Die Tyrannei des Schmetterlings (eBook)
736 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31833-3 (ISBN)
Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, veröffentlichte 1995 den historischen Roman »Tod und Teufel«, der zunächst regional, später bundesweit zum Bestseller avancierte. Nach zwei weiteren Romanen, einem Band mit Erzählungen sowie dem Thriller »Lautlos« erschien im Frühjahr 2004 »Der Schwarm«, der seit Erscheinen eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen Exemplaren erreicht hat und weltweit in 27 Sprachen übersetzt wurde. Es folgten die Bestseller »Limit« (2009), »Breaking News« (2014) und »Die Tyrannei des Schmetterlings« (2018). Auch als Sachbuchautor hat sich Schätzing einen Namen gemacht. 2006 zeichnete Bild der Wissenschaft seine Evolutionsgeschichte »Nachrichten aus einem unbekannten Universum« als bestes Wissenschaftsbuch aus. 2021 gelang ihm mit »Was, wenn wir einfach die Welt retten?« erneut der Sprung in die Sachbuch-Bestsellerliste. 2024 erscheint sein neuer Roman »Helden«, mit dem er den Weltbestseller »Tod und Teufel« kongenial fortsetzt. Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln. Auszeichnungen 2002 KölnLiteraturPreis 2004 Corine in der Sparte Belletristik 2005 Kurd-Laßwitz-Preis für Der Schwarm als bester Science-Fiction-Roman des Jahres Deutscher Science Fiction Preis für Der Schwarm Goldene Feder für Der Schwarm Deutscher Krimi Preis für Der Schwarm 2006 Dr. Kurt Neven DuMont Medaille der Westdeutschen Akademie für Kommunikation 2007 »Stein im Brett« Preis des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler e.V. (BDG) Premio Bancarella 2009 Elisabeth-Mann-Borgese-Meerespreis 2011 Deutscher Meerespreis 2021 Bayerischer Buchpreis: Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten
Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, veröffentlichte 1995 den historischen Roman »Tod und Teufel«, der zunächst regional, später bundesweit zum Bestseller avancierte. Nach zwei weiteren Romanen, einem Band mit Erzählungen sowie dem Thriller »Lautlos« erschien im Frühjahr 2004 »Der Schwarm«, der seit Erscheinen eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen Exemplaren erreicht hat und weltweit in 27 Sprachen übersetzt wurde. Es folgten die Bestseller »Limit« (2009), »Breaking News« (2014) und »Die Tyrannei des Schmetterlings« (2018). Auch als Sachbuchautor hat sich Schätzing einen Namen gemacht. 2006 zeichnete Bild der Wissenschaft seine Evolutionsgeschichte »Nachrichten aus einem unbekannten Universum« als bestes Wissenschaftsbuch aus. 2021 gelang ihm mit »Was, wenn wir einfach die Welt retten?« erneut der Sprung in die Sachbuch-Bestsellerliste. 2024 erscheint sein neuer Roman »Helden«, mit dem er den Weltbestseller »Tod und Teufel« kongenial fortsetzt. Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln. Auszeichnungen 2002 KölnLiteraturPreis 2004 Corine in der Sparte Belletristik 2005 Kurd-Laßwitz-Preis für Der Schwarm als bester Science-Fiction-Roman des Jahres Deutscher Science Fiction Preis für Der Schwarm Goldene Feder für Der Schwarm Deutscher Krimi Preis für Der Schwarm 2006 Dr. Kurt Neven DuMont Medaille der Westdeutschen Akademie für Kommunikation 2007 »Stein im Brett« Preis des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler e.V. (BDG) Premio Bancarella 2009 Elisabeth-Mann-Borgese-Meerespreis 2011 Deutscher Meerespreis 2021 Bayerischer Buchpreis: Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten
Afrika.
Die durchweichte Zeit.
