Hans Fallada - Gesammelte Werke -  Hans Fallada

Hans Fallada - Gesammelte Werke (eBook)

Jeder stirbt für sich allein, Der Trinker, Wer einmal aus dem Blechnapf frisst, Ein Mann will nach oben, Kleiner Mann - was nun?, Der eiserne Gustav, Bauern, Bonzen und Bomben, Wolf unter Wölfen u.a.

(Autor)

Jürgen Schulze (Herausgeber)

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2024 | 3. Auflage
7064 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-359-8 (ISBN)
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Hans Fallada (21. Juli 1893-5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der 'Neuen Sachlichkeit'. Zu seinen wichtigsten Werken zählen: 'Jeder stirbt für sich allein', 'Der Trinker', 'Wer einmal aus dem Blechnapf frisst', 'Ein Mann will nach oben', 'Kleiner Mann - was nun?' und 'Der eiserne Gustav' - diese Werke, neben vielen anderen, finden Sie auch auch in dieser Sammlung. Null Papier Verlag

Hans Fallada (21. Juli 1893-5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der 'Neuen Sachlichkeit'.

Hans Fallada (21. Juli 1893–5. Februar 1947), eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, war ein deutscher Schriftsteller. Sein nüchterner, objektiver Stil, in dem er seine fiktionalen Berichte über meist scheiternde Gestalten verfasste, macht ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit".

Jeder stirbt für sich allein
Der Trinker
Wer einmal aus dem Blechnapf frisst
Ein Mann will nach oben
Kleiner Mann – was nun?
Der eiserne Gustav
Bauern, Bonzen und Bomben
Wolf unter Wölfen
Anton und Gerda
Der Alpdruck
Der junge Goedeschal
Junger Herr - ganz groß
Literaturverzeichnis
Index

1. Die Post bringt eine schlimme Nachricht


Die Brief­trä­ge­rin Eva Klu­ge steigt lang­sam die Stu­fen im Trep­pen­haus Ja­blons­ki­stra­ße 55 hoch. Sie ist nicht etwa des­halb so lang­sam, weil sie ihr Be­stell­gang so sehr er­mü­det hat, son­dern weil ei­ner je­ner Brie­fe in ih­rer Ta­sche steckt, die ab­zu­ge­ben sie hasst, und jetzt gleich, zwei Trep­pen hö­her, muss sie ihn bei Quan­gels ab­ge­ben. Die Frau lau­ert si­cher schon auf sie, seit über zwei Wo­chen schon lau­ert sie der Be­stel­le­rin auf, ob denn kein Feld­post­brief für sie da­bei sei.

Ehe die Brief­trä­ge­rin Klu­ge den Feld­post­brief in Schreib­ma­schi­nen­schrift ab­gibt, hat sie noch den Per­sickes in der Eta­ge den »Völ­ki­schen Beo­b­ach­ter«1 aus­zu­hän­di­gen. Per­si­cke ist Amts­wal­ter oder Po­li­ti­scher Lei­ter oder sonst was in der Par­tei – ob­wohl Eva Klu­ge, seit sie bei der Post ar­bei­tet, auch Par­tei­mit­glied ist, bringt sie alle die­se Äm­ter doch im­mer durch­ein­an­der. Je­den­falls muss man bei Per­sickes »Heil Hit­ler« grü­ßen und sich gut vor­se­hen mit dem, was man sagt. Das muss man frei­lich ei­gent­lich über­all, sel­ten mal ein Mensch, dem Eva Klu­ge sa­gen kann, was sie wirk­lich denkt. Sie ist gar nicht po­li­tisch in­ter­es­siert, sie ist ein­fach eine Frau, und als Frau fin­det sie, dass man Kin­der nicht dar­um in die Welt ge­setzt hat, dass sie tot­ge­schos­sen wer­den. Auch ein Haus­halt ohne Mann ist nichts wert, vor­läu­fig hat sie gar nichts mehr, we­der die bei­den Jun­gen noch den Mann noch den Haus­halt. Statt­des­sen hat sie den Mund zu hal­ten, sehr vor­sich­tig zu sein und ekel­haf­te Feld­post­brie­fe aus­zu­tra­gen, die nicht mit der Hand, son­dern mit der Ma­schi­ne ge­schrie­ben sind und als Ab­sen­der den Re­gi­ment­s­ad­ju­tan­ten nen­nen.

