Ziemlich beste Mütter (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 4. Auflage
352 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1402-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ziemlich beste Mütter -  Hanna Simon
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Wir können alles - außer Männer!

Marie zieht nach Berlin, als der Vater ihres Sohns ihr nach 6 Jahren und 24 Quartalsbeziehungen eröffnet, dass er die Winter-Freundin heiraten wird. Aber auch hunderte Kilometer von ihm entfernt ist das Leben nicht ganz so leicht. Florians Einschulung ist die Schulhof-Version von Hölle: nur überehrgeizige Super-Mamis. Gut, dass es da noch Alexa, Katrin und Olivia gibt. Zusammen kann man wunderbar die anderen perfekt sein lassen. Aber gelingt es ihnen auch, Katrin bei ihrem Kinderwunsch zu unterstützen, Alexas Bindungsangst zu besiegen, die Mobbing-Attacken gegen Florians Lieblingslehrerin abzuwenden und vor allem: für Marie endlich eine neue Liebe zu finden? Witzig, authentisch und mit hohem Identifikationspotential: vier Frauen unter Übermüttern.



Hanna Simon, 1970 in Bielefeld geboren, arbeitete lange Zeit als Projektleiterin. Deswegen schafft sie es auch immer, die großen und kleinen Familienkatastrophen zu ignorieren, abzuwenden oder aufzufangen - und das meistens sogar fast perfekt. Mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen lebt sie in der Nähe von Frankfurt am Main.

1. Kapitel


Mona Lisa

(Öl auf Pappelholz, 1503, Leonardo da Vinci)

»Hallo? Alles in Ordnung?«

Marie drehte sich zu dem Mann um, der ihr einen Becher mit dem knallbunten Emblem der Friedrich-Gottlieb-Klopstock-Grundschule reichte.

»Bitte?« Marie war irritiert.

»Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen. Ach, warten Sie, Sie wollten Ihren Kaffee ja mit Milch. Zucker gibt es hier leider nicht.« Er nahm ihr den Becher aus der Hand und hantierte mit einer dunkelbraunen Glasflasche.

Marie nickte etwas eckig. Sie strich eine Strähne ihres lockigen Haares hinter das Ohr und anschließend ihre Bluse glatt.

»Und?«, fragte der Mann weiter und strahlte sie an, als wäre Kaffeeverkauf auf einem Schulhof seine wahre Erfüllung.

»Bitte?« Sie mochte ihn schon jetzt nicht. Und schon gar nicht seine offenherzige Art, sie auszufragen.

»Heute Einschulung?«

»Ja, richtig. Mein Sohn wird heute eingeschult.« Marie nahm zum zweiten Mal den Becher entgegen.

»Wie schön! Willkommen an unserer Schule! Und der Mann da?« Er deutete auf den gutaussehenden Hünen, der gerade dem weißen Aston Martin mit britischem Kennzeichen entstieg und dessen Erscheinen Marie derart erschreckt hatte, dass es offensichtlich allen Umstehenden aufgefallen war. Sie räusperte sich und strich sich wieder eine Locke hinters Ohr, die da einfach nie bleiben wollte.

»Ihr Exmann, richtig?«

Marie spürte den Drang, weit, weit wegzulaufen. Vor dem Mann mit dem Kaffee – aber auch vor dem Aston Martin, zu dem sie jetzt wie unter Zwang hinüberschaute. Der Blick des Kaffeemannes folgte dem ihren, und so wurden sie gemeinsam Zeuge, wie eine bildschöne junge Frau in einem zitronengelben Etuikleid ausstieg.

»Hatten ihn wohl nicht hier erwartet, was? Und der bringt auch noch seine Neue mit.«

Marie nahm einen großen Schluck Kaffee, murmelte ein Danke und drehte sich um.

Bloß schnell weg von dieser Nervensäge.

»Trösten Sie sich, meine Exfrau geht mir auch immer auf die Nerven, das ist ganz normal«, rief er ihr hinterher.

Marie beschleunigte ihren Schritt, weg von dem Stand hinüber zu einer alten Linde. Sie war gleichzeitig wütend und verzweifelt.

