Der große Plan (eBook)
448 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31717-6 (ISBN)
Wolfgang Schorlau lebt und arbeitet als freier Autor in Stuttgart. Neben den zehn Dengler-Krimis »Die blaue Liste«, »Das dunkle Schweigen«, »Fremde Wasser«, »Brennende Kälte«, »Das München-Komplott«, »Die letzte Flucht«, »Am zwölften Tag«, »Die schützende Hand«, »Der große Plan« und »Kreuzberg Blues« hat er die Romane »Sommer am Bosporus« und »Rebellen« veröffentlicht - und zusammen mit Claudio Caiolo die Venedig-Krimis um Commissario Morello. 2006 wurde er mit dem Deutschen Krimipreis, 2012 und 2014 mit dem Stuttgarter Krimipreis sowie 2019 mit dem Stuttgarter Ebner-Stolz-Wirtschaftskrimipreis ausgezeichnet.
Wolfgang Schorlau lebt und arbeitet als freier Autor in Stuttgart. Neben den zehn Dengler-Krimis »Die blaue Liste«, »Das dunkle Schweigen«, »Fremde Wasser«, »Brennende Kälte«, »Das München-Komplott«, »Die letzte Flucht«, »Am zwölften Tag«, »Die schützende Hand«, »Der große Plan« und »Kreuzberg Blues« hat er die Romane »Sommer am Bosporus« und »Rebellen« veröffentlicht – und zusammen mit Claudio Caiolo die Venedig-Krimis um Commissario Morello. 2006 wurde er mit dem Deutschen Krimipreis, 2012 und 2014 mit dem Stuttgarter Krimipreis sowie 2019 mit dem Stuttgarter Ebner-Stolz-Wirtschaftskrimipreis ausgezeichnet.
2. Freunde
»Bin ich froh – heute Abend sind hier keine Gäste, sondern nur Freunde«, sagte Mario und entkorkte eine Flasche Barolo. »Glaubt mir: Ich habe eine harte Zeit hinter mir.«
Zu fünft saßen sie um Marios Wohnzimmertisch. Dengler und Olga saßen auf der rechten Seite des Tisches, Martin Klein und Leopold Harder auf der linken, Mario thronte am Kopfende. Normalerweise aßen an diesem Tisch zahlende Gäste. Marios Wohnzimmer war unter dem Namen Einzimmertafel St. Amour in Stuttgart ein heiß begehrter Treff. Künstler und Geschäftsleute mieteten sich mit ihren Freunden oder ihren Familien bei ihm für einen Abend ein, und dann kochte Mario. Dengler fand, das Essen an diesem Tisch schmeckte so gut wie in den besten Restaurants der Stadt.
Seit mehr als zehn Jahren war er nun selbstständiger Privatermittler und mit der Ausnahme seines letzten Falles, der ihm für einige Monate etwas Geld auf das Konto gespült hatte, war er in dieser Zeit mehr oder weniger – und eigentlich immer – pleite, und sein Konto kam aus dem Minus ebenso wenig heraus wie der Hamburger SV aus der Abstiegszone.
Doch an Marios Tisch verflogen Denglers Sorgen. Immerhin war die schönste Frau, der er je begegnet war, in dieser Zeit seine Freundin geworden. Von seinen Freunden hatte keiner eine Freundin. Sonja hatte Mario vor einem Jahr verlassen, und seit dieser Zeit hatte sich nur hin und wieder ein weibliches Wesen in sein Bett verirrt, aber keine blieb länger als zwei, drei Nächte. Martin Klein mied weibliche Bekanntschaften, seit der schrecklichen Enttäuschung, die er während ihrer Ermittlungen rund um das Attentat auf das Münchner Oktoberfest erlebt hatte. Und Leopold Harder war, was Liebesbeziehungen anging, ein ganz großes Rätsel. Er sprach nie darüber, und alle Nachfragen in diese Richtung wehrte Harder immer äußerst geschickt ab.
Wie auch immer: Dies war seine Familie. In diesem Kreis fühlte er sich aufgehoben und verstanden. In Marios Wohnzimmer fühlte er sich zu Hause.
Mario schenkte ihnen ein, stellte die Flasche zurück und verkündete feierlich: »Georg wird jetzt reich.«
»Er hat den Berliner Auftrag bekommen«, sagte Martin Klein.
