Strandfliederblüten (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44278-4 (ISBN)
Die gebürtige Münchnerin entdeckte in Hamburg ihre Freude am Schreiben und fühlt sich im Norden pudelwohl. Nach Tätigkeiten als Buchhändlerin und Verlagsleiterin genießt sie die Freiheit des Daseins als Romanautorin. Ihre Liebe gilt Nordfriesland, einer Region, die sie regelmäßig bereist und in der sie gern in einem Häuschen am Deich leben würde. Mehr zur Autorin: Instagram: gabriellaengelmann Facebook: www.facebook.com/AutorinGabriellaEngelmann
Die gebürtige Münchnerin entdeckte in Hamburg ihre Freude am Schreiben und fühlt sich im Norden pudelwohl. Nach Tätigkeiten als Buchhändlerin und Verlagsleiterin genießt sie die Freiheit des Daseins als Romanautorin. Ihre Liebe gilt Nordfriesland, einer Region, die sie regelmäßig bereist und in der sie gern in einem Häuschen am Deich leben würde. Mehr zur Autorin: Instagram: gabriellaengelmann Facebook: www.facebook.com/AutorinGabriellaEngelmann
1. Kapitel
Da hast du dir ja einen tollen Tag für unsere gemeinsame Mittagspause ausgesucht, Sis. Wolken, Wolken, nichts als Wolken. Und typischer Hamburger Nieselregen.«
Mein Halbbruder Felix deutete mit gespielt anklagender Geste auf den vor uns liegenden Hafen, der heute alles andere als einladend wirkte. Ich bedauerte die vielen Touristen, die unsere wunderschöne Stadt an einem nasskalten Märztag wie diesem kennenlernten, und hoffte sehr, dass ihnen auch ein paar sonnige Momente vergönnt sein würden.
»Unk hier nicht rum, sondern lass uns lieber auf die Cap San Diego zum Essen«, entgegnete ich und zupfte Felix am Ärmel seines blau-weiß gestreiften Kapuzenpullovers. »Wieso bist du eigentlich so dünn angezogen? Schaust du morgens nicht auf deine Wetter-App?«
Felix zog die Kapuze des Hoodies so tief ins Gesicht, dass man nur noch seine blauen Augen sowie einige seiner rotblonden Locken hervorblitzen sah. Und natürlich die Nasenspitze mit den frechen Sommersprossen.
»Nö. Ich gucke aus dem Fenster, und der Rest ergibt sich dann von selbst«, antwortete er und hakte sich bei mir unter. »Ist ja nicht jeder so ein Kontrollfreak wie du, Schwesterherz.«
Arm in Arm gingen wir über die Holzbrücke hinunter zu dem Museumsfrachter, der an einem Ponton an der Elbe festgemacht war. Das altehrwürdige Schiff war sowohl ein Museum als auch eine beliebte Location für Veranstaltungen. Unser Verlag, der sich gegenüber am Baumwall befand, führte regelmäßig Events auf dem urigen Frachter durch.
»Sekunde, das ist ein super Bildmotiv!«, sagte Felix und blieb abrupt stehen, um mit seiner Spiegelreflexkamera durch die Balkenverstrebungen der überdachten Überseebrücke Fotos zu machen. Aus diesem Blickwinkel hatte man eine fantastische Aussicht auf die Elbphilharmonie, das knallrote Feuerschiff, die Barkassen der Hafenrundfahrt-Flotte und sogar den Mississippi-Dampfer, der Touristen und Hamburg-Liebhaber gemächlich über die Elbe schipperte.
Ich tat es meinem kleinen Bruder gleich und knipste mit dem Smartphone ein Foto für den Instagram-Account, mit dem ich zusätzlich Werbung für unser Magazin Herself machte. Meine Follower liebten Bilder vom Hamburger Hafen, die ich meist durch den geschickten Einsatz von Fotofiltern so aufhübschte, dass sie den Fans begeisterte »Ah!«- und »Will auch dahin«-Kommentare entlockten.
Felix schaute mir über die Schulter, während ich ausprobierte, welcher Filter das Bild so aussehen ließ, als scheine gerade die Sonne.
