Erkenne dich selbst -  Paul Heyse

Erkenne dich selbst (eBook)

Novelle

(Autor)

Jürgen Schulze (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
95 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-158-7 (ISBN)
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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830-02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die 'Breite seiner Produktion'. Der einflussreiche Münchner 'Dichterfürst' unterhielt zahlreiche - nicht nur literarische - Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen 'geben würde und ein Heysesches Zeitalter' dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen - Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.

Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen – Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.

Erkenne dich selbst

Erkenne dich selbst


Seit ei­ner Wo­che war ich in Flo­renz und be­fand mich dort von Her­zen wohl. Denn die Stadt ver­ei­nigt far­bi­ges na­tio­na­les Le­ben in al­ler schö­nen Un­ge­bun­den­heit des Sü­dens mit ei­nem hin­läng­li­chen Maß je­ner mo­der­nen Bil­dung und geis­ti­gen Reg­sam­keit, ohne die dem Nord­län­der sein Da­sein selbst in der la­chends­ten Sze­ne­rie, un­ter den lie­bens­wür­digs­ten Na­tur­menschen auf die Län­ge wie ein Traum vor­kommt. Auch die tos­ka­ni­sche Rein­lich­keit er­quickt hier ein wohl­er­zo­ge­nes deut­sches Ge­müt nach so man­chen rö­mi­schen und nea­po­li­ta­ni­schen Drang­sa­len, ohne dass es doch an ma­le­ri­schen Lum­pen und an­ti­ker Halb­nackt­heit gänz­lich man­gel­te, zu­mal in der ge­seg­ne­ten Jah­res­mit­te, wo ein Pla­ten-fes­ter Rei­sen­der weiß, dass man in Flo­renz »zur Koh­le ver­glühn« kann, wenn man die lan­düb­li­che Un­be­fan­gen­heit sich nicht zu Nut­ze macht.

Dass ich in all die­se Vor­zü­ge des Flo­ren­ti­ner Le­bens so­gleich ein­ge­weiht wer­den soll­te, da­für hat­te mein Schutz­geist mit be­son­de­rem Wohl­wol­len ge­sorgt. Er führ­te mich bei mei­ner ers­ten Um­schau nach ei­ner Pri­vat­woh­nung in ein sau­be­res, küh­les Haus, des­sen zwei­ter Stock von ei­ner wür­di­gen Wit­we ein­zeln ver­mie­tet wur­de. Die Magd wies mich in ein Hin­ter­zim­mer, aus dem mir ein rau­haa­ri­ger klei­ner Hund mit ge­sit­te­tem, halb­lau­tem Bel­len ent­ge­gen­lief. Die Si­gno­ra Eu­ge­nia selbst lag auf dem Sofa, in ei­ner je­dem küh­le­ren Luft­hauch, der sich durch die Ja­lou­si­en steh­len woll­te, äu­ßert zu­gäng­li­chen Haustracht. Selbst für einen Ken­ner des nea­po­li­ta­ni­schen Som­mer­ko­stüms war es ver­zeih­lich, wenn er Ab­stand nahm, ein­zu­tre­ten, so sehr war die­se bei den ers­ten An­fän­gen ste­hen ge­blie­ben und we­sent­li­cher Er­gän­zung be­dürf­tig. Die Dame in­des schi­en nichts zu ver­mis­sen. Sie nahm ru­hig eine Na­del, steck­te das sau­be­re Hemd über der Brust zu­sam­men, zog die Füße in den wei­ßen St­rümp­fen be­schei­den und an­mu­tig un­ter den Rock und bat mich mit freund­li­cher Hand­be­we­gung, den da­durch frei­ge­wor­de­nen Sofa­platz ein­zu­neh­men, wäh­rend sie selbst wie ein Mur­mel­tier zu­sam­men­ge­rollt in ih­rer Ecke lie­gen blieb.

Ein gut Teil mei­ner Blö­dig­keit wich, als ich in dem Hell­dun­kel des küh­len Ge­machs mich von den ge­setz­ten Jah­ren der In­ha­be­rin über­zeug­te. Auf der wun­der­lich ver­schwom­me­nen Fi­gur saß ein star­ker Kopf, an das be­rühm­te Bir­nen­haupt er­in­nernd, auf dem die fran­zö­si­sche Kro­ne nicht haf­ten woll­te. Kei­ne Art von Hau­be ver­un­zier­te den statt­li­chen Con­tour, und ein paar schwar­ze Lo­cken hin­gen lose zu bei­den Sei­ten auf die Schul­tern her­ab. Es hat­te gar nichts Ko­mi­sches, wenn sie bei je­dem Schüt­teln des Haup­tes, ohne wel­ches die Si­gno­ra kein Nein zu sa­gen ver­moch­te, lang­sam hin und her pen­del­ten. Auch die klei­nen schwar­zen Au­gen, die männ­li­che Nase und der brei­te Mund – schätz­ba­re Re­qui­si­te ei­nes Buf­fo­nen­ge­sichts – wa­ren ei­nes sehr ma­je­stä­ti­schen Aus­drucks fä­hig, be­son­ders der Magd ge­gen­über, die, eine stark­glied­ri­ge Per­son, nicht viel bes­ser als eine Leib­ei­ge­ne von ih­rer Her­rin ge­hal­ten wur­de und vor ei­nem un­gnä­di­gen Bli­cke der­sel­ben zit­ternd zu­sam­men­zu­schrump­fen schi­en.

