Briefwechsel (eBook)
816 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403226-9 (ISBN)
Heinrich Mann, 1871 in Lübeck geboren, begann nach dem Abgang vom Gymnasium eine Buchhhandelslehre, 1891/92 volontierte er im S. Fischer Verlag. Heinrich Mann hat Romane, Erzählungen, Essays und Schauspiele geschrieben. 1933 emigrierte er nach Frankreich, später in die USA. 1949 nahm er die Berufung zum Präsidenten der neu gegründeten Akademie der Künste in Ost-Berlin an, starb aber 1950 noch in Santa Monica/Kalifornien.
Heinrich Mann, 1871 in Lübeck geboren, begann nach dem Abgang vom Gymnasium eine Buchhhandelslehre, 1891/92 volontierte er im S. Fischer Verlag. Heinrich Mann hat Romane, Erzählungen, Essays und Schauspiele geschrieben. 1933 emigrierte er nach Frankreich, später in die USA. 1949 nahm er die Berufung zum Präsidenten der neu gegründeten Akademie der Künste in Ost-Berlin an, starb aber 1950 noch in Santa Monica/Kalifornien.Thomas Mann, 1875 – 1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.Katrin Bedenig, die über Thomas Manns Verhältnis zu den bildenden Künsten promoviert hat, ist Präsidentin der Thomas-Mann-Gesellschaft Zürich und seit 2012 Leiterin des Thomas-Mann-Archivs an der ETH Zürich. Sie ist Mitherausgeberin des Thomas-Mann-Jahrbuchs und hat gemeinsam mit Franz Zeder den Briefwechsel Thomas Manns mit Stefan Zweig herausgegeben.Hans Wißkirchen, der über die Romane »Der Zauberberg« und »Doktor Faustus« promovierte, war entscheidend am Aufbau des Buddenbrookhauses zu einer Gedenk- und Forschungsstätte beteiligt und ist heute als Direktor der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck für die Museen der Stadt verantwortlich. Er ist Präsident der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft und Honorarprofessor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität zu Lübeck. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Familie Mann geschrieben und ist Mitherausgeber des Thomas-Mann-Jahrbuchs.
Die meist herrlich gespreizte Korrespondenz der Schriftsteller ist eine literarische Berühmtheit, das unvergleichliche Zeugnis der deutschen Gesellschafts- und Geistesgeschichte und auch des deutschen Verhängnisses.
Briefwechsel
Lieber Heinrich:
Dies ist ein Gratulationsbrief. Es ist also wahr, man kann Erfolg haben! Mir wird eine zweite Auflage (und wer weiß, was in der Zeiten Hintergrunde schlummert) wohl niemals blühen, aber erquickend ist der Gedanke doch. Ich bekam wahrhaft eine Art von Schreck, als ich die Kunde vernahm. In 1½ oder 2 Wochen 2000 Exemplare! Herzlichen Glückwunsch und möge es so weiter gehen. Alle 14 Tage 600 M, das wäre doch eine ganz hübsche Leibrente. Ich beginne auch an das grüne Häuschen zu glauben.
Ich bin in diesen Tagen ebenfalls ein wenig berühmt; aber nicht so arg. Piepsam hat allseitig Erschütterung hervorgerufen. Ich habe Lobschreiben und Bekanntschaftsanträge in Händen und höre, daß in der Redaktion sogar Büchersendungen begeisterter Schriftsteller meiner warten. Das Bewußtsein, gewirkt zu haben ist doch süß; aber das Bedürfnis, einen etwas größeren Styl in diese Wirksamkeit zu bringen, wird nur immer stärker dadurch.
Wie Du siehst, bin ich bereits invalid und zwar so gründlich, daß ich, nachdem ich 8 Tage in der Kaserne revierkrank gelegen, am Sonntag hierher geschafft worden bin. Es handelt sich um meinen rechten Fuß, der, was ich niemals geahnt, ein Plattfuß ist und durch die Parademarsch-Exercitien sehr schlimm geworden ist. Im Übrigen sei er viel tausendmal gesegnet, denn wie die jungen Ärzte mir sagen, wird er wahrscheinlich Herrn Dr. von Staat nötigen, mich nach ungefähr 8 Wochen wieder zu entlassen. Ich müsse nur, fügen sie mit vertraulicher List hinzu, immer wieder Schmerzen darin bekommen. Es sind zwei liebenswürdige junge Leute, die täglich im Gefolge des Oberarztes 2mal zu Besuch kommen, meine Werke kennen und stets sehr artig sind.
