Das Gold des Lombarden (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-55021-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Gold des Lombarden -  Petra Schier
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Die Macht des Geldes Köln, 1423. Aleydis de Bruinker ist noch nicht lange mit dem lombardischen Geldverleiher Nicolai Golatti verheiratet, als dieser unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt. Man findet ihn erhängt - hat er sich das Leben genommen? Aleydis will das nicht glauben. Und tatsächlich: Sie entdeckt Male, die auf einen Mord hinweisen. Potenzielle Täter gibt es genug, Golatti hatte viele Feinde. Die junge Witwe stellt Nachforschungen an. Zu Hilfe kommt ihr dabei ausgerechnet Gewaltrichter Vinzenz van Cleve, dessen Vater der größte Konkurrent Golattis war. Wider Willen beginnt sie, van Cleve zu vertrauen, der der Wahrheit verpflichtet scheint und doch ein düsteres Geheimnis hegt. Schon bald schwebt Aleydis in großer Gefahr, und es sieht aus, als sei ihr einziger Verbündeter in den Mord verstrickt ...

Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit ihrem Mann und einem Schäferhund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2005 als freie Autorin. Ihre historischen Romane, darunter die Reihe um die Apothekerin Adelina, vereinen spannende Fiktion mit genau recherchierten Fakten. Petra Schier ist Mitglied des Vorstands der Autorenvereinigung DELIA.  

Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit ihrem Mann und einem Schäferhund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2005 als freie Autorin. Ihre historischen Romane, darunter die Reihe um die Apothekerin Adelina, vereinen spannende Fiktion mit genau recherchierten Fakten. Petra Schier ist Mitglied des Vorstands der Autorenvereinigung DELIA.  

Kapitel 2


Sie hatten die Breite Straße genommen und waren dann in Richtung St. Aposteln abgebogen, da der weitere Verlauf des Weges von Fuhrwerken versperrt war. Hinter dem Apostelnkloster waren sie dann erneut abgebogen und über die Hahnenstraße zum Stadttor gelangt. Von dort aus waren es nur noch ungefähr zehn Minuten Fußmarsch bis zu dem Wäldchen – einem von vielen in dieser Gegend –, in dem sich das Unglück zugetragen hatte. Die Hütte, von der van Kneyart gesprochen hatte, war ein windschiefer Unterstand, den vermutlich die Holzfäller bei schlechtem Wetter benutzten, um sich und ihre Werkzeuge vor Regen zu schützen. Er befand sich nur wenige Schritte von der ausladenden Linde mit der hässlichen Zier entfernt – der Strick baumelte noch immer von einem der kräftigen unteren Äste und schaukelte in der warmen Abendbrise leicht hin und her.

Als Aleydis den Baum erblickte, blieb sie abrupt stehen, sodass Mats Creucher, der dicht hinter ihr gegangen war, beinahe in sie hineingelaufen wäre.

Richwin van Kneyart legte ihr eine Hand auf den Arm, wohl um sie zu beruhigen und bei Bedarf zu stützen. Doch Aleydis benötigte keine Hilfe. Der Zorn über die Ungeheuerlichkeit der Anschuldigung, ihr Gemahl habe sich das Leben genommen, hielt sie aufrecht. Kurz drehte sie sich um und erschrak ein wenig, als sie sah, dass eine ganze Horde von Schaulustigen ihr gefolgt war. Unter ihnen Gassenkinder, Handwerker, Mägde und Bettler. An die dreißig Menschen hatten sich im Halbkreis versammelt, und es war gut möglich, dass ihnen weitere folgen würden, sobald sich die schreckliche Kunde verbreitet hatte. Auch Wardo und Symon, Nicolais kräftige Knechte, waren unter ihnen. Während Wardo sie mit der ihm typischen finsteren Miene musterte, in der sie höchstens den Anflug von Besorgnis zu erkennen glaubte, liefen Symon die Tränen über die feisten Wangen. Ehe sie etwas sagen oder sich umdrehen konnte, trat der Knecht auf sie zu.

