Veilchens Rausch (eBook)
320 Seiten
Haymon (Verlag)
978-3-7099-3801-0 (ISBN)
Joe Fischler, geboren 1975 in Innsbruck, lebt ebendort. Mit 'Veilchens Winter' (HAYMONtb 2015), dem ersten Teil seiner Krimireihe rund um Valerie 'Veilchen' Mauser, legte Fischler ein fulminantes Debüt vor ('Goldenes Buch' für 25.000 verkaufte Exemplare). Der zweite Teil 'Veilchens Feuer' folgte noch im selben Jahr, 'Veilchens Blut' erschien 2016. Jetzt ermittelt Valerie Mauser in 'Veilchens Rausch'.
Joe Fischler, geboren 1975 in Innsbruck, lebt ebendort. Mit "Veilchens Winter" (HAYMONtb 2015), dem ersten Teil seiner Krimireihe rund um Valerie "Veilchen" Mauser, legte Fischler ein fulminantes Debüt vor ("Goldenes Buch" für 25.000 verkaufte Exemplare). Der zweite Teil "Veilchens Feuer" folgte noch im selben Jahr, "Veilchens Blut" erschien 2016. Jetzt ermittelt Valerie Mauser in "Veilchens Rausch".
Samstag
11.
Wenn Hunger der beste Koch war, dann hatte sie alles gehabt, aber keinen Hunger.
Valerie hatte sich völlig in die selbst verordnete Anti-Aggressions-Maßnahme hineingesteigert, hatte für die Männer geschält, gehackt, geschnitten, gematscht, gebraten, gedünstet, gewürzt, gesiebt und garniert, und am Ende hatte sie sich so sehr beruhigt, dass sie den Männern gar nichts mehr von ihrem Tag erzählen wollte. Was sollten sie auch daran ändern.
Ihr Gulasch mit Semmelknödeln war aber der ultimative Gaumengraus geworden. Das Fleisch bockhart, die Soße überwürzt und die Knödel … ja, die Knödel waren ehrlich gesagt auf subatomare Ebene zerfallen. Am Ende kam ein Brei heraus, der selbst im Dschungelcamp für Aufstand gesorgt hätte.
Sandro und Stolwerk, beide körperlich erschöpft von der Baustelle zurückgekehrt, hatten tapfer aufgegessen. Und bisher war das Gulasch – zumindest bei Sandro – unten geblieben.
Sie hoffte, dass Stolwerk, den sie ein Stockwerk tiefer durchs offene Fenster schnarchen zu hören glaubte, nicht allzu enttäuscht von ihren Kochkünsten war.
Sandro lag neben ihr und atmete tief. Hin und wieder gluckste und brummte sein Bauch.
Valerie konnte nicht schlafen, lag auf dem Rücken und horchte in die Nacht hinaus, während sie tausend Gedanken durchströmten. Eine Glocke schlug zur vollen Stunde, wie immer zählte sie unbewusst mit. Zwei Uhr. Sie war zu müde, um sich auf den Fall zu konzentrieren und vernünftig nachzudenken. Bilder von Menschen tauchten vor ihrem inneren Auge auf und verblassten wieder. Geyer, Victoria Schwarz, der Waldmann, der Hüttenwirt, Schnitzer, wieder Geyer. Sie kamen und gingen, wie sie wollten, taten, was sie wollten, und wurden so zu einem ähnlichen Brei wie der aus ihren Kochtöpfen.
Gedankengulasch.
Zu müde zum Denken und zu wach zum Schlafen, resümierte sie frustriert und stand auf. Sollte ja helfen. Kannst du nicht schlafen, dann mach das genaue Gegenteil. Egal, von wem der Rat stammte, er half ihr meistens. Also schlich sie sich hinaus und ging in die Küche, wo sie alle Lichter anknipste, sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser befeuchtete, ihren Afro zerwühlte und gähnte wie eine Löwin.
Das Teewasser brauchte einige Zeit zum Heißwerden, die sie nutzte, um in die Altstadt hinunterzuschauen. Von Freitag auf Samstag waren die Nachtschwärmer fast durchgängig unterwegs. Manche grölten und kreischten ausgelassen, die meisten wussten aber, dass es hier Leute gab, die schlafen wollten. Viele philosophierten beim Gehen und hatten keine Ahnung, dass man ihre vertraulichen Gespräche bis in den vierten Stock hoch mitbekam, wenn man ein Fenster gekippt hatte. Es ließ sich gar nicht vermeiden, zuzuhören, und dabei faszinierte es Valerie immer wieder, wie sehr sich die Sorgen und Nöte der Menschen doch glichen.
