Vogelkoje (eBook)
480 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97684-8 (ISBN)
Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch »Mir langt's - eine Lehrerin steigt aus«. Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre Sylt-Krimis um die resolute Mamma Carlotta erobern jedes Jahr aufs Neue die Bestsellerlisten. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch »Déjàvu«. Die Leser der Fernsehzeitschrift rtv wählten sie zur beliebtesten Autorin des Jahres 2018.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 26/2017) — Platz 18
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 25/2017) — Platz 13
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 24/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 23/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 22/2017) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 21/2017) — Platz 6
Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch "Mir langt's – eine Lehrerin steigt aus". Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre turbulenten Sylt-Krimis um die temperamentvolle Mamma Carlotta erobern regelmäßig die SPIEGEL-Bestsellerliste, genauso wie ihre erfolgreichen Italien-Romane. Gisa Pauly wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Satirepreis der Stadt Boppard und der Goldenen Kamera des SWR für das Drehbuch "Déjàvu".
Dass Enrico das erlaubt hat!« Mamma Carlotta hatte es mindestens schon ein Dutzend Mal herausgestöhnt.
»Hör auf, Nonna! Sonst werde ich ganz nervös.« Mit konzentrierter Miene drehte Carolin den Schlüssel und atmete auf, als der Motor ansprang. Sie strich sogar die Haarspiralen hinter die Ohren, damit sie ihr Gesichtsfeld nicht einschränkten. Carlotta war erstaunt: Sie versuchte das vor jedem Schulbesuch, um ihrer Enkelin ausreichend Durchblick zu verschaffen, was ihr jedoch jedes Mal sehr übel genommen wurde. »Ich habe gestern die Prüfung bestanden und gleich heute Morgen den Führerschein abgeholt. Ich kann fahren. Sonst hätte ich nicht bestanden.«
Ihre Großmutter biss sich auf die Lippen und zwang sich, alle Sorgen und Ängste, die sie überfielen, ungesagt zu lassen. Sie schaffte es sogar, zu dem Schutzheiligen ihres Dorfes zu beten, ohne ein einziges Wort von sich zu geben.
Carolin hatte es abgelehnt, sich von ihr aus der Parklücke dirigieren zu lassen, von ihr verlangt, auf dem Beifahrersitz hocken zu bleiben und sich ruhig zu verhalten. »Du verwechselst immer rechts und links, schon vergessen? Und wenn du schreist, denke ich, mir ist ein Kind unter die Räder geraten. Weißt du noch, wie du Papa einmal in Panidomino beim Einparken geholfen hast? Am Ende gab es zwei zerkratzte Autos, und wir hatten die Polizei am Hals.«
Mamma Carlotta machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war ja nur Leopoldo. Mit dem bin ich zur Schule gegangen. Der hat den beiden anderen erklärt, dass sie selbst schuld seien, wenn sie ihre Autos so schief abstellen. Leopoldo kann reden, bis man ihm alles glaubt. Das hat damals auch geklappt.« Sie zupfte mit fahrigen Fingern am Ausschnitt ihres Blümchenkleides herum, das sie sich vor einigen Jahren für ihre erste Reise nach Sylt gekauft hatte. »Aber wir sind nicht in Italien, sondern in Hamburg. Wir kennen hier niemanden, den wir mit einer Flasche Grappa bestechen können.«
Carolin bat ihre Großmutter noch einmal, den Mund zu halten, umklammerte das Lenkrad und bewegte den Wagen zentimeterweise rückwärts. Ihr Blick hetzte zwischen den beiden Außenspiegeln und dem Rückspiegel hin und her. Sie schien die Luft anzuhalten und atmete erst aus, als die Gefahr gebannt war, der alte Ford könne sich mit einem der beiden Neuwagen anlegen, zwischen denen er geparkt worden war. Und als kurz darauf die Motorhaube in die richtige Richtung zeigte, wagte Mamma Carlotta ein Lob, wenn auch mit zitternder Stimme: »Grande, Carolina! Du bist eine großartige Autofahrerin. Bravissima!«
Carolin entspannte sich prompt und bewegte den Wagen ohne Zwischenfälle zur Ausfahrt, so langsam, wie ihr Vater auch heute noch fuhr, und sie reagierte mit demselben stoischen Gleichmut, als jemand sie mit aggressiven Handzeichen und dichtem Auffahren zu einer zügigeren Fahrweise nötigen wollte. Vor der Schranke gab es einen kleinen Disput, wer das Ticket an sich genommen hatte, warum Carlotta es in Händen hielt und warum sie es derart zerknüllt hatte, dass es kaum noch in den Schlitz passte. Aber die Schranke öffnete sich schließlich, und Carolin gab Gas, weil sie Angst hatte, sie könne sich schließen, bevor das Auto ihrem Wirkungskreis entkommen war.
