Das Fest der kleinen Wunder (eBook)

Roman

***

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
200 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1478-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Fest der kleinen Wunder - Ulrike Renk
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Der Geschmack von Pfefferkuchen.

Ostpreußen im Winter 1925: Während im Reich alles im Umschwung ist, lebt man auf den Gütern in der ostpreußischen Provinz ein Leben mit den Jahreszeiten. Für Frederike ist es das letzte Jahr auf Gut Fennhusen, bevor sie eine höhere Töchterschule besuchen wird. Sie genießt es, mit ihrem Pony über die abgeernteten Felder zu reiten, den ersten Schnee zu riechen und an den Vorbereitungen für die große Jagd teilzuhaben. Nur Caramell, ihr Lieblingspferd, macht ihr Sorgen - es lässt sich plötzlich nicht mehr reiten. Dann taucht der Besitzer des Nachbarguts auf und möchte es kaufen. Jetzt muss schon ein kleines Wunder geschehen, dass es noch ein fröhliches Weihnachtsfest wird ...

Zauberhaft und besinnlich - Weihnachten auf Gut Fennhusen.

Dieses Buch ist ein abgeschlossener Weihnachtsroman, der in den 20er Jahren auf Fennhusen spielt. Es ist nicht die chronologische Fortsetzung der Serie 'Die Ostpreußen Saga'.



Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld. Familiengeschichten haben sie schon immer fasziniert, und so verwebt sie in ihren erfolgreichen Romanen Realität mit Fiktion.

Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Australien-Saga, die Ostpreußen-Saga, die Seidenstadt-Saga und zahlreiche historische Romane vor. Zuletzt erschienen von ihr 'Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe', 'Ursula und die Farben der Hoffnung' und 'Fine und die Zeit der Veränderung', die neue große Saga um die Dichterfamilie Dehmel. 

Mehr zur Autorin unter www.ulrikerenk.de

Kapitel 1


Laut Kirchenkalender fiel der Erntedanktag dieses Jahr auf den dritten Oktober. Wie immer würden sie den Tag in ihrer Gemeinde begehen. Aber auf Fennhusen endete die Ernte des Getreides immer bereits Mitte September. Es war ein mildes Jahr gewesen und deshalb war die Ernte mit gutem Ertrag eingefahren worden. Und wie jedes Jahr vor der Ernte war die Zahl der Leute, die auf dem Gut beschäftigt wurden, beträchtlich gewachsen, denn die Schnitter kamen – die Erntehelfer. Jetzt, wo die Ernte eingebracht war, würden die Schnitter gen Westen ziehen, dort gab es in den kommenden Wochen noch reichlich Arbeit. Hier auf Fennhusen, in Ostpreußen, kam der Winter früh und war meist hart.

Das wird der Grund sein, dachte Frederike und zog sich ihr neues, schickes Kleid an, weshalb wir die Ernte immer so besonders feiern.

Erst seit wenigen Jahren lebte Frederike mit ihren beiden Halbgeschwistern Fritz und Gerta hier auf dem Gut in Ostpreußen. Und es würde vermutlich ihr letztes Jahr auf Fennhusen sein. Denn Frederike strebte die externe Schulprüfung an – sie wollte nächstes Jahr eine höhere Töchterschule besuchen. Aber das lag glücklicherweise noch in ferner Zukunft – jetzt freute sie sich erst einmal auf das Erntefest, einer der Höhepunkte des Gutsjahres, der nur vom Weihnachtsfest gekrönt wurde. Das Fest war immer schon wichtig gewesen, aber Frederike schien es so, als ob in den letzten Jahren, in den Jahren nach dem großen Krieg, der Europa zerstört hatte, die Feiern wilder und ausgelassener geworden wären.

»Freddy?«, rief Mutter von unten. »Kommst du? Wir müssen los.«

Frederike warf einen Blick aus dem Fenster in den Hof. Dort stand der Leiterwagen – gefüllt mit Strohballen und geschmückt mit Hopfenreben und Astern, den letzten Blüten des Geißblattes und Schafgarbendolden. Schnell zog sie die Schnallenschuhe an, die sie erst letzte Woche in Bromberg gekauft hatte, nahm ihr Umschlagtuch und hastete nach unten. Dort warteten schon ihre Mutter, der Stiefvater und Fritz und Gerta. Die drei Kleinen, die Kinder der dritten Ehe ihrer Mutter mit Erik von Fennhusen, blieben in der Obhut des Kindermädchens. Irgendwie beneidete Frederike sie. Zuhause war es so behaglich.

