Sturmhöhe (eBook)
457 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961302-4 (ISBN)
Emily Brontës (1818-1848) Welt war das Pfarrhaus von Haworth und die Natur, die raue Heidelandschaft, die es umgab. Diese Welt hat sie nur viermal in ihrem Leben verlassen (zwei kurze Schulbesuche; eine halbjährige Tätigkeit als Lehrerin in Halifax und ein zehnmonatiger Studienaufenthalt zusammen mit ihrer Schwester Charlotte in Brüssel), und jedesmal litt sie unter dieser Trennung so sehr, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes vor Heimweh krank wurde. Emily Brontë sieht in der Natur, die sie umgibt, in den Naturgewalten, Kräfte und Prinzipien am Werk, die auch in ihr selbst, in den Menschen wirksam sind. Das Stürmische, Wilde, Raue, Menschenfeindliche des Klimas und der natürlichen Umgebung von Wuthering Heights findet in den Bewohnern und ihrem Verhalten Parallelen: Sie sind leidenschaftlich, wild, schroff und abweisend. 'Wuthering Heights' erschien im Dezember 1847 unter dem Pseudonym Ellis Bell. Es ist ihr erster und einziger Roman - Emily Brontë starb ein Jahr nach seiner Veröffentlichung im Alter von nur dreißig Jahren an Tuberkulose.
Emily Brontës (1818–1848) Welt war das Pfarrhaus von Haworth und die Natur, die raue Heidelandschaft, die es umgab. Diese Welt hat sie nur viermal in ihrem Leben verlassen (zwei kurze Schulbesuche; eine halbjährige Tätigkeit als Lehrerin in Halifax und ein zehnmonatiger Studienaufenthalt zusammen mit ihrer Schwester Charlotte in Brüssel), und jedesmal litt sie unter dieser Trennung so sehr, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes vor Heimweh krank wurde. Emily Brontë sieht in der Natur, die sie umgibt, in den Naturgewalten, Kräfte und Prinzipien am Werk, die auch in ihr selbst, in den Menschen wirksam sind. Das Stürmische, Wilde, Raue, Menschenfeindliche des Klimas und der natürlichen Umgebung von Wuthering Heights findet in den Bewohnern und ihrem Verhalten Parallelen: Sie sind leidenschaftlich, wild, schroff und abweisend. "Wuthering Heights" erschien im Dezember 1847 unter dem Pseudonym Ellis Bell. Es ist ihr erster und einziger Roman – Emily Brontë starb ein Jahr nach seiner Veröffentlichung im Alter von nur dreißig Jahren an Tuberkulose.
Sturmhöhe
Anhang
Anmerkungen
Ahnentafel der Familien Earnshaw und Linton
Nachwort
Kapitel 1
1801. – Gerade bin ich von einem Besuch bei meinem Gutsherrn zurückgekommen – diesem unzugänglichen Nachbarn, der mich noch beschäftigen wird. Die Gegend hier ist einfach herrlich! Ich glaube, in ganz England hätte ich keine andere Stelle finden können, die vom Lärm der Gesellschaft so gänzlich unberührt ist. Ein Paradies für einen Menschenfeind! Und Mr. Heathcliff und ich, wir sind genau die Richtigen, um uns diese Einöde zu teilen. Ein famoser Kerl! Er ahnte ja nicht, wie sympathisch er mir wurde, als ich bemerkte, wie sich seine schwarzen Augen bei meinem Näherreiten so argwöhnisch unter ihre Brauen zurückzogen und seine Hände sich in entschlossenem Misstrauen noch tiefer in seine Weste vergruben, während ich meinen Namen nannte.
»Mr. Heathcliff?«, fragte ich.
Ein Kopfnicken war die Antwort.
»Mr. Lockwood, Ihr neuer Pächter, Sir. Ich habe mir gestattet, Sie nach meiner Ankunft so schnell wie möglich aufzusuchen, um meine Hoffnung zum Ausdruck zu bringen, dass ich Ihnen mit meiner Beharrlichkeit, Thrushcross Grange zu pachten, nicht lästig gefallen bin. Gestern hörte ich, Sie hätten daran gedacht …«
»Thrushcross Grange gehört mir«, fiel er mir aufbrausend ins Wort, »und ich würde es nicht zulassen, dass man mich belästigt, wenn ich es verhindern könnte. Kommen Sie herein!«
Dieses »Kommen Sie herein!« wurde durch die zusammengepressten Zähne gestoßen, und gemeint war eigentlich ›Scher dich zum Teufel!‹; auch das Tor, über das er sich lehnte, machte keine einladende Geste zu den Worten. Es waren wohl diese Umstände, die mich bewogen, seine Einladung anzunehmen, denn ein Mann, der in noch übertriebenerem Maße zurückhaltend ist als ich selbst, weckte mein Interesse.