»Alles Lug und Trug in deiner Branche!« Er schnaubte empört. »Ich weiß echt nicht, wie du das aushältst. Wenn das mit diesen künstlich gepimpten Bildern so weitergeht, weiß bald niemand mehr, was ein echter Himmel ist. Außerdem: Was ist so schlimm daran, den Leuten zu zeigen, dass Hamburg bei Regen auch nicht anders aussieht als andere Städte?«
Ein wenig schuldbewusst zuckte ich zusammen, denn natürlich hatte mein Bruder recht.
»Komm, lass uns reingehen«, sagte ich und schob ihn durch die geöffnete Eisentür, durch die man zum Bord-Bistro gelangte. Normalerweise hatte man zu diesem Teil des Schiffes nur Zutritt, wenn man eine Eintrittskarte für das Museum kaufte. Als Stammgast und Mitarbeiterin von Herself hatte ich allerdings das angenehme Sonderrecht, auch ohne Ticket die Kombüse entern zu dürfen.
»Moin, Juliane, schön, dich zu sehen«, begrüßte Wirt Kalle mich mit einem breiten Lächeln. »Ach, und wen ham wer denn da? Der lütte Bruder is’ heute auch mit von der Partie.«
Der lütte Bruder, tatsächlich schon achtundzwanzig und einen Meter fünfundachtzig groß, ließ sich die Bemerkung grinsend gefallen und steuerte zielsicher auf die Rechauds am Tresen zu, aus denen es appetitlich duftete.
»Mhmmm«, schwärmte Felix und öffnete den Deckel des Wärmebehälters. »Grünkohl, wie lecker.«
Ich stellte mich neben ihn und studierte das Angebot der Tageskarte, die an der Wand hing. Nicht nur, dass man in diesem Bistro gut und günstig essen konnte; dank Kalle herrschte auch eine warmherzige Atmosphäre, und man hatte durch die Bullaugen einen tollen Blick auf den Hafen. Wann immer mich die Sehnsucht nach der Nordsee überkam und mir ein bisschen Zeit blieb, kam ich hierher. Und sei es nur, um einen Kaffee zu trinken, die Hafenatmosphäre zu genießen und mich auf eine der Nordfriesischen Inseln zu träumen.
Nachdem wir beide die Speisekarte überflogen hatten, bestellte ich zweimal Grünkohl mit karamellisierten Kartoffeln. Das Kasseler sowie die würzige Kochwurst, die für dieses norddeutsche Gericht typisch waren, ließen wir beide weg.
»Wenn du das verputzt hast, kannst du aber nicht mehr arbeiten und deinen Leserinnen ein X für ein U vormachen«, frotzelte Felix, als Kalle wenig später zwei dampfende Teller vor uns auf den rustikalen Holztisch stellte.
»Nicht, wenn ich alles aufesse, das stimmt. Dann bin ich nämlich viel zu satt, um klar zu denken. Und ich schaffe auch den Rückweg in die Redaktion nicht mehr«, sagte ich zwinkernd. »Also, was ist los? Wieso bist du heute so kiebig? Ich weiß ja, dass du meinen Beruf bescheuert findest, darüber brauchen wir also nicht weiter zu reden. Erzähl mal lieber, wie’s bei dir läuft. Wohnst du immer noch bei Tine im Karo-Viertel? Ich krieg momentan gar nichts mehr aus deinem Leben mit, weil du ständig auf Achse, dafür aber nie erreichbar bist.«
Felix verzog das hübsche, jungenhafte Gesicht zu einem schiefen Lächeln und nahm die Kapuze ab. »Ja, aber nicht mehr lange. Tine und ich … na ja, das soll irgendwie nicht sein …«
»Findet Tine? Oder du?«, hakte ich nach, weil ich die Sprunghaftigkeit meines Bruders kannte. Er konnte sich kaum vor Avancen retten, die Frauen standen Schlange bei ihm. Umgekehrt mochte Felix sich allerdings nicht so recht entscheiden beziehungsweise wollte er sich nicht festlegen.
»Findet Tinder«, antwortete er grinsend. Wie aufs Stichwort kündigte das Surren seines Handys den Eingang mehrerer Nachrichten an. »Tinder zeigt mir täglich so viele Matches an, dass ich gar nicht anders kann. Ich muss die Chancen, die sich mir bieten, einfach nutzen. Das verstehst du doch, Schwesterlein, oder?«
»Sich über mich beschweren, weil ich aus Werbegründen Fotos aufhübsche, aber sich selber bei einer Flirting-App rumtreiben, als gäb’s Gefühle und Liebe im Handy-Warenhaus zu kaufen. Und erzähl mir jetzt bitte nicht, dass diese Flirt-Profile alle der Wahrheit entsprechen«, entgegnete ich, halb amüsiert, halb ernst. »Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso du so was nötig hast. Du bist charmant, siehst gut aus, hast Witz, bist intelligent … du brauchst doch nur eine an der Bar oder im Supermarkt anzuquatschen, und schon ist sie in dich verknallt.«
»Dann erfahre ich aber nichts von der Existenz der vielen anderen süßen Girls, die es noch so auf diesem Planeten gibt«, hielt Felix unschuldig lächelnd dagegen und machte sich mit gesundem Appetit über den Grünkohl her.
