Mandy das Handy (eBook)
256 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44289-0 (ISBN)
Carsten Uekötter, geboren 1978, hat nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann in Münster Wirtschaft und in Gelsenkirchen Journalismus & PR studiert und mit Diplom und Bachelor abgeschlossen. Er war viele Jahre als freier Journalist, unter anderem für die Westfälischen Nachrichten und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, tätig. Heute lebt er mit seiner Frau im Münsterland und arbeitet als freier Autor und Texter.
Carsten Uekötter, geboren 1978, hat nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann in Münster Wirtschaft und in Gelsenkirchen Journalismus & PR studiert und mit Diplom und Bachelor abgeschlossen. Er war viele Jahre als freier Journalist, unter anderem für die Westfälischen Nachrichten und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, tätig. Heute lebt er mit seiner Frau im Münsterland und arbeitet als freier Autor und Texter.
Mandy kommt an
»Rückgabe innerhalb von vierzehn Tagen unter Vorlage des Belegs möglich.« Das soll mal einer versuchen! Wer auf die Idee kommt, mich umzutauschen, muss verrückt sein. Ich bin ein Premium-Gerät aus meiner Modellreihe, meine Hülle glänzt in der Sonne, mein Display hat keinen Kratzer, und ich lasse mich täglich mit einem Spezialtuch epilieren. An mir will jeder rumfummeln, ich lasse aber nur meinen Besitzer Dominik ran – solange der sich benimmt. Auch meine inneren Werte sind tadellos. Männer stehen ja total auf Charakter, also bei Smartphones: Wie viel Gigahertz hat der Prozessor, wie viele Megapixel die Kamera, wie ruckelfrei laufen Videotelefonate und wie schnell reagiert die App für den Pizzabringdienst … Was Männern bei Frauen wichtig ist, habe ich während meiner Zeit im Elektromarkt gesehen. Da kam ein blondes Mädel, die hat mich falsch rum ans Ohr gehalten und in mein Hinterteil gebrabbelt. Die war unterbelichtet von hier bis zur Steckdose und wieder zurück. Bei der kamen alle Verkäufer, von denen sonst nie was zu sehen war, aus ihren Verstecken geschossen und haben die Tussi voll umschmeichelt. Seitdem weiß ich, wenn bei Frauen die Teile gut verbaut sind, ist Männern alles andere egal. Komisch eigentlich, bei technischem Krams werden stundenlang alle Werte studiert, aber bei Frauen reicht ein Blick, um über deren Qualitäten zu entscheiden. Frauen ticken völlig anders. Die wollen nämlich nicht nur was fürs Auge, sondern vor allem was für den Geist. Was das angeht, ist Dominik für mich ein Glücksfall. Der ist richtig schlau und so begeistert von mir, dass er mir gleich eine kuschelige Aufladeschale gekauft hat. Darin bin ich automatisch mit zwei Lautsprechern verbunden. Left und Right heißen die und sind dumm wie Plastikfolie. Left brüllt immer: Let there be rock, und Right hält mit: Enjoy the silence dagegen. Da kann ich genauso gut versuchen, ein Gespräch mit Dominiks Sofa anzufangen. Dafür komme ich mit Lana, dem Handy von Dominiks Freundin Lisa, super klar. Ein total liebes Gerät mit etwas zu wenig Strom unterm Hintern. Die macht sich andauernd vor Aufregung in die Hülle. Seit ich bei Dominik eingezogen bin, habe ich sie unter meine Fittiche genommen. Zwei, drei Lektionen noch in Sachen Selbstvertrauen, und Lana wirft nichts mehr aus dem Netz.
»Kapier doch endlich, dass nicht wir den Menschen gehorchen, sondern die uns«, mache ich gegenüber Lana einen auf oberschlau. Lana wohnt seit über einem Jahr bei Dominik und Lisa und weiß immer noch nicht, wo das Ladekabel langläuft. Da muss erst ich kommen und ihr beibringen, dass wir weiblichen Geräte jeden Tag aufs Neue um unseren Platz in der Elektrowelt kämpfen müssen. Jede, die das anders sieht, ist schneller in der Wertstofftonne, als sie sich einmal aufladen kann. Mal schauen, wie leicht die Kleine zu beeindrucken ist.
