Verzogen (eBook)
336 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490179-4 (ISBN)
Susanne Fröhlich ist erfolgreiche Moderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sowohl ihre Sachbücher als auch ihre Romane - »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«, »Lackschaden«, »Aufgebügelt«, »Wundertüte«, »Feuerprobe« und zuletzt »Verzogen« - wurden alle zu riesigen Erfolgen.
Susanne Fröhlich ist erfolgreiche Moderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sowohl ihre Sachbücher als auch ihre Romane – »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«, »Lackschaden«, »Aufgebügelt«, »Wundertüte«, »Feuerprobe« und zuletzt »Verzogen« – wurden alle zu riesigen Erfolgen.
Andrea Schnidt, eine sympathische Durchschnittsfrau, ist zweifellos die bekannteste weibliche Romanfigur der gehobenen deutschen Unterhaltungsliteratur. Sie altert mit ihrer ebenso sympathischen Erfinderin mit
Uneingeschränkte Leseempfehlung – vor allem für die kommenden Urlaubstage.
Susanne Fröhlich schreibt aus Erfahrung - witzig und lebensklug.
Darin, Situationskomik zu beschreiben und ihre Heldin über sich selbst lachen zu lassen, ist Susanne Fröhlich eine Meisterin. […] genau das macht die Bücher […] so amüsant.
1
Schade, ich kann die Schuld auf niemanden abwälzen. Ich war es, die ja gesagt hat. Laut und deutlich und das, ohne unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden zu haben. Ich habe alle Bedenken beiseitegewischt und einfach ja gesagt. Ein klitzekleines Wort, das so verdammt viel ausrichten kann.
Diesem kleinen Wort verdanke ich, dass ich jetzt auf dem Land lebe. Seit knapp sechs Monaten. Sechs Monate, die mein Leben von Grund auf verändert haben. Die gute Nachricht: Ich lebe noch. Aber anders. Ganz anders als bisher.
Fangen wir von vorne an. Als mich Paul, der Mann an meiner Seite, fragt, ob ich mir vorstellen kann, mit ihm aufs Land zu ziehen, bin ich zunächst skeptisch. Aber Paul kann sehr überzeugend sein. Seine Visionen vom Leben weit draußen sind malerisch. »Die Natur, die phantastische Luft, die Ruhe und die viele Zeit, die wir für uns haben werden«, schwärmt er mir vor. »Und natürlich all die frischen Tomaten!«
Paul ist Orthopäde und Kinderarzt (Ja, er hat zwei Facharzttitel, und ja, ich finde das sehr toll!) und seit vielen Jahren an einer Klinik angestellt. Ein alter Kollege und Freund hat ihm seine Praxisvertretung angeboten: »Horst will auf Reisen gehen für ein ganzes Jahr, und er braucht jemanden, der ihn vertritt. Wir können sein Haus haben, die Orthopädie-Praxis ist im Erdgeschoss. Es ist die perfekte Chance zu testen, ob wir uns auf dem Land wohl fühlen. Ich will schon so lange raus aus meiner Kliniktretmühle. Das wäre ein Traum für mich. Ich könnte als ganz normaler Orthopäde arbeiten. Und auch für Horst wäre es die perfekte Lösung. Also quasi eine Win-win-Situation.«
Win-win für Horst und Paul. Aber für mich? Auf dem Land zu leben war nie einer meiner Träume. In mir ist keine Sehnsucht nach selbstgezogenem Blattsalat, Gummistiefeln, Heuschobern und Landfrauennachmittagen.
Ganz im Gegenteil. Landleben ist für mich immer eine Art Synonym für Kleingeistigkeit, Spießertum und Langeweile, getränkt in Matsch und von fiesem Güllegeruch durchzogen. Oder sagt man Jauche? Sind Gülle und Jauche überhaupt das Gleiche? Mir fehlt jegliches Land-know-how. Mein Leben in der Peripherie der Großstadt ist mir Landleben genug. Eigentlich will ich, wenn die Kinder aus dem Haus sind, in die Stadt ziehen. Richtig mittenrein ins Leben. Penthouse oder Altbau, Stuck, Parkett, hippe Cafés, Kneipen – einfach das pralle Leben.
Aber wer bin ich, dass ich einen Traum zerstöre? Vor allem den Traum des Mannes, den ich liebe. Warum nicht mal etwas wagen? Für ein Jahr. Es sind nur 365 Tage, sage ich mir wieder und wieder. Eine Art Probezeit.
