einer großen Menge. »Der Feind hat erneut zugeschlagen. Vergessen wir nie die Gefahr. Nie!«

»Nie«, wiederholte Prizilla automatisch und beobachtete mit der Zoomlinse in ihrem linken Auge die Soldaten zwischen den Ruinen.

»Nie«, sagte auch die dritte Frau, Nadala, dreißig Jahre älter als Prizilla und Taktikerin von Ewora der Großen. Seit kurzer Zeit leitete sie die Abteilung Acht, die Informationen über den Feind sammelte. »Wenn der Angriff erst drei Tage zurückliegt … Wo ist der Feind?«

»Sollte das nicht Ihre Abteilung wissen?«, fragte Ewora mit sanfter Kritik. »Vielleicht befindet er sich noch in der Nähe. Vielleicht versteckt er sich irgendwo. Suchen Sie ihn!«

»Gehört und verstanden.« Nadala aktivierte ihren Kommunikator und benutzte die Kampfsprache, um knappe, präzise Anweisungen zu erteilen.

Prizilla fühlte den Blick der Mutter.

»Sie möchten wissen, ob es Überlebende gibt«, sagte Ewora. »Ja. Sieben.« Sie zögerte kurz. »Sieben Kinder.«

Zwei Stunden später befanden sie sich wieder an Bord von Eworas Flaggschiff, der Speerspitze, die den Planeten Nimmwa wie ein neuer Mond in einer Höhe von zehntausend Kilometern umkreiste. Prizilla, Nadala und mehrere Berater und Adjutanten hatten sich im Meditationszimmer der Großen Mutter eingefunden, die wieder ein buntes Gewand trug. Prizilla beobachtete Ewora: Sie stand vor dem Wandschirm, der nicht nur den Planeten und die Schiffe der Eskorte zeigte, sondern auch die Transitstation mehrere Hundert Millionen Kilometer oberhalb der Ekliptik. Die entsprechenden Bilder waren fast zwanzig Minuten alt – so lange dauerte die Signalübertragung.

»Ein Zufall?«, fragte Ewora. »Bei meiner Rundreise durch die Peripherie war ein Besuch von Nimmwa nicht vorgesehen. Der Flug hierher …« Sie bewegte die linke Hand, eine knappe Geste. »Ich habe aus dem Stegreif entschieden. Eine Kolonie, die ich noch nicht kannte. Eine Welt, besiedelt von einem kleinen Kolonieschiff, ausgesandt vor …« Sie zögerte.

»Vor neunundsiebzig Jahren«, sagte Prizilla.

»Ja.« Ein kurzes Lächeln huschte über das schwammig wirkende Gesicht. »Dreißig Jahre vor Ihrer Geburt.«

»Ich glaube nicht an solche Zufälle«, warf Coridian ein. Er saß bei den anderen Beratern, groß und kräftig, mit dreihundert Jahren an der Grenze des männlichen Greisenalters. Coridian war einst einfacher Soldat gewesen, und die vier Silben seines Namens – sehr außergewöhnlich für einen Soldaten – deuteten auf viele Beförderungen hin. Seit Jahrzehnten zählte er zu den klugen Stimmen, denen die Große Ewora Gehör schenkte. »Informationen sind geflossen.«

»Woher?«, fragte die Taktikerin Nadala mit leisem Spott. »Und wohin?«

Coridian ging nicht darauf ein, weder auf den Spott noch auf die Fragen an sich. »Drei Tage!« Er gab den Worten mehr Nachdruck. »Wir sind seit einem Jahr unterwegs. Drei Tage sind nichts. Der Angriff hätte auch uns treffen können. Die Crul müssen gewusst haben, dass wir hierher unterwegs waren. Sie hatten es auf die Große Ewora abgesehen.«

Die Crul … Das unterschied Coridian von vielen anderen, erinnerte sich Prizilla. Er nannte den Feind beim Namen.

Ewora wandte den Kopf. »Prizilla?«

»Wie kann der Feind davon gewusst haben, wenn Sie selbst bis vor wenigen Tagen nichts davon wussten?«, erwiderte sie. »Es muss Zufall gewesen sein, ein gefährlicher Zufall. Der Angriff galt nicht uns, sondern unserer Kolonie auf Nimmwa.«

»Ja.« Ewora seufzte. »Hiermit stelle ich die obligatorische Frage: Haben wir einen Hinweis auf die Hauptstreitmacht des Feindes? Könnte dieser Angriff Teil der entscheidenden Inkursion sein?«

Schweigen breitete sich im Meditationszimmer der Mutter aus. Die ersten Nachrichten von einer Hauptstreitmacht des Feindes hatten den Pakt der Menschenwelten vor vier Jahrhunderten erreicht, kurz nach Eworas Geburt. Seitdem waren die Angriffe häufiger geworden, doch wenn es die legendäre Hauptstreitmacht tatsächlich gab, so schien sie noch unterwegs zu sein, irgendwo zwischen den Sternen.

