American Woman (eBook)

How I lost my Heimat und found my Zuhause

(Autor)

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2017 | 2. Auflage
240 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1300-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

American Woman - Gayle Tufts
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'Sonderklasse!' Der Spiegel 

Seit über 25 Jahren baut Gayle Tufts eine Brücke zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat, ein völkerverbindender Spagat. Frech und funny, intelligent, informativ und im Moment wichtiger denn je. Wer sind die Menschen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Lebt er noch, der American Dream? Was hat Frischluft mit der Tagesschau zu tun? Ist Lässigkeit eine Tugend? Und who puts the fire in the Feierabend? Kann uns das bitte mal einer erklären?

Yes, she can!

Gayle Tufts beobachtet mit scharfem Blick und schreibt mit viel Humor und Feingefühl nicht nur über ihr Leben als Amerikanerin in Deutschland, sondern auch über ihre alte Heimat. Sie schildert Alltag und Angewohnheiten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, erzählt vom Heimweh nach dem New York der 80er Jahre, vom wiedererwachten politischen Engagement angesichts der Präsidentschaftswahl, sie beschreibt das gleißende Licht am Cap Cod, schreibt über ihre Liebe zur Tagesschau, über Frischluft und Birkenstock und davon, wie es sich anfühlt, mit einem Schlagerstar vor Millionenpublikum Weihnachtslieder zu singen. 

Mit einer Liste der Germanys next Top-Worte und Begriffen, die es wohl nie in den Duden schaffen werden.



Gayle Tufts, geboren 1960 in Brockton, Massachusetts, ist laut Stern die bekannteste in Deutschland lebende Amerikanerin. Seit 1991 wohnt sie in Berlin, wo sie über 25 erfolgreiche Bühnenshows inszenierte. Darüber hinaus ist sie regelmäßig in Funk und Fernsehen zu erleben. 2018 wurde sie mit dem Medienpreis der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V. für ihre Verdienste zur deutsch-amerikanischen Freundschaft ausgezeichnet.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Bücher 'Weihnacht at Tiffany´s', 'Some like it heiß' und 'American Woman' lieferbar.

Mehr Informationen zu der Autorin unter www.gayle-tufts.de

1. Die Qual der Wahl


Als ich vor kurzem in meine Jackentasche griff, klebte plötzlich etwas Braunes an meinen Fingern: drei geschmolzene M&M’s – vertrocknete Schokolade, unappetitlich, die bunte Umhüllung zersplittert. Die Reste der limitierten Red, White and Blue Edition vom 8. November, dem Tag der Wahl, erinnerten mich an den Moment, als aus Yes We Can – No We Couldn’t wurde.

Diese Nacht sollte ich auf der Wahlparty der Bertelsmann-Stiftung in Berlin Mitte verbringen. Es war eine sehr exklusive Einladung, ein gesellschaftliches Event voller Prominenter aus Kultur, Politik und Journalismus. Das Ergebnis der Greatest Show on Earth, auf das alle seit Monaten hingefiebert hatten, wurde in den Bars und Lounges auf drei Etagen live auf große Bildschirme übertragen. Deutsch-amerikanische Freundschaft mit amerikanischem Fingerfood und Mini-Berlinern, Bud Light Beer und Champagner.

Ich war eingeladen, weil ich als Kolumnistin für n-tv arbeitete, den privaten Nachrichtensender aus Köln. Als charmante Kommentatorin sollte ich immer wieder mal von dieser Party aus live auf dem Bildschirm erscheinen und durch die Wahlnacht führen. Es sollte ein schicksalsträchtiger Abend werden, schließlich wäre Hillary die erste Präsidentin der USA! In wenigen Stunden würden wir nie wieder sein hinreißend schönes Gesicht sehen und seine hate-filled Tweets lesen müssen. Und ich durfte eine stolze Vertreterin meiner Heimat sein, live aus der aufregendsten Stadt der Welt, die seit 25 Jahren mein Zuhause ist.

Ich war schon wieder viel zu spät dran. Um 18 Uhr sollte ich da sein. Um viertel nach fünf stand ich vor meinem Kleiderschrank – in Spanx und Schaffellpantoffeln. Unentschlossen suchte ich nach dem richtigen Outfit. Die Uhr tickte. Seit ich in den Wechseljahren, auf englisch ›the change of life‹, bin, komme ich immer ein bisschen zu spät. Vielleicht hatte ich schon früher ein Problem mit der Pünktlichkeit, aber seit zwei Jahren schiebe ich alles auf die Wechseljahre – von Zornesfalten bis Verspätungen, von Unentschlossenheit bis hin zu permanenter Streitbereitschaft.

