Stimme der Toten (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
560 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-17158-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stimme der Toten -  Elisabeth Herrmann
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Judith Kepler ist Tatortreinigerin. Sie wird gerufen, wenn der Tod Spuren hinterlässt, die niemand sonst beseitigen kann. In einem großen Berliner Bankhaus ist ein Mann in die Tiefe gestürzt. Unfall oder Selbstmord? Judith entdeckt Hinweise, die Zweifel wecken. Als sie die Polizei informiert, ahnt sie nicht, welche Lawine sie damit lostritt: Sie gerät ins Visier einer Gruppe von Verschwörern, die planen, die Bank zu hacken. Ihr Anführer ist Bastide Larcan, ein ebenso mächtiger wie geheimnisvoller Mann, der Judith zur Zusammenarbeit zwingt. Denn er kennt Details aus ihrer Vergangenheit, die für sie selbst bis heute im Dunklen liegen. Und in Judith keimt ein furchtbarer Verdacht - kann es sein, dass Larcan in die Ermordung ihres Vaters verstrickt war? Sie weiß, sie wird nicht ruhen, bis sie endlich die Wahrheit erfährt, was als Kind mit ihr wirklich geschah ...

Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.

Prolog

Berlin-Biesdorf, August 2010

Mit einem lauten Knall explodierte die Fensterscheibe. Risse durchzogen das Glas wie ein riesiges Spinnennetz. Wieder ein Knall. Judith konnte sich nicht schnell genug ducken. Die Scheibe des Aquariums zersprang in tausend Splitter, sie zerfetzten Kleider und Haut, und bevor sie mit Kaiserley zu Boden
geschleudert wurde, sah sie für den Bruchteil einer Sekunde das Wasser wie eine Säule im Raum stehen. Noch im Fallen ergoss sich eine einzige meterhohe Welle ins Zimmer. Kaiserley und sie prallten auf den Couchtisch, dann auf den Boden. Die Pistole wurde ihr durch die Wucht des Aufschlags aus der Hand geschleudert und landete außer Reichweite unter der Couch. Ein weißer Fisch schlug direkt neben Judiths Gesicht auf. Er zappelte und schnellte wie verrückt nach oben. Kaiserley presste seine Hand auf ihren Mund. Er war klatschnass, Wasser rann aus seinen Haaren auf sie herab. Judiths Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie schnappte genauso verzweifelt nach Luft wie der Fisch neben ihr.

Dann war es still. Ein letztes Klirren, es tropfte in die Pfützen auf den Boden. Gegenüber, keinen Meter entfernt, hinter dem Couchtisch, lag Merzig. Blut strömte über sein Gesicht. Er zuckte. Und das Funkeln in seinen Augen war nicht mehr der Widerschein seiner merkwürdigen Seele, sondern kam von messerscharfen Splittern aus Glas. Sein Kopf fiel zur Seite. In der Schläfe war ein kleines schwarzes Loch. Horst Merzig, ehemaliger Generalleutnant der Hauptabteilung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit, war tot. Judith spürte Kaiserleys Atem auf ihrem Gesicht. Langsam zog er seine Hand weg und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Reglos blieb sie liegen. Und dann knirschten die Scherben hinter ihnen, als jemand darüberschritt.

»Wie schön«, sagte eine Frauenstimme. »Ein bisschen viel Wasser für eine harmlose Teeparty.«

Kaiserley wollte sich aufrichten.

»Ganz ruhig. Nichts überstürzen. Einer nach dem anderen, Hände über den Kopf, Gesicht zur Wand.«

Er rollte von Judith herunter und stand auf. Sie sah noch einmal zu der Pistole, aber die Frau war so nah, dass jede falsche Bewegung Judiths letzte sein könnte. Als sie mühsam auf die Beine kam, schlug der weiße Fisch noch einmal mit dem Schwanz. Dann blieb er reglos liegen. Nur sein Maul öffnete sich, wieder und wieder.

Die Frau war vielleicht Ende vierzig und bemerkenswert schön. Ein südländischer Typ mit schmalem, grazilem Knochenbau, aber durchtrainiert bis in die letzte Faser ihres perfekten Körpers. Sie trug einen dunklen, sportlichen Anzug und schwarze Lederhandschuhe. Ihre braunen Augen blickten bemerkenswert ruhig in die Runde – dafür, dass sie eine klobige Waffe mit Schalldämpfer hielt.