Die Si­gno­ra hat­te ein Buch weg­ge­legt, als ich ein­trat; ich konn­te in dem grü­nen Ja­lou­si­en­däm­mer nur se­hen, dass es Ver­se wa­ren. Eine klei­ne Aus­ga­be des Al­fie­ri lag auf dem Tisch ne­ben ihr, dar­über und dar­un­ter ein bun­ter Hau­fe Jour­na­le und Zei­tun­gen. Auch im Üb­ri­gen war in dem Zim­mer von weib­li­chem Ap­pa­rat we­nig zu er­bli­cken, nicht ein­mal ein Spie­gel an der Wand; wo­ge­gen die Lage nach dem Hofe, die Stil­le und Küh­le zur Me­di­ta­ti­on sehr ein­lu­den.

Ich frag­te, ob noch ein ähn­li­ches Zim­mer frei ste­he, wor­auf sie ru­hig das Haupt schüt­tel­te und mich im bes­ten To­s­ka­nisch, flie­ßend, aber nicht über­flüs­sig, nach den Him­mels­ge­gen­den über die Vor­zü­ge die­ses ein­zi­gen Ge­machs auf­klär­te. Doch ste­he auf den üb­ri­gen Zim­mern nur die Mor­gen­son­ne, über Tag sei­en sie bis auf die Un­ru­he der Stra­ße nicht min­der be­hag­lich als die­ses. Sie wer­den be­grei­fen, fuhr die Si­gno­ra fort, ich gehe nie aus, au­ßer ins Thea­ter. Mein Zim­mer ist mein Flo­renz; so muss ich es mir schon nach mei­nen Be­dürf­nis­sen aus­su­chen.

Die Magd wur­de dann ge­ru­fen und ge­hei­ßen, mich zu den lee­ren Zim­mern zu füh­ren. Sie selbst blieb bis auf eine ent­las­sen­de Hand­be­we­gung un­er­schüt­ter­lich lie­gen. Ich bin noch nicht an­ge­zo­gen, Sie müs­sen ver­zei­hen, sag­te sie. Ich ver­beug­te mich und ging, die Magd pan­tof­fel­te vor­an; ein Gang durch den Kor­ri­dor, den fünf oder sechs Tü­ren vor­bei, die alle of­fen stan­den, zeig­te mir, dass ich noch die Wahl völ­lig frei hat­te, und so wähl­te ich das mit­tels­te Zim­mer, wo mich ein klei­ner runder Mar­mor­tisch mit ver­gol­de­tem Fuß aus der Fer­ne an­lach­te. Bei nä­he­rer Un­ter­su­chung teil­te das Sofa da­hin­ter frei­lich den Ruhm des Wa­gens, der mich von Sie­na her­ge­bracht hat­te: bei­de wa­ren, wie sich der Vet­tu­rin schmun­zelnd aus­zu­drücken pfleg­te, »hart, aber rein­lich«. Ich kehr­te es seuf­zend um und sag­te: Rein­lich, aber – hart! Zum Glück ließ sich dem Bett das­sel­be nach­sa­gen, und das wei­ße, dicht schlie­ßen­de Netz ge­gen die Zanza­ren, jene nächt­li­chen, ge­flü­gel­ten Blut­sau­ger, be­ru­hig­te mich vollends dar­über, dass ich eine Ge­lehr­te zur Wir­tin hat­te.

Denn das war sie, wie mir die Magd, so­bald wir al­lein wa­ren, fast mit ge­fal­te­ten Hän­den ver­trau­te. »Alle Pro­fes­so­ren in Flo­renz ken­nen und be­su­chen sie, und wenn ich über die Stra­ße gehe, Si­gnor, ru­fen sie mich an: Was macht Eure Her­rin, Stel­la? oder: Grüßt die Si­gno­ra Eu­ge­nia! dass ich ganz rot wer­de von der Ehre, eine dum­me Per­son, wie ich bin. Ich bin auch eine Wit­we, und mein se­li­ger Mann, der ein Koch war, hat mir noch auf dem Ster­be­bet­te ge­sagt, der Kut­scher sei­nes Herrn Gra­fen, der Lu­i­gi habe ein Auge auf mich, ich sol­le mein Glück nicht von mir sto­ßen. Aber nein, Herr, ich hal­te was auf die Ehre, und wenn auch Man­che sich nichts Bes­se­res wün­schen kann, als ih­ren Mann auf dem ho­hen Bock zu se­hen, mit den Sam­me­tho­sen und veil­chen­blau­er Li­vree, – ich hat­te schon als Jung­fer bei der Si­gno­ra ge­dient, und es ist bes­ser, dacht’ ich, du gehst wie­der zu ihr, die so viel Ge­nie hat, und bleibst da bis an dein se­li­ges Ende, wenn sie dich be­hal­ten will, eine dum­me Per­son, wie du bist, als du läs­sest dich von dem Töl­pel, dem Kut­scher, schla­gen, der nicht ein­mal Heu und Ha­fer zu­sam­men­rech­nen kann. O Si­gnor, wenn ich von ne­ben­an höre, wie sie lau­ter so Sa­chen re­den, die ich nicht ka­pie­re, wer­de ich so stolz und zu­frie­den, wie ich nicht sein könn­te, wenn mich auch der Kut­scher des Groß­her­zogs ge­hei­ra­tet hät­te!«

So brauch­te ich denn, wie ich nach...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2024
Reihe/Serie 99 Welt-Klassiker
99 Welt-Klassiker
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Adel • Adolf Friedrich von Schack • Betrug • Doge • Dogen • Emanuel Geibel • Felix Dahn • Franz von Kobell • Friedrich Bodenstedt • Gondel • Hermann Lingg • Italien • Kaiser • König • Robert von Hornstein • Tyrannei • Untergang • Verrat • Wilhelm Heinrich Riehl • Wilhelm Hertz
ISBN-10 3-96281-158-3 / 3962811583
ISBN-13 978-3-96281-158-7 / 9783962811587
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