Als er sah, dass mein Pferd mit der Brust heftig gegen das Gatter stieß, streckte er seine Hand aus, um die Kette zu lösen, und ging mir dann mürrisch voraus den Weg hinauf. Sobald wir den Hof betraten, rief er: »Joseph, nimm Mr. Lockwoods Pferd! Und hol Wein herauf!«
›Dies ist wohl die gesamte Dienerschaft‹, war die Überlegung, die sich mir angesichts dieser kombinierten Anordnung aufdrängte. ›Kein Wunder, dass das Gras zwischen den Steinplatten herauswächst und nur das Vieh die Hecken stutzt.‹
Joseph war ein älterer, nein, ein alter Mann, vielleicht sogar sehr alt, aber gesund und kräftig. »Der Herr steh uns bei!«, murmelte er mit einem Unterton mürrischen Unbehagens vor sich hin, als er mir mein Pferd abnahm. Dabei zog er ein saures Gesicht, so dass ich wohlmeinend annahm, er bedürfe zum Verdauen seines Mittagessens göttlichen Beistands und sein frommer Stoßseufzer habe nichts mit meinem unerwarteten Auftauchen zu tun.
»Wuthering Heights«, Sturmhöhe, heißt Mr. Heathcliffs Anwesen. »Wuthering« ist ein Mundartwort, welches das Toben der Winde, dem der Ort bei stürmischem Wetter ausgesetzt ist, treffend zum Ausdruck bringt. Und gewiss haben die Leute dort oben immer eine reine, frische Brise. Mit welcher Gewalt der Nordwind über die Hügel bläst, kann man sich vorstellen, wenn man die wenigen extrem schiefen, verkümmerten Kiefern auf der anderen Seite des Hauses oder die Gruppe von dürren Dornensträuchern sieht, die alle ihre Arme in eine Richtung strecken, als erflehten sie von der Sonne ein Almosen. Zum Glück hatte der Baumeister genügend Voraussicht bewiesen und das Haus robust gebaut: die schmalen Fenster sind tief in die Mauern eingelassen, und die Ecken werden von mächtigen, vorspringenden Steinen verteidigt.
Bevor ich über die Schwelle trat, blieb ich stehen, um eine größere Anzahl seltsamer Verzierungen zu bewundern, die in der Vorderseite des Hauses, und besonders über dem Haupteingang, in verschwenderischer Manier eingemeißelt waren. Über diesem entdeckte ich, inmitten eines wilden Durcheinanders von zerbröckelnden Greifvögeln und kleinen nackten Kinderfiguren, die Jahreszahl 1500 und den Namen »Hareton Earnshaw«. Ich hätte gern einige Bemerkungen gemacht und den mürrischen Besitzer um eine kurze Geschichte des Hauses gebeten, aber seine Haltung an der Tür schien zu verlangen, dass ich entweder rasch einträte oder mich endgültig davonmachte. Und ich hatte keine Lust, seine Ungeduld weiter zu erhöhen, bevor ich nicht auch das Innere des Hauses in Augenschein nehmen konnte.
Ohne Vorraum oder Flur führte eine einzige Stufe direkt in den Wohnraum der Familie, den man in dieser Gegend meist als »das Haus« bezeichnet. Normalerweise ist es Küche und Wohnzimmer in einem, aber in Wuthering Heights war die Küche wohl in einen ganz anderen Teil des Gebäudes verbannt, zumindest konnte ich von weiter drinnen Geplapper von Stimmen und Geklapper von Küchenutensilien vernehmen. Auch bemerkte ich weder an dem riesigen Kamin irgendwelche Anzeichen, dass dort gebraten, gekocht oder gebacken würde, noch an den Wänden den Glanz von Kupferpfannen und zinnernen Sieben. Auf der einen Seite aber reflektierten riesige Zinnschüsseln, die sich zusammen mit silbernen Kannen und Krügen Reihe um Reihe auf einer gewaltigen Eichenanrichte bis unter die Decke auftürmten, Licht und Wärme. Die Decke war nicht verkleidet, so dass das ganze Gebälk offen vor den Augen des Betrachters lag, bis auf die Stellen, wo ein hölzernes Gestell, bepackt mit Haferkuchen und Unmengen von Rinder‑, Hammel‑ und Schinkenkeulen, es verbarg. Über dem Kamin hingen verschiedene alte Räuberflinten und ein Paar Sattelpistolen, auf dem Kaminsims waren als Schmuck drei auffällig bemalte Blechbüchsen aufgestellt. Der Fußboden war aus glattem weißem Stein, die einfachen Stühle mit ihren hohen Lehnen grün gestrichen, und etwas abseits standen ein oder zwei schwarze Stühle im Schatten verborgen. In einer Nische unter der Anrichte hatte sich eine riesengroße rotbraune Vorstehhündin, umgeben von einem ganzen Haufen quiekender Welpen, niedergelassen. Auch andere Schlupfwinkel waren von Hunden in Beschlag genommen worden.
