Burg der Schatten -  Alfred Bekker

Burg der Schatten (eBook)

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2023 | 1. Auflage
60 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-1194-7 (ISBN)
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Irland Anno 1423 Ein Land des Todes, dachte der einsame Reiter. Eine Art Wüste, die nicht durch das Klima geschaffen zu sein scheint, sondern... Corcoran zügelte sein Pferd. Der Weg zur Küste führte hier her. Und dorthin wollte er. Eine Aura unvorstellbaren Alters schien über dem kargen, steinigen Land zu liegen, das sich von Horizont zu Horizont erstreckte. In jener Herberge, in der Murphy die letzte Nacht verbracht hatte, hatte man ihn eindringlich davor gewarnt, hier her zu reiten.

Er machte sein Pferd irgendwo fest und ließ sich dann von dem alten Diener in die düster wirkenden Burggemäuer führen.

Alles schien staubig und sehr alt zu sein, so als wären schon seit Generationen keine Menschen mehr hiergewesen.

Es ging steile Wendeltreppen hinauf und schließlich erreichten sie einen großen Festsaal, in dem eine lange Tafel stand.

Ein Ort, der dich an Tod und Verfall gemahnt, dachte Corcoran. Warum nur? Was ist hier geschehen? Welcher Pesthauch hat hier gewütet? Oder ist dieser Eindruck nichts als eine Vorspiegelung meiner eigenen Seele?

Corcoran ließ den Blick schweifen.

Am Ende der Tafel saß ein einziger Mann.

Er war höchstens halb so alt wie der Diener. Ein schwarzer Bart umrahmte sein leichenblasses Gesicht, das irgendwie krank wirkte.

Als Corcoran von dem Diener hereingeführt wurde, blickte er auf und sah den Fremden mit blassblauen Augen nachdenklich an.

Corcoran stellte sich vor und sagte ihm auch, dass er gerne die Nacht über in der Burg bleiben würde.

"Das Wetter scheint umzuschlagen", meinte er. "Da ist es nicht schlecht ein Dach über dem Kopf zu haben!"

"Ihr sagt es, fremder Herr!"

"Um so dankbarer bin ich Euch!"

Jener Mann, der offensichtlich der Burgherr war, erhob sich und nickte. Dann kam er herangetreten und reichte Corcoran die Hand.

"Willkommen auf Burg Kavan!", sagte er. "Und ich bin Lord Rory von Kavan, der Herr dieser Burg!" Er atmete tief durch, während er noch immer seine Hand hielt. Die seine fühlte sich kalt an, fast wie eines Toten und so zuckte Corcoran im ersten Moment unwillkürlich zurück.

Eine Totenhand!, dachte Corcoran.Und wie pergamentartig ist die Haut dieses Mannes... Wie die Haut eines vollkommen ausgetrockneten Leichnams, der in Wachs konserviert wurde!

Er schien Corcorans Unbehagen zu bemerken und lächelte verlegen.

Dann leckte er mit der Zunge über seine dünnen, blutleeren Lippen und sagte: "Dies ist ein kaltes Land, Corcoran , viel kälter, als der Rest von Connacht! Und wie es scheint, färbt die Kälte auf die Bewohner ein wenig ab! Aber das ist für Euch kein Grund zu erschrecken!"

"Ich erschrecke nicht!", gab Corcoran unrichtigerweise zurück. Es war eine Lüge.

"Dann wärt Ihr der erste, der Burg Kavan betritt und nicht erschreckt!", gab der Burgherr Corcoran zurück und auf einmal blitzte es in Lord Rorys Augen.

Und die Art und Weise, wie Rory von Kavan den einsamen Reiter musterte, gefiel diesem nicht.

Corcoran hatte in diesem Augenblick keine Erklärung dafür, er fühlte nur ein dumpfes Unbehagen, so dass er sich instinktiv an dem Griff des kurzen Schwertes festhielt, das er an der Seite trug.

