Ragdoll - Dein letzter Tag (eBook)
480 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1471-6 (ISBN)
Daniel Cole wurde 1983 geboren. Seine Romane erscheinen in 34 Ländern. Bevor er mit dem Schreiben begann, hat er als Sanitäter, Tierschützer und Seenotretter gearbeitet. Cole lebt im sonnigen Bournemouth in Südengland.
Daniel Cole ist 33 Jahre alt und hat bisher als Sanitäter, Tierschützer und für die britische Seenotrettung gearbeitet. Sein Drang, Menschen zu retten, entspringt möglicherweise dem schlechten Gewissen wegen der großen Zahl der Figuren, die er beim Schreiben umbringt. Er lebt im sonnigen Bournemouth in Südengland und ist meist am Strand anzutreffen, obwohl er eigentlich an seinem nächsten Buch schreiben sollte. "Ragdoll" ist sein Debüt und wurde bereits in 34 Länder verkauft, die Filmrechte sind optioniert.
KAPITEL 1
Samstag, 28. Juni 2014
3:50 Uhr
Wolf griff blind nach seinem Handy, das auf dem Laminatboden vibrierte und immer weiter wegrutschte. Langsam zerfiel die Dunkelheit in die unvertrauten Formen seiner neuen Wohnung. Das verschwitzte Laken klebte an seiner Haut, als er von der Matratze rollte und zu dem nervig brummenden Ding kroch.
»Wolf«, meldete er sich, erleichtert darüber, dass er wenigstens das richtig hinbekommen hatte, und suchte gleichzeitig die Wand nach dem Lichtschalter ab.
»Simmons.«
Wolf legte den Schalter um und seufzte schwer, als ihm das schwache gelbliche Licht erneut ins Gedächtnis rief, wo er sich befand; am liebsten hätte er es wieder ausgeschaltet. Die Wände des winzigen Schlafzimmers waren kahl, eine durchgelegene Doppelbettmatratze lag auf dem Boden, und eine einzige nackte Glühbirne hing von der Decke. In der klaustrophobisch engen Schuhschachtel war es kochend heiß, da der Vermieter den vorangegangenen Bewohner noch immer nicht ausfindig gemacht und um den Schlüssel für das Fenster gebeten hatte. Normalerweise wäre das in London kein Problem gewesen; Wolf war aber ausgerechnet während einer nun schon knapp zwei Wochen anhaltenden und für englische Verhältnisse untypischen Hitzewelle umgezogen.
»Lass dir deine Freude bloß nicht zu deutlich anmerken«, sagte Simmons.
»Wie spät ist es?«, gähnte Wolf.
»Zehn vor vier.«
»Hab ich dieses Wochenende nicht frei?«
»Nicht mehr. Du musst mit mir zu einem Tatort.«
»Auf deinem Schreibtisch?«, fragte Wolf nur halb im Scherz, denn sein Chef hatte das Büro schon seit Jahren nicht mehr dienstlich verlassen.
»Witzig. Ausnahmsweise hab sogar ich Ausgang.«
»So schlimm, hm?«
Schweigen am anderen Ende der Leitung, bis Simmons erwiderte: »Ziemlich schlimm. Hast du was zu schreiben?«
Wolf kramte in einer der im Eingang aufgestapelten Kisten und fand einen Kugelschreiber, um sich die Anschrift auf dem Handrücken zu notieren. »Okay, leg los.«
Aus dem Augenwinkel sah er ein Flackern über die Front seines Küchenschranks huschen.
»Wohnung 108 …«, fing Simmons an.
Als Wolf seine schlecht bestückte Kochnische betrat, wurde er von Blaulicht geblendet, das durch das kleine Fenster hereinfiel.
»Trinity Towers …«
»Hibbard Road, Kentish Town?«, fiel Wolf ihm ins Wort und spähte auf Dutzende von Polizeiwagen, Reporter und evakuierte Bewohner vor dem Block gegenüber.
»Woher zum Teufel weißt du das?«
»Immerhin bin ich Detective.«
»Oder unser Hauptverdächtiger. Los, setz dich in Bewegung.«
»In Ordnung. Ich muss nur …« Wolf sprach den Satz nicht zu Ende, Simmons hatte bereits aufgelegt.
Trotz des blinkenden Blaulichts stach ihm das orangefarbene Lämpchen an der Waschmaschine ins Auge, und ihm fiel wieder ein, dass er vor dem Schlafengehen seine Arbeitsklamotten noch schnell hineingesteckt hatte. Er schaute auf die Dutzenden von identischen Kisten, die sich hier an der Wand stapelten. »Mist.«
Fünf Minuten später schob Wolf sich durch die Menge der Schaulustigen draußen vor dem Gebäude. Er sprach einen Polizisten an, zeigte seinen Dienstausweis und erwartete, ohne weitere Umstände durch die Absperrung gelassen zu werden; der junge Constable aber riss ihm das Dokument aus der Hand und betrachtete es genau, verglich das Bild skeptisch mit der imposanten Gestalt in Badehose und ausgewaschenem Bon-Jovi-T-Shirt von der Keep the Faith-Tour ’93 vor sich.
»Officer Layton-Fawkes?«, fragte der Constable misstrauisch.
Wolf zuckte zusammen, als er seinen eigenen hochgestochenen Namen hörte: »Detective Sergeant Fawkes, ja.«
»Der ›Massaker im Gerichtssaal‹-Fawkes?«
»Sie dürfen gerne William zu mir sagen … Kann ich?« Wolf gestikulierte in Richtung Wohnblock.