Was trägt man zu einer Wahlparty? Ich wollte schön aussehen, aber auch seriös. Keck, aber elegant. Amerikanisch, aber nicht kitschig. Was ist »amerikanisch« anyway? Cowboyhut und Bluejeans? Shorts and Sneakers? Flanellpyjama – das Alltagsoutfit jeder amerikanischen Studentin? Wegen des schmuddeligen Berliner Novemberwetters wäre ein flauschiger Schlafanzug durchaus passend und, weil es eine extrem lange Nacht werden würde, auch unheimlich praktisch gewesen. Die sechs Stunden Zeitunterschied zur Ostküste bedeuteten, dass die ersten Resultate aus New York, New Jersey und Massachusetts erst kurz nach Mitternacht eintreffen würden. Ergebnisse aus den umstrittenen Swing States würden noch viel später kommen. Um die Zahlen aus Ohio, Michigan und Wisconsin wach zu erleben, würde ich eine gute Portion Schwung brauchen, also entschied ich mich für ein lässiges Kleidchen mit dezentem Sternenmuster – patriotisch, aber nicht zu patriotisch – und ein Jeansjäckchen mit einem Pro-Hillary-Button: »I’m With Her«. Blue-Suede-High-Heels, rote Lippen, and I was ready to roll.

Von Brockton, Massachusetts zu Cottbus-am-Meer


Im Taxi Richtung Unter den Linden guckte ich aus dem Fenster und dachte an das Lied Truckin’ von The Grateful Dead: »What a long, strange trip it’s been«. Ich komme aus Brockton, Massachusetts, einem Vorort von Boston, den ich gerne als »Cottbus-am-Meer« beschreibe. Es ist eine working class town, eine Arbeiterstadt with the Anmutung of a lange, endlose Bruce Springsteen-Ballade – rau, hart und herzlich – voller Menschen wie meine Eltern: zweite Generation europäische Einwandererfamilie, mein Vater ein Barkeeper, meine Mutter eine Supermarktkassiererin. Die fanciest Partys, die wir als Familie erlebten, waren italienische Hochzeiten und irische Beerdigungen.

In meinem Flur in Schöneberg hängt ein schon verblichenes Foto meiner lächelnden Eltern auf der Hochzeit von Freunden, aufgenommen ungefähr 1972. Mein Vater hat eine Bierflasche in der Hand und meine Mutter im Arm. Sie strahlt heiter in die Kamera, erhitzt von Wodka oder Valium oder Liebe oder einer berauschenden Mischung aus allem. Es sieht so aus, als ob sie in The Elks Lodge gerade von der Tanzfläche kommen, eine Art Freimaurermehrzweckhalle, in der jede Festivität in Brockton stattfand – von Bingo bis Bar Mitzwas. The Elks Lodge sah aus wie der Drehort für einen Retro-Porno. Das Ambiente eines Kleinstadt-Steak-Houses: weinrote Vorhänge über rauchvergilbter Holzvertäfelung, große runde Tische, eingedeckt mit übriggebliebenen Valentine’s Day-Papiertischdecken und goldenen Plastik-Kandelabern. Für meine Eltern war es die tollste Partylocation überhaupt – süffige Drinks, pfiffige Musik – everything tanzbar von Tommy Dorseys Big Band bis zum neuesten Discoknaller von Tony Orlando & Dawn – und eine Tanzfläche mit farbiger, dimmbarer Beleuchtung! Es war nicht weit bis nach Hause, sodass mein Vater auch angesäuselt noch heimfahren konnte.

Ich guckte durch den Novembernieselregen auf das Brandenburger Tor und fragte mich, was meine Eltern wohl über diesen verrückten, viel zu langen Wahlzirkus denken würden. Als der republikanische Präsidentschaftskandidat bekanntgegeben wurde, hörte ich, wie sich mein Vater im Grab umdrehte. Auch meine Mutter war ein Leben lang eine leidenschaftliche Demokratin, ja sogar eine katholische Kennedy-Besessene gewesen. Und obwohl sie seit Jahren nicht mehr auf der Erde ist, hatte ich ihre Stimme mit ihrem Kommentar zum Pussy-Grabbing laut und deutlich im Ohr: »Yuck! That’s disgusting!«

There were certainly genug ekelerregende Momente in diesem Wahlkampf. Ich hatte für n-tv eine Serie von Video-Kolumnen produziert – ein humorvoller, sehr subjektiver Blick auf dieses Spektakel. Ich wollte die Show hinter der Politik kommentieren. Meine Grundthese war: Das Nationalmotto der USA ist nicht »In God we trust«, sondern: »There’s no business like show business!«. Die Grenze zwischen Politik und Entertainment war bei uns schon immer etwas verschwommen – aber nun war sie hoffnungslos überschritten. Ich verkleidete mich als Freiheitsstatue, sang die Nationalhymne, zitierte Ralph Waldo Emerson und Arnold Schwarzenegger und fragte, ob Lassie und Flipper nicht vielleicht doch auch irgendwann Mitglieder im House of Representatives waren.