Zimmer und Einrichtung wären nichts Ungewöhnliches gewesen, hätten sie einem einfachen, dickköpfigen Bauern aus dem Norden gehört, dessen kräftige Glieder in Kniebundhosen und Gamaschen erst so richtig zur Geltung kamen. Männer dieses Schlages, im Lehnstuhl sitzend und einen Krug mit schäumendem Bier auf dem runden Tisch vor sich, kann man in dieser hügeligen Gegend überall im Umkreis von fünf bis sechs Meilen antreffen, wenn man nur um die richtige Zeit, nach dem Mittagessen nämlich, seine Runde macht. Mr. Heathcliff aber bildet einen einzigartigen Kontrast zu seiner Wohnstätte und seinem Lebensstil. Seinem Aussehen nach ist er ein dunkelhäutiger Zigeuner, seiner Kleidung und seinem Benehmen nach ein Gentleman, das heißt, ein Gentleman wie eben andere Gutsbesitzer auch: etwas schlampig vielleicht, wobei er aber dank seiner aufrechten und ansehnlichen Gestalt trotz seiner Nachlässigkeit nicht übel aussieht, und etwas mürrisch. Möglich, dass manch einer bei ihm ein gewisses Maß an ungebührlichem Hochmut vermutet – ein verwandtes Gefühl in mir aber sagt mir, dass dies nicht zutrifft. Ich weiß instinktiv, dass seine Zurückhaltung aus der Abneigung, Gefühle zur Schau zu stellen, herrührt, aus seiner Abneigung gegenüber dem Austausch von Freundlichkeiten. Er liebt und hasst gleichermaßen, ohne es zu zeigen, und würde es als Zudringlichkeit empfinden, stieße er bei anderen auf solche Gefühle. Aber halt, ich lasse meinen Gedanken allzu freien Lauf – zu freizügig übertrage ich meine Eigenschaften auf ihn. Mr. Heathcliff mag gänzlich andere Gründe haben als ich, seine Hand nicht auszustrecken, wenn er jemanden trifft, der seine Bekanntschaft sucht. Ich hoffe, meine Veranlagung ist eher ungewöhnlich. Meine liebe Mutter pflegte zu sagen, dass ich nie ein gemütliches Heim haben würde, und erst im vergangenen Sommer habe ich bewiesen, dass ich auch wirklich keines verdiene.
Während ich bei herrlichem Wetter einen Monat an der See genoss, machte ich die Bekanntschaft eines höchst faszinierenden Geschöpfes, einer wahren Göttin in meinen Augen – solange sie mir keine Beachtung schenkte. Ich habe ihr meine Liebe nicht gestanden, nicht in Worten jedenfalls, aber wenn Blicke sprechen könnten, hätte auch der größte Dummkopf bemerkt, dass ich bis über beide Ohren verliebt war. Schließlich verstand sie mich und erwiderte meine Blicke. Es waren die süßesten Blicke, die man sich nur vorstellen kann. Und was tat ich? Zu meiner Schande muss ich gestehen: Eisig verkroch ich mich wie eine Schnecke in mich selbst und zog mich bei jedem ihrer Blicke kühler und weiter zurück, bis schließlich das arme, unschuldige Geschöpf glaubte, an ihren eigenen Sinnen zweifeln zu müssen und, gänzlich verwirrt über ihren vermeintlichen Fehler, ihre Mama zur Abreise bewegte. Dieser seltsamen Veranlagung wegen kam ich in den Ruf vorsätzlicher Herzlosigkeit; wie ungerechtfertigt dies ist, kann nur ich allein ermessen.
Ich setzte mich an die Seite des Kamins, die derjenigen, auf die mein Gastgeber zusteuerte, gegenüberlag, und überbrückte das eingetretene Schweigen mit dem Versuch, die Hundemutter zu streicheln, die ihre Kinderstube verlassen hatte und sich mit gefletschten weißen Zähnen wie eine Wölfin gierig von hinten an mein Bein heranschlich. Die Aussicht auf einen Biss machte ihr den Mund wässrig. Mein Streicheln provozierte ein langes, heiseres Knurren.
»Lassen Sie den Hund lieber in Ruh«, knurrte auch Mr. Heathcliff mich an, während er einen ungestümeren Ausbruch durch einen Fußtritt bremste. »Sie ist’s nicht gewöhnt, verhätschelt zu werden, ist doch kein Schoßhund.« Dann ging er zu einer Seitentür und rief wieder: »Joseph!«
Joseph...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2017 |
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Reihe/Serie | Reclam Taschenbuch | Reclam Taschenbuch |
Nachwort | Ingrid Rein |
Übersetzer | Ingrid Rein |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 19. Jahrhundert • Belletristik • Englische Literatur • Klassische Belletristik • Literatur • Prosa |
ISBN-10 | 3-15-961302-X / 315961302X |
ISBN-13 | 978-3-15-961302-4 / 9783159613024 |
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