Die Hexenholzkrone 2 (eBook)
550 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10085-3 (ISBN)
Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Das Geheimnis der Großen Schwerter bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.
Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Das Geheimnis der Großen Schwerter bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.
32
Rosenwasser und Balsam
Die Kanzlei war in einem langgestreckten Gebäude im Mittleren Zwinger untergebracht. Unter König Johan hatten sich dort die Stallungen befunden, doch die waren beim Einsturz des Engelsturms zerstört worden und man hatte die neuen Stallungen im Äußeren Zwinger errichtet. Was nicht bedeutete, dass Pferde und Kutschen unwichtiger geworden wären, dachte Pasevalles. Vielmehr hatten Buchhaltung und die Aufbewahrung des Geldes an Bedeutung gewonnen.
Das Kanzleigebäude war wie ein langgezogener Knochen geformt, ein Knochen, um den sich zwei Hunde streiten mochten, die jeder an einem Ende zogen. Was auch insofern ein passender Vergleich war, als das eine Ende Pasevalles als dem Großkanzler gehörte und das andere Erzbischof Gervis, dem Schatzkämmerer. Das Verhältnis der beiden erinnerte manchmal tatsächlich an zwei sich unter der königlichen Abendtafel streitende Doggen.
Und doch war es eine Erleichterung für den Großkanzler, sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren zu können, ohne auch noch die wichtigen Aufgaben Graf Eolairs wahrnehmen zu müssen. Viele Dinge, die ihm besonders am Herzen lagen, waren während der Reise des königlichen Paars mehr oder weniger liegengeblieben, und jetzt war er damit beschäftigt, Versäumtes nachzuholen.
Kanzleibedienstete eilten emsig wie Bienen in einem Kleefeld die langen Gänge auf und ab, in den Händen Stapel von Dokumenten, jedes mit einer eigenen, komplizierten Vorgeschichte – Schriftrollen der Buchhaltung, Bittbriefe und Steuerunterlagen. Die falsche Vorstellung, die die meisten Untertanen des Königreichs von der Macht hatten, rang Pasevalles nur ein müdes Lächeln ab – dass nämlich der König und die Königin nur auf ihren Thronen saßen und bestimmten, was als Nächstes zu tun sei, und ihre Helfer sich dann eifrig bemühten, ihre Launen in die Tat umzusetzen. In Wirklichkeit musste jeder Herrscher, vom Herrscher über das größte Königreich der Geschichte Osten Ards ganz zu schweigen, sich ständig mit Hunderten von Problemen herumschlagen, und das so lange, bis sie gelöst oder wenigstens auf ein erträgliches Maß reduziert waren. Denn einige Probleme hatten, wenn man sie nicht löste, die Eigenschaft, sich rasch zu größeren Problemen auszuwachsen. Und zur Lösung eines Problems standen dem Herrscher auch nicht Scharen treuergebener Untertanen zur Verfügung, die nur darauf warteten, zu tun, was man ihnen sagte, sondern Tausende von Individuen mit eigenen Plänen und Wünschen, zu deren Erfüllung die meisten davon durchaus bereit waren, gegen Gesetze zu verstoßen, solange sie dies ungestraft tun konnten, während sie zugleich hell empört waren bei der leisesten Andeutung, ihre eigenen Rechte könnten in irgendeiner Weise beschnitten werden. Und von diesen rechthaberischen Menschen waren die Adligen mit ihrer Empfindlichkeit und Selbstgerechtigkeit die Schlimmsten.
Pasevalles war der Neffe eines wichtigen nabbanaischen Grenzfürsten, des Barons Seriddan von Metessa, und hatte seine Kindheit in der Burg des Barons verbracht. Damals war er noch mit seinem Schicksal zufrieden gewesen. Während sein Vater Brindalles eher das zurückgezogene Leben eines Gelehrten führte, gelüstete es den jungen Pasevalles nach Heldentum. Er nahm sich sogar der familieneigenen Sammlung von Waffen und Rüstungen an, weil sich niemand sonst in Metessa für die Größe der Vergangenheit zu interessieren schien – oder wenigstens nicht so, wie Pasevalles es für angemessen hielt. In den Jahren seiner Kindheit waren der große Waffensaal und die Gießerei, in der Rüstungen angefertigt und repariert wurden, sein eigentliches Zuhause. In der Studierstube seines Vaters fühlte er sich dagegen eher fremd. Natürlich lernte er Lesen, Schreiben und Rechnen, wie es von einem jungen Mann aus adligem Hause erwartet wurde, doch jede Stunde unter dem wachsamen Blick seiner Lehrer war für ihn verschwendete Zeit, in der er lieber den Soldaten bei ihren Übungen zugesehen oder im Waffensaal einer selbsterteilten Aufgabe nachgegangen wäre. Schließlich musste das Andenken an die kriegerischen Heldentaten der Vorfahren erhalten werden und er selbst träumte davon, dass auch ihm eines Tages ein solcher Ruhm zuteilwürde.
Aber Träume ändern sich, dachte er. Vor allem die von Kindern.
