Pistensau -  Stefan Mumme

Pistensau (eBook)

oder Das Schmollen der Gastronomen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
472 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-9392-0 (ISBN)
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Ein Ex-Athlet und Gelegenheitsdenker, ein größenwahnsinniger Tanzschuppenbetreiber und ein stark verstimmter Sicherheitschef - unterwegs in verschiedener und doch auch eng verbundener Mission. Es kommt zu geschickten Gaunereien eines "Grafen", einem Folgebetrug des Gernegroßgastronomen und zu ausgeschlafenen Rettungsmanövern der bald alliierten Restprotagonisten; vor allem aber zum willkommenen Mitwirken einer Fülle schillernder Weggefährten. Trinksportler und Philosophen treten ins Geschehen, Weiberhelden und Misanthropen, einbeinige Gespielinnen, Dean-Martin-Imitatoren und verblichene Schützenkönige. Unverwüstlich trifft man sich in deutschen und später balearischen Lokalen, liebt eine ganz bestimmte Insel und lässt ungebremst Lebensentwürfe aufeinanderprallen, analysiert die Weltgeschichte und würdigt die Komik des Alltäglichen - und sorgt schließlich für ein mehrheitlich versöhnliches Finale ...

Ein paar Worte zum Erzähler, der am 15.04.1967 in Düsseldorf geboren wurde und zumeist ebendort, nicht selten allerdings auch auf Formentera lebt. Es kam, eines gutmütigen Tages im Frühjahr 1986, zum Abitur, bald darauf zur ordnungsgemäßen Ableistung des Wehrdienstes und schließlich zur Immatrikulation an wechselnden rheinischen Hochschulen ... - ... während sich der vermeintliche Student tatsächlich jedoch lieber als Eishockeyspieler verdingte, zehn Jahre lang den Finanztumulten des Zweitligadaseins trotzte und in logischer Folge nahtlos ins Management einer Großdiskothek wechselte, welches nach nur 2226tägiger Bedenkzeit allerdings zugunsten eines Privatlebens jählings wieder verlassen werden konnte.

KAPITEL ZWEI


Rocko von Grünweid. Ein unerschütterlicher Berg, kein Kind von Traurigkeit, aber an geeigneter Stelle enthaltsam. Was niedrige Bierpreise bewirken, wann Präventiv-Ohrfeigen dienlich sind und warum ältere Brüder auch Nachteile haben können. Weiterhin: worauf Mopeds verschnupft reagieren, wie man frühzeitig Finanzreserven anlegt und was Hirtenhunde eher geringschätzen. Ferner: wann auch die ehrenhafteste Loyalität endlich des Guten zuviel ist.

A)

Verblassendes Tageslicht, das in fahler Abstufung der Nacht entgegendümpelte. Knirschender Schotter, der sich eintönig dem Gummi des Mehrzweckfahrzeugs unterwarf. Rocko von Grünweid entfuhr ein herzhaftes Gähnen. Sicher, im Prinzip war ihm Müdigkeit ein Fremdwort, mit solcherlei Laschheiten gedachte der leicht kegelförmige Hüne seine Zeit erst gar nicht zu verplempern, namentlich am Wochenende nicht, und Schlaf wurde seiner Meinung nach ohnehin überbewertet. Ein Stündchen hie und da, na gut, das war einzusehen und natürlich notwendig, klar, als Roboter war noch niemand auf die Welt gekommen, nicht einmal ein von Grünweid. Heute allerdings… Nun. Heute hatte sich eine entsprechende Geruhsamkeit leider noch nicht eingestellt, weshalb er es als Tatsache anzusehen hatte, seit nunmehr sechsunddreißig Stunden nicht nur wach, sondern auch beinahe durchgehend im Einsatz gewesen zu sein. Die Nacht – und Rocko von Grünweid betrachtete alle Berufsobliegenheiten als Nacht – hatte sich verhältnismäßig unkommod gestaltet, keine Frage. Vielleicht sogar: strapaziös, obwohl es zu bedenken galt, dass auch dies in seinem Wortschatz eher keinen Platz zu finden hatte. Außenstehenden, also allen anderen, hätte von Grünweid die Ereignisse lapidar als „größtenteils normal und ruhig“ beschrieben.

