Die Tochter des Samurai (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
336 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98348-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tochter des Samurai -  Sujata Massey
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Die attraktive Kunstexpertin und erprobte Hobbydetektivin Rei Shimura verbringt mit ihrem Freund Hugh Weihnachten bei ihren Eltern in San Francisco. Hugh bereitet gerade eine Sammelklage gegen japanische Großunternehmen vor, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter aus den asiatischen Nachbarstaaten einsetzten. Rei nutzt die Zeit, um in ihrer eigenen Familiengeschichte zu forschen, und stößt dabei auf eine alte Schriftrolle mit äußerst brisantem Inhalt, die einst Kaiser Hirohito an ihren Urgroßvater schrieb. Als auch noch eine Mandantin von Hugh stirbt, scheinen die beiden Fälle mehr miteinander zu tun zu haben, als Rei glauben kann ...

Sujata Massey, geboren 1964 als Tochter einer Deutschen und eines Inders in Sussex, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in den USA und lebte dann mehrere Jahre in Hayama, Japan. Ihr Krimi-Debüt »Die Tote im Badehaus« wurde mit dem renommierten Agatha-Award ausgezeichnet. Dem folgten weitere Romane mit Rei Shimura: »Zuflucht im Teehaus«, »Bittere Mandelblüten«, »Tödliche Manga«, »Der Brautkimono«, »Die Tochter des Samurai«, »Japanische Perlen«, »Der japanische Liebhaber« und »Der Tote im Sumida«. Zuletzt erschien »Brennender Hibiskus«, ihr zehnter Rei Shimura-Krimi. Sujata Massey lebt in Baltimore und kehrt so oft wie möglich nach Japan zurück.

1


»Viel zu salzig. Wahrscheinlich hat der Koch dashi-Instantpulver genommen.«

Ich legte die Essstäbchen weg, mit denen ich einen glitschigen Tofuwürfel aus der missglückten Misosuppe geholt hatte. Die asiatisch anmutende Kellnerin verstand offenbar kein Japanisch und ging mit einem Lächeln an uns vorbei. Nun, wir waren in San Francisco, und da gab es allerlei Rassen, deren Vertreter oft nur Englisch sprachen.

»Ich finde die Suppe wirklich schmackhaft«, widersprach mein Vater Toshiro Shimura und strich sich mit der Hand durch das grau melierte, ein wenig zerzauste Haar, das gut zu seinem Psychiaterberuf passte, aber sehr merkwürdig aussah an einem gebürtigen Japaner über fünfzig. »Reichan, weißt du eigentlich, wie schwierig es hier ist, original japanische Zutaten zu bekommen? Außerdem verwenden heutzutage angeblich sogar in Japan viele Köche Instantpulver.«

»Nicht die guten. Ich mahle den Bonitofisch.«

Voller Sehnsucht dachte ich an den Trockenfisch, der in einer Holzbox in meiner winzigen Küche in North Tokyo auf mich wartete. »Das lohnt sich, weil die Suppe dann wie frisch aus dem Meer schmeckt. Aber egal. Worüber sprachen wir gerade, Dad? Über die Gebote des Budhismus, nach denen dein Großvater zu leben versuchte und die er in schriftlicher Form sogar an der Wand hängen hatte.«

»Ja, eine Schriftrolle mit Kalligrafie. Ich glaube, die stammte ursprünglich aus einem Kloster und befand sich in dem Büro, in dem er arbeitete. Leider weiß ich nicht, wo sie jetzt ist.«

»Erinnerst du dich noch daran, was darauf stand?«

»Die buddhistischen Gebote. Die kennst du doch, oder?«

»Einige, aber nicht alle. Du hast mich nicht in buddhistischem Glauben erzogen.«

»Du hast einen Kurs über östliche Religionen in Berkeley besucht.«

»Das ist lange her, Dad. Ich erinnere mich nur noch an die ersten drei Gebote: Man soll nicht töten, nicht stehlen und nicht lügen …«

»Ja, allerdings gelten in Japan gewisse Lügen seit jeher als lässlich, wenn sie aus Mitleid ausgesprochen werden oder einem höheren Zweck dienen.«

»Gut«, sagte ich. »Was sonst noch?«

»Es gibt auch ein Gebot gegen den Missbrauch von Sex, also Vergewaltigung, außerehelicher Geschlechtsverkehr und …«

»Aha. Und weiter?« Bei meinem ersten Heimatbesuch in San Francisco seit zwei Jahren wollte ich mich nicht mit solch intimen Themen auseinandersetzen.