Der Leiterwagen fuhr die Familie auf eines der abgeernteten Felder. Wind zog auf und wehte den Getreidestaub hoch, es sah aus, als ob Frauen in dünnen Kleidern über das Feld tanzten. Gerta nieste in einem fort.

»Reiß’ dich zusammen«, murmelte Stefanie und reichte ihrer Tochter ein Taschentuch. »Es dauert doch nicht lange.«

Dann trat einer der Erntehelfer vor.

»Wat seht ihr hier, in meener Hand, ihr alle hier zugejen?

Et iss Kranz der Ernte, wie bekannt, drum danket Jottes Sejen.

Er ist jeschmückt mit Blum’ und Band, mit Disteln und mit Dornen,

dies alles schenkt det Vaters Hand …«

So ging es noch eine Weile, und alle lauschten ehrfürchtig.

Dann sagte der erste Schnitter schließlich:

»Drum spielet nun den Lobjesang:

Nun danket alle Jott«

Sogleich stimmten die Versammelten das Lied an:

»Nun danket alle Gott / mit Herzen, Mund und Händen,

der große Dinge tut / an uns und allen Enden,

der uns von Mutterleib / und Kindesbeinen an

unzählig viel zugut / bis hierher hat getan.«

Danach wurde den Mitgliedern der Gutsfamilie eine Schleife mit Ähren an den Ärmel gesteckt und anschließend ging es in die große Scheune, die ausgefegt worden war und an deren Seiten Tische und Bänke standen. Die große, kunstvoll gebundene Erntekrone nahm Onkel Erik, Frederikes Stiefvater, in Empfang. Sie würde bis zur Weihnachtszeit in der geräumigen Diele des Gutshauses hängen. Erst wenn sie dort den Weihnachtsbaum aufstellten, würde die Erntekrone abgenommen werden.

Weihnachten, dachte Frederike, das scheint noch so weit hin zu sein, aber die Zeit verlief immer schneller. Früher, als sie noch kleiner gewesen war, war Weihnachten immer das Großartigste im Jahr gewesen – das Essen, die Geschenke, die Feste, der Tannenbaum und der Lichterglanz. Und es hatte ewig gedauert – von einem Weihnachten zum anderen. Aber jetzt schien ein Jahr im Nu umzugehen. Bald würde der Winter kommen, dann das Weihnachtsfest, Neujahr. Die Zeit bis zum Frühjahr zog sich immer noch wie Sirup, das schien sich nicht zu ändern – doch war es da, war es auch schon bald Sommer und dann wieder Herbst. Die Abläufe der Jahreszeiten waren essentiell auf einem Gut wie Fennhusen, und obwohl Weihnachten besinnlicher war, war das Erntefest wichtiger für den Betrieb und die Leute. Jetzt war alles eingefahren, und jetzt wurde gefeiert. Morgen würden sie anfangen zu dreschen, aber heute war der Kornboden leer, gefegt und die Blaskapelle spielte auf.

Berge an Kuchen türmten sich auf den Tischen und alle griffen beherzt zu. Zwei Ferkel wurden im Hof über dem Feuer gedreht, es roch jetzt schon köstlich. Die Köchin Schneider hatte viel Laibe frisches Brot backen lassen und einige Köpfe Kohl waren schon recht früh geschnitten, gestampft und in die Steingutgefäße eingelagert worden. Nun war der Krautsalat perfekt und konnte serviert werden.

Die Stimmung war ausgelassen und Stefanie von Fennhusen eröffnete mit ihrem Mann den Tanz – eine Polka. Nach und nach schlossen sich die anderen an – zuerst der Inspektor mit seiner Frau, dann Hans, der Kutscher und Chauffeur. Es ging dem Rang nach, und das wurde penibel beachtet. Erst nach dem zweiten Tanz, einem Walzer, achtete keiner mehr auf die Regeln. Traditionsgemäß blieb die Gutsfamilie, bis das erste Schwein angeschnitten wurde, dann zog sie sich zurück und ließ die Leute feiern.

Alle aßen von dem knusprigen und saftigen Ferkel, dem Krautsalat und dem Brot, und natürlich gab es noch viel mehr Köstlichkeiten, und Fritz versuchte, von allem etwas zu essen.

»Du wirst platzen«, ärgerte Frederike ihn.

»Nein, das werde ich nicht«, gab Fritz zurück und nahm sich noch von den gefüllten Teigtaschen.

»Dir wird übel sein«, sagte Frederike und lachte.