«Nicht, Herrin, tut das nicht allein.» Seine Stimme war hell und beinahe schrill, fast wie die eines kleinen Jungen, und doch anders. Aleydis hatte lange gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, denn der Ton stand im krassen Gegensatz zu der massigen, von einer ordentlichen Fettschicht überzogenen Gestalt des Knechtes. Darunter, das wusste sie inzwischen, verbargen sich enorme Muskeln, die den hochgewachsenen Symon beinahe wie einen Koloss erscheinen ließen. Als Kind war er durch einen brutalen Dienstherrn zum Eunuchen gemacht worden und nur wenig später hatte Nicolai ihn dem Barbaren, wie er ihn nannte, abgekauft und in seinen Haushalt aufgenommen. Seitdem war Symon ihm mit Haut und Haaren und vor allen Dingen mit seinem großen Herzen ergeben.

Aleydis war dankbar, den bulligen Knecht neben sich zu wissen, als sie sich nun endlich der Hütte zuwandte. Sie mochte Symon und wusste, dass er in diesem Moment der Einzige war, der genauso unter der Situation litt wie sie selbst.

Der Schöffe ging ihnen voran und stieß die Tür zu dem Verschlag auf. Darin gab es nicht mehr als einen Tisch und zwei Bänke. Die Decke war so niedrig, dass Aleydis sie mit der Hand hätte erreichen können, wenn sie gewollt hätte. Symon musste sich ducken, um sich den Kopf nicht an den Balken zu stoßen.

Man hatte Nicolai auf eine der Holzbänke gelegt, wohl weil nur sie lang genug für den Körper war. Aleydis’ Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie das stille, wächserne Antlitz ihres Gemahls sah. Ganz still und friedlich lag er da, die Augen geschlossen, die Hände auf dem Bauch gefaltet – vermutlich hatte der Henkersknecht ihm diesen Dienst erwiesen.

Ihre Augen begannen zu brennen, doch sie zwang sich, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Hinter ihr räusperte sich Symon und sie trat einen Schritt beiseite, um ihm in der engen Hütte Platz zu machen.

«Heiliger guter Herr im Himmel!» Der Knecht bekreuzigte sich. Noch immer rannen ihm Tränen übers Gesicht.

«Nicolai.» Den Namen ihres Gemahls tonlos auf den Lippen, ging sie ganz nah an die Bank heran.

Richwin van Kneyart legte ihr rasch eine Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten, zog sie jedoch gleich wieder zurück, als ihn erst der warnende Blick des Knechtes und dann der gequälte Ausdruck in Aleydis’ Augen traf.

Still kniete sie sich neben die Bank und berührte ganz leicht die Wange ihres Gemahls. Wie sehr wünschte sie sich, er würde die Augen aufschlagen und sie so heiter wie noch am Morgen anlächeln. Wenn sie doch bloß aufwachen und feststellen dürfte, dass sie lediglich einen bösen Traum gehabt hatte! Doch Nicolai war und blieb tot; seine Haut fühlte sich kühl unter ihren Fingerspitzen an. Kein Hauch, kein lebenspendender Atem war mehr in ihm, seine Seele fort. Fort.

Die Erkenntnis war so schmerzhaft, dass sie für einen Moment keine Luft mehr bekam.

«Frau Aleydis, ich bitte Euch, Ihr müsst jetzt …»

«Nein.» Ruppig wehrte sie die Hand des Schöffen ab, die er ihr sanft auf die Schulter gelegt hatte. «Lasst mich.» Sie strich sanft über Nicolais Wange, dann hinab zu seiner Schulter. Ihr Blick wurde von den hässlichen rotbraunen Malen angezogen, die anzeigten, wo der Strick gesessen und ihn gewürgt, ja ihm vermutlich auch das Genick gebrochen hatte. Bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass der Hals ihres Gemahls seltsam schief wirkte.

Erneut wurde sie von einer Welle der Übelkeit erfasst, und sie hätte sich beinahe übergeben. Würgend sprang sie auf und rannte aus der Hütte. Symon und der Schöffe folgten ihr eilig.

«Herrin, ist alles in Ordnung mit Euch?»

«Frau Aleydis, es tut mir leid.» Hilflos rang van Kneyart die Hände. «Ihr hättet Euch das nicht antun sollen. Es hilft doch alles nichts …»

«Schon gut.» In dem Versuch, den Brechreiz zu überwinden, stützte Aleydis sich gegen einen Baumstamm und atmete mehrmals tief ein und aus. Dann richtete sie sich langsam wieder auf und blickte zu der immer größer werdenden Menschenmenge hinüber, die in einigermaßen respektvollem Abstand zu ihr herübergaffte. Raunen und Geflüster waren zu vernehmen und schließlich auch die ersten Rufe.

«Verbrennt den Sünder!»

«Vierteilt ihn, den Gottlosen!»