"Ihr habt sicher noch nichts gegessen!", stellte Lord Rory fest und Corcoran nickte.

"Das ist richtig", sagte Corcoran. "Ich kam durch ein fast unbewohntes Land, in dem ich mir nicht einmal einen Hasen hätte erjagen können..."

"Wem sagt Ihr das!"

"Nie zuvor reiste durch eine derartige Ödnis..."

"Ich verstehe durchaus, was Ihr meint, Corcoran!"

"...und ich frage mich, wie es Euch und Eurem Gesinde überhaupt möglich ist, in dieser Umgebung zu überleben!"

Lord Rory lächelte matt. "Wer behauptet denn, dass es leicht wäre..."

Corcoran rieb die Hände gegeneinander. Eine eigenartige  Kälte hatte ihn erfasst, war bis ihm bis ins Mark gedrungen und hatte ihn erbärmlich frösteln lassen. Eine Art von Kälte, von der Corcoran zu ahnen begann, dass weder Kleidung noch Kaminfeuer dagegen zu helfen vermochten. An was für einen schrecklichen Ort bin ich hier nur gelangt!, ging es ihm durch den Kopf. Grauenhaft...

Lord Rory wandte sich an den alten Diener.

"Padric! Du könntest in unseren Vorräten nachschauen und unserem Gast ein Mal bereiten!"

Padric hob die Augenbrauen. Von einen Moment zum anderen schien wieder ein Hauch von Leben in den ansonsten fast wie zur Salzsäule erstarrten Padric gefahren zu ein.

"Jawohl, Milord."

"Dann beeil dich!", forderte Lord Rory. "Schnell!"

"Ich werde mein Bestes tun!", versicherte der Diener.

Und damit verschwand der alte Mann durch die Tür.

Rory kam auf Corcoran zu und dieser fragte ihn: "Mir scheint, Ihr würdet über eine einzige Ödnis herrschen, Sire!"

Er machte ein ernstes Gesicht.

Als er noch einen weiteren Schritt vortrat, fiel das Licht, das durch das Fenster hereinkam, auf sein Antlitz und man sah seine ungesunde, blasse Haut.

Sie schien geradezu etwas Pergamentartiges an sich zu haben und erinnerte Corcoran unwillkürlich an die Haut eines aufgebahrten Toten, der schon einige Zeit auf seine Bestattung wartete...

Rory schien Corcorans Gedanken irgendwie zu erraten und verzog seine dünnen, blutleeren Lippen zu einem verlegenen Lächeln.

"Hat man Euch nicht gewarnt, hier her zu reiten? Hat man euch nicht gesagt, was mit diesem Land los ist, Corcoran?"

"Man hat mich gewarnt, Sire!"

"Was hat man euch gesagt?"

"Nur dummes Geschwätz, wie man es oft von Leuten hört, die über die Grenzen ihres Dorfes nie hinausgekommen sind. Von einem Fluch war die Rede..."

"Und sonst noch?"

"Nur Unbestimmtes, nichts, was greifbar wäre!"

"Ist ein Fluch denn nichts Greifbares, werter Corcoran?"

Corcoran sah ihn an und wusste im ersten Moment nichts zu sagen.

Ja, hinter den Schauergeschichten, die er gehört hatte, mußte etwas Greifbares stecken...

Zumindest konnte das Leben aus diesem Land nicht ohne Grund verschwunden sein...

"Ich sehe, daß dies ein Land des Todes ist, Sire!", sagte Corcoran schaudernd.

"Und dennoch bleibt ihr hier, auf Burg Kavan..."

"Mein Weg führte mich hier her. Ich will nach Norden, zum Kloster von Saint Dermot."

"So seid Ihr ein Pilger!"

"Man kann es so auffassen!", erwiderte Corcoran, der keinerlei Anlass verspürte, seinem Gegenüber die Beweggründe, die ihn zu seiner Reise motiviert hatten, näher auseinanderzusetzen. "Jedenfalls hatte ich keine Lust, wegen ein paar Geschichten einen weiten Umweg zu reiten..."