»Zucker macht nicht glücklich«, sagte plötzlich eine verschüchterte Stimme hinter ihr. Marie drehte sich um. Ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, stand vor ihr, es trug ein T-Shirt mit einem kariösen Zahn darauf und hielt ihr einen Zettel hin. »Zucker macht nicht glücklich«, wiederholte es nun deutlich leiser. Marie nahm das zerknitterte Infoblättchen über gesunde Ernährung mit einem zerstreuten Kopfnicken entgegen.

»DIE ZUCKERPOLIZEI RÄT: KEINEN ZUCKER AM MORGEN! KEINEN ZUCKER AM ABEND!«, stand da in riesigen Lettern oben auf dem fotokopierten Faltblatt. »SCHMERZEN UND KARIES! ZUCKER GEFÄHRDET DIE GESUNDHEIT!« Es klang wie die Hinweise auf Zigarettenpackungen. Marie fuhr sich reflexartig mit der Zunge über ihre Schneidezähne.

»Handys machen nicht glücklich«, sagte nun eine andere, allerdings sehr dumpf klingende Stimme. Neben das Mädchen war ein großes Plüschhandy getreten, aus dessen Tastatur ein knallrotes, verschwitztes Gesicht linste. Wieder wurde Marie ein Flyer gereicht, dann trollten sich das Handy und der kariöse Zahn.

»UNSERE KINDER MÜSSEN GESCHÜTZT WERDEN! HANDYS MACHEN AGGRESSIV!«, stand da. Ein sehr böses Handy war darauf zu sehen, das mit einem Maul voller spitzer Zähne das Hirn eines Strichmännchens verspeisen wollte.

»Oh, Himmel!«, entfuhr es Marie. »Sind die alle hier so drauf?«

Das Plüschhandy und der unglückliche Zahn verbreiteten ihre furchteinflößenden Prophezeiungen derweil woanders. Marie musste kurz lächeln, als das plüschige Handy seinen Flyer einem Mann zusteckte, der gerade eifrig dabei war, seine Familie beim Warten auf die i-Männchen mit dem Smartphone zu filmen.

Irgendwie ein interessanter Gedanke, überlegte Marie. Was genau würden unsere strapazierten Zähne eigentlich zu uns sagen, wenn sie könnten? Über das, was wir essen und wie wir es essen. Und darüber, dass manche Leute offenbar meinten, ihr Lächeln müsse ein Alptraum in gebleachtem Hyperweiß sein? Oder die Handys, nachdem wir den ganzen Tag auf seinem Bauch rumgedrückt haben? Vielleicht: Ruf mich nicht an – ich ruf dich auch nicht mehr an?

Marie atmete durch und erinnerte sich wieder an ihr eigentliches Problem: Constantin war hier. Und mit ihm seine Verlobte Viola.

Marie hasste diesen seltsamen Gefühlswirrwarr, in den sie immer geworfen wurden, wenn sie auf den Vater ihres Kindes traf. Diese Mischung aus unüberlegter Freude und fiesem Schreck.

Warum hatte er sie denn nicht vorgewarnt? Er schrieb ihr doch sonst alles. Aber daran war sie wahrscheinlich selber schuld. Schließlich wusste er nichts vom Schrecken. Genauso wenig wie von der Freude. Wie viel weiter hätte sie eigentlich noch von ihm wegziehen müssen, damit genau solche Situationen nicht mehr passierten? Sie nippte an ihrem Kaffee und schaute auf die fotokopierten Flyer.

Was genau war von einer Schule zu halten, die die neuen Schüler derart bildgewaltig begrüßte? Bunte Horrorbilder? War nicht das Erwachsenenleben schlimm genug? Musste man schon so früh mit dem Fürchten beginnen?

Eigentlich sollte ich darüber lachen, dachte sie matt, wenn da nicht das Gefühl wäre, dass sie das alles vielleicht zu sehr auf die leichte Schulter nahm. War sie etwa zu fahrlässig in der Erziehung ihres Sohnes Florian?

»Irgendwie sehr skurril das Ganze hier«, flüsterte sie in den Kaffee. Skurril war ein äußerst treffender Ausdruck.

Schon die gestrige Veranstaltung war definitiv einer der skurrilsten Infoabende gewesen, die Marie je besucht hatte. Eigentlich war sie nur hingegangen, um ein bisschen Anschluss zu finden. Erst vor einem Monat war sie aus München hier in Berlin angekommen und kannte niemanden.