Überhaupt bin ich hier entschieden lieber, als in der Kaserne. Es ist ja langweilig, und ich bin matt vom vielen Liegen; aber durch Grautoff, der in diesen schlechten Tagen den Liebesboten zwischen mir und der Freiheit macht, bin ich mit Lektüre wohl versorgt und studire sogar meinen Savonarola als ob ich zu Hause wäre. Die Verpflegung ist ein bischen derb, aber solid und gut.
Man wird wohl Alles thun, um mich der Armee zu erhalten. Ich soll zunächst einige Tage ruhen und dann eine Art von Druck-Verband bekommen, der die Stellung des Fusses corrigiren soll. Wer weiss, ob das gelingt und wie lange es dauert. Wäre ich gesund, so könnte ich von heute an schon zu Hause wohnen. Ich muss mich gelegentlich vorsichtig umhören, wie es aufgenommen würde, wenn ich Privatbehandlung beantragte.
Wie ist es mit Dir? Ich schreibe aufs Gerathewohl nach Riva, ohne zu wissen, ob Du noch dort bist. Mama schrieb mir neulich, Du hättest Lust, gleich wieder nach München zu kommen. Warum auch nicht? Es ist kühl hier, aber sonst nicht übel. Mein leeres Zimmer steht Dir zur Arbeit frei.
Ich bin sehr neugierig, wie meine Angelegenheit sich abwickeln wird. Der dumme Herr, der mich für tauglich erklärte, hat den Fuss einfach übersehen. Mit dem nachträglichen Freispruch sind die Leute deshalb immer sehr schwerfällig, weil sie sich fürchten, Schadenersatz zahlen zu müssen. Man muss, glaube ich, schriftlich auf Alles derartige verzichten. Mein Schaden würde immerhin ungefähr 500 Mark betragen. Aber hübsch wäre es doch, wenn ich schon dieses Frühjahr meine Studienfahrt nach Florenz machen könnte!
Holitscher lässt Dich grüssen. Er hat mir seinen »Vergifteten Brunnen« dedicirt und mir sehr dankbar über den »Weg zum Friedhof« geschrieben. Ich habe ihn beauftragt, ein Exemplar des betr. Simplicissimus an Fischer zu schicken und gleichzeitig um Nachricht über »Buddenbrooks« zu bitten. Ich weiß noch immer nichts über das Schicksal dieser ehrenwerthen Familie. Gute Kunde würde mir gerade augenblicklich sehr wohlthun. Fischer sollte das Buch nur nehmen wie es ist. Des litterarischen Erfolges bin ich sicher; der buchhändlerische wird wohl gleich Null sein und der pekuniäre für mich ebenfalls, obgleich Mama mir neulich strenge Weisung gegeben hat, 1000 Mark zu verlangen.
Herzlichen Gruss und schreibe mir mal hierher.
Dein T.
Lieber Heinrich:
Besten Dank für Deine Briefe, die ich, trotzdem Dr. von Staat es längere Zeit zu verhindern suchte, schliesslich beide richtig erhalten habe, sowie für die Ferrarenser Karte mit dem Denkmal, die mich ganz besonders erfreut hat. Die Figur ist sehr anregend. Könntest Du nicht eine größere Photographie davon ausfindig machen und sie mir als Rolle schicken – in die Herzogstrasse, denn für dies Mal werde ich nun doch wohl nicht mehr lange hier sein.
Mit meinen Füssen steht es im Prinzip noch unverändert. Die Wasserglas-Verbände (ein Ersatz für Gips) sind ihnen abgenommen, und sie werden, da die Entzündung noch nicht ganz gewichen ist, nun wieder mit nassen Umschlägen behandelt. Aber sie sind verbaut und werden es bleiben; und darum möchte ich nun bald wieder zum Dienst entlassen werden, damit sie nach den ersten Übungen prompt wieder versagen. Man will zwar, dass ich mir, für schweres Geld, federnde Plattfuss-Einlagen oder gar besonders construirtes Schuhzeug anschaffen soll; aber wenn man mich nicht unmittelbar dazu zwingt, so werde ich das nicht thun, denn ich bin der Meinung, dass der nicht felddienstfähig ist, der durch irgend einen Apparat seine Gliedmassen corrigiren muss, und ich denke, diese Ansicht werde ich zur Geltung bringen können. Wann? Das kann ich natürlich nicht sagen; aber es wäre sehr hübsch, wenn ich schon zu Weihnachten frei würde, und ich würde dann wahrhaftig gern bald nach Florenz übersiedeln, um das Nöthige an Ort und Stelle zu lesen. Aber leider sind wir ja noch nicht so weit, und es fragt sich auch noch, was ich mit meiner Wohnung, resp. mit meinen Möbeln anfangen würde. Doch das findet sich leicht, wenn ich, erst wieder im schlichten Rock des freien Mannes einhergehe.