Sie klin­gelt bei Per­sickes, sagt »Heil Hit­ler!« und gibt dem al­ten Sauf­kopp sei­nen »Völ­ki­schen«. Er hat auf dem Rockaufschlag schon das Par­tei- und das Ho­heits­ab­zei­chen sit­zen – sie ver­gisst ewig, ihr Par­tei­ab­zei­chen an­zu­ste­cken – und fragt: »Wat jib­t’s denn Neu­et?«

Sie ant­wor­te vor­sich­tig: »Ich weiß doch nicht. Ich glau­be, Frank­reich hat ka­pi­tu­liert.« Und sie setzt rasch die Fra­ge hin­zu: »Ob bei den Quan­gels wohl ei­ner zu Hau­se ist?«

Per­si­cke ach­tet gar nicht auf ihre Fra­ge. Er reißt die Zei­tung aus­ein­an­der. »Da steht’s ja: Frank­reich ka­pi­tu­liert. Mensch, Frol­lein, und det sa­ren Se ee­nem so, als ob Se Schrip­pen va­koofen! Det müs­sen Se za­ckig her­aus­brin­gen! Det müs­sen Se je­dem sa­ren, bei dem Se kom­men, det über­zeugt noch die letz­ten Mecker­köp­pe! Der zwei­te Blitz­krieg, hät­ten wa ooch ge­schafft, und nu ab Tru­meau nach Eng­land! In ’nem Vier­tel­jahr sind die Tom­mys er­le­digt, und denn solls­te ma se­hen, wie un­ser Füh­rer uns le­ben lässt! Denn kön­nen die an­de­ren blu­ten, und wir sind die Her­ren der Welt! Komm rin, Mä­chen, trink ’nen Schnaps mit! Ama­lie, Erna, Au­gust, Adolf, Bal­dur – alle ran! Heu­te wird blau­ge­macht, heut wird kee­ne Ar­beet an­je­fasst! Heu­te be­gie­ßen wir uns mal die Nee­se, heu­te hat Frank­reich ka­pi­tu­liert, und heut Nach­mit­tag ge­hen wa val­leicht bei de olle Jüd­sche in de vier­te Eta­ge, und det Aas muss uns Kaf­fee und Ku­chen je­ben! Ick sare euch, die Olle muss jetzt, wo Frank­reich ooch am Bo­den liegt, jetzt ken­ne ick keen Abar­men mehr! Jetzt sind wa die Her­ren der Welt, und alle müs­sen ku­schen vor uns!«

Wäh­rend Herr Per­si­cke, von sei­ner Fa­mi­lie um­stan­den, sich in im­mer auf­ge­reg­te­ren Aus­füh­run­gen er­geht und die ers­ten Schnäp­se schon hin­ter die Bin­de zu gie­ßen be­ginnt, ist die Brief­trä­ge­rin längst in die Eta­ge dar­über hin­auf­ge­stie­gen und hat bei den Quan­gels ge­klin­gelt. Sie hält den Brief schon in der Hand, ist be­reit, so­fort wei­ter­zu­lau­fen. Aber sie hat Glück; nicht die Frau, die meist ein paar freund­li­che Wor­te mit ihr wech­selt, son­dern der Mann mit dem schar­fen, vo­ge­l­ähn­li­chen Ge­sicht, dem dünn­lip­pi­gen Mund und den kal­ten Au­gen öff­net ihr. Er nimmt wort­los den Brief aus ih­rer Hand und zieht ihr die Tür vor der Nase zu, als sei sie eine Die­bin, vor der man sich vor­zu­se­hen hat.

Aber Eva Klu­ge zuckt zu so was nur die Ach­seln und geht wie­der die Trep­pen hin­un­ter. Man­che Men­schen sind eben so; so­lan­ge sie die Post in der Ja­blons­ki­stra­ße aus­trägt, hat die­ser Mann noch nie ein ein­zi­ges Wort zu ihr ge­sagt, nicht ein­mal »Heil Hit­ler« oder »Gu­ten Tag«, trotz­dem auch er, wie sie weiß, einen Pos­ten in der Ar­beits­front2 hat. Nun, lass ihn, sie kann ihn nicht än­dern, hat sie doch nicht ein­mal den ei­ge­nen Mann än­dern kön­nen, der mit Knei­pen­sit­zen und mit Renn­wet­ten sein Geld ver­tut und der zu Haus nur dann auf­taucht, wenn er ganz ab­ge­brannt ist.