Von April bis Oktober verflüssigt sich die Luft. Wie schwarzblaue Planeten hängen die Regenfronten dann über den Bergen und treiben Richtung Savanne, belebt von geheimnisvollem Leuchten. Windgeister fegen durch einen postatomar gelben Himmel, Vorboten der baldigen Flut. Die Wasserplaneten rücken träge nach, verschlucken Horizonte und Blicke, saugen den Tag in sich auf, bis sie zu einem einzigen, alles umschließenden Schwarz verschmolzen sind.
Ein Grollen wird durch die Wolke gereicht.
Es zieht von Osten nach Westen, als gäben titanische Wesen Kommandos aneinander weiter, die Jenseitigen, Nhialic selbst vielleicht, nun in der Gestalt Dengs. Vereinbarte Zeichen, mit der Reinwaschung der Welt zu beginnen, doch der erste Guss bewirkt wenig. Der rissig gebackene Boden scheint nicht fähig, die Tropfen zu schlucken. Dick und zitternd balancieren sie im Staub, entformen sich jäh und hinterlassen schnell verblassende Flecken auf dem lehmigen Krakelee. Ein eher armseliges Schauspiel angesichts der imposanten Drohkulisse, dann endet der kurze Schauer so plötzlich, wie er eingesetzt hat.
Jedes Geräusch erstirbt.
Es folgt die Stille vor der völligen Auslöschung.
Ein Ozean stürzt herab.
Binnen Minuten verwandeln sich unbefestigte Straßen in Schluchten, als sei das Land aufgeplatzt und kehre sein Innerstes nach außen. Tonnen zähen, roten Schlamms quellen hervor, blasig vom Dauergeprassel. Aus Wiesen und Viehgründen drängen Seen, ausufernde, brodelnde Flächen, auf denen Spritzwasserblüten sprießen, dicht an dicht. Was Teil fester Landschaft war, wird zur Insel. In den Elementen wütet jetzt Mascardit, der Große Schwarze, der Tod und Fruchtbarkeit bringt, niemals das eine ohne das andere. Gleich einem rasenden Organismus schießt und windet sich die Flut zwischen Gehölzen und Trockenwäldern hindurch, alles Verdorrte mit sich reißend. Dem Verfall preisgegeben, wird die alte Welt hinweggespült, jede vertraute Struktur aufgelöst, jede Gewissheit getilgt, bis zum Moment spontaner Neuordnung.
Manchmal regnet es tagelang ohne Unterlass.
Dann plötzlich klafft das triefende Wolkengebräu auseinander, so wie jetzt, da makelloses Blau den Himmel zurückerobert. Ein Blau von solcher Tiefe und Intensität, dass die Männer im Schlamm sich unwillkürlich ducken und an ihre Heckler & Koch Gewehre klammern, als könne das Blau sie einsaugen und in die jenseitige Dimension speien.
In Nhialics Reich.
Nhialic, den Menschen entrückt, nachdem Urgöttin Abuk den Himmel von der Erde trennte und niedere Gottheiten ermächtigte, die Geschicke der Dinka zu leiten – man könnte auch sagen, sie hat die Gewalt des Hochgottes unterlaufen, indem sie ihn bestahl, um den Menschen mehr zu geben, als er ihnen zugedacht hatte. Womit sie ihn beschämte und Nhialic beleidigt von dannen zog, aber als Regengott Deng mischt er sich immer noch ein, zum Segen und Verderben aller.
Fast könnte man die Geschichten glauben.
Major Joshua Agok ist Anglikaner und glaubt an Jesus, was nach westeuropäischem und amerikanischem Verständnis akute Arbeitslosigkeit für heidnische Gottheiten bedeutet, doch den Dinka ist das Entweder-oder des christlichen Monotheismus fremd. Die Missionare, die am Weißen Nil vor über hundertfünfzig Jahren Seuchen zum Opfer fielen, die späteren katholischen Verona-Patres und britischen Anglikaner, schließlich die Abgesandten der Presbyterian Church of America – sie alle haben nie begriffen, dass man an Jesus glauben und ihn zugleich problemlos ins Familienbild niedriger Gottheiten und verehrter Ahnen einpassen kann. Die Alten waren immer schon da. Sie würden den Neuzugang misstrauisch bis freundlich beäugen, ihn gewähren lassen, aber warum sollten sie seinetwegen gehen?