Seine Träume hatten sich an dem Tag einschneidend geändert, an dem Prinz Josua, der Bruder von König Elias und Sohn des Priesters Johan, nach Metessa gekommen war, um dort Hilfe für den Kampf gegen seinen Bruder und dessen schrecklichen Verbündeten, den Sturmkönig Ineluki, zu finden. Pasevalles war damals natürlich noch zu klein gewesen, um die Zusammenhänge zu begreifen – er war ja erst acht –, aber er hatte es mit Begeisterung aufgenommen, als er erfuhr, dass der legendäre Ritter Camaris, der größte Krieger seiner Zeit, noch lebte und für Josua kämpfte. Und als Josua den Hochhorst belagerte, hatte sogar sein gelehrter Vater an den Kämpfen teilgenommen, was Pasevalles noch mehr begeistert hatte. Brindalles hatte sich freiwillig als Doppelgänger Josuas zur Verfügung gestellt, während der Prinz mit einer Gruppe von Männern und Sithi auf anderem Weg in die Burg eindrang.
Doch Pasevalles war nicht dabei gewesen. Er hatte nicht miterlebt, wie sein Vater auf dem Pferd des Prinzen den glorreichen Angriff geführt und durch das Tor des Hochhorst gesprengt war. Auch das schreckliche Ende hatte er nicht mitbekommen, als König Elias’ List aufgedeckt und sein Vater von den Verteidigern im Burghof niedergeschlagen und in Stücke gehackt wurde.
Pasevalles hatte das alles nur von Boten erfahren, die zwei Wochen später in Metessa eingetroffen waren, nur einen Tag vor den Leichen seines Vaters und seines Onkels Seriddan, der seinen Wunden wenige Tage nach der Schlacht erlegen war.
An die Wochen und Monate danach erinnerte er sich kaum noch, an die endlose Folge von Tagen und Nächten, in denen er nur Schmerz und Verzweiflung empfunden hatte. Die Zeit hatte den schwarzen Mantel des Vergessens darüber gebreitet. Erst als im Jahr darauf seine Tante beschlossen hatte, erneut zu heiraten, hatte Pasevalles angefangen, seine Umgebung wieder wahrzunehmen.
Zum Tod des Vaters kamen weitere Schicksalsschläge. Seine Mutter starb an einem Fieber, das nach dem Sturmkönigskrieg in Nabban wütete. Auch seine Tante, die den verwitweten Besitzer des benachbarten Landguts geheiratet hatte, starb an diesem Fieber. Und ihr neuer Mann setzte Pasevalles prompt vor die Tür und schickte ihn zu armen Verwandten an der Nordküste Nabbans, deren Haus so kalt und feucht war, dass er genauso gut in den Sümpfen hätte leben können. Es war eine bittere Zeit gewesen …
Nein, Zorn lenkt nur ab, ermahnte er sich. Der Zorn ist der Feind des Erfolgs. Er, Pasevalles, hatte Pläne, Ziele, Verantwortung und durfte sich nicht von bösen Erinnerungen lähmen lassen. In diesem Moment wartete ein ganzer Stapel von Rechnungen darauf, genehmigt und dem Königspaar vorgelegt zu werden. Dazu kamen Dutzende weiterer Zahlungen an die verschiedenen Gläubiger der Krone, die er ein letztes Mal prüfen musste, bevor sie getätigt wurden. Der Wiederaufbau der Burgen war teuer. Obwohl so viele Jahre vergangen waren, zahlte Erkynland immer noch für die Folgen des Sturmkönigskriegs. Und da kam auch noch Vater Wibert mit einem weiteren Stapel von Bittschriften, ein Grund mehr, nicht in Erinnerungen an die Vergangenheit zu versinken.
»Wo soll ich die ablegen?«, fragte Wibert. »Auf dem Boden? Auf Eurem Schoß?« Sein Sekretär war nicht mehr jung und wurde mit zunehmendem Alter statt dicker immer dünner. Er hatte Anflüge von Humor, aber nicht mehr – Anflüge eben. Sein herausragendster Charakterzug war sein ausschließliches Interesse für sich selbst. Für Pasevalles war er äußerst nützlich, bei den anderen Bewohnern der Burg eher unbeliebt.
»Am besten wohl auf dem Boden.« Auf dem Stapel lag ein Brief, der sich im Aussehen von den anderen Dokumenten unterschied. »Was liegt da obendrauf?«
»Ein Brief von Prinzessin Idela«, sagte Wibert mit einem freudlosen Grinsen. »Parfümiert. Bestimmt bittet sie um einen Gefallen.« Er setzte den Stapel ab, der zu kippen drohte, begradigte ihn mit einer flüchtigen Handbewegung, nahm das zusammengefaltete oberste Blatt und reichte es Pasevalles. »Der Herr gebe uns Geduld. Warum er Frauen erschaffen hat, übersteigt mein Verständnis.«
Daran habe ich keinen Zweifel, dachte Pasevalles. Von den Bewohnern des Hochhorst war manchmal zu hören, Wibert sei als Priester geboren worden. Was auch fast stimmte, wie Pasevalles wusste: Wibert war schon als kleiner Junge aus dem...
Erscheint lt. Verlag | 20.10.2017 |
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Reihe/Serie | Der letzte König von Osten Ard | Der letzte König von Osten Ard |
Übersetzer | Cornelia Holfelder-von der Tann, Wolfram Ströle |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Elben • Fantasy-Saga • Geheimnis der großen Schwerter • High-Fantasy • Nornen • Osten-Ard |
ISBN-10 | 3-608-10085-7 / 3608100857 |
ISBN-13 | 978-3-608-10085-3 / 9783608100853 |
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