Danach war es mit dem Optimismus vorbei. Jammernd und klagend begab sie sich in das Gewirr von Ein- und Ausfahrten, Abzweigungen, Über- und Unterführungen, an Hinweisschildern vorbei oder ihnen nach, von ihrer Großmutter angefeuert, die Nerven zu bewahren und auf keinen Fall zu verzweifeln oder gar zu bremsen und umzukehren.
»Ich weiß nicht, in welche Richtung wir müssen! Auf dem Hinweg sah alles ganz anders aus!«
»Fahr den anderen hinterher, das wird schon richtig sein.«
Dieser Rat erwies sich als vernünftig. Carolin folgte dem Verkehrsstrom, wenn auch so zaghaft, dass sie immer wieder durch aggressives Hupen verunsichert wurde. Ihre Großmutter legte sich dann jedes Mal mit dem Verkehrsgegner an und zeigte ihm durch unmissverständliche Gesten, was sie von seiner rüden Fahrweise hielt, doch es erfüllte nicht den Zweck, den Mamma Carlotta verfolgte. Carolin gewann keineswegs an Sicherheit, wenn ihre Nonna die Seitenscheibe herunterdrehte und »Pirata della strada!« oder »Teppista!« hinausschimpfte, sondern wurde noch unsicherer, drosselte das Tempo weiter, blieb aber bei dem Vorsatz, den Weg zu nehmen, den die meisten anderen ebenfalls einschlugen. So gelangten sie tatsächlich auf eine Straße, die gen Norden wies, und als Carolin die Nummer 433 auf einem Verkehrsschild entdeckte, entspannte sie sich merklich. Die Haare fielen ihr wieder über die Augen, sie krümmte sich nicht mehr über das Lenkrad, als wolle sie der Gefahr besonders nahe sein, ihr fiel wieder ein, dass auch der Fahrersitz eine Rückenlehne besaß. Der Hinweis zur A7 entlockte ihr sogar ein kleines Lächeln. »Alles richtig, Nonna!«
Der Verkehr wurde schwächer, und Mamma Carlotta schaffte es, den Blick von all den Gefahren zu nehmen, die einer Fahranfängerin drohten – von Lastwagen, die die Sicht versperrten, überholenden Fahrzeugen, die in den toten Winkel geraten, und Hinweisschildern, die Carolin entgehen konnten.
»Carolina, du machst das ganz wunderbar! Meraviglioso!«
Diesen Satz konnte Carolin nicht oft genug hören und kam anscheinend gar nicht auf die Idee, dass sich ihre Nonna damit vor allem selbst Mut zusprach. Sie fuhr auf der Autobahn sogar einigermaßen zügig und schaffte es auch manchmal, der Landschaft zuzulächeln, den Schafen, den Windrädern, den weiten Wiesen, dem Horizont. Und sie brachte es fertig, der Erzählung zu lauschen, die sie an jedem Geburtstag von ihrer Großmutter zu hören bekam.
»Dein Nonno war ja damals schon so krank. Ich musste bei ihm bleiben und konnte nicht nach Sylt kommen, um deiner Mama vor und nach deiner Geburt beizustehen. Madonna, das war nicht leicht für mich! Aber dann haben Lucia und Enrico dich endlich nach Italien gebracht. Was war das für eine Freude!«
Das unbeschwerte Gefühl, das sich während Mamma Carlottas Plauderei eingestellt hatte, verschwand allerdings wieder, als sie der Verladestation näher kamen. Nun galt es, besonders genau auf die Verkehrsschilder zu achten und den Kreisverkehr genau dort zu verlassen, wo es zum Autozug Richtung Sylt ging. Mamma Carlotta fand das nicht leicht, aber Carolin erwischte auf Anhieb den richtigen Weg. Und die Schranke bewältigte sie ebenfalls ohne Schwierigkeiten, sie hatte eben oft genug auf dem Beifahrersitz gesessen. Nur das Auffahren auf den Autozug versetzte offenbar nicht nur Mamma Carlotta einen Adrenalinstoß. Carolin wollte partout nicht so weit auf ihren Vordermann auffahren, wie es der Ordner verlangte, der von Wagen zu Wagen ging und dafür sorgte, dass kein Platz vergeudet wurde. Nur nach gutem Zureden und schließlich einer Drohung – »Wenn Sie nicht sofort zehn Zentimeter vorfahren, mache ich Ihnen Beine!« – riskierte sie es. Und während der Fahrt über den Hindenburgdamm saß sie da, als hätte sie soeben einen Sieg errungen. Sie richtete den Blick aufs Watt wie die Queen auf ihre Untertanen und legte den linken Arm mit einer Grandezza aufs Lenkrad, als posierte sie für ein Foto, das eine versierte Porschefahrerin zeigen sollte. Keine Frage, sie war stolz auf ihre Leistung, und ihre Nonna bestärkte sie darin, indem sie unermüdlich versicherte, dass sie selbst niemals eine solche Meisterleistung vollbracht hätte.
Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, entstand noch einmal Nervosität, als Carolin beim ersten Versuch zu starten den Motor abwürgte. »Mist! Das ist mir auf dem Hinweg auch schon passiert!« Aber schließlich fuhren sie durch Westerland, als sei das Automobil gerade neu erfunden worden, ließen die Seitenscheiben herunter und die Ellbogen hinausschauen. Carolin drehte das Radio auf, sodass Justin Bibers Frage »What do you mean?« von allen Fußgängern vernommen werden konnte.
Kurz darauf fiel ihr ein, dass sie am Vormittag zwar alles eingekauft hatte, womit sie telefonisch von ihrer Oma beauftragt worden war, frisches Brot allerdings hatte sie noch nicht besorgt. »Wir fahren bei Feinkost Meyer vorbei.«
Mamma Carlotta gab zu bedenken, dass der Parkplatz davor immer sehr voll war, dass sich die Autos drängten und die Kunden sich zwischen ihnen hindurchschoben, aber Carolin hatte an diesem denkwürdigen Tag schon so viele Kilometer zurückgelegt und Schwierigkeiten gemeistert, dass sie nichts mehr schreckte. »Notfalls stelle ich den Wagen hinter dem Geschäft ab, da ist immer Platz. Vielleicht parke ich sogar rückwärts ein.«
Dieser heroische Entschluss fiel in sich zusammen, als Carolin auf den Parkplatz eingebogen war. Eine große, dicke Frau mit kinnlangen schwarzen Haaren, in einem hellen Mantel und mit einer Einkaufstasche am Arm drängte sich durch die parkenden Autos. Carolin, die sich auf ein anderes Fahrzeug konzentrierte, fuhr an, als es endlich eingeparkt hatte ... und übersah dabei die große, dicke Frau. Mamma Carlotta stieß einen Schrei aus, Carolin trat auf die Bremse, die Frau fuhr herum, erstarrte vor Angst und war unfähig, einen Schritt zur Seite zu machen, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie blieb wie angewurzelt stehen und kippte dann langsam, wie in Zeitlupe, zur Seite, als der linke Kotflügel von Eriks altem Ford sie berührte. Es war nur ein leichter Stoß, aber zusammen mit dem Schreck reichte er, die Frau zu Fall zu bringen.
Carolin würgte den Motor erneut ab, riss die Fahrertür auf und eilte zu der Frau, die sich gerade mithilfe von zwei Passanten erhob. Mamma Carlotta stand im selben Augenblick neben ihr und griff nach ihrem Arm. »Sind Sie verletzt?«
Die Frau schüttelte...
Erscheint lt. Verlag | 2.5.2017 |
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Reihe/Serie | Mamma Carlotta | Mamma Carlotta |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bestsellerautorin • Buch • Bücher • Deutscher Krimi • Dora Heldt • Erik Wolf • humorvoller Krimi • Klaus-Peter Wolf • Krimi Bestseller • Krimi Deutschland • Krimi für Frauen • Krimi Humor • Krimi Insel • krimi lustig • Krimireihe • Krimi Taschenbücher • Kulinarischer Krimi • Küstenkrimi • Landhaus-Krimi • Mamma Carlotta • Nordsee-Krimi • Regionalkrimi • Sylt • Taschenbuch |
ISBN-10 | 3-492-97684-0 / 3492976840 |
ISBN-13 | 978-3-492-97684-8 / 9783492976848 |
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