"Was ein Umweg ist und was nicht, erweist sich oft erst sehr viel später, Corcoran."

"Da mögt Ihr allerdings recht haben."

Rory von Kavan wandte sich zum Fenster und blickte hinaus auf den Burghof.

Dann sagte er plötzlich: "Es scheint tatsächlich ein Fluch über diesem Land zu liegen." Er flüsterte fast. "Aber seid versichert, Corcoran: Hier, auf Burg Kavan seid Ihr sicher!"

"Sicher -—wovor?"

"Ach, nichts... Ich redete nur so vor mich hin..."

Er brach ab, blickte an Corcoran vorbei.

Eine Tür öffnete sich in  diesem Moment und die Gestalt einer jungen Frau trat ein. Ihre Züge waren feingeschnitten, ihr Haar kunstvoll aufgesteckt, ihre Bewegungen waren grazil und federnd.

Aber sie war ebenso bleich wie Lord Rory von Kavan und sein gebrechlicher Diener.

Corcoran musterte sie und bemerkte dann, wie Rory vom Fenster herumwirbelte. Und Corcoran sah auch das, was im ersten Moment in Rorys seinem Gesicht geschrieben stand, als er die junge, bleiche Frau erblickte.

Erschrecken!

Dann erst begann sich das Gesicht des Burgherrn zu entspannen. Er kam von Fenster heran, stellte sich neben die junge Frau und stellte ihr den fremden Wanderer vor.

"Dies ist Corcoran, ein junger Reisender, der in den Norden, zum Kloster Saint Dermot unterwegs ist!"

Sie trat auf Corcoran zu und reichte ihm ihre zarte Hand, die ihm unmenschlich kalt erschien...

"Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Corcoran! Ihr müßt nämlich wissen, daß wir kaum Besuch bekommen"

"Die Freude ist ganz, meinerseits!"

"Ich bin Lady Ewia - die Tochter Lord Kavans! Und so sehr ich mich freue, Euch zu sehen, so sehr muß ich Euch warnen!"

"Ewia!" mischte sich nun Lord Rory ein. Aber seine Tochter ignorierte ihn geflissentlich und hielt den Blick auf Corcoran gerichtet.

Ihre Augen waren das einzige an ihr, was ein wenig Wärme auszustrahlen in der Lage war.

Das einzig Warme, in dieser kalten Burg und dem öden Land, von dem dieser Herrensitz umgeben wurde.

Aber Corcoran sah auch Besorgnis in ihrem Gesicht.

Er hob die Augenbrauen.

"Warnen?", fragte er. "Wovor?"

"Vor dem Fluch, der auf diesem Land liegt, Corcoran! Vor den Kreaturen der Nacht..."

"Ewia! Dieser Mann ist unser Gast! Er wird die Nacht über hier bleiben!", mischte sich Lord Kavan erneut ein.

Aber Ewia ließ sich nicht davon abbringen, zu sagen, was ihrer Meinung nach gesagt werden musste.

"Reitet, solange ihr noch könnt, Corcoran!"

"Ich dachte, dass eine Herberge..."

Ewia unterbrach ihn.

"Verzichtet auf die Herberge und flieht! Ich beschwöre Euch, Corcoran! Um Eurer Seele willen!"

"Ich fürchte, ich verstehe nicht so recht", gab er zu. "Was sind jene Kreaturen der Nacht, von denen Ihr gesprochen habt, Lady Ewia?"

Lady Ewia schluckte.

Es schien Corcoran, als würde eine schreckliche Qual an ihr nagen. Ein Kampf schien in ihrem Inneren zu toben und sie zu zerreißen drohen.

Ihre Brust hob und senkte sich langsam, als sie tief durch atmete und dann den Kopf...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7389-1194-4 / 3738911944
ISBN-13 978-3-7389-1194-7 / 9783738911947
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