Totenstille über dem Lago Maggiore (eBook)

Ein Fall für Matteo Basso

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31830-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Totenstille über dem Lago Maggiore -  Bruno Varese
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Mord hoch in den Bergen des Val Grande: Bruno Vareses Roman »Totenstille über dem Lago Maggiore« ist der dritte Band seiner erfolgreichen Krimi-Reihe um den ermittelnden Fleischer und ehemaligen Polizeipsychologen Matteo Basso. Über den wild bewachsenen Gipfeln und tiefen Schluchten des Nationalparks Val Grande braut sich ein Sommergewitter zusammen. Eigentlich wollte der melancholische Opern-Liebhaber Matteo Basso nur den sagenhaften Ausblick auf den Lago Maggiore genießen und über sein turbulentes Leben und die Beziehung zu Kommissarin Nina Zanetti nachdenken. Doch während es am Himmel immer finsterer wird, entdeckt er weit unten auf einem Felsen den leblosen Körper eines Mannes. Als er Hilfe holen will, trifft er in einer nahegelegenen Alpe eine äußerst merkwürdige Gruppe Wanderer. Obwohl sie jemanden aus ihren Reihen vermissen, scheint sie Matteos Fund nicht zu beunruhigen. Im Morgengrauen muss er feststellen: Der Verunglückte ist nicht der Einzige, dessen Leben in der vergangenen Nacht ein gewaltsames Ende gefunden hat. Da die Polizei den Fall schnell zu den Akten legt, ist wieder einmal Matteo Basso gefragt. Werden von den Bergdörfern seiner Kindheit aus internationale Wirtschaftsverbrechen verübt? Seine Ermittlungen führen ihn auf die herrschaftlichen Anwesen dubioser Glaubensgemeinschaften, ins Turiner Rotlichtmilieu und bis an die Küste Marseilles. Entdecken Sie den Lago Maggiore auf den Spuren von Matteo Basso: Zur Krimireise in Kooperation mit Maggioni Tourist Marketing.

Bruno Varese lebt im Valle Vigezzo und in der Schweiz. »Wenn es Nacht wird am Lago Maggiore« ist nach »Die Tote am Lago Maggiore«, »Intrigen am Lago Maggiore« und »Totenstille über dem Lago Maggiore« der vierte Band seiner Reihe um den ermittelnden Fleischer und ehemaligen Polizeipsychologen Matteo Basso.

Bruno Varese lebt im Valle Vigezzo und in der Schweiz. »Wenn es Nacht wird am Lago Maggiore« ist nach »Die Tote am Lago Maggiore«, »Intrigen am Lago Maggiore« und »Totenstille über dem Lago Maggiore« der vierte Band seiner Reihe um den ermittelnden Fleischer und ehemaligen Polizeipsychologen Matteo Basso.

Inhaltsverzeichnis

3


Matteo kniete sich hin, um mehr Halt zu haben. Der Mann, der einige Meter unter ihm auf einem Felsvorsprung lag, hatte das Gesicht abgewandt, so, als wäre er unmittelbar dort, wo Matteo hockte, vornübergefallen und auf dem Felsen aufgeschlagen.

»Hallo, können Sie mich hören?«

Noch während Matteo die Frage hinunterrief, ahnte er, wie sinnlos sie war. Die Gliedmaßen des Mannes waren unnatürlich verrenkt. Um den Kopf hatte sich eine Lache Blut gebildet. Auf die Entfernung konnte Matteo nicht erkennen, ob sie bereits getrocknet war.

Fünf oder sechs Meter waren es bestimmt bis zur Absturzstelle. Der Mann war schwer verletzt und ohnmächtig oder tot. Letzteres war wahrscheinlich. Matteo rieb sich über das Gesicht. Nun stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn und er bekam eine Gänsehaut. Aber wenn der Mann wie durch ein Wunder doch den Sturz überlebt hatte, musste er so schnell wie möglich Hilfe holen.

Der Notruf auf dem Handy müsste auch hier oben funktionieren, und der Rettungshubschrauber aus Domodossola würde sicher nicht länger als zwanzig Minuten benötigen, um hierherzukommen. Matteo zog das Gerät aus der Tasche und drückte hektisch darauf herum. Nichts. Das Display blieb schwarz, das Gerät glühte. Das Betätigen des Einschaltknopfes rief ebenfalls keine Reaktion hervor.

»Verflucht, was ist mit dir?«

Matteo schüttelte den Apparat heftig, ein vergeblicher Versuch, so wie man früher auf einen alten Röhrenfernseher geschlagen hatte, wenn das Bild krisselig geworden war. Der Akku musste sich innerhalb kürzester Zeit entladen haben, wegen der Hitze vermutlich, das Ding war defekt.

