His Dark Materials 0: Über den wilden Fluss (eBook)

Wie alles begann - die Vorgeschichte des Klassikers »Der Goldene Kompass«
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2017 | 1. Auflage
560 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92819-8 (ISBN)

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His Dark Materials 0: Über den wilden Fluss -  PHILIP PULLMAN
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Der 11-jährige Malcolm lebt mit seinen Eltern und seinem Dæmon Asta in Oxford und geht in dem Kloster auf der anderen Seite der Themse aus und ein. Als die Nonnen ein Baby aufnehmen, von dem keiner wissen darf, ist es mit der Ruhe in dem alten Gemäuer vorbei. Auch Malcolm schließt das kleine Wesen, das in großer Gefahr zu sein scheint, sofort in sein Herz und setzt alles daran, es zu schützen. Es heißt: Lyra Belacqua. Die Vorgeschichte des Weltbestsellers »Der Goldene Kompass«. Alle Bände der unvergleichlichen Fantasy-Serie »His Dark Materials«: Über den wilden Fluss (Band 0) Der Goldene Kompass (Band 1) Das Magische Messer (Band 2) Das Bernstein-Teleskop (Band 3) Ans andere Ende der Welt (Band 4)

Philip Pullman wurde 1946 in Norwich, England, geboren. Er wuchs in Zimbabwe und Wales auf. Viele Jahre arbeitete er als Lehrer, bevor er sich ganz auf das Schreiben konzentrierte. Mit der »His Dark Materials«-Trilogie wurde er weltweit bekannt. Sie wurde in über 40 Sprachen übersetzt und Pullman erhielt zahlreiche Preise, darunter den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis für sein Gesamtwerk. Er lebt in Oxford.

Philip Pullman wurde 1946 in Norwich, England, geboren. Er wuchs in Zimbabwe und Wales auf. Viele Jahre arbeitete er als Lehrer, bevor er sich ganz auf das Schreiben konzentrierte. Mit der »His Dark Materials«-Trilogie wurde er weltweit bekannt. Sie wurde in über 40 Sprachen übersetzt und Pullman erhielt zahlreiche Preise, darunter den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis für sein Gesamtwerk. Er lebt in Oxford. Antoinette Gittinger studierte Philosophie, Romanistik, Anglistik und Germanistik in Tübingen und München. Sie übersetzt aus dem Französischen, Spanischen und Englischen. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. der Dalai Lama, Eric Orsenna, Henry Miller, Agatha Christie, Steve Jobs, Guillaume Musso und Nicolas Vanier.

1


DAS TERRASSENZIMMER

Vom Zentrum von Oxford aus drei Meilen die Themse aufwärts, nicht weit entfernt von der Stelle, wo die berühmten Colleges Jordan, Gabriel und Balliol und zwei Dutzend andere um den ersten Platz beim Wettrudern kämpften und wo die Stadt in der Ferne über den Nebelschwaden vom Port Meadow nur eine Ansammlung von Türmen und Dachgiebeln bildete, befand sich das Kloster Godstow, wo freundliche Nonnen ihren gottgefälligen Aufgaben nachgingen. Und auf der anderen Seite des Flusses stand das Gasthaus zur Forelle.

Das Gasthaus war ein altes, überwuchertes und gemütliches Steingebäude. Auf einer Terrasse zum Fluss hin stolzierten zwischen den Gästen Pfauen umher (einer davon hieß Norman, der andere Barry), die sich hemmungslos kleine Häppchen schnappten und gelegentlich den Kopf hoben, um heftige und sinnlose Schreie auszustoßen. Es gab einen vornehmeren Teil in diesem Lokal, wo die gehobene Gesellschaft – wenn Wissenschaftler eines Colleges als solche gelten – ihr Bier trank und Pfeife rauchte. Und es gab eine öffentliche Schankstube, wo Fährleute und Landarbeiter am Feuer saßen oder Darts spielten, sich am Tresen unterhielten, stritten oder sich einfach still und heimlich betranken. In der Küche bereitete die Ehefrau des Gastwirts täglich einen großen Braten zu, mit einer komplizierten Maschinerie aus Rädern und Ketten, die den Spieß über dem offenen Feuer drehte. Und es gab einen Kellner namens Malcolm Polstead.

Malcolm war das einzige Kind des Gastwirts. Er war elf Jahre alt, stämmig und hatte fuchsrotes Haar. Seinem Wesen nach war er freundlich und wissbegierig, und er besuchte die Ulvercote Elementary School eine Meile entfernt. Obwohl er jede Menge Freunde hatte, war er am liebsten mit seinem Dæmon Asta allein in seinem Kanu, das sie La Belle Sauvage getauft hatten. Ein launiger Bekannter fand es lustig, ein S über das V zu malen, und Malcolm besserte es geduldig drei Mal aus, ehe er wütend wurde und den Dummkopf ins Wasser stieß. Danach schlossen sie Frieden.

