Lost in Fuseta (eBook)
400 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31610-0 (ISBN)
Gil Ribeiro, geboren 1965 in Hamburg, landete 1988 während einer Interrail-Reise quer durch Europa nur dank eines glücklichen Zufalls an der Algarve und verliebte sich umgehend in die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Portugiesen. Seitdem zieht es ihn immer wieder in das kleine Städtchen Fuseta an der Ost-Algarve, wo ihm die Idee zu »Lost in Fuseta« kam. In seinem deutschen Leben ist Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Holger Karsten Schmidt lebt und arbeitet bei Stuttgart.
- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Paperback 2018 — Platz 15
- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Paperback 2017 — Platz 9
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Gil Ribeiro, geboren 1965 in Hamburg, landete 1988 während einer Interrail-Reise quer durch Europa nur dank eines glücklichen Zufalls an der Algarve und verliebte sich umgehend in die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Portugiesen. Seitdem zieht es ihn immer wieder in das kleine Städtchen Fuseta an der Ost-Algarve, wo ihm die Idee zu »Lost in Fuseta« kam. In seinem deutschen Leben ist Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Holger Karsten Schmidt lebt und arbeitet bei Stuttgart.
2.
Auf dem Weg nach Fuseta passierten sie eine Schule und ausgedörrte Äcker, denen die Mittagshitze weiter zusetzte, und überquerten schließlich eine Bahnlinie, um die Rua General Humberto Delgado hinabzufahren. Zwischen weißen, maximal zweigeschossigen Häusern und gepflasterten Bürgersteigen erhob sich nach einer weiten grünen Fläche, der Ria Formosa, ein kräftiges Blau. Der Atlantik.
Für einen kurzen, angenehmen Moment ließ Leander Lost dieses Bild in sich fluten.
Denn dann versperrten zwei Autos den Weg, deren Fahrerinnen in aller Seelenruhe miteinander sprachen, und zwangen Graciana Rosado in die Altstadt Fusetas. Die enge Straße führte steil und gerade hinab, die weißen oder blau und braun gefliesten Häuserfassaden rückten von beiden Seiten so nah heran, dass die Gehwege auf die Breite eines Passanten zusammenschmolzen.
Die Gebäude reihten sich meist ohne Zwischenräume nebeneinander und ergaben so eine lange, abwechslungsreiche Wand mit schmalen Hauseingängen und kleinen Fenstern, aus der sich nur hier und da die Kästen der Klimaanlagen oder ein Balkon wölbte. Die Häuser mit ihren meist rechteckigen und mit Ornamenten verzierten Schornsteinen und ihren flachen Dächern, die nahezu alle ausgedehnte gemütliche Terrassen mit einem großartigen Ausblick beherbergten, konnten ihren maurischen Einfluss nicht verleugnen.
Kreuz und quer und auch über die Straßenschlucht hinweg spannten sich tief verlaufende Stromleitungen und bunte Leinen, an denen Wäschestücke in der salzigen Meeresbrise flatterten. Vor den Türen saßen alte Männer in groben Anzügen mit Schiebermützen und qualmten filterlose Zigaretten. Kinder spielten auf dem Gehsteig oder machten die Straße mit dem Rad oder Skateboard unsicher. Die Katzen schliefen im Schatten unter den Autos, um später, wenn die Schatten länger wurden, wieder auf die Pirsch zu gehen.
Sie passierten einen Platz, auf dem die Bürger Fusetas umherflanierten, in den Cafés Eis aßen und Medronho oder herben Weißwein tranken und auf dem in einer Ecke ein paar Kinder mit einem Ball bolzten. Wie Leander Lost sah, legten die Portugiesen großen Wert auf ihre tadellose Erscheinung. Die Männer in Jeans oder Anzughose, obenrum fein gebügelte Hemden, die Frauen in Kleidern oder Röcken und Blusen.
Sie alle schienen Zeit zu haben und sich zu amüsieren, mittendrin die alte Generation. Männer mit schlohweißem Haar, die sich alte Geschichten erzählten und lachten, ältere Frauen, die von Fenster zu Fenster Neuigkeiten austauschten. Junge Männer in schwarzen Anzughosen und weißen Hemden, einige mit gegelten Haaren, die rauchend am Straßenrand standen und wohl Wichtiges zu bereden hatten, jedenfalls verkündeten das ihre Mienen. Nicht weit entfernt ein paar junge Frauen, die sich um eine Holzbank herum versammelt hatten und den jungen Männern herausfordernde oder heimliche Blicke zuwarfen und dann zu Boden schauten und lächelten, wenn der Blick erwidert wurde.