Bei den Per­sickes ha­ben sie in ih­rer Auf­re­gung die Fl­ur­tür of­fen­ge­las­sen, aus der Woh­nung klingt Glä­ser­ge­klirr und das Lär­men der Sie­ges­fei­er. Die Brief­trä­ge­rin zieht die Fl­ur­tür sach­te ins Schloss und steigt wei­ter hin­ab. Da­bei denkt sie, dass dies ei­gent­lich eine gute Nach­richt ist, denn durch die­sen ra­schen Sieg über Frank­reich wird der Frie­de nä­her ge­rückt. Dann kom­men die bei­den Jun­gen zu­rück, und sie kann ih­nen wie­der ein Heim schaf­fen.

Bei die­sen Hoff­nun­gen stört sie aber das un­ge­müt­li­che Ge­fühl, dass dann sol­che Leu­te wie die Per­sickes ganz oben­auf sein wer­den. Sol­che zu Her­ren ha­ben und im­mer den Mund hal­ten müs­sen und nie sa­gen dür­fen, wie ei­nem ums Herz ist, das scheint ihr auch nicht das Rich­ti­ge.

Flüch­tig denkt sie auch an den Mann mit dem kal­ten Gei­er­ge­sicht, dem sie eben den Feld­post­brief aus­ge­hän­digt hat und der dann wohl auch einen hö­he­ren Pos­ten in der Par­tei be­kom­men wird, und sie denkt an die alte Jü­din Ro­sen­thal, oben im vier­ten Stock, der die Ge­sta­po vor zwei Wo­chen den Mann weg­ge­holt hat. Die kann ei­nem leid­tun, die Frau. Ro­sent­hals ha­ben frü­her ein Wä­sche­ge­schäft an der Prenz­lau­er Al­lee ge­habt. Das ist dann ari­siert wor­den, und nun ha­ben sie den Mann weg­ge­holt, der nicht weit von sieb­zig ab sein kann. Was Bö­ses ge­tan ha­ben die bei­den al­ten Leu­te si­cher nie je­man­dem, aber im­mer an­ge­schrie­ben, auch für die Eva Klu­ge, wenn mal kein Geld für Kin­der­wä­sche da war, und schlech­ter oder teu­rer als in an­de­ren Ge­schäf­ten war die Ware bei Ro­sent­hals auch nicht. Nein, es will nicht in den Kopf von Frau Eva Klu­ge, dass so ein Mann wie der Ro­sen­thal schlech­ter sein soll als die Per­sickes, bloß weil er ein Jude ist. Und nun sitzt die alte Frau da oben in der Woh­nung mut­ter­see­len­al­lein und traut sich nicht mehr auf die Stra­ße. Erst wenn es dun­kel ge­wor­den ist, macht sie mit dem Ju­dens­tern ihre Ein­käu­fe, wahr­schein­lich hun­gert sie. Nein, denkt Eva Klu­ge, und wenn wir zehn­mal über Frank­reich ge­siegt ha­ben, ge­recht geht es nicht bei uns zu …

Da­mit ist sie in das nächs­te Haus ge­kom­men und setzt dort ih­ren Be­stell­gang fort.

Der Werk­meis­ter Otto Quan­gel ist un­ter­des mit dem Feld­post­brief in die Stu­be ge­kom­men und hat ihn auf die Näh­ma­schi­ne ge­legt. »Da!«, sagt er nur. Er lässt ihr stets das Vor­recht, die­se Brie­fe zu öff­nen, weiß er doch, wie sehr sie an ih­rem ein­zi­gen Soh­ne Otto hängt. Nun steht er ihr ge­gen­über; er hat die dün­ne Un­ter­lip­pe zwi­schen die Zäh­ne...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2024
Reihe/Serie Gesammelte Werke bei Null Papier
Gesammelte Werke bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Alkohol • Alkoholismus • Armut • Berlin • Berlinerisch • Drittes Reich • Hyperinflation • Inflation • Knast • Weimarer Republik
ISBN-10 3-96281-359-4 / 3962813594
ISBN-13 978-3-96281-359-8 / 9783962813598
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