Gerade war vergleichsweise wenig los – aber das konnte sich schnell …
Valerie spitzte die Ohren. Rhythmisches Brummen, ganz leise, aber trotzdem eindeutig identifizierbar: ihr Handy. Wer um alles in der Welt mochte das sein, um halb drei? Doch nur jemand aus ihrer Familie … war etwas passiert? Mit Luna und Schmatz? Oder – Gott bewahre – ihrer Mutter?
Eilig schritt sie zum Eingangsbereich, öffnete die Tasche – und konnte es kaum glauben. Sie drückte eine Taste, um Signal und Vibrieren, nicht aber den Anruf selbst zu unterbrechen, sah aufs Display und ließ den Namen mindestens dreimal durch ihre Gehirnwindungen rauschen, fand aber keinen Grund, warum ausgerechnet DER sie zu DIESER Zeit sprechen wollte.
Schließlich siegte die Neugier und sie drückte auf Anruf annehmen.
„Hallo?“
„Ja, Dirndl, Gott sei Dank erreich ich dich! Sag, ich hab dich doch nicht geweckt?“
Neeein, blökte die böse Souffleuse auf ihrer rechten Schulter. Wer schlief schon um halb drei.
„Herr Freudenschuss?“
„Ach, jetzt lass den Herrn Freudenschuss doch einmal weg, liebe Valerie. Wie lange kennen wir uns jetzt schon.“
Wenn nur ein einziger Mensch auf dieser Welt übrig blieb, den sie bis an ihr Lebensende siezen würde, dann war es der Tiroler Landeshauptmann. „Was gibt’s?“
„Horch zu, Dirndl … Ich bin ja regelrecht außer mir. Dein Major Geyer, dieser wild gewordene Affe, war gerade da. Sag, weißt du etwas davon? Bist du etwa damit einverstanden gewesen?“
„Geyer?“ Valerie erschrak, als sie bemerkte, dass sie sich gerade erstaunlich nach ihrer Tochter Luna anhörte, die ausgewählte Satzfragmente zurückzupfeffern pflegte, wenn es unangenehm wurde. Ganze Sätze, Valerie. „Geyer war bei Ihnen?“
„Jawohl“, stieß er fast triumphierend aus. „Geradezu VERHÖRT hat er mich, der Lump! In MEINEM Haus, im Beisein MEINER Frau, die alles mitbekommt! Wie schaut denn das aus?“
„Aber weswegen denn?“
„Aha! Dann ist diese Aktion also hinterrücks an dir vorbei gegangen. Genau so hab ich mir das schon vorgestellt. Da handelt einer auf eigene Faust! Nur, dass du Bescheid weißt, ich werde …“
„Stopp, stopp, stopp. Herr Freudenschuss, was Herr Geyer tut, ist seine Sache. Haben Sie nicht von der internen … Umstrukturierung … erfahren?“
„Ach so. Ja. Aber ich habe mir gedacht, ihr besprecht’s die Sachen schon noch vorher miteinander und überfallt’s die Leute nicht einfach so, wie’s dem Einzelnen vorkommt. Oder?“
Das hatte sie bis vor ein paar Stunden auch noch gedacht. „Weswegen war Herr Geyer bei Ihnen?“, erneuerte sie ihre Frage, obwohl es ihr eigentlich, wie ihr gleich darauf bewusst wurde, besser egal sein sollte.
„Der … der … ich kann es kaum glauben, was der mir sagt! Ich soll etwas zum Tod von dieser Victoria Schwarz wissen! ICH! Und dann hat der mich auch noch gefragt, wo ich zum Zeitpunkt des Mordes war! ICH! Kannst du das glauben, Dirndl? Der verdächtigt MICH!“
Plötzlich waren ihre Ohren so spitz wie die von Mr. Spock. „Oh“, sagte sie und schwieg, um ihn zum Weitererzählen zu bringen.