»Er arbeitet jetzt für die höchsten Stellen«, sagte Leopold Harder.
»Darauf sollten wir trinken«, sagte Mario und hob das Glas. »Wir trinken auf Georgs ruhmreiche Zukunft.«
»Auf den Durchbruch des Privatermittlers Georg Dengler«, sagte Martin Klein.
»Auf den künftigen Spender vieler Flaschen Barolo«, sagte Leopold Harder.
»Freunde, daraus wird nichts«, sagte Georg Dengler.
Olga drehte sich zu ihm hin. »Daraus wird nichts?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Georg Dengler. »Ich muss den Auftrag ablehnen.« Er sah in die erstaunten Gesichter seiner Freunde. »Es ist so«, Georg blickte auf einen imaginären Punkt vor sich auf dem Tisch, »der Außenminister denkt, ich hätte ein Büro in Berlin, das den Kontakt zu dieser Hofschranze im Ministerium hält. Aber ich habe kein Berliner Büro. Ich bin eine Einmannband. Kein Berliner Büro, kein Berliner Auftrag.«
»Mensch, sei doch nicht blöd«, sagte Mario. »Dann miete doch etwas in Berlin. Die müssen doch nicht wissen, dass das Büro ganz neu ist.«
»Okay, Freunde, ich muss deutlicher werden: kein Geld, kein Geld für ein Berliner Büro, kein Berliner Auftrag. So ist die Lage.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte Leo Harder.
»Großer Mist«, sagte Martin Klein.
»Damit kannst du dich doch nicht abfinden«, sagte Mario.
»Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, sagte Olga.
»Wir legen alle zusammen!«, rief Leo Harder.
»Es reicht ja eine Mansarde«, sagte Mario.
»Muss ja nicht in der Friedrichstraße sein«, sagte Martin Klein.
»Olga, was meinst du damit: ›Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen‹?«, fragte Georg Dengler.
Sie warf ihm eine Kusshand zu. »Später«, sagte sie leise.
»Ich habe ein paar Ersparnisse. Ich könnte dir zwei Monatsgehälter leihen«, sagte Leopold Harder.
Mario: »Ich hab auch ein bisschen was auf die Seite gelegt. Du kannst darüber verfügen. Aber es sind nicht mehr als 3.000 Euro. Und du, Martin, was kannst du in die Mitte werfen?«
Martin Klein sah in die Runde. »Nichts«, sagte er.
»Seit wie vielen Jahrhunderten veröffentlichst du deine Horoskope? Du hast doch bestimmt einen dicken Sparstrumpf«, sagte Mario.
»Den rückst du jetzt raus«, sagte Leopold Harder.
»Es gibt keinen Sparstrumpf«, sagte Martin Klein. »Ihr wisst doch, vor Kurzem wurde die Stuttgarter Sonntagszeitung eingestellt.«
»Genau«, sagte Mario, »wir haben noch gar nicht darüber gesprochen. Wovon lebst du denn jetzt?«
»Das, meine lieben Freunde, ist exakt das Problem, das mich am meisten beschäftigt«, sagte Martin Klein. »Seit fünfzehn Jahren schreibe ich für die Sonntagszeitung das Wochenhoroskop – und von einem Tag auf den anderen …« Er hob beide Hände und ließ sie in den Schoß fallen. »Schluss, einfach Schluss.«
»Und wie sieht es mit den Frauenzeitschriften aus?«, fragte Georg Dengler. »Du hast doch auch immer Horoskope in der Cosmopolitan, in der Elle, in der Vogue und wie die Blätter nicht alle heißen, geschrieben.«
»Weil du so ein Frauenversteher bist, wie wir alle wissen«, sagte Leopold Harder.
Mario hob das Glas und sang: »Ich breche die Herzen der stolzesten Frauen …«
Olga sagte: »Leute, das ist nicht lustig … Ihm ist nicht zum Lachen zumute.«
»Absolut nicht«, sagte Martin Klein. »Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergehen soll. Für die Frauenmagazine schreibe ich nur einmal im Jahr. Die Jahreshoroskope, ihr wisst schon. Aber diese Honorare retten mich auf Dauer nicht vor dem Verhungern.«
»Kein Geld«, sagte Mario.
»Noch nicht einmal ein Sparstrumpf«, sagte Leo Harder.
Olga legte Martin Klein eine Hand auf den Arm.