In der holzgetäfelten Aula der altehrwürdigen Schule hatten sich die Eltern aller vier ersten Klassen versammelt. Gut gekleidete Menschen, ernst und offenbar bestens untereinander vernetzt. Das lokale Maximum an Diskutierfreude, Kritikbereitschaft und Kennerschaft in allem, was die Erziehung so hergibt.

Für Marie klang es, als gebe es einen regelrechten Schwarzmarkt für die Handynummern der besten Kindermädchen, der besten Nachhilfelehrer (jetzt schon Nachhilfe?), aber auch für die Notfallnummern des Direktoriums. Marie hörte von irgendwoher eine Forderung nach Pausen-Yoga, um Haltungsschäden vorzubeugen.

»Was darf in die Schultüte, Karen? Da dürfen doch keine Süßigkeiten rein?«, fragte die Frau, die gerade Marie überholte auf der Suche nach einem freien Platz im Publikum.

»Keinesfalls! Ich werde eine elektrische Zahnbürste hineinlegen. Da wird sich der Lukas bestimmt freuen! Und natürlich ist die Schultüte kompostierbar!«

»Selbstverständlich!«

Marie beschlich ein leichtes Unwohlsein.

Diese Mütter schienen offenbar seit Generationen die besten Nachbarn, erfahrene Gesundheitsapostel und Erziehungsexperten zu sein und kannten jeden Lehrer beim Vornamen. Marie kannte nicht mal genau den Namen von Florians Klassenlehrer! Diese Übermacht an mütterlichem Wissen hier schien schon bei der Anmeldung nicht nur alle Namen von Freunden, sondern auch alle in Frage kommenden Lehrern angegeben zu haben. Durfte man das? Und wenn ja, wo?

Marie fühlte sich augenblicklich im Nachteil und etwas ausgeschlossen. Sie hatte sich in eine der hinteren Stuhlreihen gesetzt, um die Leute ungestört zu beobachten. Hier konnte sie sich auch in Ruhe darüber ärgern, dass sie ihr altes Lieblingskleid angezogen hatte. Hier trug man eindeutig Businesskleidung. Die Männer trotz Wärme Sakko, die Damen Hosenanzug, als wollten sie allesamt in die Politik gehen. Kinder sind Chefsache.

»Ich bestehe auf biodynamischem Essen in der Schulkantine! Sonst nehme ich unseren Tillmann gleich wieder von der Schule!«, ereiferte sich einer der Hosenanzüge.

»Wir sollten ein Probeessen arrangieren!«

»Du sagst es, meine Liebe!«

»Oh, wenn man nicht alles hinterfragt!«

»Ja, immer am Ball bleiben, sonst sind unsere Kinder die Leidtragenden.«

»Schlechtes Essen, schlechte Bildung, sag ich nur!«, grummelte ein Vater dazwischen. Die Umstehenden nickten todernst. Man setzte sich zum Glück weit weg von Marie.

Die atmete halbherzig durch. Dieses nahezu hysterische Gehabe war ihr fremd. Im heimatlichen Kindergarten war alles noch so locker gewesen, die anderen Mütter waren entspannt, das Essen solide, und die Eltern kamen gut aus mit den Erzieherinnen. Hier jedoch klang es, als wappneten sich die Eltern für eine pädagogische, biodynamische Schlacht gegen den Lehrkörper.

»Wir müssen da aufpassen! Sonst sind unsere Kinder sofort abgehängt! Keine Bildung, kein Job. Arbeitslos und drogenabhängig. Sofort.«

Himmel! Abgehängt von was? Ob Zucker schon eine Droge ist in Berlin?

Marie war ratlos. Lange hatte sie sich nicht mehr so...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2017
Reihe/Serie Wir können alles - außer Männer
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Benni-Mama • Berlin • Bindungsangst • Chaos • Freundinnen • Helikoptereltern • Humor • Kerstin Gier • Liebe • Liebesgeschichte • Mütter • Mütter-Mafia • Petra Hülsmann • Übermütter
ISBN-10 3-8412-1402-9 / 3841214029
ISBN-13 978-3-8412-1402-7 / 9783841214027
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