Bittere Mandelblüten (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2017 | 1., Auflage
400 Seiten
Piper ebooks (Verlag)
978-3-492-98346-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bittere Mandelblüten - Sujata Massey
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Ein atemlos spannender Fall für Sujata Masseys sympathische junge Heldin und ein rasanter Krimi voller Witz, Erotik und asiatischem Flair. Immer wieder fühlt die attraktive Rei Shimura sich in Tokio als Fremde - zu kess sind ihre knappen T-Shirts, und zu oft verletzt sie die gesellschaftlichen Regeln der Japaner. Von ihrer Tante Norie lässt sie sich zu einem Ikebanakurs überreden, doch dann wird inmitten zarter Kirschblüten und duftender Gewächse die Meisterin der Blumenkunst tot mit einer Pflanzenschere im Hals aufgefunden und Reis Spürsinn wird erneut geweckt.

Sujata Massey, geboren 1964 als Tochter einer Deutschen und eines Inders in Sussex, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in den USA und lebte dann mehrere Jahre in Hayama, Japan. Ihr Krimi-Debüt »Die Tote im Badehaus« wurde mit dem renommierten Agatha-Award ausgezeichnet. Dem folgten weitere Romane mit Rei Shimura: »Zuflucht im Teehaus«, »Bittere Mandelblüten«, »Tödliche Manga«, »Der Brautkimono«, »Die Tochter des Samurai«, »Japanische Perlen«, »Der japanische Liebhaber« und »Der Tote im Sumida«. Zuletzt erschien »Brennender Hibiskus«, ihr zehnter Rei Shimura-Krimi. Sujata Massey lebt in Baltimore und kehrt so oft wie möglich nach Japan zurück.

1


Japaner laufen nicht. In einem Land, in dem alle Leute ohnehin zügig gehen, gibt es keinen Grund, seine Schritte noch mehr zu beschleunigen – abgesehen von Notfällen, zum Beispiel wenn man schnell in einen abfahrtbereiten Zug schlüpfen möchte. Während der vier Jahre, die ich nun schon in Tokio lebe, habe ich außer mir selbst nur ältere Menschen auf der Jagd nach niedrigeren Blutfettwerten und Teenager beim Versuch, ins Schulteam aufgenommen zu werden, joggend erlebt.

Ich joggte jämmerlich langsam vor mich hin, um nicht ständig mit den Büroangestellten zusammenzustoßen, die die Straße bevölkerten. In der Stadt sind immer viele Menschen unterwegs, und es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, das es verbietet, die Leute anzurempeln. An der Roppongi Crossing mußte ich zwei Minuten an einer Ampel warten, bevor ich die Straße überqueren und zum drei Häuserblocks entfernten Kayama Kaikan weiterlaufen konnte. In diesem allseits bekannten Gebäude befindet sich die Zentrale von einer der führenden Ikebana-Schulen in Japan.

Die Verspätung war meine Schuld. Ich hatte gemächlich meinen Frühstückskaffee getrunken, den Pflanzen Wasser gegeben und noch allen möglichen anderen Kleinkram erledigt, so daß ich schließlich von der Haltestelle zur Schule laufen mußte. Meine Tante Norie sagt mir immer wieder, daß meine Tätigkeit als selbständige Antiquitätenhändlerin mir die Möglichkeit gibt, meine Zeit selbst einzuteilen. Daß ich es nicht rechtzeitig zum Kaikan-Gebäude schaffte, war meine passivaggressive Reaktion auf ihre Erwartungen.

Ich bin halb Japanerin und halb Amerikanerin und bemühe mich hin und wieder, mich an meine Verwandten väterlicherseits in Yokohama anzupassen. Ich verstehe die meisten Witze in Filmen, trinke Tee nach den japanischen Regeln und lege sogar meinen eigenen daikon-Rettich ein. Doch von Ikebana, der typisch japanischen Kunst des Blumenarrangements, hatte ich noch immer keine Ahnung. Als ich das letzte Mal zu viele Pflaumenzweige in ein Gefäß gestopft hatte, starrte meine Tante sie nur wortlos an. Kurz darauf erklärte sie mir, sie habe mich für einen Kurs an der Kayama-Schule angemeldet.

