Drei Erzählungen (eBook)

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2017 | 1. Auflage
65 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-8022-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drei Erzählungen -  Robert Louis Stevenson
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Dieses eBook: 'Drei Erzählungen' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Robert Louis Stevenson (1850-1894) war ein schottischer Schriftsteller des viktorianischen Zeitalters. Bekannt geworden sind vor allem der Jugendbuchklassiker Die Schatzinsel und die Schauernovelle Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, die sich dem Phänomen der Persönlichkeitsspaltung widmet und als psychologischer Horrorroman gelesen werden kann. Einige Romane sind heute noch populär und haben als Vorlagen für zahlreiche Verfilmungen gedient. Inhalt: Will von der Mühle Die krumme Janet Markheim

Pastors Marjory


Inhaltsverzeichnis


Einige Jahre später starben die alten Leute beide im gleichen Winter nach einer sorgsamen Pflege seitens ihres Adoptivsohnes, der sie bei ihrem Hinscheiden still beweinte. Wer von seinen Wanderphantasien gehört hatte, glaubte, er würde sich jetzt beeilen, seinen Besitz zu verkaufen und flußabwärts ziehen, um sein Glück zu machen. Allein es fiel niemals ein Zeichen derartiger Absichten von seiten Wills. Er machte sich im Gegenteil daran, das Gasthaus zu heben, mietete sich ein paar Dienstboten als Hilfe für den Betrieb und ließ sich endgültig dort nieder – ein freundlicher, gesprächiger, undurchdringlicher junger Mann, sechs Fuß drei Zoll hoch in seinen Socken, mit einer eisernen Gesundheit und einer gütigen Stimme. Sehr bald galt er in der Gemeinde als etwas von einem Sonderling: eigentlich hätte man es sich ja von vornherein denken können, denn er hatte doch von jeher voller kurioser Ideen gesteckt und auch die einfachsten, vernünftigsten Dinge angezweifelt. Was jedoch am meisten dazu beitrug, jenen Ruf zu verstärken, waren die seltsamen Umstände seines Freiens um des Pastors Marjory.

Pastors Marjory war ein Mädel von etwa neunzehn Jahren, als Will die Dreißig erreicht hatte, von recht ansehnlichem Äußeren und mit einer weit höheren Bildung als alle anderen Mädchen jener Gegend, wie es sich ja auch für ihre Herkunft schickte. Sie trug den Kopf sehr hoch und hatte bereits mehrere Anträge recht großartig zurückgewiesen, welches ihr harte Namen unter ihren Nachbarn eingetragen hatte. Trotzdem war sie ein gutes Mädchen, das jeden Mann glücklich gemacht hätte.

Will war nie viel mit ihr zusammen gekommen, denn obwohl Kirche und Pfarrhaus nur zwei Meilen von seiner eigenen Tür entfernt lagen, hatte man ihn nie, außer an Sonntagen, dorthin gehen sehen. Zufällig jedoch wurde das Pfarrhaus reparaturbedürftig und mußte geräumt werden, und der Pastor und seine Tochter mieteten sich zu stark ermäßigten Preisen auf ein oder zwei Monate in Wills Gasthaus ein. Nun war aber unser Freund dank dem Gasthaus, der Mühle und den Ersparnissen des alten Müllers ein wohlhabender Mann geworden. Außerdem befaß er den Ruf eines gutmütigen, klugen Menschen, was in der Ehe immer ein großes Kapital bedeutet, und so entstand gar bald unter wohlmeinenden Bekannten das Gerücht, daß der Pastor und seine Tochter ihre vorübergehende Unterkunft nicht blindlings ausgesucht hätten. Will war ungefähr der letzte Mann der Welt, sich durch Furcht oder Ränke in eine Heirat locken zu lassen. Man durfte ihm nur in die Augen sehen, die klar und still wie ein Teich waren und dennoch ein helles Licht auszustrahlen schienen, das gleichsam von innen her leuchtete, und man erkannte sogleich, daß man einem Manne gegenüberstand, der wußte, was er wollte, und der unerschütterlich an seinem Willen festhalten würde. Marjory selbst war, nach ihrem Äußeren zu urteilen, auch kein schwacher Mensch. Sie hatte einen festen, willensstarken Blick und ein energisches, stilles Wesen. Es war noch sehr die Frage, ob sie ihm an Zielbewußtsein nicht ebenbürtig war, und wer von beiden nach der Heirat die Oberhand behalten würde. Allein Marjory hatte alledem niemals einen Gedanken geschenkt und begleitete ihren Vater in unerschütterlicher Unschuld und Unbefangenheit.