„Ja, da ist mir genauso das Ladele heruntergefallen wie dir jetzt, da steht einem das Maul offen, das kann ich dir sagen. Soll ich wegen dieser Frau Schwarz in den Häfen gehen? ICH? Ich sag dir, ich verklag euch alle, dass euch die Zehennägel bei den Ohren herausstauben, wenn ihr mir da was anhängen wollt’s, verstanden?“
Während sie noch mit der visuellen Verarbeitung seiner Drohung beschäftigt war, hörte Valerie, wie hinter ihr die Tür zum Schlafzimmer aufging. Sie wandte sich um, warf Sandro einen entschuldigenden Blick zu und ging ins Wohnzimmer.
Valerie hätte ja so gerne gewusst, was Freudenschuss belastete, wusste aber, dass Geyer ihr zu Recht den Kopf abgerissen hätte, wenn sie sich jetzt wieder einmischte.
„Herr Freudenschuss, hören Sie mir zu. Ich bin nicht mit den aktuellen Entwicklungen in der Sache Schwarz vertraut. Wenn Sie eine Beschwerde haben, wenden Sie sich bitte an die Leitung des Landeskriminalamts.“
„Aber jetzt erreich ich da doch niemanden!“, empörte er sich.
„Dann tun Sie, was jeder normale Mensch zu dieser Uhrzeit tut. Herr Freudenschuss. Ich bin mir sicher, Herr Geyer hat seine Gründe.“
„DU also auch noch“, sagte er nach einer längeren Pause.
„Was … ich also auch noch?“
„Jetzt glaubst DU also auch noch, ich hab die Frau derschlagen.“
„Ich … Herr Freudenschuss, das ist doch Blödsinn. Ich glaube gar nichts. Wie denn, wenn ich nicht einmal zuständig bin? Ich werde mich jetzt sicher nicht einmischen.“
„Aber was soll ich denn jetzt machen, Dirndl?“ Plötzlich klang er verzweifelt, weinerlich fast.
Hatte er denn keinen Anwalt, den er nerven konnte? „Tun Sie, was Herr Geyer sagt“, riet sie ihm und verabschiedete sich mit aller Bestimmtheit.
Dann stand sie mehrere Minuten im dunklen Zimmer und dachte nach. Zwangsläufig.
Sie wusste ja von Almwirt Zartl, dass Freudenschuss am fraglichen Abend unter den Gästen auf der Umbrüggler Alm war. Was konnte ihn so sehr belasten, dass Geyer ihn noch in der Nacht befragt hatte? Wo war die Verbindung zum Opfer?
Eines war klar: Erraten würde sie es nicht können.
Der liebe Herr Kollege Geyer war dem Gesprächsinhalt zufolge noch wach … sollte sie ihn anrufen und von Freudenschuss’ Anruf unterrichten? Auf diese Weise könnte sie vielleicht Informationen aus ihm herauslocken …
Nein.
Er brauchte erstens nichts von ihrer speziellen Beziehung zum Landeshauptmann wissen, die vom Moment ihres Kennenlernens an auf ein ziemlich einseitiges Vertrauensverhältnis hinauslief, und zweitens hatte Geyer sich so schäbig aufgeführt, dass sie jedes Risiko ausschließen wollte, am Wochenende doch noch zum Einsatz zu kommen. Sollte er doch alleine schauen, wie er weiterkam.
Aber der Fall, so musste sie zugeben, war gerade deutlich interessanter geworden. Hubertus Freudenschuss im Gefängnis? Das hatte Phantasie.
„Und?“, fragte Sandro, als sie zu ihm in die Küche kam. Er hatte den Tee schon ziehen lassen und eingegossen.
„Freudenschuss.“
„Was will denn ausgerechnet DER schon wieder von dir?“
„Die Frage ist eher, was WIR von ihm wollen …“
„Wer … wir?“
„Das LKA.“
„Ach so. … Hat’s was gegeben heute … äh, gestern?“
Umspielte da ein Hauch von...
Erscheint lt. Verlag | 14.9.2017 |
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Reihe/Serie | Veilchen-Krimi |
Verlagsort | Innsbruck |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Almidylle • Alpenkrimi • Betrug • Freunderlwirtschaft • Hüttengaudi • Immobiliengeschäfte • Innsbruck • Regionalkrimi • Tirol • Urlaubskrimi • Wald |
ISBN-10 | 3-7099-3801-5 / 3709938015 |
ISBN-13 | 978-3-7099-3801-0 / 9783709938010 |
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