»Nein«, antwortete Prizilla. »Wir haben Daten gefunden, automatische Aufzeichnungen von Sensoren, sowohl in den Trümmern der beiden Koloniestädte als auch bei den Resten von Satelliten. Es gibt keine Hinweise auf die Hauptstreitmacht.«

Ewora nickte knapp. »Gut.«

»Aber es gibt etwas, das diesen Angriff von den anderen unterscheidet«, fuhr Prizilla fort. »Nicht nur der Feind war hier. Die Ortungsdaten deuten außerdem auf die Präsenz eines fremden Schiffes hin. Dies ist seine energetische Signatur.« Ihr Kommunikationsadapter sendete die Informationen – sie erschienen in einem Fenster des großen Wandschirms.

»Was bedeutet das?«, fragte Nadala. Eine subtile Schärfe lag in ihrer Stimme. Vielleicht ärgerte es sie, dass sie als Taktikerin nicht vorab in Kenntnis gesetzt worden war.

»Ein neuer Feind?«, brummte Coridian.

»Wir wissen es nicht«, sagte Prizilla vorsichtig. »Vielleicht handelt es sich um einen neuen Schiffstyp des Feindes.«

Ewora sah sie an. »Ging der Angriff von diesem neuen Schiff aus?«

»Einen solchen Schluss lassen die Sensordaten nicht zu«, antwortete Prizilla.

»Aber die Daten sind nicht vollständig?«

»So ist es.«

Ewora kehrte zum Tisch zurück. »Was die Überlebenden betrifft …«

»Sie müssen getötet werden«, sagte die Taktikerin Nadala.

Bei den Beratern breitete sich Unruhe aus. Prizilla hob die Brauen. »Es sind Kinder.«

»Es sind mutterlose, vom Feind berührte Kinder«, betonte Nadala.

»Wir wissen nicht, ob der Feind sie berührt hat.«

»Jedes Risiko muss vermieden werden.« In Nadalas Augen blitzte es. »Gerade Sie als Strategin sollten das wissen.«

»Wir töten keine Kinder«, sagte Prizilla geduldig. »Kinder sind unsere Zukunft.«

»Alle anderen sind tot oder verschwunden! Warum hat der Feind ausgerechnet diese sieben Kinder am Leben gelassen?«

»Wir töten keine Kinder«, wiederholte Prizilla.

Ewora die Große hob die Hände und wandte sich an ihre Berater. »Bitte gehen Sie! Und Sie ebenfalls, Nadala. Ich möchte allein mit Prizilla reden.«

Coridian und die anderen erhoben sich wortlos und verließen den Raum. Nadala öffnete den Mund, schloss ihn wieder und ging ebenfalls.

Prizilla saß an ihrem Platz und wartete stumm.

»Nadala ist manchmal … sehr strikt«, sagte Ewora schließlich. »Aber sie will das Richtige. Es ist wichtig, dass Sie das nie vergessen. Nadala ist eine ausgezeichnete Taktikerin. Doch um den richtigen Weg in die Zukunft zu finden, brauchen wir mehr Strategie als Taktik.«

Prizilla wartete noch immer. Der Wandschirm hinter der Großen Mutter zeigte einen von Nimmwa zurückkehrenden Orbiter, und sie beobachtete, wie er von einem Eskortenschiff aufgenommen wurde.

Ewora bemerkte ihren Blick. »Die Kinder«, erklärte sie. »Natürlich töten wir sie nicht. Sie sind wenige Monate alt. Ich habe Anweisung erteilt, sie der Obhut einer Ziehmutter zu übergeben, bis ihre Gene in ein oder zwei Jahren entscheiden, was aus ihnen werden soll. Was meinen Sie, Prizilla? Warum haben diese sieben Kinder den Angriff des Feindes überlebt?«

»Zu wenige Daten«, sagte Prizilla vorsichtig.

»Sie wissen es nicht.«

»Nein.«

»Was sagt die Intuition der Strategin?«

Prizilla lauschte ihrer unentwegt raunenden inneren Stimme. Doch die blieb wortlos, ohne klare Botschaft. »Wir töten keine Kinder.«

»Natürlich nicht. Wir sind Mütter. Wie viele Kinder haben Sie, Prizilla?« In ihr buntes Amtsgewand gehüllt stand Ewora vor dem Tisch, das schwammige, von Falten durchzogene Gesicht sanft, der Blick nachdenklich.

»Nicht annähernd so viele wie Sie«, erwiderte Prizilla. »Nur dreihundertneun. Meine Eizellen wachsen langsamer, und nicht alle eignen sich für die...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Arkonadia • Buch • Bücher • Crul • deutsche Science-Fiction • Erwachen • Jarl • Omni • Science Fiction • science fiction bestseller • SciFi • Serie
ISBN-10 3-492-99081-9 / 3492990819
ISBN-13 978-3-492-99081-3 / 9783492990813
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