paradies fluten/paradies hungern/paradies spielen (eBook)

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2017 | 1. Auflage
314 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-75116-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

paradies fluten/paradies hungern/paradies spielen -  Thomas Köck
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paradies fluten (verirrte sinfonie) ist der erste Teil der Klimatrilogie von Thomas Köck, der in einer gewaltigen Bilder- und Sprachflut eine Geschichte des Kapitalismus und des Raubbaus des Menschen an der Natur und an sich selbst erzählt. Historisch beginnt diese große Erzählung mit dem Kautschukboom im 19. Jahrhundert, dem ganze Landstriche und Völker zum Opfer fielen. Dieser Erzählstrang prallt auf das Schicksal einer Tänzerin, die die Logik kapitalistischer Selbstoptimierung auf wahnwitzige Weise praktiziert. Köck betrachtet die Gegenwart durch die historische Linse, gelangt so zu verblüffenden Bildern. Seine raumgreifende Sprache, seine Szenarien sind eine erfrischende Provokation für die Bühne, ein ästhetisches, politisches Verfahren. Spätestens mit paradies fluten stellte sich der Oberösterreicher als einer der interessantesten jungen Dramatiker vor.
Für paradies fluten erhielt der vielfach ausgezeichnete Thomas Köck 2016 den renommierten Kleist-Förderpreis. Das Buch enthält mit paradies fluten, paradies hungern und paradies spielen die gesamte Klimatrilogie.

<p>Thomas K&ouml;ck, geboren 1986 in Steyr, Ober&ouml;sterreich. Er wurde durch Musik sozialisiert und studierte Philosophie in Wien sowie Szenisches Schreiben und Film an der Universit&auml;t der K&uuml;nste Berlin. Er arbeitete beim theatercombinat wien, war mit einem Dokumentarfilmprojekt &uuml;ber Beirut zu Berlinale Talents eingeladen, war Hausautor am Nationaltheater Mannheim, bloggt mit KollegInnen auf nazisundgoldmund.net gegen rechts und entwickelt mit Andreas Spechtl unter dem Label ghostdance konzertante readymades. F&uuml;r seine Theatertexte wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2018 mit dem Literaturpreis &raquo;Text &amp; Sprache&laquo; des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft sowie 2018 und 2019 mit dem M&uuml;lheimer Dramatikpreis, zuletzt auch mit dem Publikumspreis der M&uuml;lheimer Theatertage NRW.</p>

Thomas Köck, geboren 1986 in Steyr, Oberösterreich. Er wurde durch Musik sozialisiert und studierte Philosophie in Wien sowie Szenisches Schreiben und Film an der Universität der Künste Berlin. Er arbeitete beim theatercombinat wien, war mit einem Dokumentarfilmprojekt über Beirut zu Berlinale Talents eingeladen, war Hausautor am Nationaltheater Mannheim, bloggt mit KollegInnen auf nazisundgoldmund.net gegen rechts und entwickelt mit Andreas Spechtl unter dem Label ghostdance konzertante readymades. Für seine Theatertexte wurde er mehrfach ausgezeichnet, 2018 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis.

european homecare neunzehnhundertdreiundneunzig

 

tableau vivant der spätmoderne

 

parlando forte

bitte p u n k t g e n a u

 

DIE MUTTER die mutter hat zum vater immer nur erzeuger gesagt

DER VATER der vater hat das nie gehört!

DIE MUTTER nie gehört! nichts hat der erzeuger! ja genau der! irgendwann einmal gesehen und gehört! nur sich und seine verblendung hat er gesehen!

DER VATER während der erzeuger allerdings nur diese firma ja! diese firma!

DIE MUTTER deine kfz-werkstatt! dein reifenwechseletablissement! dein gummiabfalllager! diese schuldenfabrik!

DER VATER diese meine eigene kfz-werkstatt! ja genau die! die alle hier ernähren soll!

DIE MUTTER die mutter hat immer wie verrückt verantwortung! und zahlungsunfähigkeit! geschrien und aufsteigerträume! und fast gesungen hoch die töne und den vater angestiert so! und so! und so! und so! und jetzt hör mir aber zu! und die stimme richtung decke geschraubt! hörst du bitte! und dann wieder herniedergeregnet fortissimo! mein lieber! wenn deine unternehmung untergeht dann ersäuft deine familie mit dir!

DER VATER es erwidert der vater im hohen ton zurück was er denn und herrgott! er versuche doch auch nur! warum denn jetzt diese vorwürfe und herrgott! an ihm hängenbleiben! während er nur diese firma! sein unternehmen! und die damit verbundene selbstständigkeit! ja selbstständigkeit! im kopf hatte!

