Into the Water - Traue keinem. Auch nicht dir selbst. (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
480 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-20932-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Into the Water - Traue keinem. Auch nicht dir selbst. -  Paula Hawkins
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Hüte dich vor der perfekten Fassade. Denn man weiß nie, was sich dahinter verbirgt.
»Bestsellerautorin Paula Hawkins spielt mit der menschlichen Angst.« Bunte

»Sehr intelligent gemacht, gut erzählt und ein richtig packender Spannungsroman auf der Höhe der Zeit.« Deutschlandradio Kultur Lesart

»Julia, ich bin's. Du musst mich anrufen. Bitte, Julia. Es ist wichtig ...« In den letzten Tagen vor ihrem Tod rief Nel Abbott ihre Schwester an. Julia nahm nicht ab, ignorierte den Hilferuf. Jetzt ist Nel tot. Sie sei gesprungen, heißt es. Julia kehrt nach Beckford zurück, um sich um ihre Nichte zu kümmern. Doch sie hat Angst. Angst vor diesem Ort, an den sie niemals zurückkehren wollte. Vor lang begrabenen Erinnerungen, vor dem alten Haus am Fluss, vor der Gewissheit, dass Nel niemals gesprungen wäre. Und am meisten fürchtet Julia das Wasser und den Ort, den sie Drowning Pool nennen ...

Paula Hawkins arbeitete fünfzehn Jahre lang als Journalistin, bevor sie mit dem Schreiben von Romanen begann. Sie wuchs in Simbabwe auf, 1989 zog sie nach London. Ihr erster Spannungsroman »Girl on the Train« wurde zu einem internationalen Phänomen und verkaufte sich weltweit 23 Millionen mal. Der Roman wurde in über 40 Sprachen übersetzt, führte weltweit die Bestsellerlisten an, wurde mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt und war ein großer Kinoerfolg. Auch ihre Romane »Into the Water« und »Wer das Feuer entfacht« sorgten internationale für Furore und begeisterten Millionen Leserinnen und Leser weltweit.

Dienstag, 11. August

Jules

Ich erinnere mich noch gut. Auf der Rückbank des Campers, mit einem Kissenstapel in der Mitte, der die Grenze zwischen deinem und meinem Territorium markierte, unterwegs nach Beckford in die Sommerferien, du ganz zappelig und aufgeregt – du konntest es gar nicht erwarten, endlich anzukommen –, ich grün im Gesicht vor Übelkeit. Ich gab mir alle Mühe, mich nicht zu übergeben.

Ich erinnerte mich nicht nur daran, ich spürte es. Heute Nachmittag spürte ich dieselbe Übelkeit, während ich übers Lenkrad gebeugt wie eine alte Frau gedankenverloren zu viel Gas gab, in den Kurven über die Straßenmitte zog, zu scharf bremste und das Lenkrad verzog, sobald mir ein Auto entgegenkam. Da war es wieder, dieses Gefühl, das mich jedes Mal überkommt, wenn ich auf einer dieser schmalen Straßen einen weißen Lieferwagen auf mich zuschießen sehe und mir denke, diesmal reiß ich das Steuer rum, diesmal tu ich’s, diesmal halt ich direkt darauf zu, nicht weil ich es will, sondern weil ich muss. So als würde im letzten Moment mein freier Wille ausgeschaltet. Es ist das gleiche Gefühl, wie wenn man oben auf einer Klippe oder am Rand des Bahnsteigs steht und zu spüren glaubt, wie man von einer unsichtbaren Hand nach vorn geschoben wird. Und wenn? Wenn ich wirklich einen Schritt nach vorn machen würde? Wenn ich wirklich kurz das Lenkrad verziehen würde?

(Du und ich sind gar nicht so verschieden.)

Am meisten setzte mir zu, wie gut ich mich erinnerte. Viel zu gut. Warum kann ich mich perfekt an alles erinnern, was ich mit acht Jahren erlebt habe, während ich mir beim besten Willen nicht merken kann, ob ich mit meinen Kollegen schon über die Verlegung eines Kliententermins gesprochen habe? Was ich im Gedächtnis behalten will, vergesse ich, und was ich um jeden Preis vergessen will, drängt sich immer wieder in den Vordergrund. Je näher ich Beckford kam, desto weniger konnte ich abstreiten, dass die Vergangenheit hier an allen Ecken aufflatterte wie Spatzen aus einer Hecke, ganz plötzlich und ohne dass ich ihr hätte entfliehen können.

