Rübermachen (eBook)

Ein Roman aus der Vogelperspektive
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2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44221-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rübermachen -  Ingmar Stadelmann,  Juliane Stadelmann
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Der erste grandios komische Roman aus der Feder des mehrfach preisgekrönten Comedians Ingmar Stadelmann und seiner Schwester Juliane. »Er ist höflich wie ein Türsteher und feinfühlig wie ein Pfund Hackepeter. Und genau das macht seinen Humor aus«, sagt Dieter Nuhr über Ingmar Stadelmann. Diesen Humor hat Stadelmann, 2014 und 2015 mit so ziemlich allen wichtigen Comedy-Preisen ausgezeichnet, jetzt mal eben ausgeliehen: an BöRDie, den Rosella-Sittich. 1989 als so eine Art lebender Begrüßungs-Hunni unterm Weihnachtsbaum der Günthersens gestrandet, kommt BöRDie seitdem aus dem Kopfschütteln über seine schrecklich netten Ossis gar nicht mehr raus. Außerdem scheißt er auf political correctness, und zwar wortwörtlich. So bekommt auch der Westen sein Fett ab, garantiert. Kollegen über Ingmar Stadelmann: 'Ich bin natürlich hin und weg! Man hängt dir an den Lippen, will nichts verpassen und dabei bist du eben sau präzise und sau gut!'  Eckart von Hirschhausen 'Mir wurde ganz heiß von Deinem Auftritt, weil ich so fröhlich war!'  Mirja Boes 'Ich finde gerade gut, dass du wahnsinnig frech bist - in der Frechheit liegt natürlich ein Risiko, aber du hast dich auf der besseren Seite des Risikos befunden und deshalb Applaus für deine Performance!'  Kaya Yanar 'Ein Sympath. Trotz der vielen kleinen Frechheiten! Ein Sympath!' Bastian Pastewka

Bissig und mit intelligentem Charme schafft Ingmar Stadelmann es, die Grenzen zwischen Kabarett und Comedy aufzulösen: So ist er nicht nur Moderator beim erfolgreichsten Radiosender in NRW 1LIVE, sondern auch gern gesehener Gast bei nahezu allen Comedy- und Satire-Formaten im TV. Stadelmanns eigene Shows, der 'Fat Chicken Club' und die 'LateLine' haben bereits Kultstatus erreicht. Juliane Stadelmann ist ausgebildete Schauspielerin und hat am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert. Sie ist Gewinnerin des Hans-Gratzer-Stipendiums des Schauspielhauses Wien. Ihr Stück 'Ingrid Ex Machina' wurde in der LANGEN NACHT DER NEUEN DRAMATIK in den Münchner Kammerspielen gezeigt und ausgezeichnet, ihr zweites Stück 'Noch ein Lied vom Tod' feierte am Schauspielhaus Wien Ur-Aufführung. 'Schon Zeit' erschien als Hörspiel beim WDR. 'Rübermachen' ist der erste gemeinsame Roman der Geschwister.

Bissig und mit intelligentem Charme schafft Ingmar Stadelmann es, die Grenzen zwischen Kabarett und Comedy aufzulösen: So ist er nicht nur Moderator beim erfolgreichsten Radiosender in NRW 1LIVE, sondern auch gern gesehener Gast bei nahezu allen Comedy- und Satire-Formaten im TV. Stadelmanns eigene Shows, der "Fat Chicken Club" und die "LateLine" haben bereits Kultstatus erreicht. Juliane Stadelmann ist ausgebildete Schauspielerin und hat am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert. Sie ist Gewinnerin des Hans-Gratzer-Stipendiums des Schauspielhauses Wien. Ihr Stück "Ingrid Ex Machina" wurde in der LANGEN NACHT DER NEUEN DRAMATIK in den Münchner Kammerspielen gezeigt und ausgezeichnet, ihr zweites Stück "Noch ein Lied vom Tod" feierte am Schauspielhaus Wien Ur-Aufführung. "Schon Zeit" erschien als Hörspiel beim WDR. "Rübermachen" ist der erste gemeinsame Roman der Geschwister.