Er sah zu dem Abgestürzten hinunter. Der trug zwar Wanderkleidung und eine dieser bis knapp über das Knie reichenden Funktionshosen mit Seitentaschen, aber seine Waden machten keinen durchtrainierten Eindruck. Ein Hobbywanderer, ein unerfahrener Ausflügler wie er selbst einer war.

Das Alter des Mannes war, weil er dessen Gesicht nicht sehen konnte, schwer zu schätzen.

Eingehend betrachtete Matteo die Stelle, wo der Mann lag, und suchte dann mit den Augen das umliegende Gelände ab. Gab es einen Weg, der es ihm erlaubte, hinabzusteigen? Unmöglich ohne Seil und die Hilfe einer zweiten Person. Bei dem Versuch würde er sich unweigerlich selbst in Gefahr bringen. Und je länger er den Mann betrachtete, umso offensichtlicher erschien es ihm, dass dieser Mensch nicht bloß verletzt, sondern tödlich verunglückt war.

Aber warum war er abgestürzt? Vielleicht war er, ähnlich wie Matteo eben, so gebannt von dem Ausblick gewesen, dass er einen Schritt zu weit in Richtung Abgrund getan hatte. Oder hatte sich ein Stein plötzlich gelöst und er hatte den Halt verloren? Und wie lange lag er schon dort? Warum hatte ihn keiner der Bergsteiger, die vor Matteo heute hier gewesen waren, entdeckt?

Ein tragischer Unfall. Dass er sich einen anderen Ausgang seines Ausflugs gewünscht hätte, dachte Matteo, während er sich hochrappelte und die Knie abklopfte.

Da bemerkte er es: das dunkle Grollen, das in weiter Ferne erklang und langsam, aber kontinuierlich anschwoll. Und den tiefdunklen Schatten, der sich mit rasender Geschwindigkeit über die Umgebung legte.

»Das darf doch nicht wahr sein.«

Aber der Blick zum Himmel bestätigte seinen Verdacht. Die Wetterumschwünge in den Bergen konnten selbst geübte Wanderer überraschen. Das Gewitter, das hier gerade heraufzog, schien tatsächlich aus dem Nichts zu kommen. Aus heiterem Himmel – Matteo versuchte sich an einem zynischen Lachen, was allerdings gründlich misslang.

Dass die Wettervorhersage sich irrte, konnte schon mal vorkommen. Aber wo hatte er seine Augen gehabt? Sommergewitter, selbst wenn sie überraschend kamen, kündigten sich üblicherweise durch aufgetürmte Quellwolken an, die kaum zu übersehen waren. Ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Situation war ernst, das stand außer Frage. Und bevor er sich weitere Gedanken um den Abgestürzten machte, musste er sich darum kümmern, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Ohnehin war er in dieser Situation alleine machtlos. Er musste Hilfe verständigen, um den Mann zu bergen.

Er musste sich bis zur Alpe Scaredi durchschlagen, bevor das Gewitter direkt über ihm war. Der Abstieg dauerte bei trockenem Wetter eine Dreiviertelstunde. Eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht. Ein Regenguss konnte die Bergpfade innerhalb kürzester Zeit in reißende Flüsse verwandeln. Am Horizont zuckten die ersten Blitze. Seine Lust, durch einen von ihnen erschlagen zu werden, hielt sich in Grenzen.

»Porca miseria«, murmelte Matteo nicht zum ersten Mal an diesem Tag und warf einen letzten, flüchtigen Blick auf den Verunglückten unter ihm, als ihm ein ungewöhnliches Detail auffiel. Der Rucksack des Mannes lag etliche Meter von diesem entfernt. Wenn er den Rucksack auf dem Rücken gehabt hätte, als er stürzte, hätte der sich wohl kaum gelöst. Hätte er ihn aber, um zu pausieren und die Aussicht zu genießen, abgenommen und neben sich gestellt, hätte der Rucksack noch auf dem Plateau stehen müssen. Beides sprach gegen einen Unfall. Doch darüber nachzudenken, blieb keine Zeit.

Was eben noch berückende Natur gewesen war, hatte sich innerhalb von Minuten in eine bedrohliche Kulisse verwandelt. Matteo beeilte sich, den Berg hinunter zu gelangen. Die ersten hundert Meter schaffte er noch im Trockenen. Dann setzte abrupt Starkregen ein.

Er fluchte, als er ins Schlingern geriet, stürzte und unsanft ein Stück bergab schlitterte, ehe er sich wieder fing. Vorsichtig rappelte er sich hoch. Seine linke Hand war aufgeschürft, in dem Oberschenkel, auf dem er gelandet war, pochte ein dumpfer Schmerz, aber er schien sich nichts Ernstes getan zu haben. Mittlerweile war er bis auf die Haut durchnässt.

Trotz der Anstrengungen fror er. Über ihm zuckte ein Blitz, ohrenbetäubend laut krachte Sekunden später der Donner. Das Gewitter war nun direkt über ihm. Es war so dunkel, als wäre es Nacht.