Draußen war es mittlerweile stockdunkel. Der Regen klatschte jetzt mit einer solchen Heftigkeit gegen die Scheiben der Bullaugen, als seien die Tropfen Hagelkörner.
Perfektes Wetter, um es sich in einer reetgedeckten Kate an der Nordsee gemütlich zu machen, ein gutes Buch zu lesen und einen Friesentee zu trinken, schoss es mir durch den Kopf. Oder mich mit Oliver zusammen einzukuscheln …
»Ich glaube ja, dass dir einfach noch nicht die Richtige über den Weg gelaufen ist. Aber das kommt schon noch, du wirst sehen. Bei mir hat’s schließlich auch geklappt, obwohl ich gar nicht mehr daran geglaubt habe«, sagte ich zwischen zwei Bissen. »Und wie läuft’s mit den Jobs?«
Auch in Sachen Beruf konnte und wollte mein kleiner Bruder sich nicht entscheiden. Nach einem guten Abitur, einer mit Bravour absolvierten Tischlerlehre und einem abgebrochenen Architekturstudium hielt er sich mit Gelegenheitsaufträgen über Wasser, weshalb seine Finanzsituation einem schwankenden Schiff glich. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die sich stets Gedanken um uns beide machte.
»Momentan ganz okay«, antwortete Felix, trank einen Schluck Bier, das er sich zum Grünkohl bestellt hatte, und leckte sich genüsslich den Schaum von der Oberlippe. »Ich erledige gerade ein paar Sachen für einen befreundeten Architekten. Da ist aber, wie immer, noch Luft nach oben. Das nächste WG-Zimmer darf auf keinen Fall viel kosten. Es sei denn, ich habe bald meinen Durchbruch als Fotograf oder Künstler. Schau mal, was ich in den letzten Wochen so gewerkelt habe.«
Beeindruckt betrachtete ich die Skulpturen, die Felix mir auf dem Smartphone zeigte, während wir Espresso tranken, und wünschte meinem Bruder inständig, dass er es eines Tages schaffte, mit dieser kunstvollen Arbeit Geld zu verdienen. Ich half ihm natürlich immer gern aus, weil ich ihn liebte. Zudem wusste ich aus eigener Erfahrung, wie es war, knapp bei Kasse zu sein und sich Sorgen um die eigene Existenz machen zu müssen. Aber ich wünschte mir auch, dass er endlich etwas fand, was ihm dauerhaft Spaß machte und ihn erfüllte.
»Hast du schon mal versucht, die Skulpturen in einer Galerie unterzubringen?«, wollte ich wissen. »Die würden ganz gut zum Sortiment der HamburGGalerie am Rödingsmarkt passen. Wenn du magst, können wir gleich mal kurz vorbeischauen. Mein nächstes Meeting beginnt erst um drei, also haben wir noch einen Augenblick Zeit.«
»Hast du Angst, dass ich bald auf dem Trockenen sitze, wenn du mir nicht hilfst?«, fragte Felix und rieb sich das rechte Ohrläppchen. Diese Geste war seit seiner Kindheit ein untrügliches Zeichen dafür, dass mein sonst so optimistischer und fröhlicher Bruder gerade nicht weiterwusste, auch...
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2017 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Achtsamkeit • Achtsamkeits-Tipps • Familiengeheimnis • Ferien • Freundinnen • Hallig • Insel • Insel-Roman • Nordsee • Nordseeinseln • Nordsee-Roman • Sommer • Urlaub • Urlaubsbuch • Urlaubs-Lektüre • Urlaubsleküre • Urlaubsromane • Wohlfühlroman • Wohlfühl-Roman |
ISBN-10 | 3-426-44278-7 / 3426442787 |
ISBN-13 | 978-3-426-44278-4 / 9783426442784 |
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