Die nerven, die Briten! (eBook)

Die etwas andere Gebrauchsanleitung für ein seltsames Volk - Ein Landsmann packt aus

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
288 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-21482-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die nerven, die Briten! -  Paul Hawkins
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Was ist eigentlich mit den Briten los? Nicht erst seit dem Brexit muss man sich fragen, was das Inselvolk so anders macht. Warum sind die Briten so extrem höflich, reden immer über das Wetter und sagen nie, was sie meinen? Wer könnte das besser erklären als ein Landsmann. Paul Hawkins entlarvt skurrile Eigenheiten, Schwächen und Verwirrungen. Er verrät, wie man mit den Briten umgeht, ihre Höflichkeit und ihre Fußballfans gegen sie verwendet. Schonungslos, äußerst witzig und sehr aufschlussreich! Für alle, die dieses seltsame Volk verstehen wollen.

Paul Hawkins ist Schriftsteller, Illustrator, Lügner und Astronaut. Sein lebenslanges Projekt heißt »Vermeide einen richtigen Job«, weshalb es ihn in die Hauptstadt der Prokrastination verschlagen hat: nach Berlin. Wenn er nicht gerade die deutsche Sprache verbiegt oder sich für sich selbst entschuldigt, besteht er weiterhin schamlos darauf, regelmäßig komische Bücher, Artikel und Drehbücher zu verfassen.

Vorwort

Rache serviert man am besten höflich

Am Morgen des 24. Juni 2016 wachte ich zutiefst deprimiert auf. War ich doch am Abend zuvor bis tief in die Nacht hinein aufgeblieben, um mit wachsendem Grauen und zunehmender Fassungslosigkeit zuzusehen, wie man im Vereinigten Königreich, meiner Heimat, über den Austritt aus der EU, wo ich zu Hause bin, abstimmte. Als ich neben meiner deutschen Freundin in unserer Berliner Wohnung die Augen aufschlug, fühlte ich mich plötzlich in meinen Grundfesten erschüttert, als die Erkenntnis ganz allmählich durchsickerte: Bald schon würde ich kein Bürger der Europäischen Union mehr sein. Noch schlimmer: Ich würde nicht mehr Bürger des Landes sein, in dem der Ort lag, wo ich all meine Unterhosen hatte.

Wie so viele Briten war ich nicht auf diese Variante der Realität vorbereitet. Zumindest nicht so, wie ich es hätte sein sollen. Tatsächlich war die »Brexit-Party«, an der ich teilnahm – und die sich immer mehr wie ein »Brexit-Zeitlupen-Begräbnis« anfühlte –, eine Kostümparty. Weil ich davon ausging, dass es eine spaßige, unterhaltsame Angelegenheit werden würde, und weil ich offensichtlich viel zu sicher war, dass man allen Grund zum Feiern haben würde (danke, ihr nichtsnutzigen Meinungsforscher), fiel meine Wahl bedauerlicherweise auf eine Verkleidung, die als das schlimmste Klischee für jeden liberal denkenden Menschen gelten kann: Ich war bedauerlicherweise als »Little Englander« verkleidet, dem schlimmsten nationalistischen Stereotyp, den man sich als weltoffener Bürger vorstellen kann. Ich trug Feinrippunterhemd und Baseballkappe und hatte mir auf den ganzen Körper Tattoos gemalt, die zu Recht überall auf der Welt gefürchtet sind bei Menschen, die an ruhigen, freundlichen und relativ unentdeckten Orten leben – dazu Englandfahnen, UKIP-Anstecker und das so gern bemühte Mantra sämtlicher Idioten: »Britannien muss wieder britisch werden.«

Leider zog sich das humoristische Element meiner Verkleidung im Laufe der folgenden sechs emotional zermürbenden Stunden beschämt in eine Ecke zurück und verendete dort qualvoll. Um 6:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit stand das Ergebnis fest. Die ganzen Mädchen auf der Party fingen an zu weinen, und kurz darauf radelte ich heim durch den frischen jungen Morgen, mit nichts als einem Unterhemd am Leib – ein frierender, besoffener und trauriger Mann, der als Rassist verkleidet war.

