Der Bruder des Wolfs (eBook)

Roman

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2017 | 1. Auflage
896 Seiten
Penhaligon (Verlag)
978-3-641-17760-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Bruder des Wolfs -  Robin Hobb
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»Magere Wölfe kämpfen am besten« Herzog Bryn
Fitz Chivalric hat bei der Verteidigung seines greisen Königs seine Gesundheit und beinahe auch seinen Verstand verloren. Doch König Listenreich bietet ihm keine Rache oder wenigstens Genugtuung. Schließlich war der Drahtzieher hinter Fitz' Verletzungen dessen eigener Onkel, der Sohn des Königs. Und der hat seine Pläne, um den Thron an sich zu reißen, nicht aufgegeben! Verzweifelt bemüht sich Fitz, die Intrigen des Prinzen zu durchkreuzen - und ahnt nicht, dass sein Schicksal längst besiegelt ist.

Dieses Buch ist bereits unter dem Titel »Des Königs Meuchelmörder« im Bastei-Lübbe Verlag erschienen und unter dem Titel »Der Schattenbote« im Heyne Verlag.

Robin Hobb wurde in Kalifornien geboren, zog jedoch mit neun Jahren nach Alaska. Nach ihrer Hochzeit ließ sie sich mit ihrem Mann auf Kodiak nieder, einer kleinen Insel an der Küste Alaskas. Im selben Jahr veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichte. Seither war sie mit ihren Storys an zahlreichen preisgekrönten Anthologien beteiligt. Mit »Die Gabe der Könige«, dem Auftakt ihrer Serie um Fitz Chivalric Weitseher, gelang ihr der Durchbruch auf dem internationalen Fantasy-Markt. Ihre Bücher wurden seither millionenfach verkauft und sind Dauergäste auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Im November 2021 wurde ihr der renommierte World Fantasy Award für ihr Lebenswerk verliehen. Robin Hobb hat vier Kinder und lebt heute in Tacoma, Washington.

Prolog

Träume und Erwachen

Weshalb ist es verboten, genaues Wissen über Magie schriftlich niederzulegen? Vielleicht, weil wir alle fürchten, solches Wissen könnte in die Hände einer Person fallen, die nicht geeignet ist, davon Gebrauch zu machen. Von jeher hat es ein System der Ausbildung von Schülern gegeben, um sicherzustellen, dass spezifische Kenntnisse auf diesem Gebiet nur an jene vermittelt werden, die wissen, was sie tun, und sich würdig erwiesen haben. Während dies ein löb­licher Versuch zu sein scheint, uns vor unlauteren Autodidakten zu schützen, wird dabei außer Acht gelassen, dass nicht dieses Wissen die Grundlage ist, aus der Magie entsteht. Die Befähigung für eine bestimmte Form der Magie ist entweder angeboren oder nicht vorhanden. Die Fähigkeit für die Gabe, zum Beispiel, ist eng mit der Blutlinie des Königshauses der Weitseher verknüpft, obwohl sie auch als »wilder Trieb« bei Leuten vorkommt, die durch ihre Vorfahren sowohl von den Inlandvölkern als auch von den Fernholmern abstammen. Jemand, der in der Gabe ausgebildet ist, vermag das Bewusstsein eines anderen über jede Entfernung hinweg zu berühren und dessen Gedanken zu lesen. Die in besonderem Maße der Gabe Kundigen sind imstande, die Gedanken des Betreffenden zu beeinflussen oder mit ihm zu kommunizieren. Alles in allem ist das ein durchaus nütz­liches Werkzeug, um in einer Schlacht die Truppen zu befehligen oder Nachrichten zu übermitteln.

Im Volk weiß man von einer seit undenk­lichen Zeiten existierenden Magie, der alten Macht. Sie ist heutzutage verpönt, und es wird kaum jemand zugeben, diese Fähigkeit zu besitzen. Es heißt immer nur, die Bewohner dieses oder jenes nächsten Tals seien darin bewandert oder die Menschen jenseits der fernen Hügel. Ich vermute, die alte Macht war einst das natür­liche Talent derer, die als Jäger dieses Land durchstreiften, statt sesshaft zu werden; eine spezielle Form der Magie für all jene, die sich den wilden Tieren des Waldes verbunden fühlten. Die alte Macht, so heißt es, verlieh einem die Fähigkeit, die Sprache der Tiere zu verstehen, doch eine Warnung gab es dabei zu beachten: All jene, die die Macht zu lange oder zu gekonnt ausübten, würden sich schließlich in das Tier verwandeln, mit dem sie sich verbunden hatten. Aber das sind vielleicht nur Märchen.