Winter


1.
Weihnachten 89


Ich fange mal vorne an, was? Mir ist es ja wurscht, aber mittlerweile habe ich kapiert, dass Menschen Fans einer sogenannten Chronologie sind. Warum ich als Großsittich weiß, was das ist? Ich sag mal so, es hat was mit Intelligenz zu tun, alles andere ist Ihr Problem.

Also, die Menschen, von denen ich spreche, die nennen sich Günthersens und sind so etwas wie eine Art für sich. Eine Menschenhand namens Kalle hat mich zu ihnen gebracht. Quer über den Planeten, aufgebrochen im Sommer, angekommen im Winter 1989. Nein, nicht, weil die Reise ein halbes Jahr gedauert hätte. Ganz einfach, weil wir aus der südlichen Hemisphäre in die nördliche gereist sind.

Auf der Reise hatte ich mich eigentlich schon damit abgefunden, zu sterben. Aber immer kurz bevor es hätte vorbei sein können und Mangos und Margaritas mit Engelsflügeln vor meinen Augen tanzten, gab mir Kalle ein Körnchen. So überlebte ich in einem kleinen, zugedeckten Käfig, gerade mal so groß, dass ich mich nicht selber anschiss. Wie viel Zeit wirklich vergangen war in diesem zugedeckten Käfig, weiß ich nicht. Das hat aber nichts mit Intelligenz zu tun, sondern eher mit Trauma. Wenn Sie aus Ostdeutschland kommen, brauch ich Ihnen das wahrscheinlich jetzt nicht weiter zu erklären. Zum Ende der Reise hin war ich nur noch ein bunter Schatten meiner selbst. Kalle hatte mich in irgendein Auto verfrachtet, und wir fuhren und fuhren. Kurz vor meinem ersten Auftritt bei den Günthersens hörte ich Gekrächze und viele verschiedene Rufe. Mir war, als wäre ich wieder in meiner Sittichzucht in Moondarra am Coopers Creek, zu Füßen des Mount Baw Baw. Es war ein süßer Traum, ich war dem erlösenden Schlaf so nahe! Aber dann: Zack, Vorhang auf! Es war wie Theater: Jemand zog die Decke vom Käfig, und plötzlich sah ich mich auf einer Bühne wieder. All lights on me. Das stumme Publikum vor mir. Erwartungsvolle Blicke aus fünf Augenpaaren. Und ich: das erste Mal im Licht seit einer gefühlten Ewigkeit, ausgemergelt und flach atmend, einen Gitterstab hatte ich in den Schnabel genommen, damit ich nicht von der Stange fiel. In meinem Gefieder hing noch die Kotze. Ich war so reisekrank! Und da ich nicht einsah, mich vor dem Tod noch mal zu putzen, ließ ich es einfach so, wie es war. Konnte ja keiner ahnen, dass ich noch einen Auftritt haben würde. Scheiße, die glotzten die ganze Zeit! Wie war noch mal der Text jetzt?

»Piep« – das ging ja immer.

»Was zur Hölle ist das?«, fragte ein etwas angegrautes, dickes Weibchen aus der Ecke.

»Ein Vogel«, stellte ein großes Männchen fest, das ein sehr dichtes Gefieder in der Brust- und Bauchregion aufwies. Ich vermutete, dass er damit, so wie ich auch, fliegen konnte.

Um Ihnen den Überblick etwas zu erleichtern, stelle ich das Publikum kurz vor: Da war also das nackte, stark befiederte Familienoberhaupt Rainer, gleich daneben sein Frauchen, Hedda, das ich anfangs aufgrund ihrer Frisur für ein geil gewordenes Männchen hielt, und direkt vor meiner Bühne hatten wir die beiden fetten Küken: Hanno und Jana. Das eine klein, fett, männlich. Das andere noch kleiner, noch fetter, weiblich und blond. Und last but not least saß hinten in der Ecke unter einer Lampe ein graugefiedertes, ebenfalls sehr rundes Weibchen, das ungefähr den Charme von Erich Honeckers Bürotapete versprühte. Nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt weder, wer sie, noch, was der Unterschied zwischen dem Erich und seiner Tapete war. Gott, was war ich naiv. Das graue Weibchen hieß Trudi und starrte mich fassungslos an. Von Kalle, der Hand, die mich am Leben gehalten hatte, keine Spur.

