Loving se Germans (eBook)

Mein Leben zwischen Bayern und Briten
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
224 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1564-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Loving se Germans -  Francis Fulton-Smith
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Francis Fulton-Smith ist ein waschechter Bayer. Aber eben auch Sohn eines englischen Jazzmusikers. Nach der Papierform kommt er also gar nicht drum herum, sich mitunter auf Reisen oder sogar daheim mit den britischen Eigenheiten rumzuschlagen. An denen sich auch nach dem Brexit nichts geändert hat: weder kulinarisch (Bier ohne Kohlensäure) noch in Sachen Fußball (wer verliert schon gegen Island?) und schon gar nicht wettermäßig ... Mit viel Humor schildert Fulton-Smith, wie man das störrische Inselvolk als Halbbrite erlebt, und hält sowohl Deutschen wie Engländern dabei den Spiegel vor - um festzustellen, dass beide Völker darin gar nicht so schlecht aussehen ...

Der Deutsch-Brite Francis Fulton-Smith wurde am 25. April 1966 in München geboren. Der Sohn einer Immobilienmaklerin und eines britischen Jazzmusikers besuchte nach dem Abitur die Otto-Falckenberg-Schule in München. Seit Ende der 80er-Jahre wirkte er in zahlreichen TV-Filmen und -serien mit. Der Durchbruch gelang ihm in der Rolle des vom Schicksal gebeutelten Dr. Christian Kleist. Die Serie 'Familie Dr. Kleist' legte den besten Start einer Serie in der ARD überhaupt hin und zieht mit jeder Folge ein Millionenpublikum vor die Bildschirme. Mit der Rolle des Korvettenkapitäns Leonberg besetzte ihn Joseph Vilsmaier in seinem Historiendrama 'Die Gustloff' und erweitere so sein Charakterbild. 2014 wurde Fulton-Smith für seine Rolle als Franz Josef Strauß im Politthriller 'Die Spiegel-Affäre' mit dem Bambi ausgezeichnet. Privat engagiert sich Fulton-Smith für hilfsbedürftige Kinder in der ganzen Welt.

Francis Fulton-Smith wurde 1966 in München geboren. Er wirkte in zahlreichen TV-Filmen und -serien mit. Ein Millionenpublikum kennt ihn als Familienoberhaupt Dr. Kleist in der Erfolgsserie Familie Dr. Kleist. 2014 wurde Fulton-Smith für seine Rolle als Franz Josef Strauß im Politthriller Die Spiegel-Affäre mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Bambi. Auch als Filmproduzent macht er zunehmend von sich reden. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in München.

Das fliegende Klassenzimmer – reloaded

Schulzeit

»Solange du deine Füße unter meinem Tisch ausstreckst …« Unsere Mütter und Väter sind in England und Deutschland mit ähnlich autoritären Eltern aufgewachsen. Wie sie sich dagegen gewehrt haben, war dann allerdings doch ein wenig unterschiedlich.

Die Kids in England waren so etwas wie die großen Brüder der deutschen Rebellen – sie waren die Vorreiter, haben das Ganze als Erste durchmachen müssen. Dank der vier nord­englischen Jungs John, Paul, George und Ringo mutierte die Jugend in England und dann weltweit nach dem Krieg sehr schnell zu lebenshungrigen Pilzköpfen und kreischenden Mädchen. Meine Tante etwa kam lange vor dem großen Hype, hypnotisiert und leicht hysterisch, aus Liverpool nach Hause gerannt und rief überall immer wieder entrückt: »I’ve touched a Beatle! I’ve touched a Beatle! I’ll never wash my hands again!«

Meine Großeltern waren sehr verwirrt, da sie natürlich noch nie etwas von den Beatles gehört hatten, und weil beetle im Englischen »Käfer« bedeutet, dachten meine Großeltern vermutlich, meine Tante sei verrückt geworden. Ihr wurde ­daraufhin kurzerhand untersagt, jemals wieder ­alleine irgendwo hinzufahren, sie musste im heimischen Nelson bleiben, wo sie dann auch bis in die frühen 2000er Jahre hinein lebte.

Natürlich war es kein Zufall, dass der kometenhafte Aufstieg der Beatles in Hamburg begann. Leider hatte ich nie das Glück, sie live zu sehen. Anders bei der anderen Kultband, den »bösen Jungs« von den Rolling Stones. Ich war nie ein typischer Stones-Fan, aber ich habe es mir nicht nehmen lassen, die alten Herren 2004 in London im Twickenham Stadium anzuschauen. Es war eines der besten Konzerte, das ich je gesehen habe.