Seit Prinz Harry auf einer Party im Nazikostüm aufkreuzte, war garantiert keine Verkleidung mehr so nach hinten losgegangen.

Am nächsten Tag, als ich mich verzweifelt abmühte, die Worte »Farage for King« wegzuschrubben, die ich mir mit Edding auf den Arm geschmiert hatte, erwartete ich eigentlich, dass die Neuigkeiten nach und nach sacken und man sich an den Gedanken gewöhnen würde. Vielleicht war ja alles halb so wild.

Die Dinge ändern sich. Das ist doch eigentlich okay, oder? So läuft das nun mal in der Politik.

Stattdessen musste ich feststellen, dass ich das Ganze immer weniger verstehen konnte, und dann kam die Wut.

Fast ist es mir peinlich. Da muss Großbritannien erst einmal für den Ausstieg aus der EU stimmen, damit ich checke, wie sehr ich mich selbst als Bürger Europas sehe und mich ganz damit identifiziere. Ich bin in der EU geboren, und ich bin den Großteil meines Erwachsenenlebens freizügig innerhalb der Grenzen der EU gereist und habe in verschiedenen europäischen Städten gearbeitet. Es fühlt sich an wie mein Land, in jeder Hinsicht. Und jetzt plötzlich soll es das nicht mehr sein, stattdessen werden die nationalen Grenzen wieder hochgezogen. Ich schien über Nacht mit einem Schlag tatsächlich 27 Staatsbürgerschaften verloren zu haben, und das nur wegen eines Haufens alter Leute, die auf einer Insel leben. Die würden nie einen Nutzen aus diesen Staatsbürgerschaften ziehen … aber ich hatte das getan. Ich tue es im Moment. Und ich würde es auch weiterhin gern tun.

Die Europäische Union hat mir nie etwas getan, abgesehen davon vielleicht, dass sie mir das Leben erleichtert hat und meine Welt dank ihr größer ist. Die Briten aber schienen mir mit diesem Votum einen ganzen Kontinent voller Möglichkeiten gestohlen zu haben, und gleichzeitig wollten sie mir erzählen, ich solle stolz sein auf Dinge, die mich überhaupt nicht stolz machen.

Je mehr ich versuchte, meine emotionale Reaktion rational zu betrachten, desto weniger verstand ich das alles. Ich fühlte mich, als lebte ich in Kalifornien, und plötzlich teilte man mir mit, die Grenzen der USA seien für mich fortan geschlossen, weil man das in Wyoming so entschieden habe. Es fühlte sich so dermaßen falsch an. Schließlich war ich doch EU-Bürger, oder nicht? Welches Recht haben andere Menschen – noch dazu Menschen, die da drüben leben, buchstäblich tausend Meilen entfernt –, mir das wegzunehmen? Auf meinem Ausweis steht »Europäische Union«, ganz oben in der ersten Zeile, in großen, fetten Goldlettern. Würden die von der EU mir helfen?

»Ähm, haha, nee«, lautete deren Antwort logischerweise. Das war vermutlich das erste Mal, dass ich allen Ernstes sagen konnte, eine politische Entscheidung hätte offensichtlich, erheblich und nachweislich Einfluss auf mich und mein Leben. Ich hatte soeben eine ganze Reihe von Rechten eingebüßt. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass »Rechte keine Rechte sind, wenn sie einem weggenommen werden. Dann sind es lediglich Privilegien«, wie der leider verstorbene großartige Komiker George Carlin es einst formulierte.

Immer noch die »Independence Day«-Rede von Nigel Farage wie einen lästigen Tinnitus im Ohr, besuchte ich kurze Zeit später einen Freund in Spanien, der an einem Küstenabschnitt lebt, so voller britischer Nationalisten, dass ich die Gegend liebevoll als »Costa del Sonnenbrand« bezeichnen will. Hier gibt es überall englisches Frühstück, Pubs mit Namen wie The Old Brown Cow sowie sehr, sehr britische Menschen, die für Briten sehr, sehr typische Dinge sagen, so was wie »viel zu heiß hier«.