Das, was Du über unser Verhältnis zum Publikum und unsere Erfolgsarten schriebst, stimmte mich sonderbar wehmüthig. Es ist wahr, alle Wirkungen sind im Grunde verfehlt, und befriedigen können Einen Erfolge eigentlich nur, wenn man eitel ist, was ich zum Glück ein bischen bin. Aber so wie Du den Erfolg des »Schlaraffenl.« schilderst, ist es nun sicher doch nicht beschaffen. Wissbegierige Schüler und Commis sind natürlich auch unter Deinen Lesern; aber der Hauptreiz für das Publikum besteht doch, glaube ich, nicht so sehr im Erotischen als in dem Satyrischen und Sozial-Kritischen, wofür man ja jetzt in Deutschland merkwürdig empfänglich ist. Die rein artistischen Bemühungen natürlich gehen verloren, aber das Gesellschaftlich-Satyrische ist doch eine bedeutend edlere Wirkung, als das Geschlechtliche.
Ich bin jetzt übel daran, denn die Sorgen, die »Buddenbrooks« mir machen, scheinen jetzt, da sie fertig sind, erst recht zu beginnen. Fischer schrieb mir, nachdem er die erste Hälfte gelesen und also noch keine Ahnung hatte. Nach einigen Elogen und Einwänden kommt er zu dem Schluss, dass er, wenn ich das Buch auf die Hälfte zusammenstreichen wollte, sehr geneigt sei, es zu verlegen. Über dieses Bubenstück von einer Zumuthung ist erselbst gleich darauf so erschrocken, dass er es »ungeheuerlich« nennt und beinah um Verzeihung bittet; aber als Verleger könne er nicht anders sprechen. Die traurige Sache ist ja die, dass der Roman über 1000 Seiten bekommen wird, nur in 2 Bänden erscheinen kann, 8 bis 10 Mark kosten und also unter den heutigen Umständen recht, recht unverkäuflich sein wird. Dennoch klammere ich mich daran, dass das Buch erscheint, wie es ist, denn, vom künstlerischen Gewissen nicht zu reden, fühle ich einfach nicht die Kraft, noch einmal die Feder daran zu setzen. Ich habe es mit äusserster Anstrengung zu Ende geschrieben und will nun endlich Ruhe davor haben, um mich mit anderen Dingen beschäftigen zu können. In meinem ausführlichen Antwortschreiben an Fischer, habe ich mich denn auch entschieden geweigert, das Buch zusammenzustreichen, mich aber im Übrigen sehr nachgiebig und resignirt gezeigt. Ich bin, wie die Dinge liegen, bereit, jeden Contract zu unterschreiben, der auch nur den Anschein wahrt, alsob ich die Arbeit dreier Jahre nicht einfach verschenkte. Er soll einen componiren, der ihn einigermassen sicher stellt, der die Honorirung beschränkt, bedingt, verschiebt, der z.B. bestimmt, dass mir ein eventueller Verlust seinerseits von späteren Honoraren abgezogen werden soll. Aber er soll das Buch bringen, wie es ist. Zwischen langwierig und langweilig ist doch noch ein Unterschied! Ein zweibändiger Roman ist doch auch heute noch keine unbedingte Unmöglichkeit! Und dann habe ich ihm gesagt, dass der Roman ja keineswegs das letzte Buch ist, das ich ihm geben werde, und dass schliesslich Alles darauf ankommt, ob er – auch als Kaufmann – ein bischen an mein Talent glaubt und ein für alle Mal dafür eintreten will oder nicht. Ich muss nun wieder geduldig warten, bis er die Geschichte zu Ende gelesen hat und abermals schreibt. Aber die Sache ist schwierig, schwierig und droht einen schlechten Gang zu nehmen. Es wäre sehr traurig, wenn ich mit dem Buche sitzen bliebe; ich fühle schon jetzt, wie mich das am Weiterproduziren...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2021 |
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Zusatzinfo | Mit 16 farbigen Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Schlagworte | Amerika • Briefe • Brüder • Bruderzwist • Buddenbrookhaus • Erster Weltkrieg • Erweiterte Ausgabe • Exil • Familie • Familie Mann • Feindschaft • Frankreich • Hans Wißkirhcen • Heinrich Mann • Katrin Bedenig • Korrespondenz • Literatur • Neue Briefe • Neuedition • Neue Dokumente • Politik • Postkarten • Schriftsteller • Thomas Mann • Thomas-Mann-Archiv • Versöhnung |
ISBN-10 | 3-10-403226-2 / 3104032262 |
ISBN-13 | 978-3-10-403226-9 / 9783104032269 |
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