»Ich glaube, das fünfte besagt, dass man selbst keine berauschenden Mittel nehmen und sie auch niemandem zugänglich machen soll.«

»Mönche trinken doch die ganze Zeit Sake«, widersprach ich.

»Nun, Sake ist nicht gänzlich verboten – nur in den Mengen, die zu Berauschung führen. Mein Großvater trank immer einen kleinen Becher zum Essen.«

»Würdest du sagen, dass Laien diese Gebote im Allgemeinen lockerer interpretieren als Mönche? Wenn das erste Gebot das Töten verbietet, dürfte man ja auch kein Fleisch essen.«

»Dacht ichʼs mir doch, dass meine Vegetariertochter sich darauf stürzt!«, sagte mein Vater lachend. »Die Antwort ist simpel: Tiere in Notwehr oder zum Verzehr zu töten ist erlaubt, aber nicht zum Spaß.«

»Ich weiß nicht, ob ich das gut finde. Für mich ist der eine Tod so gut oder schlecht wie der andere. Doch immerhin verschafft das Gebot interessante Einblicke in die japanische Psyche.«

»In die Psyche der Buddhisten«, berichtigte mein Vater mich. »Wie du weißt, liegen die Wurzeln des Buddhismus in Indien, aber die Gebote gelten für seine Anhänger auf der ganzen Welt.«

Ich legte mein Notizbuch weg, um mich über die Nudeln herzumachen, die mir in der San-Francisco-Version vermutlich wie die Misosuppe nicht so gut schmecken würden wie in Tokio.

San Francisco galt als Traum eines jeden Touristen, mir jedoch war meine Wahlheimat Tokio lieber. Natürlich gab es hier architektonische Meisterwerke, aber wie sollte man die bei den vielen Stromausfällen genießen? Der Lebensstil meiner Eltern hatte sich seit Beginn der kalifornischen Energiekrise drastisch verändert – ihr riesiges Haus im viktorianischen Stil war abends nicht mehr hell erleuchtet, nicht einmal jetzt zur Weihnachtszeit. Früher hatte meine Mutter immer in allen sechzig Fenstern elektrische Kerzen aufgestellt.

Tokio kannte solche Probleme noch nicht. Außerdem fiel es mir dort leicht, spartanisch zu leben und mich an einfachen Dingen zu erfreuen, zum Beispiel an den mit Figuren von Glücksfüchsen geschmückten Miniatur-Shinto-Schreinen oder den Persimonenbäumen entlang den hässlichen Bahngleisen. Und dann waren da die Japaner selbst, die älteren, die in den kleinen Parks der Stadt gelassen ihre Tai-Chi-Übungen machten, die Schulkinder, die heute noch die gleiche Uniform trugen wie in den Zwanzigerjahren, und Onkel Hiroshi, der Bruder meines Vaters, Tante Norie und mein Vetter Tom, mit denen ich den Jahreswechsel feiern wollte. Die Aussicht, ihn mit meinen Eltern und Manami Okada in einem Acht-Zimmer-Haus zu verbringen, deprimierte mich eher.

Manami war dreißig – also ein Jahr älter als ich –, Nachwuchspathologin aus Kobe und wohnte seit einem Monat bei meinen Eltern, weil ein Verwaltungsangestellter der University of California in San Francisco voller Verzweiflung meinen Vater um Hilfe gebeten hatte. Als ein bis dahin von der Familie behütetes Mädchen erachtete Manami ihre Unterbringung in San Francisco als nicht angemessen, denn eine ihrer Mitbewohnerinnen war lesbisch, und die andere hatte eine ausgeprägte Vorliebe für Kuchen. Meine Eltern hatten sich ihrer erbarmt und ihr für eine symbolische Monatsmiete von einhundert Dollar eins der Zimmer im zweiten Stock überlassen – etwa ein Achtel von Manamis bisheriger Miete für das Zimmer in der Wohngemeinschaft.

Da ich persönlich weder etwas gegen Homosexuelle noch gegen Kuchensüchtige hatte, war ich Manami eine Woche zuvor mit Skepsis begegnet, aber angenehm überrascht gewesen. Sie wirkte ruhig, höflich und fleißig, besaß also alle jene Eigenschaften einer japanischen Tochter, an denen es mir mangelte.