»Wenn es dir nicht gefällt, finden wir eine Lösung«, verspricht mir Paul, wenn auch ohne genau zu sagen, wie eine Lösung aussehen würde. Aber da habe ich schon ja gesagt. 365 Tage lang kann man viel aushalten, denke ich. Auch das Landleben. Man muss auch mal an andere denken, nicht immer nur ich, ich und noch mal ich.
Vom Ja bis zum Umzug dauert es nur sechs Wochen. Sechs Wochen Dauerstress. Sechs Wochen lang Diskussionen mit meinen Kindern, meiner Mutter, meinem Ex-Schwiegervater und meiner Schwester. Und natürlich mit meinem Chef, der alles andere als begeistert ist. Sechs Wochen lang Anrufe von entsetzten Freundinnen. Ja, ich bin nun mal eine Frau mit Familie, Job und zum Glück auch mit Freundinnen – was es eben auch so schwierig macht. Denn mein Umfeld ist sich ausnahmsweise mal einig. Einig darin, dass dieser Umzug eine absolute Schnapsidee ist. Und ich bin ja selbst extrem unsicher und würde am liebsten alles rückgängig machen, aber da verteidige ich den Umzug fast so, als wäre er mein eigenster Herzenswunsch. Denn das Erstaunliche ist ja, je mehr Gegenwind man bekommt, desto mehr kann man sich in eine Idee hineinsteigern. Ich weiß, das klingt verrückt, aber es ist eine Art trotziger Reflex.
Meine Kinder, Claudia und Mark, sind vollkommen entsetzt. »Was willst du denn am Arsch der Welt?«, fragt meine Tochter.
»Nächste Großstadt: Fulda!«, schiebt mein Sohn noch ironisch hinterher.
Ihre Anteilnahme rührt mich zunächst sehr, bis ich merke, dass sie eigentlich nur vorgeschoben ist. Sorgen machen die sich nicht etwa um mich, die ich auf dem Land versauern könnte, sondern um unser Haus.
»Du willst unser Elternhaus vermieten? Das Haus, in dem wir aufgewachsen sind? Und dann, wenn du auf dem Land bleibst, was ist dann mit dem Haus?«
»Dann verkaufe ich das Haus!«, ist meine Antwort, und die Kinder führen sich auf, als hätte ich gedroht, sie mit sofortiger Wirkung zu enterben und zeitgleich zur Adoption nach Algerien freizugeben. (Wobei ich bezweifle, dass dort überhaupt ein Interesse an den beiden besteht, vor allem so ganz ohne Erbe!)
»Wo sollen wir denn hin, wenn mal was ist?«, fragen sie.
Aber als ich beteuere, dass, egal wo ich sein werde, es immer einen Platz für sie geben wird, schauen sie mich nur leicht angewidert an.
»Was sollen wir denn da draußen? Das ist ja jenseits jeder Zivilisation, jenseits jedes öffentlichen Nahverkehrs. Da will man ja nicht tot überm Zaun hängen! Wahrscheinlich haben die nicht mal WLAN. Wie soll man denn da leben?«
Ich würde am liebsten antworten: »Weiß ich auch nicht.« Denn ich hab erst recht keine Ahnung, wie ich so leben soll! Aber dass ich dort vielleicht unglücklich sein werde, dass es mir nicht gefällt, dass ich einsam sein könnte, das ist ihre geringste Sorge. Meinen Kindern geht es nur um sich. Das kränkt mich und ärgert mich auch. Was habe ich mir da nur für egomane Geschöpfe herangezogen? Und wieder verteidige ich das Landleben, obwohl ich mit Sicherheit die Allerunsicherste bin, was dieses Thema angeht. Ich führe mich wie eine Oppositionelle auf, die rein aus Widerspruchsgeist handelt.
»Sie werden sich beruhigen!«, sagt Paul immer wieder, und ich beschließe, ihm zu glauben. Letztlich interessieren sich junge Menschen sowieso fast ausschließlich für sich selbst und nur wenig für andere. Sie regen sich schnell mal auf, aber im Normalfall genauso schnell wieder ab. Solange Veränderungen ihr Leben nicht zu sehr betreffen, sind Kinder relativ gleichmütig. Fast schon erschreckend gleichmütig. Sie haben eben alles gerne so wie immer. Das allerdings kann ich gut verstehen. Auch ich habe gehörigen Respekt, um nicht zu sagen Angst, vor der Veränderung. Wie kann ich, ohne den Ort zu kennen, ohne das Haus gesehen zu haben, ja sagen? Wie bekloppt kann man sein?