DIE TOCHTER die tochter ist unterm tisch zwischen den füßen des erzeugers und der mutter hin- und hergerobbt es roch nach alten reifen abgenutztem gummi schlechten träumen

DIE MUTTER und die mutter hat die stimme wieder erhoben beim teutates! diesen selbstsüchtigen diesen idioten! der seine familie unter seiner selbstverschuldeten selbstständigkeit begräbt

DER VATER und der vater hat vor lauter stolz und sturheit zurückgedonnert wie sonst wer und wer bin ich denn! hat er voller spätkapitalistischer verblendung gesagt und verstehen! verstehen! man soll auch mich verstehen! kein lohnarbeiter mehr! hat er über den tisch hinübergebrüllt dass von der wand die schöne holzuhr das erbstück aus einer anderen zeit und dann noch einmal hinüber über den tisch damit jetzt endlich einmal ich versuche ja auch nur für euch das beste! hat er über die tischplatte hinweg der mutter ins gesicht hinübergeschrien ins gesicht hinein! herrgott noch einmal! ins gesicht hinein! hat er geschrien! das beste!

DIE MUTTER ach was das beste! familiengrab! und ein so ein witz! du denkst nur an dich und deinen erfolg! mit deinen autoreifen! hat die mutter natürlich gleich pariert und hat ihn an die wand laufen lassen mit einem spiel dich nicht so auf! und einem schrei hier nicht so herum!

 

pause

 

DIE MUTTER UND DER VATER UNISONO jetzt sag doch auch einmal was sag einmal! einander angeschrien und sofort pariert aufgesprungen und wieder herumgeschrien wir alle zusammen hier! und gemeinschaft! und familie! ja genau familie! also ja sag ich ja! nein du denkst nur an dich! selbstständigkeit! autonomie! gemeinschaft! familie! haben sie geschrien und ungläubig von oben herab dem anderen in den nacken hinein! und dann zurück und wieder mit der familie ja das ist ja! und gleich retour auch meine familie! das ist auch meine familie! und das gibts ja nicht! du hörst mir ja gar nicht! nein du hörst mir nicht du hörst mir rein gar nicht jetzt hör einmal hin! den ganzen tag nur fernsehen! ich verdiene das geld! ich verdiene auch mein eigenes geld! und erziehe die kinder! und du! privatkonkurs! nein selbstständig!

DIE GROSSMUTTER die großmutter kam dann immer dazu und hat versucht zu schlichten

DER VATER der vater hat sich sofort richtung vernunft gerettet

DIE MUTTER die mutter hat nur luft ausgestoßen! so pah! vulgär deine vernunft!

DIE GROSSMUTTER die großmutter hat die tochter immer lauschend unter dem tisch sitzen sehen sie hat der tochter immer kurz und so verstohlen zugezwinkert

DIE MUTTER diese autowerkstatt war das dümmste was der mit unserem ersparten je hat machen können kein mensch braucht hier noch eine autowerkstatt und jetzt geht die baden und wir gehen mit!

DER VATER niemand geht baden! dank dieser firma sind wir selbstständig! unabhängig! freie mechanikermenschen!

DIE GROSSMUTTER immer wenn die großmutter gezwinkert hat musste die tochter kurz und heimlich lachen dann hat die großmutter auch kurz gelacht heimlich und verstohlen mit alten spröden gespitzten lippen

DIE MUTTER die mutter hat immer gesagt das geht so nicht weiter das geht einfach nicht jetzt übernimm doch einmal eine verantwortung! übernimm doch eine verantwortung auch für andere menschen! ich hör immer nur unabhängig! hat die mutter geschrien! ja geschrien hat sie! ich kann das nicht mehr jetzt ist schon wieder eine rechnung da! wir können die rechnung nicht! kein mensch braucht in zwanzig jahren noch ein auto! deine freie werkstatt ruiniert uns alle!

DIE GROSSMUTTER die großmutter hat dann die mutter beiseitegenommen den vater hinter sich hergezogen und ist woandershin mit ihnen damit sich die tochter später nicht wird erinnern können an das viele geschrei und die streits und die probleme mit der selbstständigkeit und den vielen neuen möglichkeiten die die jungen paare in der freien welt heimsuchen und so durcheinanderbringen dass sie sich vor lauter freiheit gegenseitig den ganzen tag lang anschreien

DIE TOCHTER hinterhergeschaut hat die tochter der großmutter dann ist sie langsam unter dem tisch hervorgerobbt

DIE MUTTER und eine tochter! hat die mutter geschrien! haben wir auch noch! und wir beide vergessen das andauernd! hat die mutter geschrien vollkommen überfordert! ja! wie sie war!