Bisher war ich nur zweimal in der Schule gewesen, doch das genügte, um zu begreifen, daß bei Ikebana weniger mehr ist und ich lieber weniger Zeit damit verbrachte, in einem überheizten Kursraum Blumen zu arrangieren, und dafür mehr draußen im Freien. An jenem Dienstag morgen Ende März war das Wetter schön, die Temperaturen lagen über fünfzehn Grad. Es würde nicht mehr lange dauern bis zur sakura, der Kirschblüte, für die Japan so bekannt ist. In der Wettervorhersage der Morgennachrichten hatte es geheißen, die Kirschbäume in Tokio würden in etwa fünf Tagen zu blühen beginnen und danach nicht länger als zwei Wochen in ihrer ganzen Pracht zu bewundern sein. Den Zuschauern wurde empfohlen, ihre Kirschblütenfeste entsprechend zu planen.

»Aber halten Sie die Augen offen, denn Wolken vor dem Mond deuten auf Stürme über den Blüten!« hatte der Sprecher mit einem albernen Lächeln hinzugefügt. Der Satz sollte nicht nur vor Regenfällen warnen, sondern war auch eine Anspielung auf ein altes Sprichwort, das besagt, daß selbst in Zeiten größten Glücks Unheil drohen kann.

Vorhersagen sind eine unsichere Sache. Während meiner Zeit in Japan habe ich mich immer wieder über die vielen Leute gewundert, die behaupten, daß die Zukunft von Mustern bestimmt wird, die in die Vergangenheit zurückreichen. Ich selbst habe kein Geschick bei Vorhersagen; an jenem sonnigen Frühlingsmorgen hatte ich nicht die geringste Ahnung, was auf mich zukam. Die zweiwöchige Zeit der Kirschblüte sollte einen Sturm der Vernichtung und der Offenbarungen bringen, die keiner von uns – nicht meine kluge Tante, nicht der in puncto Lebensweisheiten so bewanderte Fernsehsprecher und am allerwenigsten ich selbst – vorhersehen konnte.

 

Das Kayama-Kaikan-Gebäude wurde vor zwanzig Jahren hochgezogen, als Japan sich in der Zeit seines größten wirtschaftlichen Aufschwungs befand. Der asymmetrische Glasturm symbolisierte Innovation, Wohlstand und Macht, jene Eigenschaften, die der Kayama-Familie von Anfang an in ihrer Vermittlung der Ikebana-Kunst zum Erfolg verholfen hatten. Von Tante Norie wußte ich, daß diese Grundbesitzerfamilie die Schule in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gegründet hatte. Damals wandte sich der zweitälteste Sohn der Familie von seiner Ausbildung zum buddhistischen Mönch ab, beschloß aber, anderen sein Wissen über das stilgerechte Arrangement von Blumen zu vermitteln, das er selbst von seinen Lehrern im Tempel erhalten hatte. Die Schülerinnen des ersten iemoto oder Lehrers waren die gesellschaftlich ambitionierten Ehefrauen aus Japans wachsender Händlerschicht – ähnlich wie die heutigen Schülerinnen waren fast alle mit einem salaryman, heute würde man das Wort mit »höherer Büroangestellter« übersetzen, verheiratet. Die Kayama-Schule sowie viele andere Ikebana-Schulen florierten auch im zwanzigsten Jahrhundert, aber nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nur noch wenige japanische Frauen, die sowohl das Geld als auch die Muße besaßen, ihre Ikebana-Studien fortzusetzen. Da der iemoto die Schule nicht schließen wollte, lud er die Frau eines amerikanischen Generals ein, sich seine Arbeiten anzusehen, und sobald sie sich bei ihm eingeschrieben hatte, folgten viele andere Offiziersfrauen. Die Philosophie der Kayama-Schule wurde durch die neuen Schülerinnen und durch ihren weltläufigen Leiter avantgardistischer und internationaler. Ende der sechziger Jahre, also ein ganzes Jahrhundert nach Eröffnung der Schule, machte das niedrige Gebäude, in dem noch meine Tante ausgebildet worden war, einem Mehrstöcker Platz, der schließlich dem glänzenden neuen Glasturm weichen mußte.

Als ich durch die riesigen Glastüren trat, fiel mein Blick auf das Wahrzeichen der Kayama-Schule, eine Skulptur aus schartigen Sandsteinblöcken. Es wäre interessant gewesen, mir die Blumengestecke in dem Steingarten genauer anzusehen, aber dazu hatte ich keine Zeit. Also trat ich in den großen Aufzug mit den Spiegelwänden und dem glänzenden Granitboden und fuhr in den Kursraum im dritten Stock hinauf.