»Den Käfig hat Kalle mir gerade beim Tschüss-Sagen in die Hand gedrückt.«

»Wenn es nicht atmen würde, hätt ich gesagt, es ist ein faltbarer Dederonbeutel! Guck doch mal, wie bunt und hässlich!«, tönte es aus der grauen Ecke.

»Hast du … Rainer, hast du Kalle so verabschiedet?«, fragte Hedda. Ihr wisst schon, das ist das größere Exemplar aus dem Publikum mit einer Frisur wie ein geil gewordener Artgenosse.

»Wie verabschiedet?«

»Na, nackt!?«

»Ich hab doch einen Schlüpfer an, Hedda! Jetzt übertreib mal nicht.«

»Du hast Kalle gerade im Schlüpfer verabschiedet? Gott, Rainer, Mensch, es ist Heiligabend!!«, regte sich jetzt das Exemplar mit der aufgegeilten Frisur auf.

»Mensch, regt euch ab, der war auf Weltreise, der hat sicherlich Schlimmeres gesehen als meine Brustbehaarung!«

»Aber die Nachbarn!«

»Nackig zur Bescherung … jetzt geht’s wohl langsam mit dir durch!«, blökte wieder das graue Viech aus der Ecke.

»Wir sind doch jetzt ein freies Land, Mutter! Klassenlos und nackt in den Kapitalismus, wie Gott mich schuf! Was kann ich dem Markt denn anderes entgegensetzen als mein Fleisch?«

»Rainer … keine politischen Reden zu Weihnachten. Du hast es mir versprochen«, gab Hedda zurück.

»Fiep, fiep, fiep«, simulierte eines der beiden fetten Küken aus dem Publikum einen anscheinend legasthenischen Artgenossen von mir und steckte seine kleinen Wurstfinger in meinen Käfig.

»Ich pik dich tot!«, sagte es.

Arschloch! Ich zerhack dich!, dachte ich und hackte wild um mich. Hack, hack, hack!

»Auaaaaa!«, zwitscherte das fette Küken grell und haute mit der Faust auf meinen Käfig, dass es schepperte.

Woraufhin ich wild wurde und meine Flügelmaschine anschmiss, um einen Tsunami aus Wut und Wahnsinn zu erzeugen. Das ist meine Bühne! Ihr seid mein Publikum! Der ganze Käfig wackelte, und ich fühlte meine Brust schwellen, und mein Schwanz wurde ganz steif und zeigte anklagend auf die genadelte Palme hinter mir, aber das kleinere, noch fettere Küken mit den langen, blonden Kopffedern sagte nur: »Guck mal, Mutti, es tanzt!«

»Ich geh mir mal was überziehen«, sagte der große Vogel und verschwand.

Das aufgegeilte Mutti-Exemplar kam jetzt näher und streichelte über den Käfig. »Ganz ruhig, meine kleine Kreatur«, sagte sie. Sie beugte sich herunter, und ich roch etwas, das mich erst mal so eine Art Giftgasanschlag vermuten ließ. Ich hatte davon gehört. Im Mittleren Osten war das wohl in den Achtzigern gang und gäbe. Da mir noch nicht ganz klar war, wo ich denn nun überhaupt gelandet war, hielt ich meine Theorie für schlüssig.

Etwas später stellte sich dann raus, es waren geschätzte drei Tonnen Haarspray. Mit dem Gesicht kam sie ganz dicht an meinen Käfig heran. Ich hechelte noch ein bisschen. Die wilde Demonstration meiner körperlichen Überlegenheit hatte mich fix und fertig gemacht.