Und doch hatte fast jeder Brite, dem ich an der »Costa del Sonnenbrand« begegnete, für den Austritt aus der EU gestimmt, und das, obwohl sie doch so offensichtlich, erheblich und nachweislich das Recht in Anspruch nahmen, in einer ganz anderen, viel sonnigeren Gegend der EU zu leben. Ein Mann beantwortete meine Frage, warum er für den Austritt gestimmt habe, ganz offen und ehrlich mit der recht verwunderlichen Aussage: »Wegen der Immigranten. Ganz einfach. Großbritannien muss britisch bleiben.«

Fassungslos starrte ich ihn an – diesen rotorangen Mann aus Roysdon, der im Land des Flamencos lebte – und wartete darauf, dass sich ihm die Ironie hinter seiner Aussage offenbarte. Aber Fehlanzeige, da kam nichts. Also wartete ich noch ein bisschen länger. Immer noch nichts. Das mit der Ironie schien heute ein wenig zu dauern. Vielleicht machte sie ja gerade Siesta.

Also bohrte ich beharrlich weiter, weil ich es ernsthaft wissen wollte. »Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Rente, Ihre Krankenversicherung, dass Sie ein Visum benötigen oder dergleichen?«

»Nö«, erwiderte er, »die Spanier brauchen uns.«

Das war nun also die zweite recht beachtliche Bemerkung von Barry, 68 Jahre alt, einem britischen Pensionär, der Teebeutel und Baked Beans ausschließlich von anderen britischen Rentnern kauft, der cash bezahlt für schwarze Taxis, die ausschließlich von anderen britischen Rentnern gefahren werden, einer, der sich langsam brutzeln lässt, bis er Linsentrübung und Melanome bekommt und die Farbe eines ausgeblichenen braunen Schuhs angenommen hat. Und dabei schien er vollkommen überzeugt, mehr als willkommen zu sein, weil er ja das spanische Bruttoinlandsprodukt in die Höhe treibt.

Vielleicht ist mir da ja was entgangen, aber ich konnte Barrys Sicht auf die Dinge beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ganz gleich, wie fest ich die Augen zusammenkniff und ihn musterte, ich konnte in ihm nichts anderes sehen als einen, der absolut ertragsneutral ist, wenn nicht sogar eine Belastung für die Ressourcen des Landes, einen, den man hier in Spanien ungefähr so dringend »braucht« wie ein Fisch ein Akkordeon.

Und doch bekam man immer wieder ganz ähnliche Argumente von Leuten zu hören, die für den Austritt gestimmt hatten, und das aus den unterschiedlichsten Gründen: Die EU würde dem Vereinigten Königreich einen guten Deal anbieten, aus Gründen. In Zukunft würde alles viel besser werden für Großbritannien, glaubte man, wenn man sich erst einmal befreit hatte vom Mief der »gesichtslosen, namenlosen Eurokraten« in Brüssel (die allesamt über Wikipedia-Seiten verfügen und die man ganz einfach über eine verblüffende neue Technologie namens »das Internet« erreichen kann). Auch wenn man über die himmelschreiende Ironie hinwegsieht, dass Leute wie Barry von der Institution, der sie vorwerfen, den Blick für das Leben von Ottonormalverbraucher verloren zu haben und diesem völlig gleichgültig gegenüberzustehen, trotz allem ein großzügiges Entgegenkommen und Mitgefühl erwarten, entgeht ihnen ganz, dass sie selbst eindeutig Sand im Getriebe ihres Denkens haben.

Die Europäische Union – ob man sie nun als »gut« oder »schlecht« oder einfach nur wie ich als neutral betrachten will – stellt als Institution notwendigerweise ihre eigenen Interessen an oberste Stelle. Soll heißen, der Erhalt der eigenen Existenz steht über allem. Man hat sie mühsam aufgebaut. Hier arbeiten Menschen. Es gibt dort Räume, und diese Räume werden von Menschen benutzt, und sie bestellen Büromaterial, und dann...

Erscheint lt. Verlag 18.12.2017
Übersetzer Bettina Spangler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Brexit • eBooks • Engländer • Reisen • Typisch britisch • was Briten denken
ISBN-10 3-641-21482-3 / 3641214823
ISBN-13 978-3-641-21482-1 / 9783641214821
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