DER VATER der vater bemüht sich ja auch mitzuhelfen! herrgott! noch einmal! herrgott! aber so als angehender selbstständiger in einer sich beschleunigenden globalen wirtschaft die alle grenzen einreißt da ist das mit der selbstständigkeit gar nicht so einfach!

DIE GROSSMUTTER die großmutter hat versucht zu vermitteln und zu erklären aber sie musste sich eingestehen dass es für sie auch schwierig geworden war zu verstehen worüber sich die jungen jetzt streiten die hatten doch jetzt alles arbeit selbstständigkeit freiheit und jeden sommer nach kroatien

DIE TOCHTER dann ist die tochter zur treppe geschlichen auf nackten füßen dann von dort am treppengeländer hinuntergetanzt vorbei am großvater der den fernseher immer so laut gedreht hat weil er schon früh taub geworden war oder das geschrei nicht hören wollte die tochter hat ihn immer lange angesehen ungläubig und befremdet wie man frisch verendete tiere auf der straße ansieht

DIE GROSSMUTTER die großmutter hat immer der tochter hinterhergesehen und gesagt das kann es jetzt nicht sein! ihr müsst doch! hat sie dann gesagt in der lage sein euch da zusammenzuraufen! das muss doch!

DER VATER ja! der vater hat schon zugestimmt! aber hat auch klargemacht dass er ja am zusammenarbeiten sei! nur noch ein bisschen! ja! nur noch ein bisschen braucht der vater bis die werkstatt anläuft ein ganzes unternehmen! ruhe schließlich hier! auf seinen schultern! die ganze last eines eigenen unternehmens! für diese last müsse man doch auch ein verständnis zeigen!

DIE MUTTER diese ignoranz! ich habe doch auch zu arbeiten! und soll noch erziehen und der will sich nur mit seiner neuen selbstständigkeit wichtig machen und setzt eine ganze familie aufs spiel und sie hat sich die tränen nicht heimlich aus dem gesicht gewischt weil ihr der neue geist des kapitalismus der aus dem vater herausgekrochen kam als vogelfreier mechanikermensch so wehtat und sie hat wieder geschrien und so! und so! und was ist denn dein problem eigentlich hat sie dann immer geschrien und aber jetzt subito fortissimo! warum rationalisierst du deine selbstausbeutung! und verkauf doch den dreck!

DIE TOCHTER der großvater hat die schreie gehört die nase gerümpft und immer nur angst gehabt er hat sich immer nervös umgesehen während die tochter an ihm vorübergeschlichen ist er hat angst gehabt vor den ausländern vor den flüchtlingen vor dem krieg von all den dingen die im fernseher erzählt wurden die die neue freie welt schon wieder bedrohten jetzt wo die roten verschwunden waren

DER VATER nein nein nein! und im bett hat sich der vater noch herumgedreht und aufgebäumt! und seine selbstständigkeit stellt ihm hier jetzt keiner in frage!

DIE MUTTER was denn selbstständigkeit! du willst dich doch nur nicht blamieren vor deinen bekannten! du gehst doch bis in den privatkonkurs hinein als vogelfreier mechanikermensch!

DER VATER ein eigenes unternehmen! ein selbstständiger! kein schlecht bezahlter arbeiter mehr nein ein selbstständiger arbeiter ein eigenständiger unternehmer ab heute! und dafür muss auch einmal ein risiko her! und der zweck der familie ist dem selbstständigen ein rückgrat zu sein!

DIE TOCHTER die tochter hörte nur worte hin und her fliegen schlich sich vorüber am großvater der die nase...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Angstklima • Chor • Der Deutsche Hörspielpreis der ARD in der Kategorie »Beste schauspielerische Leistung« 2021 • Europa • Familie • Flut • Hörspielpreis der Kriegsblinden 2021 • Kapitalismus • Klima • Klimawandel • Krieg • Kriegsberichterstattung • Müdigkeitsgesellschaft • Mülheimer Dramatikerpreis 2019 • Neoliberalismus • Oper • Paradies • Postdramatik • Postkolonialismus • Selbstausbeutung • Theater • Wanderarbeiter
ISBN-10 3-518-75116-6 / 3518751166
ISBN-13 978-3-518-75116-9 / 9783518751169
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