Daneben gibt es die Heckenmagie, obwohl es mir nie gelungen ist, den Ursprung dieser Bezeichnung herauszufinden. Diese nur teilweise durch Beweise belegte und teils recht fragwürdige Form der Magie umfasst das Deuten von Handlinien, das Wasserlesen, die Weissagung aus der Kristallkugel sowie eine Vielzahl anderer hellseherischer Praktiken, die vorgeben, die Zukunft vorhersagen zu können. Eine eigene, nicht näher benannte Gruppe bilden die magischen Spielarten, mit denen physische Effekte erzeugt werden, wie etwa Unsichtbarkeit und Levitation, also toten Dingen Leben einzuhauchen oder sie in Bewegung zu versetzen – sämt­licher Hokuspokus aus den alten Märchen. Ich weiß von keinem Volk, das die letztgenannten Kräfte für sich in Anspruch nehmen kann. Sie scheinen einzig Auswüchse der Fantasie zu sein, die in ferner Vergangenheit oder fremden Ländern angesiedelt sind oder Geschöpfen der Mythologie zugeschrieben werden: Drachen, Riesen, den Uralten, den Anderen, Elfen.

Ich muss innehalten, um die Feder zu reinigen. Auf diesem armseligen Papier zerläuft der feinste Strich zu unförmigem Gekleckse, doch ich will für diese Worte kein gutes Pergament verwenden; zumindest vorläufig nicht. Ich zweifle, ob es gut ist, sie aufzuschreiben. Warum sie überhaupt dem Papier anvertrauen? Wird diese Geheimlehre nicht mündlich an jene weitergegeben werden, die ihrer würdig sind? Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Was wir in unserer Zeit für ganz selbstverständlich halten, nämlich die Kenntnis dieser Dinge, mag eines Tages für unsere Nachfahren nur noch staunenswert und ein Rätsel sein.

In allen Bibliotheken lässt sich nur wenig Material über Magie finden. Mühselig verfolge ich einen roten Wissens­faden durch einen Flickenteppich von Informationen. Ich ent­decke vereinzelte Querverweise, beiläufige Andeutungen, mehr nicht. In den letzten Jahren habe ich alles gesammelt und meinem Gedächtnis eingeprägt, immer mit der Absicht, mein Wissen aufzuschreiben – all das aufzuschreiben, was ich aus eigener Erfahrung weiß, aber auch all jenes, was ich in akribischer Kleinarbeit zusammengetragen habe. Antworten vielleicht für einen anderen armen Dummkopf, irgendwann in der Zukunft, der ebenso unter dem Widerstreit der magischen Kräfte in sich zu leiden hat wie ich selbst.

Doch sobald ich mich anschicke, das Vorhaben in die Tat umzusetzen, komme ich ins Zaudern. Wer bin ich, meinen Willen gegen die Weisheit jener zu stellen, die vor mir waren? Soll ich in klarer Schrift darlegen, wie jemand, dem die Gabe der alten Macht zuteilwurde, seinen Wirkungskreis vergrößern kann oder ein Lebewesen an sich binden? Soll ich die Einzelheiten der Ausbildung erläutern, die man durchlaufen muss, bevor man als ein der Gabe Kundiger anerkannt wird? Die Heckenmagie und die übrigen Praktiken habe ich nie beherrscht. Habe ich das Recht, ihre Geheimnisse auszugraben und auf Papier zu spießen wie zu Studienzwecken gesammelte Schmetterlinge oder Blätter?

Ich versuche mir vorzustellen, was man mit solchem – wohlfeil erworbenen – Wissen alles tun könnte, und das führt mich zu der Überlegung, was es mir eingebracht hat. Macht, Reichtum, die Liebe einer Frau?, frage ich mich selbstironisch. Weder die Gabe noch die alte Macht haben mir je das eine oder das andere verschafft. Oder falls doch, besaß ich weder den Verstand noch den Ehrgeiz, danach zu greifen.