Normal und ruhig, na ja. Die tatsächliche Nacht hatte von Grünweid im Nachtzug verbracht, in der er als Chef der Türsteher oder, eine Formulierung aus Peter Sacks unvermeidlichen Lehrbüchern für „gehobenes Management“, Head of Security fungierte. Streng genommen war dort alles normal verlaufen: zwar war der Nachtzug mitnichten als Ort regelmäßiger Blutbäder bekannt, an diesem Abend aber hatte die allseits berüchtigte „Bier-50Cent-Party“ stattgefunden. Die Gäste konnte man sich da nicht aussuchen: hätte von Grünweid nach üblichen Maßstäben Einlass gewährt, wäre die Halle praktisch besucherfrei geblieben; ein Szenario, das den Vorstellungen des geschäftsführenden Betreibers zweifellos weniger entsprochen hätte. „Das harte Diktat des Wettbewerbs“, pflegte Sack zu schwadronieren und vorsorglich mit Abwesenheit zu glänzen. Freilich, wusste von Grünweid, nicht zuletzt aus Abschreckungsgründen pflegte der Nachtzug an diesen Abenden fühlbar erhöhte Eintrittsgelder zu erheben, der Erfolg aber… Nun. Seine Halle war es nicht. Leider vermochten nur die hoffnungslosesten Patienten aussortiert zu werden; der typische, zumeist halbstarke und bereits ausgedehnten Vorglühprogrammen unterzogene 50-Cent-Gast hingegen… Von Grünweid schnaubte. Nicht alle Seiten des Berufsbildes konnten im Glanz erstrahlen, klar. Und so hatte man sich einmal mehr Bestellungen in Tablettstärke ausgesetzt gesehen, beispiellosen Getränkestapeln, die schnellstmöglicher Reduzierung harrten und das Erreichen des Halbkomas zur gruppendynamischen Formsache degradierten. Bald erinnerte sich die Besucherschaft heiterer Partyspiele und widmete sich dem konkurrenzadressierten Schleudern leerer und später auch voller Gläser; auch kam es im Fortlauf unausbleiblich zu Unklarheiten bezüglich der Gruppenangehörigkeit vorhandener Damen, woraufhin sich die Trinkgemeinschaften eilends zur Schlachtaufstellung formierten, die Rivalen mit diabolischen Schmähungen bedachten und den Biergläsern nun auch vereinzelte Aschenbecher folgen ließen.

An diesem Punkt schritt Rocko von Grünweid, der jede Eskalation dank jahrelanger Diensterfahrung ganz exakt vorauszusehen wusste, zur Klärung der Angelegenheit und gebot Einhalt. Die wuchtigmassige und zugleich würdevolle Erscheinung des Sicherheitschefs sorgte in der Regel für augenblickliche Ruhe, zur Bekräftigung seines Standpunktes jedoch pflegte von Grünweid auch mit Backpfeifen nicht hinter dem Berg zu halten und den rasch ermittelten Wortführern der Krawallparteien freundlich den Weg zur Bushaltestelle zu weisen. Zu Rückfragen kam es eher selten.

Und doch hatte von Grünweid den Nahverkehr diesmal besonders häufig unterstützen müssen; ein Umstand, der vor allem der Tatsache zuzuschreiben war, dass Sack aus unerfindlichen Gründen an besseres Wetter (und somit weniger Gäste) geglaubt und daher das Sicherheitspersonal erheblich verringert hatte. Natürlich hatte es – wie vorhergesagt – in Strömen geregnet. Schon weit vor Mitternacht hatte die Besucherzahl von Grünweid zur Rotation gezwungen: die Bewachung der Tür, die Kontrolle der Hallenwinkel, die Überprüfung des einschlägigen Drogenklosetts… Eine Zeitbombe, die unheilschwanger der Detonation entgegenkugelte. Kompromisslos pflügte der Sicherheitschef durch die Menge, bedachte einige ausnehmend typische Gäste mit Präventiv-Ohrfeigen und begrenzte die Konfliktbereitschaft immerhin partiell. Leider waren die Trinkgruppen zu zahlreich. Nicht jede Zusammenrottung ließ sich rechtzeitig erahnen, was in der Folge umso beträchtlichere Mühe nach sich zog. Unrast. Hektik. Beschleunigungen, die in immer nachdrücklichere Zurechtweisungen mündeten. Der Sicherheitschef schätzte derartige Sportlichkeiten überhaupt nicht.

