Jean Paul: Satiren & Humor mit Biss (eBook)

Grönländische Prozesse, Auswahl aus des Teufels Papieren, Palingenesien, Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen, Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

(Autor)

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2017 | 2. Auflage
1080 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-7745-5 (ISBN)

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Jean Paul: Satiren & Humor mit Biss -  Jean Paul
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Jean Paul spielte ständig mit einer Vielzahl witziger und skurriler Einfälle; seine Werke sind geprägt von wilder Metaphorik sowie abschweifenden, teilweise labyrinthischen Handlungen. In ihnen mischte Jean Paul Reflexionen mit poetologischen Kommentaren; neben geistreicher Ironie stehen unvermittelt bittere Satire und milder Humor, neben nüchternem Realismus finden sich verklärende, oft ironisch gebrochene Idyllen, auch Gesellschaftskritik und politische Stellungnahmen sind enthalten. Inhalt: Grönländische Prozesse Auswahl aus des Teufels Papieren Palingenesien Die Doppelheerschau in Großlausau und in Kauzen nebst Feldzügen Mein Aufenthalt in der Nepomukskirche während der Belagerung der Reichsfestung Ziebingen Biographische Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Über die Theologen



Ein Brief

Theuerster Herr Konfrater!

Ihr Stilschweigen hat so lange gedauert als meines, aber Sie werden das Ihrige nicht so gut entschuldigen können. So viel zu thun, wie ich, haben Sie wenigstens nicht gehabt! Denn lesen Sie nur. Sie kennen den berühmten Freigeist in meiner Diözes, dessen Schriften die ganze Welt kent. Er ist tod – aber er starb besser als er lebte. Es wiederfuhr ihm nämlich das Schiksal verschiedener grosser Männer, deren Leben ihr Tod beschämte. Diese Lichter der Welt gleichen unsern gewöhnlichen Talglichtern, die, wenn blos ihre Flamme verlöschen, fortglimmen und stinken.10 – Ein hiziges Fieber fras so alle Kräfte meines Freigeistes auf, siegte so über seinen Verstand, lähmte so seinen Muth und widerlegte so seine Grundsäze, daß ich ihn nach einem eifrigen Gebete vermittelst heisser Buspredigten und vermittelst des Arguments a tuto von acht bis zehn Geheimnissen überzeugte. Und schon hatte zu den übrigen eine schädliche Aderlas ihn vorbereitet, und ich brauchte an sein Heil nur noch die lezte Hand zu legen, als der Tod meiner Bekehrung das ganze Spiel verdarb, und die Schere der Parzen mit seinem Leben zugleich meinen Sorites zerschnit. Freuen Sie sich der Macht der Orthodoxie. Zwar war sein Körper seinem Geiste gewachsen, und seine Krankheit allein sorgte für den Beweis meiner Säze; zwar vereinigte sich sein heisses Blut mit seinen schwachen Nerven und sein Kopf mit seinem Magen, die Sele dem Rachen des Teufels zu entreissen, und die Phantasie erwärmte den erstarten Aberglauben der Kindheit zur Besiegung der Vernunft – allein dies alles verdunkelt den Triumph meiner Dogmatik nicht im geringsten. Denn es ist ein grosser Beweis für die Wahrheit des Christenthums, wenn der, der Verstand besizt, dasselbe annimt, so bald er ihn verliert, und ohne übernatürlichen Einflus ist es unmöglich, eine kranke Sele in einem kranken Körper zu heilen. Für vier Wände schimmert also mein Sieg zu prächtig; darum beschreib' ich ihn in einem Buche, das ich zum Besten der Christenheit für ein ansehnliches