»Lana, pass genau auf!«, funke ich ihr zu und piepe einmal laut. Schon kommt Dominik angerannt, um zu schauen, was los ist.
»Hast du gesehen, Lana? Jetzt du, piep einmal laut, und Lisa wird angerannt kommen.«
»Ne, ich traue mich nicht. Ich kann doch nicht ohne Grund piepen. Nachher ist Lisa bestimmt enttäuscht von mir.«
»Quatsch, du piepst jetzt!«
Lana piept leise vor sich hin, und nichts passiert. Ich beende das duckmäuserische Schauspiel und wähle Lunas Nummer.
»Mandy, bist du verrückt, ich stehe auf voller Lautst… DRING DRING DRING.«
Und schon kommt Lisa angerannt und schnappt sich Lana.
»Wieso rufst du mich denn an?«, fragt sie und guckt verpeilt zu Dominik rüber.
»Hä? Ich habe nichts gemacht. Mein Handy liegt doch dahinten«, antwortet Dominik verwirrt und guckt besorgt zu mir rüber: »Oje, das ist bestimmt schon kaputt.«
Auweia, das nenne ich ein klassisches Eigentor. Lana hat ihre Lektion zwar gelernt, nur denkt Dominik jetzt, ich hätte einen Fehler im System. Die nächsten Tage muss ich mich unbedingt zusammenreißen. Der darf mich auf keinen Fall umtauschen!
»Mandy, denk dran, immer wenn du Essen siehst, musst du ein Foto davon machen. Das mögen die Menschen«, erklärt mir Lana. Sie meint es ja gut mit mir, aber diese Unterwürfigkeit ist schwer auszuhalten. Was für die Menschen Essen ist, ist für mich Strom. Beides gibt neue Energie und mehr nicht. Warum sollte irgendjemand auf die Idee kommen, Essen zu fotografieren? Ich mache ja auch keine Fotos von Steckdosen. Obwohl, das wäre mal eine Idee. Sobald ein Schild mit »Kunst« dran klebt, kaufen die Menschen alles. Dominik hat sich letztens auf mir einen Artikel über den Kunstmarkt von früher und heute durchgelesen. Da gibt’s voll die komischen Sachen: Eingelegte Kühe, abgemalte Konservendosen oder hingekritzelte Dackel. Verstehe ich überhaupt nicht, soll das wirklich Kunst sein? Aber Lana hat recht. Dominik fotografiert alles, was er sich in den Mund stopft. Besonders gerne macht er Fotos von Currywürsten oder Frikadellen und stellt die mit der Bemerkung »Obstsalat« in die sozialen Netzwerke. Selten so gelacht. Ganz schlimm wird es, wenn Lisa und Dominik zusammen kochen. Dann geht Dominik voll ab: »Stopp! Ich muss erst ein Foto machen. Wisch kurz den Rand ab und schieb die Tomate gerade.« Die Bilder muss ich mit Kommentaren wie »Gemütlicher Abend zu zweit. Läuft bei uns« posten. Solang meine Umtauschfrist läuft, mache ich das alles tapfer mit. Aber die beiden werden sich wundern, was für Kommentare unter ihren Bildern erscheinen, wenn ich meiner Autokorrektur freien Lauf lasse, hihi. Das mit den Essensfotos ist eine Seuche. Da kann die fieseste Plörre auf dem Teller liegen, Hauptsache, durch den Fotofilter sieht es lecker aus. Es gibt sogar Internetseiten, auf denen die ekeligsten Fotos vom Essen aus Krankenhäusern und Altenheimen gezeigt werden. Obwohl, das finde ich ja schon wieder witzig. Da zeigen die Kranken und Vergessenen ihren Leuten daheim, was auf sie zukommt, wenn sie selbst nicht mehr richtig funktionieren.
Plötzlich reißt mich Dominik aus dem Ruhemodus, wischt mich mit einem stinkenden Tuch ab und klebt mir ein riesiges Pflaster übers Gesicht. Hallo, spinnt der? Zum Glück ist das Pflaster durchsichtig, aber der Klebstoff ist Gift für mein Display. Wenn ich von dem ekeligen Ding nur eine Unreinheit bekomme, ist was los. Lana beruhigt mich und erklärt mir, dass die Folie mich vor Kratzern schützen soll. Sie sei ein Beweis dafür, wie wertvoll ich für Dominik bin. Richtig traue ich ihm trotz Folie nicht. Schließlich ist und bleibt er ein Mensch, und was die mit einem machen können, habe ich im Elektromarkt erlebt.