Mit einem Schlag war Leander Lost klar, dass hier die Zeit stehen geblieben war. Kein großes Kaufhaus, kein riesiger Supermarkt, keine Werbetafeln, keine riesigen Straßen, nichts dergleichen. Wenn er den Puls Fusetas hätte hören können, er wäre ruhig und regelmäßig gewesen.
Graciana Rosado dirigierte den Polizeiwagen, dem niemand größere Beachtung schenkte, mit traumwandlerischer Sicherheit und mit atemberaubender Geschwindigkeit durch all das hindurch. Mit dem Orientierungssinn der Einheimischen, die Winkel und Verlauf jeder Kurve und Straßenecke von Kindesbeinen an kannten, fand sie durch das Wirrwarr an Möglichkeiten den zügigsten Weg, bis die Häuser zurückwichen und ihnen nicht länger den Blick auf den kleinen Fähranleger und den Kanal nahmen.
Kaum am Fähranleger gegenüber der Bar Farol angekommen, an dem soeben eine Barkasse mit dreißig Touristen ablegte, nahmen sie ein Wassertaxi, das von einer jungen Frau über einen kräftigen Außenbordmotor gesteuert wurde, der nach Benzin stank, wenn sie die Fahrtgeschwindigkeit verringerte.
»Das ist Teresa«, rief Graciana, um sie miteinander bekannt zu machen, »und das ist Senhor Lost.«
»Olá«, sagte Teresa mit einem Lächeln, »Sie sind der Alemão, der für Rui gekommen ist.«
»Ja«, sagte Leander.
Dort, wo der Kanal endete und sie ins seichte Meerwasser entließ, überholten sie die Barkasse, die sich nach rechts zur Westinsel wandte.
»Das hier ist die Ria Formosa«, rief Carlos Esteves gegen den Wind, »ein großes Naturschutzgebiet, das uns viele Touristen vom Leib hält.« Er grinste breit. Und als Leander Lost das Grinsen nicht erwiderte, deutete er ein Achselzucken an und deutete nach vorne, wo sich noch einmal das Land aus dem Wasser erhob. »Das sind die vorgelagerten Strände. Sie fangen die Wellen ab und sorgen dafür, dass wir zwischen ihnen und Fuseta ein ruhiges Wasserbecken haben.«
Das stimmte. Das Wasser war fast so unbewegt wie auf einem See. Alle paar Meter standen Angler am Ufer oder waren Muschelsammler in Neoprenhosen unterwegs. Teresa drehte den Außenborder auf, das Boot hob den Bug an, die Gischt spritzte, und sie beugten sich alle leicht nach innen, um nicht nass zu werden.
Das Wassertaxi nahm eine Furt von gut dreißig Metern Breite, die die beiden vorgelagerten Inseln voneinander trennte, und kreuzte nun gegen die Atlantikwellen, die sich hier brachen. Teresa lenkte ihr Boot mit jener Kenntnis der Dinge durch die Brandung, mit der Graciana Rosado das Auto durch Fuseta dirigiert hatte.
Leander Lost fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie schmeckten salzig.
Auf halber Strecke schoss ihnen ein Wassertaxi entgegen, das von einem Mann gesteuert wurde. Der Fahrgast war ein Kerl um die vierzig, der langes, lockiges Haar hatte, das im Wind tanzte.
»Porra! Que coincidência!«, rief Graciana gegen den Fahrtwind in Richtung Carlos an, und ihre Tonlage verriet, dass sie das überhaupt nicht für einen Zufall hielt: »Tobias Faria.«
Der Mann hatte zwei Kameras umhängen und trug eine Weste, in denen er Objektive verstaut hatte – Tobias Faria telefonierte. In dem Augenblick, in dem die beiden Taxis sich begegneten, grinste er unverschämt und warf Graciana Rosado und Carlos Esteves einen Luftkuss zu.
Während Graciana den Mann ignorierte und Leander Lost sich keinen Reim auf diese Geste machen konnte, verfinsterte sich die Miene von Carlos. »Filho da puta!«, brüllte er Faria hinterher. Aufgebracht wandte er sich an seine Kollegin: »Hast du das gesehen?«
Graciana nickte ruhig: »Klar. In spätestens dreißig Minuten ist der Artikel über den Leichenfund auf Correio da Manhã online.«
»Wenn ich den das nächste Mal an einem Tatort erwische …«
»Das Problem ist, er ist immer vorher da«, wandte Graciana ein. »Und noch ist es kein Tatort, hm?«
Carlos nickte widerwillig. Und bemerkte einen Blick in seinem Nacken. Er wandte sich um – tatsächlich betrachtete der Alemão ihn aufmerksam.