Zu allem Überfluss erkühnten sich einige Widerständler tatsächlich, seine Anleitungen unhöflich zu ignorieren. Trauben des Wahnsinns, die nach ausgesprochenen Hallenverweisen nicht etwa die Haltestelle ansteuerten, sondern vielmehr auf dem Grundstück verweilten und das Sicherheitspersonal mit Beleidigungen und Provokationen bedachten. Die Türsteher reagierten besonnen und mit zunächst nur verbalen Geländeverboten, bald aber war das Maß der Toleranz klar überschritten und es mussten verständlichere Ermahnungen auf den Weg gebracht werden. Neuerliche Beschleunigungen, doch Obacht: auch auf dem Feld des Hausrechts lauerten Falltüren. Immer nur mit der flachen Hand und niemals mit der Faust… das hatte von Grünweid schon seinen Mitarbeitern eingebläut. Ein technisch feiner, juristisch aber sehr relevanter Unterschied. Das Resultat gestaltete sich ohnedies ähnlich: auch eine Schelle des Sicherheitschefs vermochte zumeist empfindliche Andenken zu hinterlassen.

Schnell suchten die nun eher kleinlauten Krawallgruppen das Weite, kehrten einige Zeit später aber in Begleitung eines Streifenwagens zurück: „Da!“ winselten zwei Paradevertreter hängehosiger Jugendmode im Chor, prangerten „willkürliche Gewaltorgien“ an und verwiesen zur Beglaubigung auf mehrere unstreitig anschwellende Backen.

Ein unkluger Vorstoß, das hätte man sich auch ohne Schulabschluss denken können. Der offenbar unterschätzte Sicherheitschef bellte ein „Schnauze!“ in die Nacht, begrüßte die Staatdiener mit Vornamen und bereicherte seine Ausführungen mit einigen sehr bezeichnenden Details, welche die Beamten, denen von Grünweid als anerkannte Respektsperson galt, sogleich zum Rückzug bewogen.

„Mit den besten Empfehlungen“, entschied Herr Polizeiobermeister Brüggemann und stellte überdies noch Festnahmen der eigentlich Schutzsuchenden in Aussicht. Auf die ebenfalls angebotenen Platzverweise verzichtete von Grünweid, bedankte sich unter zuversichtlichen Wünschen auch künftiger Kooperation formgewandt und sprach gegen alle Krakeeler, garniert mit einem „liebevollen Erinnerungsschellchen“, sehr persönliche Verbote aus.

Die übrige Öffnungszeit verstrich ohne Zwischenfälle und als von Grünweid schließlich, um kurz nach fünf Uhr morgens, das Hausmeisterlicht einschaltete und lautstark den Feierabend verkündete, torkelten alle verbliebenen Gäste brav und ohne ergänzenden „Privatbefehl“ zu den Ausgängen.

Der Sicherheitschef, obwohl bereits einer gewissen Mattigkeit unterlegen, resümierte: größtenteils normaler und ruhiger Veranstaltungsverlauf.

B)

Natürlich, wusste von Grünweid, konnte man sich sein berufliches Umfeld nicht immer aussuchen. Ein Minenfeld der Gegensätze, sicher, das ohne gelegentliche Kompromisse nicht zu begehen war. Die Loyalität hatte im Vordergrund zu stehen, eine edelmütige Wahrung der Form, zumindest… ja: zumindest nach außen hin, und sei der Fall… Nun. Eine seiner obersten Arbeitsmaximen, und sei der Fall auch noch so unerfreulich. Da musste man sich zusammenreißen, Bierparty hin oder her. Was hatte man bei derartigen Kleingeldfluten auch erwarten wollen. Ein leichter innerer Missmut, oder besser: ein vorsichtiges Bedauern der Gesamtsituation, soviel war sicher gestattet, und leider hieß der diensthabende Offizier des Abends Harro Spiesel; Spiesel, der in Fragen der Abrechnung...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7407-9392-9 / 3740793929
ISBN-13 978-3-7407-9392-0 / 9783740793920
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