»Hallo, du Kleiner«, sprach sie leise durch die Gitterstäbe, »willkommen in der freien Welt.«

Warum hatte Kalle mich nicht einfach sterben lassen?

»Ob der Nährstangen verträgt?«, fragte das graue Weibchen aus der Ecke.

»Nein, nein!«, tönte der große Vogel, der jetzt in einem gestreiften Frottee-Gefieder zurück in den Raum kam.

»Kalle meinte vorhin, nur frisches Gemüse, Früchte und Körner! Von Teig und Schokolade bekommt er Durchfall.«

»Wie heißt du denn?«, fragte mich das blonde, fette Küken.

»Piep«, machte ich, weil es sich verpissen sollte.

»Gute Frage, Jana. Wie soll er denn heißen?«

»Er soll Oma Trudi heißen! Oma Trudi!«, schrie das andere Küken, dem ich den Finger zerhackt hatte.

»Aber, Hanno, so heiß ich doch schon!«, dröhnte es aus der Ecke, wo sich die Alte jetzt eine schokoladenüberzogene Stange in den Schnabel schob.

»Vielleicht was Internationales … der ist ja anscheinend nicht von hier.«

Und jetzt kam der, den sie Rainer nannten, bedrohlich dicht an mich heran.

»Könnt ihr euch das vorstellen? Der ist wahrscheinlich aus einem östlicheren Osten als die ganze UdSSR!«

»Wenn du immer Richtung Osten fährst, biste am Ende auch im Westen!«, blökte das graue Huhn.

Jetzt meldete sich Mutti: »Ich bin für was Deutsches … jetzt, wo wir ein Land sind.«

»Das weißt du doch noch gar nicht! Das ist doch noch gar nicht raus. Staatsgrenze ist Staatsgrenze, hat der Grenzpolizist doch gesagt, als wir da waren!«, regte sich der Frotteemann auf.

»Wer hat eigentlich das Lametta gebügelt dieses Jahr? Das sieht richtig scheiße aus!«, donnerte die graue Ecke, alias Oma Trudi.

»BRD-Bert!«, schrie das eine dicke Küken.

»Nee, Hanno, das hört sich blöd an!«, sagte das blonde etwas nachdenklich.

»Wie wär’s mit Gorbi?«, sagte Hanno.

»Hä, wieso das denn?«, fragte Oma Trudi.

»Na, wegen der roten Flecken!«, antwortete Hanno, sichtlich überzeugt von seiner Argumentation. Rainer verdrehte die Augen.

»Einheits-Erich!«, kam es von irgendwoher.

»Nein! Auf keinen Fall!«, schrie der Frotteemann.

Und Trudi: »Ich bin für was Schlichtes: Günter Schabowski.« Sie probierte es sofort an mir aus: »Na, mein kleiner Schabernackbowski? Piep, piep!«

»Ja, so eine Art Wortspiel …«, überlegte Rainer.

»Bernd – da sind alle neuen Buchstaben drin!«, sagte das kleine, blonde Küken.

»Neue Buchstaben?«, fragte Trudi.

»Na, vom neuen Staat! Mensch, B – R – D! Mutti! Stell dich doch nicht so an!«, schimpfte der Frottee-Vogel.

»Seit wann kannst du denn buchstabieren, Jana?«, fragte Hedda etwas besorgt.

»Hmmm … nicht schlecht, ja …«, gab irgendwer zu.

»Rainer, Jana kann buchstabieren!«

»Didi Air!«, kam es von Hanno.

»Auf keinen Fall … viel zu rückwärtsgewandt!«, sagte Rainer.

»Jana, wer hat dir das beigebracht?«

»Beee Errrr Deeeee …«, überlegte die graue...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Comedy • DDR • Familie • Humor • Ossis • Parodie • Persfilage • Romane mit Tieren • Vogel • Wende • Wendezeit • Wessis
ISBN-10 3-426-44221-3 / 3426442213
ISBN-13 978-3-426-44221-0 / 9783426442210
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