Advent, Advent, der Christbaum brennt! (eBook)

24 neue Geschichten aus der chaotischen Weihnachtszeit
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-128-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Advent, Advent, der Christbaum brennt! -  Anja Koeseling,  Heike Abidi
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Weihnachten - das Fest der Liebe. Die Tage im Jahr, an denen die ganze Familie zusammenkommt und beim leckeren Braten harmonisch beisammensitzt ... Oder wie war das? In der Realität sieht das Ganze oft eher anders aus. Wo man hinschaut, Geschenke, die man gleich beim ersten Blick für das nächste Schrottwichteln einplant, und unterm Weihnachtsbaum herrscht schon wieder Scherbensalat. Spätestens nach dem Abendessen hängt der Familiensegen so schief, wie die selbst gesungenen Weihnachtslieder klingen. Dann heißt es statt besinnlicher Weihnachtsstimmung und Winterromantik: Katastrophenalarm! Dieser Weihnachtsschmöker versammelt 24 Geschichten über das Chaos in der Adventszeit und an den Festtagen selbst - von Nervenzusammenbrüchen beim Plätzchenbacken und Eskalationen über der Weihnachtsgans - und zaubert dabei jedem Weihnachtsmuffel ein Lächeln ins Gesicht.

Anja Koeseling war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie 2008 die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin gründete. Heute schreibt sie Sachbücher.

Anja Koeseling war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie 2008 die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin gründete. Heute schreibt sie Sachbücher. Heike Abidi, ist freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie schreibt vor allem Unterhaltungsromane für Erwachsene sowie für Jugendliche und Kinder. Mit Mann, Sohn und Hund lebt sie in der Pfalz bei Kaiserslautern.

Die Kipferl des Grauens


»Ich kann nicht! Ich schaffe das dieses Jahr einfach nicht. Mitte November ist unser Kater gestorben, zehn Tage später hat sich mein Schwiegervater den Oberschenkelhals gebrochen und dann bekamen meine Jungs vor zwei Wochen auch noch das Norovirus. Ich habe wochenlang nur Taschentücher an heulende Kinder verteilt, mit meiner Schwiegermutter Krankenhausbesuche bei deren jammerndem Mann gemacht und die letzte Woche dann permanent vollgekotzte Bettwäsche gewechselt. Wenn ich jetzt auch nur ein einziges Plätzchen backen soll, drehe ich durch und bringe meine Familie um!«

Meine Freundin Merle klang am Telefon, als meinte sie es verdammt ernst. Unwillkürlich fiel mir der Kinderreim »Lizzie Borden mit dem Beile, hackt Papa in Einzelteile …« ein und ich schluckte.

»Gibt es bei eurem Bäcker keine Fertigplätzchen?«, wagte ich zu fragen.

Als Antwort drang ein gereiztes Schnauben durch den Hörer. »Da solltest du mal meine Familie hören. ›Merle, Liebes – du wirst es doch wohl neben deinem Halbtagsjob noch schaffen, ein paar Plätzchen selbst zu backen. Schon den Kindern zuliebe‹«, verfiel sie in einen glockenhellen Sopran, der verdächtig nach ihrer Schwiegermutter Gisela klang. »Und Patrick hält mir einen Vortrag über misshandelte Käfighühner, deren degenerierte Eier sich im Teig der Vanillekipferl befinden, die unsere Kinder essen«, fuhr sie fort. »Nein, mit irgendwelchen Fertigprodukten brauche ich erst gar nicht ankommen.«

Als Mutter dreier Söhne im Alter von sieben, neuneinhalb und zwölf Jahren hatte Merle es sowieso schon nicht leicht. Dazu kam noch ein Ehemann, der zwar ganz nett, aber in seinem früheren Leben wahrscheinlich das Alphatier irgendeiner Pavianherde gewesen war, denn er war dominant und wusste grundsätzlich, wie die Dinge zu laufen hatten.

Als kinderloser Single sah ich meistens fasziniert auf dieses Familienleben, das mir wie das Praxisbeispiel des Darwinismus erschien (Survival of the fittest, Sie wissen schon). Jetzt aber tat Merle mir aufrichtig leid. Und weil sie erstens meine allerbeste Freundin ist – und das bereits seit zwanzig Jahren – und ich zweitens gern backe, purzelten mir die Worte aus dem Mund, ehe ich nur eine Sekunde über die Konsequenzen nachdenken konnte: »Wenn du willst, komme ich nächste Woche zu euch und backe mit deinen Jungs.«

»Das würdest du tun?« Merle klang wie Maria kurz vor der Niederkunft, die unvermittelt von Donald Trump ins Weiße Haus zur Entbindung eingeladen worden war. Ihr Tonfall hätte mich aufhorchen lassen sollen, aber in diesem Moment war ich Trump – und geblendet vom Glanz meiner eigenen Großzügigkeit bejahte ich milde und erklärte mich darüber hinaus auch noch bereit, sämtliche Zutaten mitzubringen.