Die üppige Vegetation, das unglaubliche Grün, das grelle, scharfe Gelb des Ginsters auf den Hügeln, all das brannte sich in mein Gehirn und weckte ein Kaleidoskop von Erinnerungen: wie ich mit vier oder fünf Jahren vor Freude kreischend und zappelnd von Dad ins Wasser getragen werde; wie du von den Felsen in den Fluss springst und von Mal zu Mal ein bisschen höher kletterst. Picknicks am sandigen Ufer des Drowning Pools, der Geschmack von Sonnencreme. Wie wir im trüben, schlammigen Wasser flussabwärts vom Mill House fette braune Fische angeln. Wie du mit einer blutenden Wunde am Bein nach Hause kommst, nachdem du dich bei einem deiner Sprünge verschätzt hast, und dir ein Geschirrtuch zwischen die Zähne klemmst, während Dad den Schnitt säubert, weil du auf gar keinen Fall weinen willst. Nicht vor mir. Wie Mum in ihrem hellblauen Sommerkleid barfuß in der Küche steht, die Fußsohlen dunkel rostrot, und Porridge zum Frühstück macht. Wie Dad am Flussufer sitzt und zeichnet. Wie du später, als wir schon älter sind, in Jeansshorts und mit einem Bikinioberteil unter dem T-Shirt aus dem Haus schleichst, um dich mit einem Jungen zu treffen. Nicht mit irgendeinem Jungen – mit dem Jungen. Wie Mum, jetzt sichtbar dünner und gebrechlicher, im Lehnsessel im Wohnzimmer schläft; wie Dad mit der dicken, bleichen Frau des Vikars, die immer einen Sonnenhut trägt, auf lange Spaziergänge verschwindet. Ich erinnere mich an ein Fußballspiel. Die heiße Sonne auf dem Wasser, die vielen Blicke, die auf mich gerichtet sind; wie ich, mit Blut am Schenkel, die Tränen wegblinzle und mir das Gelächter in den Ohren dröhnt. Ich kann es immer noch hören. Und unter allem das Rauschen des Wassers.

Ich war so tief drin in diesem Wasser, dass ich gar nicht merkte, wie ich mich meinem Ziel näherte. Auf einmal war ich da, im Herzen des Ortes; ganz plötzlich – als hätte ich nur kurz die Augen zugekniffen und mich mit Gedankenkraft dorthin versetzt – war ich angekommen, und ehe ich michs versah, fuhr ich langsam durch enge, mit Geländewagen vollgeparkte Gassen, gesäumt von rosafarbenen Mauern, die am Rand meines Blickfelds verschwammen. Erst in Richtung Kirche und von dort, vorsichtiger, weiter zur alten Brücke. Eisern starrte ich auf den Asphalt vor mir und versuchte, nicht auf die Bäume, nicht zum Fluss zu schauen. Ich versuchte es … aber vergeblich.

Ich lenkte den Wagen an den Straßenrand und schaltete den Motor aus. Dann sah ich auf. Dort waren die Bäume und hier die Steinstufen, vermoost und tückisch nach dem Regen. Sämtliche Härchen an meinem Körper stellten sich auf. Woran ich mich erinnerte: an den eisigen Regen, der auf den Asphalt trommelte, die zuckenden Blaulichter, die im Wettstreit mit den Blitzen den Fluss und den Himmel erhellten, Atemwolken vor verängstigten Gesichtern und den kleinen Jungen, der bibbernd und weiß wie ein Gespenst von einer Polizistin die Stufen zur Straße hinaufgeführt wurde. Daran, wie sie seine Hand umklammert hielt, wie sie sich mit großen, wilden Augen umschaute und den Kopf hin- und herwandte, während sie irgendwen rief. Noch heute kann ich fühlen, was ich damals fühlte, Grauen und Faszination zugleich. In meinem Kopf höre ich dich immer noch sagen: Wie das wohl sein muss? Kannst du dir das vorstellen? Zusehen zu müssen, wie deine eigene Mutter stirbt?

Ich wandte den Blick ab. Ich ließ den Motor wieder an, fuhr zurück auf die Straße und über die Brücke. Dahinter beginnt die Straße sich zu winden. Ich hielt nach der Kurve Ausschau – die erste links? Nein, die nicht. Die zweite. Da stand er, der alte braune Steinkoloss, das Mill House. Ein Prickeln, kalt und feucht, lief mir über den Rücken, und mein Herz schlug gefährlich schnell, als ich den Wagen durch das offene Tor in die Einfahrt lenkte.

Dahinter stand ein Mann und sah aufs Handy. Ein uniformierter Polizist. Schneidig trat er auf den Wagen zu, und ich ließ das Fenster runter.