Vor dem Raum standen hohe Behälter mit allen möglichen Blumen und Zweigen. Von meinem vorhergehenden Kurs wußte ich, daß jeder Schüler sich daraus Material auswählen konnte – Zweige, die dem Arrangement eine Grundstruktur verliehen, und kleinere, dekorative Blumen, die den Akzent setzten. An jenem Tag nahm ich die letzten noch verbliebenen Kirschzweige sowie ein paar weiße Astern und schlüpfte ins Zimmer, wo ein Dutzend Frauen an den beiden langen Tischen arbeitete. Tante Norie schnitt gerade mit ihrer besten Freundin Eriko an einem Tisch gleich beim Lehrerpult Loganbeerenzweige. Norie und Eriko hätten Zwillinge sein können: Beide waren sie schlanke Hausfrauen Anfang Fünfzig, die höchstens wie fünfunddreißig aussahen. Sie trugen einen Pagenschnitt und ganz ähnliche Gabardinehosen, dazu Seidenblusen mit hochgekrempelten Ärmeln, so daß man ihre haarlosen Unterarme sah. Wieso die beiden es für nötig hielten, sich die Unterarme zu rasieren und zum Ikebana-Kurs Seidenblusen zu tragen, war mir ein Rätsel. Ich hatte einen kurzärmeligen gestreiften Baumwollpullover und eine ausgestellte Jeans an, die ich in einer Teenager-Boutique im Harajuku-Viertel gekauft hatte. Wahrscheinlich hielt meine Tante diese Jeans, obwohl sie tiefschwarz war, nicht für ein jungen Damen angemessenes Kleidungsstück.

»Ach, da kommt Rei-san ja endlich!« flötete Eriko, die mich lange genug kannte, um mich mit dem Vornamen anzusprechen.

Tante Norie legte ihre Ikebana-Schere mit den scharfen, furchterregenden Klingen beiseite und musterte mich von oben bis unten. »Hast du die richtige U-Bahn-Station verpaßt?«

»Nein. Ich war bloß zu spät dran. Entschuldigung«, sagte ich und ließ mich auf dem Hocker neben ihr nieder.

»Deine Haare sehen hübsch aus. Aber diese riesigen, häßlichen Schuhe!« Norie zuckte beim Anblick meiner Laufschuhe angewidert zusammen. Ich hatte ihr einmal erklärt, daß modebewußte Teenager Asics wie die meinen nicht nur zu Jeans, sondern sogar zu Kleidern trugen, aber sie hatte geantwortet, eine achtundzwanzig-jährige Antiquitätenhändlerin könne es sich nicht leisten, wie eine Achtzehnjährige herumzulaufen.

»Wenn ich die Schuhe nicht angehabt hätte, wäre ich noch später gekommen. Nur mit denen kann ich rennen«, wehrte ich mich.

»Du hast noch nichts versäumt«, versuchte Eriko, die Wogen zu glätten. »Es ist genug Zeit, ein Gesteck fertigzubringen, bevor Sakura-san die Stunde beginnt. Nimm dir wie letztes Mal einen Behälter vom Regal.«

Zu Hause hätte ich die drei Kirschzweige innerhalb weniger Minuten arrangiert. Aber hier in der Schule war ich nervös, und die Zweige wollten einfach nicht so halten, wie ich mir das vorstellte. In der schmalen Tonvase, die ich von dem Regal genommen hatte, kippten sie immer wieder, statt anmutig und gerade stehenzubleiben wie die von Tante Norie und Eriko. War ich denn die einzige, die es nicht konnte? Ich sah zum Nachbartisch hinüber.

Lila Braithwaite, eine großgewachsene Kanadierin, die der Vereinigung ausländischer Studenten vorstand, hatte ihre Kirschzweige ausgesprochen professionell zusammen mit Azaleen arrangiert. Ihre Freundin Nadine St. Giles, eine Französin, hatte die gleichen Materialien gewählt, verwendete sie aber nicht so geschickt wie Lila. Am schönsten fand ich das Werk von Mari Kumamori. Mari arbeitete mit Heidekraut. Die blaßvioletten Blüten kontrastierten auf raffinierte Weise mit der...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2017
Reihe/Serie Ein Fall für Rei Shimura
Ein Fall für Rei Shimura
Übersetzer Sonja Hauser
Sprache deutsch
Original-Titel The Flower Master
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Blumen • Blumenkunst • Bücher • Cosy Crime • Ikebana • Japan • Japan Roman • junge Heldin • Kirschblüte • Krimireihe • Mystery Award • Rei Shimura • spannend • Starke Frau • Tokio • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-492-98346-4 / 3492983464
ISBN-13 978-3-492-98346-4 / 9783492983464
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