»Du kannst in Ruhe Weihnachtsgeschenke kaufen gehen, während ich mit deinen Kindern in der Küche Spaß habe. Kein Problem.«

»Meine Güte, du bist wirklich ein Engel«, sagte Merle.

Dadurch im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt, schwebte ich am folgenden Samstag bei ihr zu Hause ein, bepackt mit zwei Kilo Mehl, mehreren Päckchen Butter und Zucker, einem Glas Himbeergelee sowie diversen Tütchen mit Nelken- und Lebkuchengewürz.

»In Deckung – hier kommt der Rosinenbomber.«

»In Deckung – hier kommt der Rosinenbomber«, witzelte Patrick, als er mir die Haustür öffnete, und hätte ich nicht beide Arme voll mit diversen Kalorienbomben gehabt, hätte ich ihm wahrscheinlich zur Begrüßung eine geknallt. Ich bin empfindlich, was meine Figur oder mein Gewicht angeht, und bei Merles Ehemann wusste man nie, ob sein Humor Absicht oder Versehen war. Doch weil es stark auf Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens, zuging, schenkte ich ihm nur ein Saccharin-Lächeln.

»Möchtest du vielleicht mit deinen Kindern backen? Als Ausgleich für deine dreimal nicht in Anspruch genommene Elternzeit als Vater?«, fragte ich freundlich.

Prompt verschwand Patrick mit einem gemurmelten »Hab noch was zu erledigen« in seinem sogenannten Arbeitszimmer, das – wie ich nach einem heimlichen Blick durch den Türspalt vor ein paar Monaten gesehen hatte – von einem Vierzig-Zoll-Monitor beherrscht wurde. »Wenn die Kinder im Bett sind, verkriecht er sich hier drin und schaut oft eine ganze Staffel von The Walking Dead«, hatte mir Merle unter vier Augen anvertraut. Ich bezweifelte, dass Patrick sich des Nachts wirklich ausschließlich herumtaumelnde Zombies in zerschlissenen Klamotten ansah oder nicht doch etwas Appetitlicheres, Leichtbekleidetes, aber das war nicht mein Problem.

»Menno, glotzt Papa wieder diese Zombie-Filme, die wir nicht dürfen?« Auftritt des Erstgeborenen, der proportional zur Pubertät auf immer mehr Vollverben verzichtete.

»Hi, Lucca. Na, alles klar?«, sagte ich betont munter und tröstete mich, dass ein knappes »Joooh« besser war als gar keine Antwort. Immerhin begrüßten Felix, der Mittlere, und Nesthäkchen Tim mich deutlich euphorischer, wobei ihre begehrlichen Blicke den drei Tafeln Schokolade galten, die sich an der Spitze der Ernährungspyramide aus Fett und Zucker auf meinem Arm türmten.

»Die sind zum Backen«, machte ich gleich jeglichen Annäherungsversuchen den Garaus. »Ich hoffe, ihr seid bereit für die große Plätzchenschlacht.«

»Nope, ich bin raus«, verkündete Lucca. »Ich geh zu ’nem Kumpel zocken.«

Ich atmete die Negativität aus, wie meine Yogalehrerin es uns neulich gezeigt hatte.

Ein erster Anflug von Gereiztheit legte sich über meine Samariter-Stimmung, aber ich atmete die Negativität aus, wie meine Yogalehrerin es uns neulich gezeigt hatte. »Gut, kein Thema. Aber du weißt ja – ohne Backen keine Plätzchen. Dann können wenigstens deine Brüder mehr davon essen.«

Damit ließ ich den Zwölfjährigen stehen, dessen Zahnspange jetzt gut sichtbar war, da ihm der Mund offen stand.

Siegesgewiss steuerte ich die Küche an, während Tim und Felix eifrig hinter mir herwieselten – offenbar hatte meine Drohung wenigstens bei den Jüngeren gewirkt. Vor dem Backofen kniete fluchend Merle und kratzte an einer schwarzen Kruste im Inneren herum. »Wenn ich denjenigen erwische, der als Letzter hier drin Pizza gemacht hat«, zischte sie und schabte eine verkohlte Salamischeibe vom Ofenboden.