Mary Quandt vollzog mit ihrer legendären Erfindung des Minirocks nicht nur eine unfassbare Revolution in der Mode, sie ermöglichte damit auch das Lebensgefühl der sechziger und siebziger Jahre. Ohne Mini gäbe es nicht halb so viele glückliche Männer und vermutlich auch keinen Babyboom, zu dem ich mich zweifelsohne zählen darf. Strenggenommen war der Minirock aber eine deutsche Erfindung aus den dreißiger Jahren, Mary Quandt hat ihn nur in England wiederbelebt. Aber man kann in der Geschichte eben nicht einfach rückwärtsgehen. Und diejenigen, die das bessere Marketing haben, setzen sich in den Geschichtsbüchern meistens durch, auch wenn die Wahrheit vielleicht eine andere war. Man denke beispielsweise an Peter Brooke, den legendären Theaterregisseur in Paris. Er propagierte den »leeren Raum« als perfekte Bühne. Dass Erwin Piscator, ein Gefolgsmann Fritz Langs, den »leeren Raum« bereits in den zwanziger Jahren in Berlin erfunden hatte, wissen heute nur noch wenige.

Junge Deutsche emanzipierten sich in den Sechzigern und Siebzigern von ihren Eltern, abgesehen von kleineren Scharmützeln, erst dann, wenn sie ihre Beine schon unter anderen Tischen ausstreckten, sprich, ausgezogen waren. In der Uni zum Beispiel. Dort hatten sie ihren Sozialistischen Deutschen Studentenbund, Rudi Dutschke und Gesellschaftsfreibeuter wie Rainer Langhans – es ging vor allem darum, die Eltern als Nazigeneration zu brandmarken und darum, die Talare hochzuheben und den Muff rauszulassen.

Das jugendliche Aufbegehren auf der Insel war sicher me­lodiöser als bei uns. Ist ja auch verständlich, bei den Musikern! Selbst im englischen Hinterland gab es schon in den fünfziger Jahren erste Schulbands, die Beatmusik spielten – während es in Deutschland zehn Jahre später Sänger wie Peter Kraus immer noch schwer hatten, gegen Schlagerschmonzetten ­anzusingen. Das erfolgreichste Lied in Deutschland 1964: »Rote Lippen soll man küssen« von Cliff Richard. Das erfolgreichste Lied in England 1964: »I want to hold your hand« von den Beatles.

Mein Vater hatte sich als Teenager von seinen ersten Ersparnissen ein Schlagzeug gekauft, und natürlich gefiel das meinem Großvater überhaupt nicht. Er stellte meinem Dad »den Jazz ab«, wie man in Deutschland gesagt hätte, indem er das Schlagzeug einfach auf dem Müll entsorgte. Ohne diesen ­Eklat wäre ich vermutlich nie geboren worden. Denn die Reaktion meines Vaters war, dass er auszog und fortging, möglichst weit weg. Zunächst nach Cambridge, später nach Heidelberg, wo er meine Mutter kennenlernte. Er ging also nach Deutschland, zum Kriegsgegner! Mehr Protest ging damals nicht. Ich bin so gesehen, wie so viele Gleichaltrige, auch deshalb gezeugt worden, weil viele junge Menschen damals auf der Suche nach Freiheit waren.

Diese Freiheitsliebe haben freilich auch viele meiner Lehrer zu spüren bekommen. Meine Schulzeit ist eine Ansammlung aus englisch anmutenden Internatsanekdoten und bayerischen Lausbubengeschichten – auch wenn mich meine Eltern nicht nach Eaton, sondern nach Ising am Chiemsee geschickt haben. Später wechselte ich ans Camerloher-Gymnasium nach Freising, ursprünglich »Deutsches Internat« genannt.

Im Gegensatz zu den Freunden auf der Insel in den eng­lischen boarding schools musste ich in Deutschland keine uniforme Schulkleidung tragen. ­Einerseits finde ich Uniformen an der Schule gar nicht so schlecht: Sie können verhindern, dass einzelne Schüler zu Außenseitern abgestempelt werden, wenn ihre Eltern kein Geld für teure Markenklamotten haben. Aber als Teenager sah ich das naturgemäß ein wenig anders. Ich war verliebt in meine Klamotten und – wie mir Freunde noch Jahre später immer wieder klarmachten – besonders in meine Haare. Ich benahm mich aufmüpfig, besserwisserisch, wie ein Rebell. Und das, obwohl ich eigentlich wissensdurstig war. Mein damaliger Geschichtslehrer meinte später einmal, dem Francis habe man immer alles ganz genau erklären müssen. Umgekehrt bin ich mir nicht sicher, ob ich alles immer so genau erklären konnte, wenn ich von Lehrern abgehört wurde. In einer B3-Talkshow bestätigte derselbe Lehrer auch noch einmal: »Seine Haare waren sein Heiligtum.« Immerhin waren auch so coole Typen wie Jimmy Dean immer mit Kamm zu sehen.