»Das war Senhor Faria von einer Tageszeitung?«
»Ganz recht.«
»Und wie alt ist er? Er sieht aus wie ungefähr vierzig.«
»Gut geschätzt«, rief Graciana anerkennend.
»Ja. Warum fragen Sie?«, fügte Carlos hinzu.
Der Deutsche überlegte, ein Runzeln bildete sich auf seiner faltenlosen Stirn.
»Und seine Mutter arbeitet immer noch in dem Gewerbe?«
Die beiden Portugiesen kniffen die Augen zusammen und musterten ihn, um herauszufinden, ob dies eine Art Scherz war. Ein Paradebeispiel für den seltsamen deutschen Humor etwa.
War es nicht.
»Wir nutzen das als … ähm … Schimpfwort.«
Das Stirnrunzeln verflüchtigte sich.
»Ah, ich verstehe.«
»Ja, ich … hatte kurz vergessen, dass Sie Portugiesisch schon sehr gut beherrschen. Senhor Faria arbeitet für eine Boulevardzeitung. Wenn er könnte, würde er einen Mord eher fotografieren als verhindern. Wenn man ihn einen Aasgeier nennen würde, würde man damit diese Vogelart beleidigen.«
Jetzt schmunzelte der Deutsche.
Teresa drosselte die Geschwindigkeit, der Bug senkte sich etwas ab und der Außenbordmotor ging in ein Tuckern über. Die vorgelagerte Insel war nahezu menschenleer und nur in ihrer Mitte von kräftigen Dünengräsern bewachsen.
Gleichzeitig mit seinen neuen Kollegen entdeckte Leander Lost ein weißes Boot, das fast parallel zur Uferlinie am Strand lag und dem Meer seine Unterseite präsentierte. Das weiße Schnellboot der Autoridade Marítima Nacional entfernte sich dagegen bereits Richtung Osten. An der Reling stand die hoch aufgeschossene Gestalt von Capitão de Avis, der in einer Mischung aus Lässigkeit und Dienstvorschrift den Arm zum Gruß hob.
Der Kabinenaufbau des gestrandeten Bootes ragte in einem schrägen Winkel zum Himmel, die rechte Reling berührte fast den Strand. Ein grün-weißer Stoff spannte sich hinter dem Kabinenaufbau und vibrierte an seinen Rändern im Wind.
Neben dem Boot standen zwei Gestalten in den Blautönen der Uniform der Guarda Nacional Republicana im weißen Sand. Eine dünne blonde und eine dickliche mit einem Haarkranz, wie Lost registrierte. Nachdem Teresa sie fast trockenen Fußes abgesetzt hatte und dann wieder davongebraust war, stellte sich die dünne blonde Gestalt als Ana Gomes und die mit dem Haarkranz als Luís Dias...
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2017 |
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Reihe/Serie | Leander Lost ermittelt |
Leander Lost ermittelt | Leander Lost ermittelt |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Algarve • Algarve-Krimi • Algarve-Roman • Asperger • Atlantik • Atlantikküste • Austausch • Bestseller • Buch für den Strand • Carolina Conrad • Cozy Crime • Die Toten von Marnow • Europol • Fuzeta • humorvoller Krimi • Kommissar aus Hamburg • Krimi mit Humor • Kriminalkommisar Lost • Kriminalroman • Krimireihe • Krimis für den Urlaub • Krimi Strand • Leander Lost • Leander Lost 1 • Leander Lost Band 1 • Leander Lost erster Fall • Leander Lost Reihenfolge • Lissabon • Luis Sellano • männlicher Ermittler • Portugal • Portugalkrimi • Portugal-Krimi • Portugal-Urlaub • portugiesischer Krimi • Regionalkrimi • Schwarzer August • Sommerurlaub • SPIEGEL-Bestseller • Spur der Schatten • Strandurlaub • Urlaub • Urlaubslektüre • Weiße Fracht |
ISBN-10 | 3-462-31610-9 / 3462316109 |
ISBN-13 | 978-3-462-31610-0 / 9783462316100 |
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