Honorarium drukken lassen wil. Denn dem gewissen Spotte aller Klugen opfere ich die wahrscheinliche Erbauung etlicher Schwachen nicht auf. In diesem Buche nun versichere ich die Welt, daß ich durch eine Menge Disputazionen über die natürliche Theologie meinen Freigeist zum Christenthum vorbereitet, dessen Geheimnisse er alle vor seinem Tode, versichere ich, im Glauben angenommen. Hiezu habe ich mir von dem hiesigen Bücherverleiher etliche Bücher entlehnet, um daraus die Beweise für die Wahrheit des Christenthums abzuschreiben, mit denen ich meinen kranken Proselyten bekehret. Zu diesen fremden Beweisen füg' ich einen eignen unwiderlegbaren hinzu, der mir neulich im geheimen Gemach beigefallen, und dessen Kraft auf Gedankenstrichen, Exklamazionen und Fragezeichen beruht. Mein Gefühl nämlich widerlegt die Vernunft der Freigeister d. h. mein Unterleib und meine Säfte entwafnen den Kopf der Ungläubigen. Und ein ganzer Rumpf mus doch wohl einen Kopf überwiegen? Wie denn überhaupt mein Blut und meine Nerven dem Satan noch manchen Abbruch thun werden. Ja selbst mein künftiges Fet sol für die Erleuchtung der Heterodoxen schmelzen – diesem Versprechen verdank' ich auch mein fetmachendes Amt. – Ich werde dem gedachten Buche auch allerhand Gebete für Verstokte einverleiben, an deren Dasein mein Herz aber wenig Antheil hat. Denn wie die Katholiken Rosenkränze aus Ochsenhörnern fabriziren, eben so müssen Protestanten die Gebete blos aus ihrem Kopfe herausspinnen. Endlich werd' ich allem diesen noch die Widerlegung eines Buchs meines Helden beifügen, das schon neulich von einem Schok Programmen gründlich widerlegt worden. Um meinen Lesern, die ienes Buch nicht haben, die Kosten des Ankaufs und denen, die es haben, die Mühe des Nachschlagens zu ersparen, werd' ich meiner Widerlegung gegen über, alle Einwürfe meines Gegners noch einmal abdrukken lassen. Übrigens enthält ia auch die östliche Seite von der Wurzel des Eselsgallenbaums den Gift, gegen den die westliche Seite seiner Wurzel mit ihrem Gegengift verwahrt. – Ich werde noch etwas drukken lassen. Auf die Nachricht nämlich, daß iemand aus der Bibel eine Quintessenz von lehrreichen Fragezeichen distilliret habe,11 habe ich eben dasselbe mit den Ausruffungszeichen versucht, worauf die Samlung biblischer Kommate und Punkte folgen sol. Wiewohl das beständige Nachschlagen in der lutherischen Übersezung, meine Finger viel Nachdenken und vielen Fleis gekostet, so belohnet mich doch dafür die Hofnung, alle Gegner der Religion dadurch entwafnet zu haben. Daher ich diesem Auszuge noch überdies Anmerkungen beigefügt, die mehrentheils unwiderlegbare Fragzeichen, rührende Exklamazionen, und nüzliche Gedankenstriche über die exzerpirten Bibelsprüche enthalten. – In der Vorrede sag' ich allen Heterodoxen ins Gesicht, daß sie Zahnärzte sind, die der runzlichten Theologie die hohlen Zähne ausreissen, und ihr durch diese Operazion den üblen Athem rauben, an dem sich tausend exegetische Nasen weiden; ia ich werf' ihnen ihre Unart vor, die Sprache der Bibel in die heutige zu kleiden und so auszulegen, daß man es versteht – stat daß bessere Exegeten, wie die Elephanten, nie das Wasser trinken ohne es zu trüben. Auch thue ich darin einen kleinen Seufzer über mein Unvermögen, nicht die Nacht wie Jupiter bei der Alkmene verlängern zu können. – Aber genug von meinen Büchern, und nun etwas von meinen Kollegen!