Wie jedes Kind eines Gastwirts musste Malcolm sich in der Schenke nützlich machen. Er spülte Gläser und Geschirr ab, servierte Mahlzeiten oder brachte den Gästen das Bier in Krügen, die er, wenn sie leer getrunken waren, wieder abräumte. Die Arbeit war für ihn selbstverständlich. Sein einziges Ärgernis war ein Mädchen namens Alice, das beim Geschirrspülen half. Sie war fünfzehn, hochgewachsen und dünn und hatte ihr glattes dunkles Haar zu einem unvorteilhaften Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf ihrer Stirn und um ihren Mund herum zeigten sich bereits Falten der Unzufriedenheit. Seit sie im Gasthaus arbeitete, hänselte sie Malcolm: »Wer ist deine Freundin? Hast du etwa keine? Mit wem warst du gestern Abend aus? Hast du sie geküsst? Hast du überhaupt schon mal einen Kuss bekommen?«

Lange Zeit nahm er keine Notiz davon. Doch am Ende stürzte sich Asta auf Alice’ dürren Dohlendæmon und stieß ihn ins Geschirrspülwasser. Dann traktierte sie das triefende Geschöpf mit Bissen, bis Alice um Erbarmen flehte. Sie beklagte sich bitterlich bei Malcolms Mutter, doch die sagte nur: »Geschieht dir ganz recht. Ich habe kein Mitleid mit dir. Behalt deine schmutzigen Fantasien für dich.«

Was sie künftig auch tat. Sie und Malcolm schenkten sich fortan keinerlei Beachtung mehr. Er stellte die Gläser auf das Abtropfbrett, sie spülte sie, trocknete sie ab und trug sie zum Tresen zurück, ohne ein Wort zu verlieren oder einen Blick oder Gedanken an ihn zu verschwenden.

Aber er mochte das Leben im Gasthaus. Vor allem die Gespräche, die er aufschnappte, ganz egal ob sie sich um die korrupten Geschäfte des Wasseraufsichtsamtes drehten, um die hilflose Dummheit der Regierung oder um philosophischere Themen wie die Frage, ob die Sterne wohl genauso alt waren wie die Erde oder nicht.

Manchmal interessierte er sich so sehr für diese philosophischen Gespräche, dass er die leeren Gläser auf dem Tisch abstellte und sich einmischte, aber erst nachdem er aufmerksam zugehört hatte. Viele der Wissenschaftler und andere Besucher kannten ihn seit Langem und bedachten ihn großzügig mit Trinkgeld. Doch er strebte nicht nach Reichtum, schrieb diese Trinkgelder der Großmut des Schicksals zu und betrachtete sich im Grunde als glücklich, was in seinem späteren Leben nicht von Schaden für ihn war. Hätte er zu den Jungen gehört, die man mit einem Spitznamen bedachte, hätte man ihn sicher »Professor« genannt, aber zu denen gehörte er nicht. Wenn man ihn wahrnahm, mochte man ihn, doch man nahm ihn selten wahr, was ebenfalls nicht von Schaden war.

Malcolms zweites Betätigungsfeld lag gleich jenseits der Brücke außerhalb der Schenke, und zwar in den grauen Steingebäuden, die inmitten der grünen Wiesen und gepflegten Obst- und Gemüsegärten des Klosters der heiligen Rosamund standen. Die Nonnen waren weitgehend autark, sie bauten Obst und Gemüse an, züchteten Bienen und nähten feine Messgewänder, die sie für hart verhandeltes Gold verkauften. Doch gelegentlich gab es Besorgungen, die ein geschickter Junge machen konnte, oder es musste eine Leiter repariert werden unter der Aufsicht von Mr Taphouse, dem alten Zimmermann, oder er sollte ein paar Fische vom Medley Pond ein Stück flussabwärts holen. La Belle Sauvage wurde von den guten Nonnen häufig eingesetzt. Malcolm hatte Schwester Benedicta schon des Öfteren den Fluss hinunter zur Royal Mail Zeppelin Station gepaddelt. Sie hatte dann ein kostbares Bündel aus Chormänteln, Stolen oder Messgewändern für den Bischof von London dabei, der seine Gewänder stark zu strapazieren schien, da sie ungewöhnlich schnell abgenutzt waren. Während dieser gemächlichen Fahrten lernte Malcolm eine Menge.

»Wie schaffen Sie es nur, dass diese Bündels da so ordentlich aussehen, Schwester Benedicta?«, fragte er einmal.

»Diese Bündel«, erwiderte Schwester Benedicta.

»Diese Bündel. Wie schaffen Sie es, dass sie so ordentlich sind?«

»Wenn ich wieder eins schnüren muss, zeige ich es dir«, versprach Schwester Benedicta und sie hielt ihr Wort.