Meinen ersten Verweis habe ich in Freising bekommen. Damals hatte ich blaugemacht. Ich hatte aber keinen Unterricht geschwänzt, sondern die Kirche, denn für jenen Tag war ein Schulgottesdienst angesetzt. Ich bin als Sohn eines Engländers evangelisch getauft, was freilich wenig damit zu tun hatte, dass ich an jenem Tag keine Lust auf eine katholische Kirche hatte, sondern vielmehr damit, dass ich mehr Lust hatte, bayerisches Kulturgut zu pflegen: Mit ein paar Kumpels setzte ich mich ins Freisinger Huber Bräu und spielte Schafkopf.

Ich hätte in meiner Schulzeit sicherlich noch mehr Verweise verdient gehabt. Aber erstens entwickelte ich schnell eine gewisse Geschicklichkeit darin, bei bestimmten Dingen einfach nicht erwischt zu werden, und zweitens wächst in einem In­ternat auch der Zusammenhalt – die gegen uns, Lehrer gegen Schüler. Man gab sich Alibis und deckte sich gegenseitig, wo man nur konnte.

An jenem Tag aber wollte es der Zufall, dass während unserer Weißbier-Spielkarten-Auszeit ein Lehrer der Schule ebenfalls in die Gaststätte kam. Er sah uns sofort und zog bösen Blickes wieder ab. Noch am gleichen Tag wurden wir einzeln zum Direktor ins Büro zitiert. Der konnte mich sowieso nicht leiden und fragte: »Warum sind Sie nicht in den Gottesdienst gegangen?«

Ich verkniff mir die Gegenfrage, warum denn eigentlich der Lehrer freigehabt habe, der uns verpetzt hatte. Doch dann antwortete ich: »Ich glaube an Gott, aber nicht an sein Bodenpersonal.«

Da hat mich der Direktor aus seinem Büro geschmissen. Ein paar Tage später trudelte dann der verschärfte Verweis per Post bei meinen Eltern ein.

Der Vollständigkeit halber berichte ich gleich noch von meinem zweiten Verweis. Da war ich schon erwachsen, rein bio­logisch gesehen zumindest. Er ereilte mich während der Probe­zeit in der Schauspielschule. Wir hatten Schillers Maria Stuart auf dem Plan, ich war für die Rolle des Mortimer eingeteilt. Nach dem Studieren des Textes sagte ich der Lehrerin: »Ich würde Mortimer gerne als Terroristen anlegen.« Vielleicht klappte es ja nicht, vielleicht war das geradezu völliger Quatsch, aber eine Schule ist doch dazu da, zu experimentieren, oder?

Die Lehrerin war mittelentsetzt, nach dem Motto: Das gab’s ja noch nie, was fällt dir ein? Ich erklärte ihr, dass ich Mor­timer für den frühesten Terroristen halte, der mir in der Literatur untergekommen ist. Er wurde von seinem Vater ver­stoßen, er hat die Werte seines Elternhauses nicht geteilt. Dann wurde er ausgesandt, Maria Stuart zu retten. Abgesehen davon, dass er sie abgöttisch liebte und auch ziemlich triebgesteuert war, tat er das alles aus fanatischer Überzeugung.

Ein katholischer Fanatiker auf einer Bühne in München – das war dann vielleicht doch ein bisschen zu viel der Provo­kation. Es folgte der Kanossagang zum Direktor. Dort wurde mir klargemacht, dass die Lehrerin das letzte Wort habe. Ich kommentierte das eher beiläufig und erwähnte nur, klar, ich wisse ja, dass man hier bestenfalls fürs Stadttheater ausge­bildet werde. Da war dann der nächste Verweis fällig. Noch so ein Ding, und ich wäre wohl Schauspielschulabbrecher geworden.

Ich habe in meinem Leben also zwei Verweise bekommen: einen, weil ich nicht in die Kirche gegangen bin, und einen, weil ich einen Verehrer als katholischen Terroristen spielen wollte. Man muss eben in seinem jeweiligen Lebensraum die Grenzen austesten.

Ein Streber war ich sicher nie. Ein Lehrer sagte einmal: »Um das Abitur zu bekommen, dürfen Sie dumm sein oder faul. Nur nicht beides zugleich.« Ich habe das als Kompliment...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Brexit • Briten • Buch 2017 • England • Fulton-Smith • Großbritannien • Humor • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen 2017 • Reisen • Schauspieler
ISBN-10 3-8437-1564-5 / 3843715645
ISBN-13 978-3-8437-1564-5 / 9783843715645
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