Verschwindet eine Kuh, wenn man eine Kuh hinzukauft?
Agok zwingt sich, den Blick aus der blauen Kuppel zu lösen.
Wir verlieren uns in Mythen, denkt er.
Und warum? Weil wir uns selber nicht mehr glauben können. Aber an irgendetwas muss man glauben. Es steht viel Gutes in der Bibel, und wer würde widersprechen, dass die Natur von Geistern belebt ist, die Seelen der Verstorbenen in ihr wirken, dass tatsächlich alles, was geschaffen wurde, materieller Ausdruck einer Welt von Geistern ist, die solcherart in unsere Dimension wechseln. Nur, was immer uns Verstand gegeben hat – es kann nicht gewollt haben, dass wir ihn nicht benutzen, um endlich diesen unseligen Bürgerkrieg zu beenden. Andernfalls wäre alles umsonst gewesen. Was wir erlitten und an Leid zugefügt haben, um unsere Vorstellungen von Freiheit durchzusetzen.
Ebendiese Vorstellungen sind jetzt das Problem.
Agok schaut hinter sich.
Kreaturen aus Lehm, blitzende Augen in Schlammgesichtern. Als habe die Erde selbst sich erhoben. Die Legende vom Golem, daran muss er denken, als er seine kleine Streitmacht überschaut. Einhundertzwanzig Golems, bis an die Zähne bewaffnet. Verschwindend wenige gegen Olonys Miliz, die das Gebiet kontrolliert, doch die Besten, die sich finden ließen. Ein Volk, dem man Gewehre in die Hand gedrückt hat, um für seine Unabhängigkeit zu kämpfen, wird nicht zur schlagkräftigen Armee, bloß weil man einen Kreis um es zieht und das Ganze Staat nennt. Aber diese Jungs sind wirklich gut. Agok selbst hat sie ausgesucht, jeden Einzelnen von ihnen. Mit konzentrierten Mienen hocken sie im Unterholz, beschattet von Tamarindenbäumen und Akazien. Solange die Sonne ihr glühendes Intermezzo gibt, bietet das Laubdach Schutz; den Regen konnte es nicht von ihnen fernhalten. Während der Wolkenbrüche ist es ziemlich gleich, wo du dich aufhältst. Die Feuchtigkeit kommt von allen Seiten, entsprechend sind sie nass bis auf die Knochen, und der rote Schlamm tut das Seine, um sie wie eine Horde lauernder Erdgeister aussehen zu lassen.
Eine kurze Atempause, denkt Agok.
Nicht eingeplant, nicht unwillkommen.
Dann werden sie den Wald verlassen und auf Olonys Stellungen vorrücken.
Der Moment, dem sie entgegenfiebern, seit die Helikopter sie vor zwei Tagen abgesetzt haben, mitten im Niemandsland.