»Und wenn schon? Wann können wir so viel essen, ohne dass uns jemand auf die Finger schaut?« Er grinste.

»Marjellchen«, sagte Viktor, der erste Stallmeister und nahm Frederikes Hand. Es war üblich, dass die Leute auch mit Mitgliedern der Familie tanzten, aber bisher war Frederike noch nie von einem Erwachsenen aufgefordert worden. Doch nun war sie sechzehn und beileibe kein Kind mehr. Sie war noch nicht in der Gesellschaft eingeführt – nicht Fisch, nicht Fleisch. Viktor machte das nichts aus. »Is ne Polka, Marjellchen. Lass uns de Beene schwinjen.«

Und das taten sie dann auch.

»Marjellchen«, sagte Viktor, als er sie nach dem Tanz zurück an ihren Platz führte, »du solltest dariber nachdenken, obde nich de Caramell reitest. Langsam awwer sicher wirste zu jroß fürde Dups, dein Pony.«

»Caramell?« Frederike sah ihn skeptisch an. »Die ist doch so unberechenbar. Und außerdem ist es Mutters Pferd.«

»Wann hattse den deene Fruu Mudder dat letzte Mal jeritten? Muss Jahre her sin.«

Caramell war ein wunderschönes ostpreußisches Warmblut Trakehner Abstammung. Onkel Erik hatte die Stute vor drei Jahren vom Gut Weidenfels gekauft – dem Gut von Frederikes Vater, den sie nie hatte kennenlernen dürfen, weil er schon vor ihrer Geburt gestorben war. Sie hatte keine enge Bindung zur Familie ihres Vaters – gerade deshalb aber hing ihr Herz an diesem Pferd. Caramell schien ein Vermächtnis zu sein, eine Verbindung.

»Meinst du wirklich, ich kann sie reiten?«, fragte Frederike und spürte ihr Herz pochen.

»Wär een Wunder, wenn nich«, sagte Viktor und schlug ihr lachend auf die Schulter. »Ausprobieren werden wir das inne nächsten Wochen, wa, Marjellchen?«

Er würde sie Caramell reiten lassen. Das blieb ihr von dem schönen Fest am meisten im Gedächtnis. Die Familie brach zurück zum Gutshaus auf, bevor die Heiterkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte. Stefanie wies das Küchenmädchen, das tapfer die Stellung hielt, an, ihr eine große Kanne starken Kaffees zu brauen. Sie würde ihn brauchen, denn, auch wenn die Familie nicht mehr mitfeierte, würde die ganze Nacht über an der Tür geklopft werden, und Stefanie würde manchen Streit schlichten, mache Wunde versorgen müssen.

Aber auch diese Nacht überstanden sie. Das Tagesgeschäft lief am nächsten Morgen etwas holprig an, aber nach und nach fanden alle zum Alltag zurück.

Am frühen Nachmittag ging Frederike in den Stall. Tomasz, der erste Stallbursche, versorgte die Pferde. Er war an der letzten Box, hinten, dort, wo Caramell stand, und fluchte laut.

Sie hatte auf dem Erntefest gesehen, dass er mit seiner Frau, die in der Gutsküche angestellt war, gestritten hatte. Im Grunde war das nicht ungewöhnlich, es stritten sich viele Paare auf solchen Festen, auf denen das Freibier floss und der Schnaps unter der Hand ausgeteilt wurde. Frederike mochte Tomasz, er tat alles für die Pferde. Aber mit Caramell hatte er seine liebe Mühe. Sie war tatsächlich etwas speziell, das musste selbst Frederike zugeben. Die Stute vertrug sich fast mit keinem anderen Pferd, nur Glumse, der falbe Kaltblüter-Wallach, war ihr Freund. Die beiden schienen sich zu lieben.

Tomasz kam in die Stallgasse und nickte Frederike zu. »Willste deine Dups reiten?«, fragte er mürrisch. »Is noch nich fertich.«

»Eigentlich wollte ich zu Caramell«, sagte Frederike leise, von dem Tonfall des Mannes verschüchtert.

...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2017
Reihe/Serie Die Ostpreußen Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Australierin • Das Lied der Störche • Die Jahre der Schwalben • Die Zeit der Kraniche • Familie • Familiensaga • Fennhusen • Fest • Gutshaus • Gutsleben • Ostpreußen • Pferd • Saga • Ulrike Renk • Weihnachten • Weihnachtsfest • Winter • Wunder
ISBN-10 3-8412-1478-9 / 3841214789
ISBN-13 978-3-8412-1478-2 / 9783841214782
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