Macht. Ich glaube nicht, dass ich je um ihrer selbst willen danach Verlangen hatte. Ich wünschte sie mir, wenn ich am Boden lag oder wenn andere, die mir nahestanden, unter der Willkür der Mächtigen leiden mussten. Reichtum. Darüber habe ich nie ernsthaft nachgedacht. Von dem Augenblick an, da ich, als sein illegitimer Enkelsohn, König Listenreich Gefolgschaft gelobt hatte, sorgte er für die Befriedigung all meiner Bedürfnisse. Ich hatte reichlich zu essen, mehr Ausbildung, als mir manchmal lieb war, Alltagskleidung genauso wie ärgerlich modisches Zeug, und oft genug standen mir dazu noch ein oder zwei Münzen zur freien Verfügung. In Bocksburg aufwachsen, das war Reichtum genug und mehr, als die meisten Jungen in Burgstadt für sich in Anspruch nehmen konnten. Liebe? Nun ja. Meine Stute Rußflocke hatte mich gern, auf ihre eigene, stoische Art. Ich hatte die anhäng­liche Treue eines Hundes namens Naseweis erlebt, und das brachte ihm den Tod. Ein Terrierwelpe schloss mich so sehr in sein Herz, dass auch er deshalb sterben musste. Mich schaudert bei dem Gedanken daran, was es kostete, mich zu lieben.

Mein Teil war die Einsamkeit dessen, der in einer Atmosphäre von Intrigen und berückenden Geheimnissen aufwächst, das Außenseitertum eines Jungen, der niemanden hat, dem er sich rückhaltlos anvertrauen kann. Undenkbar, zu Fedwren zu gehen, dem Hofschreiber, der mich für meine Schönschrift und meine sorgsam ausgeführten Illustrationen lobte, und ihm zu gestehen, dass ich bereits Lehrling des König­lichen Meuchelmörders war und deshalb nicht die Laufbahn eines Schreibers einschlagen konnte. Ebenso wenig konnte ich Chade, meinem Lehrer in der Diplomatie des gezückten Messers, anvertrauen, welch grausame Behandlung mir Galen, der Gabenmeister, als seinem Schüler angedeihen ließ. Und mit schon rein gar niemandem wagte ich über meine wachsende Gabe der alten Macht zu sprechen, die verpönte Tiermagie, die als widernatürlich galt, ein Makel für jeden, der davon Gebrauch machte.

Nicht einmal mit Molly konnte ich darüber sprechen.

Molly stellte für mich das Kostbarste dar, was es auf der Welt gibt: eine wirk­liche Zuflucht. Sie hatte nicht das Mindeste mit meinem Alltagsleben zu tun. Schon dass sie ein Mädchen war, machte sie zu etwas Besonderem. Ich wuchs fast ausschließlich in der Gesellschaft von Männern auf, nicht nur ohne Mutter und Vater, sondern auch ohne jeg­liche Blutsverwandte, die bereit gewesen wären, sich offen zu mir zu bekennen. Als Kind kam ich in die Obhut von Burrich, dem bärbeißigen Stallmeister, früher meines Vaters rechte Hand. Die Stallburschen und Wachsoldaten waren meine Gefährten. Damals wie heute dienten Frauen in der Garde, wenn auch nicht in gleich großer Zahl. Doch wie ihre männ­lichen Kameraden hatten sie ihre Pflichten und außerhalb des Dienstes ein Privatleben und Familie. Ich hatte kein Recht auf ihre Zeit. Ich hatte keine Mutter, keine Schwestern oder Tanten. Es gab keine Frauen, von denen ich die besondere Zärtlichkeit erfuhr, die angeblich nur Frauen zu geben vermögen.

Ich hatte keine Frau in meiner Nähe – außer Molly.

Sie war nur ein oder zwei Jahre älter als ich und wuchs heran wie ein grüner Baumtrieb, der sich zwischen Pflastersteinen hervorzwängt. Weder die Trunksucht und Brutalität ihres Vaters, eines Kerzenziehers, noch die Anstrengungen, die nötig waren, um den Anschein eines Heims und eines ordentlich geführten Geschäfts aufrechtzuerhalten, konnten sie zerbrechen. Als ich ihr das erste Mal begegnete, war sie so wild und misstrauisch wie ein junger Fuchs. Molly Blaufleck hieß sie bei den Straßenkindern, wegen der Spuren der Schläge, die sie von ihrem Vater bekam. Trotz allem liebte sie ihn, etwas, das ich nie verstehen konnte. Er murrte und schimpfte, selbst während sie ihn nach einer seiner Zechtouren nach Hause führte und zu Bett brachte. Und wenn er aufwachte, empfand er nicht die mindeste Reue...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2017
Reihe/Serie Die Chronik der Weitseher
Übersetzer Eva Bauche-Eppers
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Royal Assassin (The Farseer Trilogy 2)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Assassine • Bernhard Cornwall • eBooks • Epos • Fantasy • Für Leser von George R.R. Martin • George R.R. Martin • Heroische Fantasy • High Fantasy • Mörder • New York Times Besteller • New York Times Bestseller • Patrick Rothfuss • World Fantasy Award
ISBN-10 3-641-17760-X / 364117760X
ISBN-13 978-3-641-17760-7 / 9783641177607
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