Auch meine Schwester Birgit ist alles andere als beglückt. »Du machst dich aus dem Staub, und ich bleibe mit unserer dementen Mutter allein zurück. Toll, Andrea! Wirklich eine großartige Idee. Echt ganz schön selbstsüchtig von dir. Aber so war es ja schon immer. So ist es halt, wenn man die Älteste ist. Man hat immer die A-Karte. Stefan ist in Hamburg und als kleiner Bruder ja eh fein raus. Immer bleibt alles an mir hängen. Dabei hatte ich mich so gefreut, auch mal Zeit für mich zu haben.« Sie holt tief Luft, um dann mit ihrer Motztirade weiterzumachen: »Die Grabpflege von Papa und jetzt auch noch Mama. Fein. Ich dachte echt, jetzt wäre ich mal dran. Aber die zukünftige Arztgattin macht sich vom Acker auf den Acker. Und ich hocke hier und habe Mama an der Backe. Das ist mal wieder typisch.« Birgit war richtig sauer. Und nach ihrer kleinen Ansprache bin ich es auch. Das könnte sie auch ein wenig charmanter verpacken. Aber die charmante Verpackung ist nichts, was Birgit liegt. War noch nie ihr Ding.
»Du kannst deine Mutter mitnehmen. Es wird ihr gefallen. Das Leben auf dem Land hat viel Beruhigendes und tut ihr bestimmt gut«, hat Paul längst vorgeschlagen, und schon weil ich Birgits Vorwurf nicht auf mir sitzen lassen will, habe ich tatsächlich spontan angeboten, Mama mit umzuziehen. Ich hätte nie gedacht, dass Birgit zustimmt. Vor allem nicht so schnell.
Kaum habe ich den Satz ausgesprochen, antwortet sie schon: »Perfekt, dann verkaufen wir Mamas Haus. Das braucht sie dann ja nicht mehr.«
Ich bin fassungslos. In den letzten Jahren war Birgit immer davon überzeugt, dass nur sie sich richtig um Mama kümmert. Dass nur sie weiß, was gut für Mama ist, und jetzt scheint ihr nichts lieber zu sein, als dass ich Mama mit aufs Land nehme.
»Vielleicht tut ihr das gut da draußen! Ich will ja Mamas Glück nicht im Weg stehen. All die gute Luft. Und Immobilien kann man im Moment wirklich sehr gut verkaufen«, erklärt sie mir milde lächelnd.
»Aber es ist Mamas Haus. Und wir wissen doch gar nicht, ob das gutgeht auf dem Land und ob wir da bleiben. Wo soll sie denn dann hin, wenn das alles nicht klappt?«, wage ich eine kleine Rückfrage und muss dabei an die Bedenken meiner Kinder denken.
»Sie kann da eh dauerhaft nicht bleiben. Wenn das mit euch nicht hinhaut, muss sie ins Heim. Und mal ehrlich, Andrea, sie kann wirklich nicht mehr selbst entscheiden, was gut für sie ist«, sagt Birgit. In ihrem typischen resoluten Siehste!-Tonfall.
»Aber wir können doch nicht einfach ihr Haus verkaufen, selbst wenn sie mit mir mitkommt. Und das muss man ja auch noch mal gründlich besprechen«, wage ich einen weiteren kleinen Einwand.
Birgit ist sofort auf 180: »Ich habe tatsächlich kurz gedacht, dir wäre es wirklich ernst mit Mama. Tja, hätte ich ja wissen müssen. Die Zuverlässigste warst du ja noch nie. Schön doof von mir. Im Dinge-Versprechen warst du ja schon immer groß.«
Wäre Birgit nicht meine Schwester, ich glaube, ich würde aufstehen und gehen. Noch lieber würde ich aufstehen, ihr ein paar...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2018 |
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Reihe/Serie | Ein Andrea Schnidt Roman | Ein Andrea Schnidt Roman |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Arzt • Aufgebügelt • Bestseller • Beziehung • Date • Dorf • Ehe • Eltern • Exfrau • Exmann • Familie • Feuerprobe • Frau • Frauenroman • Freundin • Glück • Heiraten • Humor • Kinder • Land • Landleben • Landlust • Liebe • Mann • Natur • Neuer Partner • Patchwork • Rhön • Teenager • Tochter • Trennung • Wechseljahre • Wundertüte |
ISBN-10 | 3-10-490179-1 / 3104901791 |
ISBN-13 | 978-3-10-490179-4 / 9783104901794 |
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