Es war noch so früh im Jahre, daß Wills Gäste nur spärlich und in langen Zwischenräumen eintrafen, aber die Fliederbüsche standen schon in Blüte, und das Wetter war so mild, daß die Gesellschaft ihre Mahlzeiten in der Laube einnahm, wo der Lärm des Flusses zu ihnen hinaufklang; und die Wälder im Umkreis hallten wider von Vogelgesang. Will begann diesen Mahlzeiten sehr bald besondere Freude abzugewinnen. Der Pastor war zwar ein ziemlich langweiliger Gesellschafter, der die Gewohnheit hatte, bei Tische einzuschlafen, doch fiel niemals ein rauhes oder grausames Wort von seinen Lippen. Und was des Pastors Tochter anbelangte, so paßte sie so anmutig wie nur möglich zu ihrer Umgebung, und alles, was sie sagte, klang so hübsch und treffend, daß Will eine hohe Meinung von ihren Gaben zu hegen begann. Er konnte ihr Gesicht sehen, wie es sich, beim Vorwärtsneigen, gegen einen Hintergrund ansteigender Tannenwälder abhob; ihre Augen leuchteten friedlich; das Licht legte sich wie ein Tuch um ihr Haar; etwas, das man kaum als ein Lächeln zu bezeichnen vermochte, glitt wellengleich über ihre blassen Wangen, und Will konnte sich nicht enthalten, sie in angenehmer Bestürzung anzustarren. Sie war, selbst in ihren ruhigsten Augenblicken, so ganz sie selber und bebte bis in ihre Fingerspitzen hinein, ja bis zum Saum ihres Kleides herab, so voll innersten Lebens, daß die übrige Schöpfung im Vergleich zu ihr in verschwommenes Nichts zerrann. Ja, wenn Will von ihr weg auf ihre Umgebung blickte, so erschienen die Bäume ihm leblos und gefühllos, die Wolken hingen wie tot am Himmel, und selbst die Berggipfel hatten ihren Zauber verloren. Das ganze Tal konnte sich an Schönheit nicht mit diesem einen Mädchen messen.

Will war in Gesellschaft seiner Mitmenschen stets ein aufmerksamer Beobachter, aber im Falle Marjorys wurde seine Aufmerksamkeit fast peinlich. Er lauschte allem, was sie sagte und forschte gleichzeitig in ihren Augen nach dem unausgesprochenen Kommentar. Viele freundliche, einfache, aufrichtige Reden fanden in seinem Herzen ein Echo. Er wurde einer Seele inne, die in schönster Harmonie in sich selber ruhte, die nichts anzweifelte, nichts begehrte, kurz, die in Frieden wandelte. Es war unmöglich, ihre Gedanken von ihrer Erscheinung zu trennen. Die Form ihres Handgelenks, der ruhige Klang ihrer Stimme, das Licht in ihren Augen, die Linien ihres Körpers sangen die gleiche Melodie wie ihre ernsten, sanften Worte, so wie Musikbegleitung die Stimme des Sängers stützt und ergänzt. Der Einfluß, der von ihr ausging, war ganz einheitlich, unteilbar, undiskutierbar und konnte nur mit dankbarer Freude hingenommen werden. Will war es, als riefe ihre Gegenwart einen Teil seiner Kindheit zurück, und der Gedanke an sie gesellte sich in seiner Seele zu den Bildern der Morgendämmerung, fließenden Wassers und der ersten Veilchen und Fliederblüten. Dinge, die wir zum ersten Male sehen, oder doch zum ersten Male nach einer langen Zeit wieder erblicken, wie zum Beispiel die Frühlingsblumen, haben die Eigenschaft an sich, in uns die Kraft der Empfindung, sowie jenen Eindruck des Mystisch-Wunderbaren zu verschärfen, die sonst mit dem Älterwerden aus unserem Leben schwinden; doch der Anblick eines geliebten Antlitzes erneuert eines Menschen Charakter von den Wurzeln aufwärts.