»Der Papa!«

»Der Lucca!«, ertönte es unisono von Tim und Felix und Merle verdrehte die Augen.

»Wieso frage ich eigentlich noch«, seufzte sie, ehe sie sich erhob und mich umarmte. »Schön, dass du da bist. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll …«

»Ach, vergiss es. Die zwei Jungs und ich werden Spaß haben, nicht wahr?«

Tim und Felix nickten auf Merles drohenden Blick hin artig, aber sie sahen aus wie zwei Sträflinge, die man zur Arbeit im Steinbruch abkommandiert hatte. Mein pädagogischer Ehrgeiz erwachte. Man muss die Kinder da abholen, wo sie stehen. »Kommt schon! Das wird lustig. Ihr dürft auch die Plätzchen verzieren, wie ihr wollt«, startete ich Teil eins des Motivationsprogramms. Lustlos schlurften Tim und Felix zur Arbeitsplatte und blieben mit hängenden Armen davor stehen wie zwei abgeschaltete Haushaltsroboter.

»Und jetzt?«

»Jetzt machen wir erst mal den Teig«, trällerte ich und schob Merle nachdrücklich aus der Küchentür. »Du gehst shoppen und lässt dich erst in drei Stunden wieder hier blicken, klar?«

Stolz darauf, nicht auf die blödsinnige Idee gekommen zu sein, das Abwiegen der Zutaten mit allerlei pseudolustigen Matheaufgaben zu verbinden, legte ich eine Stunde später zwei Teigkugeln für Engelsaugen und Vanillekipferl in den Kühlschrank. »Halbe Stunde Pause, danach geht es ans Ausstechen«, erklärte ich. Felix und Tim hatten sich jedoch schon beim Wort »Pause« wieselflink davongemacht und ich fragte mich, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, die beiden nicht einfach in die Küche einzusperren, bis der Teig fertig gekühlt war.

Ich spürte, wie meine Sympathie für die Waldorfpädagogik schwand.

Zwei Tassen Kaffee später (zum Glück wusste ich, wie Merles Espressomaschine funktionierte) und nach mehreren pseudo-optimistischen WhatsApps an Merle kostete es mich tatsächlich einige Mühe, die zwei Jungs aus ihren Zimmern zu holen und wieder in die Küche zu lotsen. Ich spürte, wie meine Sympathie für die Waldorfpädagogik schwand und einem Kasernenhofton Platz zu machen drohte, doch ich riss mich zusammen. »So, als Erstes machen wir Engelsaugen.« Ich versuchte so freudig zu klingen, als sei ich der Engel der Verkündigung persönlich.

Statt der ehrfürchtigen Hirten sahen mich zwei Augenpaare voller Verachtung an. »En-gels-au-gen?«, fragte Felix gedehnt.

»Ey, wie uncool«, vervollständigte Tim.

Na prima, dachte ich verbittert. Das kommt davon, wenn der Vater Untoten-Filme glotzt, statt seinen Kindern Gutenachtgeschichten vom Sandmann vorzulesen. Aber weil mich die Geringschätzung im Gesicht des Mittleren empfindlich in meiner Bäckerehre traf und der Jüngste bereits zu Fluchtbewegungen neigte, fasste ich einen Entschluss. »Gut, dann machen wir eben Zyklopenaugen.«

Felix starrte mich verblüfft an, während Tim krähte: »Was ist ein Zyklop?«

Aha, in dem Punkt hatte Zombie-Papi offenbar keine Aufklärungsarbeit geleistet. Oder er war der griechischen Mythologie nicht mächtig. »Ein Zyklop ist ein menschenfressender Riese mit nur einem Auge. Mitten auf der Stirn. Wer ihm begegnet, der wird mit Haut und Haaren von ihm verschluckt.«

Drei...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2017
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Schlagworte Advent • Adventszeit • Besinnlich • Christkind • Dezember • Familienfeier • Familienfeier | Festtag • Festtag • Heiligabend • Humor • Kurzgeschichten • lustig • Nikolaus • Oh du fröhliche • Stille Nacht • Tannenbaum • Weihnachten • Weihnachts • Weihnachtsbaum • Weihnachtsfeiertage • Weihnachtsgeschichten • Weihnachtsmann • Weihnachtsmuffel • Winter • witzig
ISBN-10 3-95910-128-7 / 3959101287
ISBN-13 978-3-95910-128-8 / 9783959101288
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