«Schande über alle Selbstmörder!»

Entschlossen wandte sich Aleydis wieder zu van Kneyart und den Bütteln um, die abwartend bei ihr standen. «Holt den städtischen Medicus her. Ich will, dass er den L… – meinen Gemahl untersucht.»

«Aber Frau Aleydis, das geht nicht so einfach. Beim Verdacht auf Selbstmord ist der Henker zuständig. Und in diesem Falle liegt die Sache auf der Hand.»

«Dann holt den Henker herbei, in Gottes Namen!» Zornig, zugleich aber auch von einer unsäglichen Erleichterung erfasst, blickte sie dem Schöffen ins Gesicht. «Er muss meinen Verdacht bestätigen.»

«Euren Verdacht? Was meint Ihr damit?» Verwundert runzelte van Kneyart die Stirn.

Aleydis straffte die Schultern. «Mein Gemahl wurde ermordet. Ich will Anklage erheben.»

***

Der gesamte Haushalt befand sich in einer Schockstarre. Aleydis hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und fühlte sich wie gerädert. Dennoch war sie schon bei Anbruch des neuen Tages auf den Beinen, schickte die müde und verschreckte Gerlin los, um von der Wäscherin die frisch gewaschenen Leinentücher zu holen. Irmel wies sie an, Wasser hereinzutragen, das Ells über dem Feuer erhitzen sollte.

Noch bevor jemand an die Frühmahlzeit denken konnte, kamen zwei Büttel mit einem Karren, auf dem sie Nicolais Leichnam transportierten. Aleydis wies sie an, ihn in der Stube aufzubahren, und entzündete eine ganze Reihe teurer Kerzen aus echtem Bienenwachs, die sie dem Vorrat in der Lade von Nicolais Wechselstube entnommen hatte. Dann machte sie sich höchstselbst daran, ihren Gemahl zu waschen und für die Totenwache vorzubereiten. Sie wollte sich dabei nicht helfen lassen, auch nicht von Cathrein, die selbstverständlich sofort zur Stelle gewesen war, als sie von Nicolais Tod erfahren hatte. Auch Krista, die Gemahlin ihres Vaters, wies Aleydis ab, woraufhin diese sich mit einer Mischung aus Verständnis und Besorgnis der beiden Mädchen annahm, die den Tod des Großvaters tränenreich beklagten.

Nachdem der erste Schreck über den vermeintlichen Selbstmord ihres Gemahls überwunden war, konzentrierte Aleydis sich nun voll und ganz darauf, ihm zu Ehren ein standesgemäßes Begräbnis vorzubereiten, und das fing bei der Totenwache an. Nachdem sie die Leichenwaschung hinter sich gebracht hatte, fragte sie bei Frau Jonata nach, ob sie die Namen von guten, zuverlässigen Klageweibern wisse. Sie sprach bei Pater Ecarius vor, dem Gemeindepfarrer, wandte sich wegen der von ihr gewünschten psalmodierenden Mönche an das Apostelnkloster und die Benediktiner von Groß St. Martin und ließ es sich auch nicht nehmen, höchstpersönlich beim Steinmetz vorzusprechen, um den Grabstein in Auftrag zu geben. Auch bei der Gaffel Eysenmarkt, der Nicolai angehört hatte, ging sie vorbei, um Formalitäten zu regeln und die Einladung zum Leichenschmaus auszusprechen.

All dies tat sie hauptsächlich, um sich abzulenken. Sie weigerte sich, Gefühle zuzulassen, denn sie fürchtete, dass sie dann nicht mehr imstande wäre, ihre Pflicht zu erfüllen. Diese bestand darin, den Mörder ihres Gemahls ausfindig zu machen.

***

Nach einer zweiten durchwachten Nacht machte sie sich am frühen Mittwochmorgen mit Symon an ihrer Seite auf den Weg zum Rathaus in der Judengasse, um in Erfahrung zu bringen, welcher der drei Gewaltrichter Kölns für ihre Klage zuständig war.

Cristan Reese, der...

Erscheint lt. Verlag 20.10.2017
Reihe/Serie Die Lombarden-Reihe
Zusatzinfo Mit 1 s/w Karte
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Geldverleih • Köln • Mittelalter • Mord • Münzen • Rache • Tod • Witwe
ISBN-10 3-644-55021-2 / 3644550212
ISBN-13 978-3-644-55021-6 / 9783644550216
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