Diese Mitarbeiter am christlichen Weinberge, die insgesamt das Bier lieben, versamlen sich von Zeit zu Zeit in die Wohnung unsers Hern Superintendenten, wo sie sich über das Beste der Kirche immer berathschlagen, und selten zanken und oft betrinken. Wie ersprieslich dieses Institut für das Beste der Kirche ausfalle, mögen Sie daraus urteilen! Jeder Pastor scharret sich ein Häufgen kasuistischer Zweifel zusammen, an denen sich unser gemeinschaftliche Scharfsin übt. Zwar entstehen und leben diese Zweifel von den Ausdünstungen schaler Köpfe, allein sie küzeln auch wieder dafür die grübelnde Eitelkeit dieser Köpfe. So errichteten die alten Peruaner dem Vorsteher ieder Provinz einen Tribut von Bechern vol L-s-, die noch in andrer Rüksicht ienen Zweifeln ähnlichen. Der Herr Superintendent ferner – doch ich mus Sie erst ihn kennen lehren. Er ist das Echo der Orthodoxie, und untersucht zwar nicht, glaubt aber doch dafür; hat nicht Augen zum Sehen, sondern nur Ohren zum Hören. Einige meinen, er ziehe die Dumheit, wie andere Leute die Sontagskleider, die Woche nur einmal an; aber ich bin seiner Frömmigkeit das Geständnis schuldig, daß er unausgesezt ein treuer Freund des Nichtdenkens gewesen, welches er von seinem Vater seliger nebst alten Büchern und verschlagnen Münzen geerbet. Daher drukt er sich gewisse Meinungen tief ins Gedächtnis, um seinen Verstand fest davon zu überzeugen, und hält seine in Schweinsleder eingebundne Schilde den Pfeilen der Weisheit entgegen. Und mit einem solchen Verstande trabt er denn so in den Himmel, wie Muhammed auf seinem Esel ins Paradies. Er ist so heilig, daß er tugendhaft zu sein nicht nöthig hat; daher er auch seltner in die glänzenden als nichtglänzenden Laster der Heiden verfällt. Mit den Seufzern, der Quintessenz seiner guten Handlungen, verbindet er noch häufiges Beten, weil er sich seiner Zunge als des einzigen Glieds bewust ist, dessen Thätigkeit die wenigste Mühe und den kleinsten Verstand erfordert. Um doch auch zu arbeiten, beobachtet er den Müßiggang seiner Sele, und stelt Wetterbeobachtungen über die aufsteigenden Wolken seines Unterleibes an. Seinem Nächsten kan er höchstselten dienen, weil er immer Got dienen mus. Doch thut er demselben, um ihn zur Busse zu leiten, oft einen kleinen Schaden an, und hast ihn, weil ihn Got hassen wird. Diesen Has vergrössert nicht selten eine übernatürliche Erleuchtung, die ihm etwas gewöhnliches ist – eben so vermehrt der Strahl der Sonne die Schärfe des Eßigs. In seiner Jugend sol ihn nie die Menschenliebe verlassen haben, die die Lenden zeugen und tödten. Daher er auch gelehrigen Selenschwestern nie bessere Belehrung über wichtige Tropen in der Mystik versagte. Freilich reiften die aufgestiegnen Gedanken seiner irdischen Glieder in dem himlischen Gliede, in dem Kopfe, zu gesalbten Seufzern, wie die Dünste kothigter Örter in der Höhe zu Schnee gefrieren. Sein Bruder (vergeben Sie mir diese Fortsezung meines Schilderns, in das ich nun einmal gerathen bin) hat sich durch seine Verdienste zu einem Konsistorialrath empor geschwungen. Denn er hat nämlich mehr Kapitale als kluge Gedanken, und eben so viele Thorheiten als Schmeichler. Sein Kopf ist der Sklave seines Magens, und seine Orthodoxie nicht selten das Opfer seines Weins; er schäzet ausser seinem Kochbuch auch seine Dogmatik, und ausser seinem Koche, auch seine Kollegen, aber Unruhen seines Unterleibs erfüllen ihn mit Gleichgültigkeit gegen die Unruhen der Kirche. Zum Besten lehrbegieriger Würmer hat er sich auch eine Bibliothek angeschaft, und seine Bücher nähren weniger ihn als nachbarliche Mäuse. Ausser diesen Verdiensten sol ihn auch eine Hure mit der Würde, ein so wichtiges Glied der geistlichen Braut zu sein, gestempelt, und eine Schäferin ihm den Schafstal eröfnet haben. Darum vertheilt er auch dankbarlich Ämter und Huren in Paren. – Übrigens läst seine Zunahme an Fet und Dumheit sich nur mit der Zunahme seiner Ehre vergleichen. –

Der Herr Superintend ist also, um wieder aufs Obige zu kommen, der Vorsteher der ganzen Versamlung. Er schlichter jeden Zank durch seinen Ausspruch, der natürlicher Weise alzeit richtig ist. Seine Nase weis jeden Embryon eines Zweifels in unsern Köpfen...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Charlie Hebdo • Die Tochter des Winzers • Don Quijote • Eier nicht rum • Ephraim Kishon • Hermann Hesse • ich bleibe hier • Michael Moore • Sie werden lachen
ISBN-10 80-268-7745-4 / 8026877454
ISBN-13 978-80-268-7745-5 / 9788026877455
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