Zu Fuß haben sie sich durch den lichten, unterholzreichen Wald bis hierher durchgeschlagen. Abseits der Lehmstraßen, die ohnehin unpassierbar sind um diese Jahreszeit. So hoch oben, im Grenzgebiet zum Norden, hat der Regen die Menschen fast vollständig isoliert. Auf dem Landweg werden die Ortschaften und Gehöfte während der kommenden Monate nicht zu erreichen sein. Im ganzen Staatsgebiet gibt es nur rund fünfzig Kilometer asphaltierte Straße, vornehmlich dazu dienend, der fernen Hauptstadt ein bisschen urbanes Flair zu verleihen. Als sie vor sechs Jahren dort die Unabhängigkeit feierten, galt der von Hütten umstandene, lärmige, bunte Marktflecken mit seinen planlos hineingewürfelten Repräsentationsbauten plötzlich als Hotspot. Ein Staat wurde geboren, und jeder wollte Geburtshelfer spielen. Im Sahara Resort Hotel, der einzig repräsentablen Adresse am Platz, drängten sich Diplomaten, Ölmagnaten, Waffenhändler, Blauhelme, NGOs und Prediger, im Gepäck Pläne für Krankenhäuser, Universitäten, Flughäfen, Ölpipelines und Missionsstationen. Wie durch Zauberhand avancierte der kümmerliche Bestand an Kraftfahrzeugen über Nacht zur Musterschau japanischer Geländewagen mit Satellitenantennen. Alles schien möglich. Alleine das Öl würde Milliarden Dollar in die Staatskasse spülen, und Hunderte Millionen an Entwicklungsgeldern lagen in europäischen Hilfsfonds bereit. Die Abspaltung von der Diktatur im muslimischen Norden, die den schwarzafrikanischen Süden so lange ausgebeutet hatte, ohne für dessen Bewohner auch nur den kleinen Finger krumm zu machen, war erreicht, nach Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen. Der Diktator eilte demütig zur Unterzeichnung des Friedensvertrags und versprach beste Beziehungen zum neuen Nachbarland. Er hatte Kreide gefressen, dass es aus den Mundwinkeln staubte, schließlich lag gegen ihn ein internationaler Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, da konnte es nicht schaden, zur Abwechslung den Versöhner zu geben.
Was für eine Chance wir hatten!, denkt Agok.
Und dann haben wir es vermasselt.
Er lugt um den Stamm der Akazie, die ihm Deckung gibt. Vor ihnen erstreckt sich die Savanne. Ein karg bewachsener Rapport aus Buschwerk und einzeln stehenden Bäumen, durchsetzt von strohgedeckten Rundhütten, die den nomadisierenden Viehhirten für die Dauer der Regenmonate als Behausung dienen. Noch letzten Monat sah es hier aus wie auf dem Mars, jetzt treiben leuchtend grüne Matten aus den vollgesogenen Böden, die Baumwipfel belauben sich im Zeitraffertempo, Blüten explodieren in vielfarbiger Pracht, eine Travestie der Schöpfung. Der Geruch frischen Regens zieht heran. Über den Bergen haben sich neue Wolkenungeheuer aufgetürmt und jagen Vogelschwärme vor sich her.
Agok genießt diesen Moment, in dem die Luft von einer Reinheit ist, wie man sie während der Trockenzeiten nie erlebt. Fast schmerzhaft drängt sie in die Lunge. Er schaut zu, wie erste Schwaden aus der Ebene steigen und der Wald um sie herum zu dampfen beginnt. Die Mittagssonne sticht aus dem Zenit und entfacht einen rauschhaften Tanz der Moleküle, entreißt das Wasser den Böden, kaum dass der Himmel es hineingepumpt hat. Die Verdunstungshitze ist enorm. Bald wird die Savanne aussehen wie eingesponnen, und dann werden Agok und seine Männer Phantome...
Erscheint lt. Verlag | 24.4.2018 |
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Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | AI • bestseller 2018 • ChatGPT • Computer • Cyber-Krimi • Cyber-Thriller • Der Schwarm • Endzeit-Thriller • Hightech • Intelligente Algorithmen • Künstliche Intelligenz • Mord • Schätzing Thriller • Science Fiction • Science Fiction-Thriller • SciFi-Thriller • Silicon Valley • Thriller • thriller neuerscheinung • Thriller Neuheiten 2018 • Wissenschaftsthriller |
ISBN-10 | 3-462-31833-0 / 3462318330 |
ISBN-13 | 978-3-462-31833-3 / 9783462318333 |
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