»Ich bin Jules«, sagte ich. »Jules Abbott? Ich bin … ihre Schwester.«

»Oh.« Er wirkte verlegen. »Ja. Richtig. Natürlich. Sehen Sie«, er wandte sich zum Haus um, »im Moment ist niemand da. Das Mädchen … Ihre Nichte … ist weggefahren. Ich weiß nicht genau, wohin …« Dann zog er das Funkgerät von seinem Gürtel.

Ich drückte die Tür auf und stieg aus. »Ist es in Ordnung, wenn ich reingehe?«, fragte ich. Ich sah hoch zu dem offenen Fenster, das zu deinem alten Zimmer. Ich konnte dich immer noch auf dem Fenstersims sitzen und mit den Beinen baumeln sehen. Zum Übelwerden.

Der Polizist wirkte unschlüssig. Er kehrte mir den Rücken zu und sprach leise in sein Funkgerät, dann drehte er sich wieder um. »Ja, in Ordnung. Sie können reingehen.«

Ohne hinzusehen, stieg ich die Stufen hoch, aber dafür hörte ich das Wasser und roch die Erde, die Erde im Schatten des Hauses, unter den Bäumen, an den von der Sonne unberührten Flecken, den beißenden Gestank des verrottenden Laubs, und dieser Geruch versetzte mich um Jahrzehnte zurück.

Als ich die Haustür aufschob, rechnete ich fast damit, meine Mutter aus der Küche rufen zu hören. Intuitiv war mir klar, dass ich die Tür an der Stelle, wo sie über den Boden schrammt, mit der Hüfte anheben musste. Ich trat in den Flur, schloss die Tür hinter mir und zitterte in der plötzlichen Kälte, während ich versuchte, mich im Halbdunkel zu orientieren.

In der Küche stand ein Eichentisch direkt vor dem Fenster. Derselbe? Er sah fast so aus, aber es konnte nicht derselbe sein, das Haus hatte zwischen damals und jetzt zu oft den Besitzer gewechselt. Ich hätte mich vergewissern können, wenn ich unter den Tisch gekrabbelt wäre und nach den Markierungen gesucht hätte, die wir dort hinterlassen hatten, doch allein bei dem Gedanken begann mein Herz, schneller zu schlagen.

Ich weiß noch, wie morgens die Sonne auf den Tisch schien und dass man, wenn man auf der linken Seite mit dem Gesicht zum mächtigen Herd saß, freien Blick auf die perfekt eingerahmte alte Brücke hatte. Zauberhaft, nannten alle den Ausblick, aber niemand sah wirklich hin. Niemand machte das Fenster auf und beugte sich raus und schaute hinunter auf das festsitzende Mühlrad, das langsam verrottete, alle ließen sich von den auf der Wasseroberfläche spielenden Sonnenstrahlen blenden, keiner sah, wie das Wasser tatsächlich war: grünlich schwarz und voller lebender und sterbender Dinge.

Aus der Küche hinaus in den Flur, an der Treppe vorbei, tiefer ins Haus hinein. Ich stand so unvermittelt davor, dass ich fast zurücktaumelte: die riesigen Panoramafenster zum Fluss hin – nein, eher in den Fluss, so als würde das Wasser über die breite, gepolsterte Fensterbank strömen, sobald man die Flügel öffnete.

Ich erinnere mich noch gut. Sommer für Sommer, Mum und ich auf dieser Fensterbank, mit dicken Kissen im Rücken, die Beine angezogen, die Zehen fast aneinander, mit einem Buch auf den Knien. Ein Teller mit Knabberzeug in Reichweite, obwohl sie ihn nie anrührte.

Ich musste mich abwenden; der Anblick schnürte mir die Kehle zu.

Der Putz war von den Wänden geschlagen worden, sodass die nackten Ziegel freilagen, und alles an der Einrichtung warst unverkennbar du: Orientteppiche auf dem Boden, schwere Ebenholzmöbel, ausladende Sofas und Ledersessel und zu viele Kerzen. Und überall Zeugnisse deiner Obsessionen: riesige gerahmte Drucke, Millais’ Ophelia, wunderschön in ihrer stillen Heiterkeit, Augen und Mund geöffnet, die Blumen fest in der Hand. Blakes Dreifache Hekate, Goyas...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2017
Übersetzer Christoph Göhler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Into the Water
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Bestseller • eBooks • England • Familie • Fluss • Girl on the train • Mord • New York Times Bestseller • Psychothriller • Schwester • Spannung • spiegel-besteller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Täuschung • Thriller • Wasser
ISBN-10 3-641-20932-3 / 3641209323
ISBN-13 978-3-641-20932-2 / 9783641209322
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