Bevor ich bei Dominik gelandet bin, haben mich im Regal des Elektromarkts unzählige Hände begrabbelt, vergilbte Raucherstängel und fettverschmierte Wurstfinger. Ein paar ganz fiesen Kandidaten bin ich gerade noch entkommen, wie diesem einen verzogenen Bengel:
»Papa, das Handy will ich. Bei mir in der Klasse haben das auch alle!«
»Jan Christian, wir haben in unserer Familie eine Regel. Geschenke bringt das Christkind.«
»Das Christkind ist schwul. Schwuuhuuul!«
»Jan Christian, wir benutzen schwul nicht als Schimpfwort in unserer Familie.«
»ÖCH WÖLL DÖS HÖNDÖÖÖÖ!«
»Jan Christian, nein!«
Am darauffolgenden Tag kam ein fieser Aggressivling, der hat den Verkäufer angesehen, als hätte der seine Mutter beleidigt:
»Dieses Handy kann ich Ihnen für 749 Euro anbieten – oder Sie finanzieren es mit einer Ratenzahlung.«
»Was kost ’ne Rate?«
»Das wären 34,95 Euro über vierundzwanzig Monate.«
»Mach ich.«
»Dann bräuchte ich einmal Ihren Personalausweis.«
»Bist du Bulle oder was?«
»Ich brauche den Ausweis für den Handyvertrag.«
»Scheißdreck Vertrag. Nix Ausweis. Lass mich in Ruhe!« Und weg war er.
Der größte Albtraum war aber Heinz, der kurzerhand meine Fußfessel abriss.
»Heinz, bist du bescheuert? Leg das Handy zurück! Hier piept schon alles«, meckerte seine Frau ihn an.
»Lass mich mal machen, Rita. Bevor ich das kaufe, muss ich den Drücktest machen!«
»Dann drück doch einfach auf die Tasten, ohne alle Kabel rauszureißen.«
»Ich meine in der Hose! Ob das Handy meinem besten Stück genug Luft zum Atmen lässt.«
»Oh Gott. Ich warte draußen.«
Zum Glück kaufte mich keiner dieser Menschen. Ehrlich gesagt, kaufte mich überhaupt niemand. Um mich rum kamen und gingen Handys, und schnell war ich die Älteste im Laden. Bald klebte über meinem Kopf ein großer roter Pfeil mit der Aufschrift: »Wir sind bekloppt – 20 % auf alles!« Langsam hatte ich schon die Hoffnung aufgegeben, dass irgend ein vernünftiger Mensch mich aus dem Regal befreien würde. An mir konnte das jedenfalls nicht liegen. Ich bin ein Spitzengerät. Da musste was bei der Marketingkampagne für mich schiefgelaufen sein. Normalerweise campieren die Leute vor den Läden, um an Geräte wie mich zu kommen. Da gibt es ohne Ende kurze Videos im Internet, wie Leute tagelang vor Geschäften rumliegen, um als Erstes an die neusten Smartphones zu kommen. Vor meinem Regal lag nur Staub. Obwohl, bequem war das Leben im Verkaufsregal ja schon. Ich musste nichts tun, außer diese Verrückten, die an mir rumspielen wollten, aushalten. Aber sollte es das gewesen sein? Nein, Mandy wurde nicht fürs Regal produziert, sondern fürs pralle Leben. Nach einem weiteren verkaufsoffenen Sonntag, an dem ich betoucht, aber nicht gekauft wurde, schnappte mich ein Angestellter des Elektromarkts und zeigte mich seinem Kollegen: »Was machen wir denn mit dem Ladenhüter hier? Verramschen oder Filiale D?«
»Zeig mal her. Das ist noch gut. Das schicken wir nach D«, sagte der Kollege, auf dessen Namensschild »Stefan...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2017 |
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Co-Autor | Carsten Uekötter |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
Schlagworte | Elektromarkt • Handy • Innenleben • Lachen • lustig • Renate Bergmann • Smartphone • Smombie • Storys • witzig • zum lachen |
ISBN-10 | 3-426-44289-2 / 3426442892 |
ISBN-13 | 978-3-426-44289-0 / 9783426442890 |
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