Er lief weiter und geriet immer wieder ins Rutschen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich rückwärts und auf allen vieren den spiegelglatten Stein hinunterzuhangeln. Orkanartiger Wind setzte ein.

Matteo fuhr zusammen, so grell erleuchtete der nächste Blitz die Umgebung, der Donner entlud sich beinahe zeitgleich. Nirgendwo sah er einen Felsvorsprung, unter dem er sich hätte in Sicherheit bringen können. Sich möglichst klein zu machen, sich nicht aufzurichten, das war das Einzige, was ihm jetzt noch übrig blieb. Seine Wanderschuhe waren nun ebenfalls völlig durchnässt, mit dem Arm streifte er sich die tropfenden Haare aus der Stirn. Nur schwer konnte er dem Impuls widerstehen, einfach an dieser Stelle zu verharren und abzuwarten, bis das Unwetter über ihn hinweggezogen war.

Als er sich aufraffte und die nächsten Schritte abschätzen wollte, jubelte er auf. Weiter vorne machte er ein flackerndes Licht aus. Das musste die Alpe Scaredi sein. Er war gerettet. Und das Licht ließ darauf schließen, dass auch andere Wanderer dort Schutz gefunden hatten. Sicher hatte einer von ihnen ein funktionierendes Handy, und sicher brannte der Ofen schon.

 

Als Matteo eine halbe Stunde später auf einer der Holzbänke saß, die einen Tisch flankierten, der beinahe die gesamte Hütte durchmaß, war das Gewitter nur noch ein fernes Rauschen. Seine nassen Sachen hingen neben dem Ofen, der friedlich knisterte. Ein junger Mann, dessen Gesicht von einem bis auf die Brust reichenden Bart verborgen wurde, hatte Matteo einen groben Pullover und eine Leinenhose gegeben. Seine Gesichtsbehaarung stand in einem seltsamen Kontrast zu seinem Haupt, das vollkommen kahl war. Dankbar nahm Matteo das Brett mit Brot und Käse entgegen, das ihm eine der Frauen reichte.

Es waren sicher vierzehn, fünfzehn Menschen, die Matteo im Bivacco Alpe Scaredi, wie die unbewirtschaftete Schutzhütte offiziell hieß, angetroffen hatte. Sie gehörten zusammen, wie es ihm schien, ohne dass er bisher viel gefragt hatte, denn die Erschöpfung und der Schreck waren ihm mehr in die Glieder gefahren, als er sich eingestehen wollte. Auch er war nicht viel gefragt worden. In den Bergen erübrigten sich oft die Worte. Ein Blick auf seine Courage, die das Unwetter, wie er erfreut bemerkte, unbeschadet überstanden hatte, verriet ihm, dass es erst halb sieben war. In ihm breitete sich eine wohlige Wärme aus, der er sich allerdings nicht ganz hingeben mochte.

»Hat einer von Ihnen«, er korrigierte sich, unter Wanderern duzte man sich selbstverständlich, »hat einer von euch ein Telefon? Es ist wichtig, es gab einen Unfall. Wir müssen die Bergrettung alarmieren.«

Zwei Frauen wandten sich halb verwundert, halb verständnislos zu ihm um, widmeten sich dann aber wieder ihrer Beschäftigung. Saßen sie tatsächlich auf dem Steinboden und malten? Von seinem Platz aus konnte er es nicht genau erkennen. Von den anderen Personen im Raum reagierte niemand auf seine Frage. Matteo runzelte die Stirn. Fragend schaute er den bärtigen jungen Mann an, der sich auf der gegenüberliegenden Bank niederließ. Nur an dessen Augen war zu erkennen, dass er lächelte.

»Wir brauchen keine Telefone.«

»Wir?« Die Antwort irritierte ihn. »Ihr scheint ja strenge Regeln in eurer Wandergruppe zu haben.«

Sein Gegenüber verzog keine Miene, jedenfalls keine, die man hinter seinem Bart erkennen konnte.

»Wie dem auch sei.« Matteo beugte sich vor, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Am Gipfel ist jemand abgestürzt. Mehrere Meter in die Tiefe. Wir müssen einen Rettungshubschrauber rufen.«

Um die Augen bildeten sich erneut Lachfältchen....

Erscheint lt. Verlag 9.5.2018
Reihe/Serie Matteo Basso ermittelt
Matteo Basso ermittelt
Matteo Basso ermittelt
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Band 3 • Entwicklungshilfe • Italien-Krimi • Lago Maggiore • Mario Giordano • Mord • Nationalpark Val Grande • Naturschutz • Rotlicht-Milieu • Sekte • Tante Poldi • Wirtschaftskriminalität
ISBN-10 3-462-31830-6 / 3462318306
ISBN-13 978-3-462-31830-2 / 9783462318302
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