Eines Tages nach dem Essen machte Will einen kleinen Spaziergang unter den Fichten; eine ernste Seligkeit nahm ihn von Kopf bis zu Fuße gefangen, und er fuhr fort, im Gehen sich selbst und der Landschaft zuzulächeln. Der Fluß ergoß sich hier in hübschen Kräuselwellen von Stein zu Stein; ein Vogel sang laut im Walde; die Berge sahen unermeßlich hoch aus, und wenn Will von Zeit zu Zeit zu ihnen aufschaute, erschien es ihm, als blickten sie mit wohlwollender aber Ehrfurcht erweckender Neugier auf sein Kommen und Gehen. Sein Weg führte ihn zu der Anhöhe über der Ebene. Dort setzte er sich auf einen Stein und versank in tiefes und angenehmes Sinnen. Die Ebene dehnte sich mit ihren Städten und dem silbernen Fluß vor ihm aus; alles schlief, mit Ausnahme eines mächtigen Wirbels von Vögeln, der sich in einem fort hob und senkte und sich in der blauen Luft wieder und wieder um sich selbst drehte. Er sprach Marjorys Namen laut vor sich hin, und er klang wohltuend an sein Ohr. Er schloß die Augen, und ihr Bild erstand vor ihm, still leuchtend und von guten Gedanken begleitet. Der Fluß mochte bis in alle Ewigkeit so weiterströmen; die Vögel mochten höher und höher fliegen, bis an die Sterne hinan. Er erkannte, daß alles doch nur leeres Getöse war; denn hier hatte auch er, ohne einen Fuß zu rühren, geduldig wartend in dem engen Tale das bessere Sonnenlicht erreicht.

Am folgenden Tage, während der Pastor seine Pfeife stopfte, gab Will über den Tisch hinüber eine Art Erklärung von sich.

»Fräulein Marjory,« sagte er, »ich habe niemals jemanden gekannt, den ich so gut leiden konnte wie Sie. Ich bin fast ein kalter, unfreundlicher Mann, nicht aus Mangel an Gefühl, sondern dank der Eigenart meines Denkens, und alle Menschen erscheinen mir wie in weiter Entfernung. Es ist, als wäre ein Kreis um mich gezogen, der jeden ausschließt, Sie ausgenommen; ich kann die anderen reden und lachen hören, aber nur Sie sind mir ganz nahe. Aber vielleicht ist Ihnen das unangenehm?« schloß er.

Marjory antwortete nicht.

»So rede doch, Mädchen«, sagte der Pastor.

»Nein, jetzt möchte ich nicht in sie drängen, Herr Pastor«, entgegnete Will. »Ich, der ich nicht daran gewöhnt bin, kann selber schlecht reden; und sie ist eine Frau und, wenn alles gesagt ist, kaum mehr als ein Kind. Ich meinerseits bin, soweit ich begreife, was die Leute darunter verstehen, glaube ich, verliebt. So nennen sie es wohl. Ich möchte nicht den Glauben erwecken, als wollte ich mich hiermit festlegen, denn ich kann mich irren; aber ich denke, so stehen bei mir die Dinge. Und wenn Fräulein Marjory vielleicht irgendwie anders empfindet, so ist sie vielleicht so freundlich, den Kopf zu schütteln.«

Marjory schwieg und gab kein Zeichen, daß sie überhaupt etwas gehört hatte.

»Was meinen Sie, Herr Pastor?« fragte Will.

»Das Mädchen muß sprechen«, erwiderte der Pastor und legte seine Pfeife fort. »Hier sagt unser Nachbar, daß er dich liebt, Madge. Liebst du ihn denn, ja oder nein?«

»Ich glaube, ja«, antwortete...

Erscheint lt. Verlag 2.12.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Der Tote im Strandkorb • Die Entscheidung • Die Zeit heilt keine Wunden • Durst • herman hesse • Im Wald • Ken Follett • origin • Stefan Zweig • Thomas Mann
ISBN-10 80-268-8022-6 / 8026880226
ISBN-13 978-80-268-8022-6 / 9788026880226
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