»Wir lassen dich nicht hängen«, sagte Georg Dengler.
Mario tippte und wischte auf seinem Handy herum.
Leo Harder sagte: »Wir sammeln nicht für Georg, sondern für dich.«
»Auf jeden Fall«, sagte Mario, »lassen wir dich nicht verhungern. Ein Gläschen guten Weines gibt es für dich hier immer und eine Suppe auch.« Er griff erneut nach seinem Handy.
Klein lachte und hob sein Glas. »Auf die Freundschaft«, sagte er.
»Auf die Freundschaft!«, sagten die anderen im Chor. In diesem Augenblick klingelte es.
Mario sprang auf. »Das wird Anita sein. Ich habe morgen zwanzig Gäste, und sie wird die Speisen auftragen. Ich muss ihr kurz zeigen, wo alles ist – das Besteck, die Teller, die Gläser.«
Kurz darauf kam er mit einer blonden Frau zurück. »Darf ich euch vorstellen: die beste Bedienung auf diesem Planeten.« Dann überprüfte er erneut sein Handy.
Dengler blickte auf und beobachtete Anita, wie sie ihren langen, breiten Wollschal ablegte. Schulterlange, krause Haare. Unter dem blauen, dicken Wintermantel trug sie ein luftiges schwarzes Kleid mit Blumenmotiven, eine schwarze Strumpfhose und klobige Schuhe, die Dengler an Bergstiefel erinnerten. Sie hob die Hand und winkte ihnen zu: »Hallo, ich bin Anita.«
»Setz dich zu uns«, sagte Leo Harder und stand auf. »Du erhöhst die Frauenquote um hundert Prozent.«
Anita zog einen Stuhl heran und setzte sich neben Mario. »Ich freue mich sehr, endlich mal Marios Freunde kennenzulernen. Er erzählt immer von euch. Wer ist denn der Detektiv in der Runde?«
Dengler hob die Hand.
Anita sah kurz zu ihm hin und schien enttäuscht. »Ich dachte, du seist es«, sagte sie zu Leo Harder, der geschmeichelt lächelte.
Mario tippte eine Nachricht in sein Handy.
»Du, Mario«, sagte Anita, »das ist extrem unhöflich. Die ganze Zeit beschäftigst du dich mit deinem Handy, während deine Freunde da sind.«
»Da sind wir von ihm durchaus Schlimmeres gewohnt«, sagte Martin Klein.
»Das ist ja noch ganz harmlos«, sagte Georg Dengler.
»Was tippst du denn die ganze Zeit?«, fragte Anita.
»Ah, ich guck gerade, ob eine neue Nachricht von Parship da ist.«
Anita prustete los. »Du?! Du bist bei einem Partnerschaftsportal? Ich glaub’s ja nicht.«
»Doch, das glaube ich sofort …«, murmelte Martin Klein.
»Nee, sag mal echt: Wieso bist du denn bei Parship?«, fragte Anita.
»Wie soll ich denn sonst jemand kennenlernen?«, fragte Mario. »Frühmorgens gehe ich in den Großmarkt und kaufe ein, nachmittags koche ich, und abends sind die Gäste da.«
»Und wenn die Gäste gehen, ist er zu erschöpft für die Liebe«, sagte Martin Klein.
»Keine Libido mehr«, sagte Olga.
Dengler setzte zu einer Äußerung an, doch dann schwieg er.
»Das glaub ich nicht«, sagte Anita. »Dem Mario laufen doch die Frauen hinterher.«
»Das seht ihr völlig falsch!«, sagte Mario. »Ihr habt keine Ahnung. So, wie ich arbeite, lerne ich wirklich niemanden kennen.«
»Aber du kennst doch mich. Mich hast du doch auch kennengelernt«, sagte Anita.
»Ja, was für ein Glück«, sagte Martin Klein.
Olga zog...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2018 |
---|---|
Reihe/Serie | Dengler ermittelt |
Dengler ermittelt | Dengler ermittelt |
Zusatzinfo | 2 s/w Fotos |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 9. Fall • Die schützende Hand • EU-Europäische Union • Eurogruppe • Georg Dengler • grexit • Griechenlandrettung • Großbanken • Schuldenkrise • Troika |
ISBN-10 | 3-462-31717-2 / 3462317172 |
ISBN-13 | 978-3-462-31717-6 / 9783462317176 |
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