Sie absolvierte gerade das erste Jahr ihrer Assistenzzeit, was bedeutete, dass sie tagsüber nicht da war und oft bis spät in die Nacht hinein arbeitete. Wenn sie sich tatsächlich einmal im Haus aufhielt, leistete sie uns bei den Mahlzeiten Gesellschaft, zog sich dann aber in ihr Zimmer zurück, das sich neben einem großen Raum mit Kisten und Koffern voller Erinnerungsstücke an jenes Leben befand, das mein Vater in Japan geführt hatte. Als ich mir diese Dinge eines Abends genauer ansah, hörte ich von nebenan ein merkwürdig platschendes Geräusch. Erst nach einer Weile wurde mir klar, dass Manami versuchte, auf traditionelle japanische Weise zu baden, und sich eimerweise mit Wasser übergoss, statt einfach zu duschen.

»Woran denkst du gerade?«, erkundigte sich mein Vater nun.

»An Manami. Ob sie bei uns glücklicher ist als bei ihren früheren Mitbewohnerinnen?«

»Frag sie doch einfach!«

Ich schüttelte den Kopf. »So direkt will ich nicht sein. Vielleicht bitte ich sie einfach, mir mit ein paar Ideen zu meinem historischen Projekt zu helfen. Sie ist so altmodisch … Vielleicht benutzt sie zu Hause in Kobe noch traditionelle Gegenstände.«

Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit dem Erwerb und Verkauf japanischer Antiquitäten sowie mit Artikeln und Vorträgen über dieses Thema. Da mein letzter Auftrag in Washington, D. C., mir genug Geld für die Miete meiner winzigen Wohnung in einem eindeutig unangesagten Viertel von North Tokyo eingebracht hatte, gönnte ich mir gerade eine Auszeit von meiner eigentlichen Arbeit, um mich mit meiner Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Ich hoffte, mehr über die Lebensweise der Shimuras vor der einschneidenden Modernisierung der Sechzigerjahre zu erfahren. Es interessierte mich, inwieweit zum Beispiel buddhistische Gebote im Alltag befolgt worden waren, welche Gegenstände meine Großmutter im Haushalt verwendet und wie früher die Quiltmuster oder die Anlage des Kameliengartens um das alte Haus der Familie in West Tokyo ausgesehen hatten.

»Entschuldige mich kurz!« Mein Vater riss mich aus meinen Gedanken und zog den Handypiepser vom Gürtel. In den Jahren meiner Abwesenheit hatte er sich zu einem Technikfreak entwickelt; leider vergaß er jedoch häufig, den Akku seines Mobiltelefons aufzuladen. »Deine Mutter, wie nicht anders zu erwarten.«

»Ich wette, du sollst ihr was aus der Stadt mitbringen.« Soweit ich mich erinnerte, brauchte sie Kerzen. Dieses Jahr hatte sie das Haus besonders üppig für Weihnachten geschmückt, weil sie und mein Vater am 26. Dezember eine Party für die Mitglieder der ALL geben wollten, der Asian Language League, also des asiatischen Sprachklubs.

Mein Vater gab unsere Nummer ein. Er hatte ähnlich goldfarbene Finger wie ich. Viele Kinder aus Verbindungen zwischen Japanern und Westlern haben helle Haut, doch ich besaß den gleichen Teint wie mein Vater, Onkel Hiroshi und Vetter Tom. Meine Haare waren allerdings eher schwarzbraun als richtig schwarz, und auch meine Nase wirkte nicht richtig japanisch. In den Vereinigten Staaten wurde ich oft für eine Ausländerin gehalten; in Japan ging ich als Japanerin durch, bis die Leute merkten, dass ich nicht lesen konnte.

Mein Vater begrüßte meine Mutter und lauschte eine Weile, bevor er fragte: »Wie schnell? Und sie weiß es noch nicht?« Mein Vater hörte stumm zu, schüttelte den Kopf und reichte mir das Handy. »Hier....

Erscheint lt. Verlag 3.7.2017
Reihe/Serie Ein Fall für Rei Shimura
Übersetzer Sonja Hauser
Sprache deutsch
Original-Titel The Samurai's Daughter
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cosy Crime • Detektivin • Familiengeheimnis • Japan • Japan Roman • junge Heldin • Krimi Reihe • Mystery Award • Rei Shimura • San Francisco • spannend • Spannung für Frauen • Starke Frau • Trostfrauen • weibliche Ermittlerin • Zwangsarbeit • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-492-98348-0 / 3492983480
ISBN-13 978-3-492-98348-8 / 9783492983488
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