»Kaiserley«, sagte sie.

Judith sog scharf die Luft ein. Natürlich. Wo immer es auf dieser Welt so richtig dreckig zuging, kannte man sich. »Sie sind …?«

»Warrant Officer Angelina Espinoza, Central Intelligence Agency.« Als sie in Judiths verständnisloses Gesicht sah, setzte sie hinzu: »CIA

»Du hast nicht nur für die CIA gearbeitet«, sagte Kaiserley.

»Hände hoch!KGB, FSB, MfS … ich arbeite für den, der mich bezahlt. Und im Moment auf eigene Rechnung.«

Sie schritt um die Couch herum und trat so nahe an Judith heran, dass sie sich beinahe berührten.

»Wo sind die Mikrofilme?«

Judith spuckte ihr ins Gesicht. Espinoza holte aus, und Judith duckte sich nicht rechtzeitig. Der Schlag erwischte sie am Hinterkopf. Sie stürzte auf die Knie und sah aus den Augenwinkeln, wie Kaiserley sich auf Espinoza werfen wollte. Der Schuss klang wie ein knallender Champagnerkorken. Kaiserley stieß einen Schrei aus und brach zusammen. Seine Hände pressten sich auf den linken Oberschenkel. Ungläubig starrte er auf den roten, dunklen Fleck, der sich in rasender Geschwindigkeit ausbreitete.

»Keine Angst, ich habe das Schießen nicht verlernt.« Espinoza zielte auf Kaiserleys Kopf. »Ich arbeite heute nur im Stil von Sekretärinnen. Die treffen meistens nicht beim ersten Mal.«

Merzig rührte sich nicht mehr. Seine blutunterlaufenen Augen starrten zur Decke. Die Agentin beugte sich zu Judith herab.

»Die Filme.«

»Was haben Sie mit meinem Vater gemacht?«

»Ich habe ihn erschossen. Keine Zeugen, kein Risiko. Er wusste, auf was er sich einließ. Man kann nur Sieger oder Verlierer sein.« Sie hob die Waffe und machte einen Schritt auf Judith zu. »Wo sind die Filme?«

»Ich weiß es nicht!«, schrie Judith. »Und wenn Sie uns beide abknallen, sie sind weg!«

»Die Polizei hat sie nicht gefunden. Der BND auch nicht. Aber Sie, die Putzfrau, Sie haben etwas. Sie wissen etwas.«

»Nein!«

»Diese Filme sind wertvoll. Man trägt sie bei sich. Man behält sie im Auge. Man versucht, sie erst in letzter Sekunde verschwinden zu lassen. Wo haben Sie sie gefunden? Im Müllschacht? Im Keller? Auf dem Dach?«

Sie drückte ab. Judith warf sich zur Seite, der Schuss verfehlte sie haarscharf. Espinoza spielte mit ihr Katz und Maus. Beim nächsten Mal würde sie treffen. Nicht tödlich. Noch nicht. Sie würde sie jagen, stellen und ausbluten lassen, genauso wie Kaiserley, der mit aschfahlem Gesicht halb ohnmächtig auf die Couch geworfen worden war. Sie dachte an die Flecken und die Scherben und das Wasser und die Königsbarsche und dass sie unter Schock stehen musste, wenn die letzte Sorge ihres Lebens dem Saubermachen galt.

Sie griff den glitschigen, zuckenden Leib eines sterbenden Fischs und schleuderte ihn Espinoza ins Gesicht. Die Frau schrie auf und taumelte einen Schritt zurück. Ekel verzerrte ihr Gesicht und lenkte sie für den kurzen Moment ab, den Judith brauchte.

Ihre Hand schnellte unter das Sofa. Sie griff die Pistole und hechtete aus der Tür. Zwei weitere Champagnerkorken knallten, Putz rieselte von der Wand. Gehetzt sah sie sich um. Die Wohnungstür war zu weit entfernt. Sie lief in Merzigs Schlafzimmer und stellte sich hinter die geöffnete Tür. Sie versuchte sich zu erinnern, wie groß Espinoza war. Dann legte sie den Lauf der Waffe in der Höhe an die Tür, in der sie Espinozas Kopf vermutete, und wartete.

Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Sie hörte das Klirren von Glas und leise Schritte, die sich über den Flur näherten. Sie sah Merzigs schmales Bett und das matte Linoleum auf dem Fußboden. Ein paar Urkunden und alte Sportpokale, ein kleiner Stapel Bücher auf einem Regal über dem Bett. Ein Foto auf dem Nachttisch in einem schmalen, billigen Rahmen. Auf dem Digitalwecker leuchteten die Ziffern 21:04. Die Zeit, die auf ihrem Totenschein stehen würde. Die Schritte kamen näher.

»Renn!«, schrie Kaiserley. »Judith! Renn!«

Sie hielt den Atem an. Im diffusen Halbdunkel spürte sie mehr, als dass sie sah, wie ein Schatten durch den Türspalt ins Zimmer glitt. Sie drückte ab. Ein ohrenbetäubender Knall zerriss ihr fast das Trommelfell, der Rückstoß schleuderte sie an die Wand. Die Tür hatte ein faustgroßes Loch. Sie hörte, wie ein Körper zu Boden fiel, aber sie wagte nicht, sich zu rühren. Dann sah sie, wie die Tür sich langsam, ganz langsam öffnete.

Kaiserley griff den Kristallaschenbecher, der auf dem Boden neben Merzig gelandet war. Eine andere Waffe hatte er nicht zur Verfügung. Sein Bein schmerzte, und als er den großen, dunklen Fleck auf dem Sofa sah, ahnte er das Ausmaß des Blutverlusts, den er gerade erlitt. Er stand auf und versuchte, sein linkes Bein so wenig wie möglich zu belasten.

Das Wohnzimmer war im wahrsten Sinne des Wortes ein Scherbenhaufen. Er wunderte sich, warum die Nachbarn noch nicht die Polizei gerufen hatten. Dann überschlug er, dass keine drei Minuten vergangen waren, seit Angelina hier aufgetaucht war. Sie kamen ihm nur vor wie eine Ewigkeit. Die Sorge um Judith ließ ihn fast wahnsinnig werden. Seit dem Schuss drang kein Laut mehr aus dem Flur. Er hob den Ascher und humpelte zur Tür. Dann ließ er ihn sinken.

Angelina Espinozas Körper lag in Merzigs Schlafzimmer. Sie rührte sich nicht. Welche Waffe auch immer sie getötet hatte, von ihrem schönen Gesicht war nur noch ein blutiger Klumpen übrig. Die Frau, die Judiths Leben und das ihrer Eltern zerstört hatte, die durch Verrat eine Familie in den Abgrund getrieben und dem kleinen Mädchen, das Judith damals gewesen war, alles genommen hatte – sogar seinen Namen –, sie war tot.

»Judith?«

Mühsam stieg er über Angelinas Leiche und betrat das Zimmer. Judith saß auf Merzigs Bett. Die Pistole lag in ihrem Schoß. Sie hielt einen kleinen Bilderrahmen in den Händen und schaute nicht auf, als er zu ihr kam und sich neben sie setzte.

Das Foto zeigte drei Personen: Stasiagent Richard Lindner – Judiths Vater, eine hübsche blonde Frau – Judiths Mutter und ein Kind, das wie ein Engel in die Kamera strahlte. Über Judiths Gesicht liefen Tränen, aber sie blinzelte nicht und wischte sie auch nicht fort.

»Merzig hat den Haftbefehl für seine eigene Tochter unterschrieben«, sagte sie.

Kaiserley sah wieder auf das Foto. Er wollte den Arm heben und sie an sich ziehen, doch er spürte, dass er sogar dazu zu müde war.

»Er hat … O mein Gott. Merzig war mein Großvater.«

Kaiserley schwieg. Er spürte, wie sie sich an ihn lehnte und den Kopf auf seine Schulter sinken ließ. Sie hatte das schon einmal getan. Er versuchte, sich nicht zu bewegen. Vielleicht verharrte sie dann noch eine Weile so.

»Es tut mir leid«, flüsterte er. »Judith, es tut mir so...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2017
Reihe/Serie Judith-Kepler-Roman
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agententhriller • Berlin • Cleaner • Deutscher Krimipreis • eBooks • Spiegel-Bestseller-Autorin • Tatortreiniger • Thriller
ISBN-10 3-641-17158-X / 364117158X
ISBN-13 978-3-641-17158-2 / 9783641171582
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