Das kann ja lustig werden


Beruflich nenne ich mich »Entertainerin«, weil ich für das, was ich tue, bis heute kein passendes deutsches Wort gefunden habe. Ich schreibe, ich singe, ich erzähle witzige Geschichten. Und manchmal kann man bei meinen Liedern weinen. I’m a Showgirl! So wie meine Great American Vorbilderinnen Bette Midler, Liza Minelli und Barbra Streisand. Deswegen war ich einigermaßen überrascht, als ich einen Brief vom n-tv-Geschäftsführer bekam. Wäre es für mich interessant, bei einem Meeting in Köln über eine mögliche Zusammenarbeit während der bevorstehenden US-Wahl zu sprechen? Ich bin keine Journalistin, und der Sender hat kein Unterhaltungsprogramm – ich dachte mir: Das kann ja lustig werden.

Also bin ich an einem frühsommerlichen Tag im Mai nach Köln geflogen. Von meiner ersten Begegnung with the Nachrichtenwelt habe ich ehrlich gesagt nicht besonders viel erwartet. Aber ein Meeting kann man immer machen. Und warum eigentlich keine Zusammenarbeit? Ich bin ein begeisterter News Junkie, lese immer noch Tageszeitungen auf Papier und kaufe mehrmals in der Woche die Printausgabe der International New York Times für 3,20 EUR, obwohl ich auch das viel preiswertere Online-Abo habe. Als Jugendliche hatte ich meine abendliche Dosis amerikanischer TV-Nachrichten-Legenden wie Walter Cronkite, Dan Rather und Tom Brokaw abbekommen. Journalisten erklärten mir die Welt und kämpften für Gerechtigkeit. Seit ich in Deutschland bin, höre ich jeden Morgen Inforadio. Ich finde Stefan Seibert sexy! Und ich bin ein bisschen verknallt in Claus Kleber. Die Möglichkeit, hinter die Kulissen eines Nachrichtensenders zu schauen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Alles flutschte. Ich kam überraschend pünktlich in Köln-Deutz an, und der Taxifahrer fand sofort die riesigen ehemaligen Messehallen, den Hauptsitz der RTL Mediengruppe. Picassoplatz 1 – ein vielversprechender Name. Als ich die Rolltreppe in den nur mit Sicherheitsausweis zu betretenden Bereich nahm, fühlte ich mich mit einem Mal wie Mary Tyler Moore in ihrer legendären TV-Sendung aus den Siebzigerjahren, in der sie die stets optimistische Journalistin Mary Richards spielte. Die attraktive Mary, eine emanzipierte Singlefrau, zieht nach Minneapolis, um ein neues Leben als Nachrichtenredakteurin zu beginnen. Als formbarer Teenager habe ich jeden Samstagabend beim Babysitting ihre Sendung eingeschaltet. Mary war mein Traum vom Erwachsensein: intelligent, unabhängig und frei – mit einem tollen Job, einer fabelhaften Wohnung, fantastischen Klamotten und vielen lustigen und liebevollen Kollegen und Freunden. Mary war mein American Dream. Hier und jetzt war sie für einen kurzen Moment in mir wiederauferstanden – in Köln-Deutz.

Am Empfang erwartete mich eine verbindliche Assistentin und führte mich durch ein ausgetüfteltes Labyrinth: lange Gänge voller Schallschutzfenster mit Einblicken in Hightechfernsehstudios, eine konzentrierte Atmosphäre, aufmerksam, aber gelassen.

Sie flüsterte: »Dies ist das erste technikerfreie Fernsehstudio...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte alltägliche Beobachtungen • American dream • American Woman • Amerika • Beobachter • Beobachtungen • Comedian • Deutschland • Freiheit • Gayle Tufts • Gesellschaftskritik • Gesellschaftssatire • Humor • Kunst • Länderhumor • Liebe • Satire • Tufts • U.S. • USA
ISBN-10 3-8412-1300-6 / 3841213006
ISBN-13 978-3-8412-1300-6 / 9783841213006
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