Malcolm bewunderte die Ordentlichkeit der Nonnen generell, die Art, wie sie ihre Obstbäume in geraden Reihen entlang der sonnigen Gartenmauer angepflanzt hatten, die Anmut, mit der sie mit ihren zarten Stimmen gemeinsam im Gottesdienst sangen, und ihre kleinen Liebenswürdigkeiten vielen Menschen gegenüber. Er mochte auch die Gespräche, die er mit ihnen über religiöse Themen führte.

»In der Bibel«, sagte er einmal, als er der alten Schwester Fenella in der Küche half, »heißt es, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen hat.«

»Das stimmt«, erwiderte Schwester Fenella, die gerade einen Teig knetete.

»Wie kommt es dann, dass es Fossilien und andere Sachen gibt, die Millionen Jahre alt sind?«

»Ach, weißt du, damals waren die Tage viel länger«, sagte die brave Schwester. »Hast du den Rhabarber schon geschnitten? Schau mal, ich werde noch vor dir fertig sein.«

»Warum benutzen wir für den Rhabarber dieses Messer und nicht die alten? Die alten sind doch schärfer.«

»Wegen der Kleesäure«, sagte Schwester Fenella und drückte den Teig in eine Backform. »Für Rhabarber ist Edelstahl besser. Reich mir bitte den Zucker.«

»Kleesäure«, wiederholte Malcolm, der den Begriff sehr mochte. »Schwester, was ist eigentlich ein Messgewand?«

»Es ist eine Art Kleidungsstück. Die Priester tragen es über ihren Messhemden.«

»Warum nähen Sie nicht, wie die anderen Schwestern auch?«

Schwester Fenellas Dæmon, ein Eichhörnchen, das auf der Rückenlehne eines Stuhls saß, stieß ein sanftes »Na, na!« aus.

»Wir tun alle das, was wir können«, sagte die Nonne. »Ich war nie sehr geschickt im Sticken – sieh dir meine großen, dicken Finger an! –, aber die anderen Schwestern mögen meinen Teig.«

»Ich mag ihn auch«, sagte Malcolm.

»Vielen Dank, mein Lieber.«

»Er ist fast so gut wie der von meiner Mutter, aber der ist dicker als Ihrer. Ich nehme an, Sie rollen ihn stärker aus.«

»Ja, das tue ich wohl.«

In der Klosterküche wurde nichts vergeudet. Die kleinen Teigstücke, die von Schwester Fenellas Rhabarberkuchen übrig blieben, wurden zu klobigen Kreuzen, Palmzweigen oder Fischen geformt, mit Rosinen gespickt, mit etwas Zucker bestreut und extra gebacken. Jede einzelne Form hatte eine religiöse Bedeutung, doch Schwester Fenella (»Meine großen, dicken Finger!«) gelang es nicht besonders gut, sie unterschiedlich aussehen zu lassen. Malcolm war geschickter darin, aber er musste seine Hände zuerst gründlich waschen.

»Schwester, wer isst denn diese Stückchen hier?«, fragte er.

»Oh, die werden am Ende alle aufgegessen. Manchmal werden sie Besuchern zum Tee gereicht.«

Das Kloster war wegen seiner günstigen Lage an der Stelle, wo die Straße über den Fluss führte, bei Reisenden aller Art sehr beliebt, und häufig hatten die Nonnen auch Übernachtungsgäste. Genauso verhielt es sich natürlich mit dem Gasthaus zur Forelle. Zwei bis drei Gäste blieben für gewöhnlich dort über Nacht und Malcolm musste ihnen das Frühstück bringen. Normalerweise handelte es sich um Fischer oder Geschäftsleute, wie sein Vater sie nannte: Reisende in Sachen Tabak, Eisenwaren oder Landmaschinen. Die Gäste im Kloster gehörten allesamt einer höheren Schicht an: adelige Herren und Damen, manchmal auch Bischöfe und Mitglieder des niederen Klerus. Es handelte sich um vornehme Leute, die keinerlei Verbindung zu einem der Colleges in der Stadt hatten und deshalb keine...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2017
Reihe/Serie His Dark Materials
His Dark Materials
Übersetzer Antoinette Gittinger
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Bestseller • Carlsen • Carnegie Medal • daemon • Das Bernstein-Teleskop • Das magische Messer • Das verlorene Paradies • Der goldene Kompass • England • Equel • Fantasy • Fantasy-Epen • Fantasy-Romane • Freundschaft • Game of Thrones • Geschenk für Kinder • Harry Potter • J.K. Rowling • John Milton • Kinderbuch-Klassiker • Kinder-Helden • La Belle Sauvage • Magie • Magischer Realismus • Moderne Klassiker • Oxford • Percy Jackson • Prequel • Reise • Rick Riordan • Roman • Staub • Steampunk • The Book of Dust • Themse • Tiere • Vorlesebuch • Vorlesen • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-646-92819-0 / 3646928190
ISBN-13 978-3-646-92819-8 / 9783646928198
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