Der junge Mann gab Wolf den Dienstausweis zurück und hielt das Absperrband hoch, damit dieser sich darunter hindurchbücken konnte.
»Soll ich Sie hochnehmen?«, fragte er.
Wolf schaute an seinen geblümten Shorts herunter auf seine nackten Knie und die Arbeitsschuhe.
»Wissen Sie was? Ich glaube, das kann ich ganz gut selbst.«
Der Beamte grinste.
»Vierter Stock«, sagte er zu Wolf. »Und passen Sie auf da oben; ist wirklich eine beschissene Gegend hier.«
Wolf seufzte erneut schwer, trat in den nach Reinigungsmitteln stinkenden Eingangsbereich und stieg in den Aufzug. Die Knöpfe für den zweiten und fünften Stock fehlten, und eine braune Flüssigkeit war auf der Metallplatte getrocknet. Unter Aufbietung seines gesamten detektivischen Geschicks gelangte er zu dem Schluss, dass es sich entweder um Scheiße, Rost oder Coca-Cola handelte, wickelte den unteren Saum seines T-Shirts, Richie Samboras Gesicht, um einen Finger und drückte auf den entsprechenden Knopf.
Im Lauf der Jahre hatte er in Hunderten von identischen Fahrstühlen gestanden, Blechkisten, wie sie in allen Kommunen des Landes im sozialen Wohnungsbau üblich waren. Kein Bodenbelag, keine Spiegel und keine hervorstehenden Lampen. Nichts, was die unterprivilegierten Bewohner zerstören oder stehlen konnten, und so begnügten sie sich damit, Obszönitäten an die Wände der zur Steigerung ihrer Lebensqualität eingebauten Vorrichtung zu sprühen. Wolf erfuhr in der knappen Zeit nur, dass Johnny Ratcliff sowohl »hier« wie auch »schwul« war, dann öffneten sich die Türen quietschend im vierten Stock.
Über ein Dutzend Menschen standen in dem stillen Gang. Die meisten wirkten ein bisschen mitgenommen und musterten Wolf missbilligend wegen seines Aufzugs, nur ein ungepflegter Mann mit einem Namensschild, das ihn als Kriminaltechniker auswies, nickte ermutigend und hielt im Vorübergehen einen Daumen hoch. Der zunächst schwache, aber vertraute Geruch wurde immer stärker, je mehr Wolf sich der geöffneten Tür am Ende des Ganges näherte. Es war der unverwechselbare Gestank des Todes. Menschen, die beruflich damit zu tun hatten, gewöhnten sich sehr schnell an die einzigartige Mischung aus abgestandener Luft, Scheiße, Pisse und faulendem Fleisch.
Als er schnelle Schritte hinter der Tür hörte, wich er zurück. Eine junge Frau stürzte heraus, fiel auf die Knie und kotzte ihm vor die Füße. Höflich wartete er auf einen geeigneten Augenblick, um sie zu bitten, ein Stück beiseitezugehen und ihn vorbeizulassen, als sich erneut Schritte näherten. Instinktiv wich er noch ein Stück weiter aus, doch dann stand auch schon Detective Sergeant Emily Baxter vor ihm.
»Wolf! Hab ich mir’s doch gedacht, dass du hier draußen rumlungerst«, brüllte sie in den Gang. »Jetzt mal im Ernst, ist das nicht obercool?« Sie warf einen Blick auf die zwischen ihnen kauernde Frau, die immer noch würgte. »Würden Sie bitte woanders kotzen?«
Die Frau schlich kleinlaut davon. Baxter packte Wolf am Arm und führte ihn aufgeregt in die Wohnung. Sie war knapp zehn Jahre jünger als er, aber beinahe genauso groß. Ihr dunkelbraunes Haar wirkte im düsteren Licht des unscheinbaren Flurs fast schwarz, und wie immer hatte sie ihre hübschen Augen dunkel geschminkt, so dass sie außergewöhnlich groß wirkten. Sie trug eine taillierte Bluse, dazu eine schicke Hose, und musterte ihn nun verschmitzt grinsend von oben bis unten.
»Hab gar nicht mitbekommen, dass heute Casual Friday ist.«
Wolf verzichtete auf eine Antwort, weil er wusste, dass Baxter schneller das Interesse verlieren würde, wenn er einfach den Mund hielt.
»Chambers wird stinksauer sein, wenn er hört, was er verpasst«, strahlte sie.
»Mir wäre eine Kreuzfahrt in der Karibik ehrlich gesagt lieber als eine Leiche«, erwiderte Wolf gelangweilt.
Baxter riss erstaunt die großen Augen auf: »Hat Simmons dir nichts gesagt?«
»Was gesagt?«
Sie führte ihn durch die überfüllte Wohnung, die nur schwach vom Schein eines Dutzends strategisch platzierter Taschenlampen erhellt wurde. Der Gestank war zwar gerade noch zu ertragen, wurde aber immer intensiver. Wolf wusste, dass die Ursache nicht weit sein konnte, da jetzt auch Fliegen fieberhaft seinen Kopf umschwirrten.
Die Wohnung hatte hohe Decken, enthielt keinerlei Möbel und war um einiges größer als die von Wolf, dabei aber keineswegs freundlicher. Aus Löchern in den vergilbten Wänden quollen veraltete Stromkabel und staubiges Dämmmaterial auf den nackten Boden. Augenscheinlich waren weder das Badezimmer noch die Küche seit den sechziger Jahren modernisiert worden.
»Was soll er mir gesagt haben?«, fragte er sie erneut.
»Das ist er, Wolf«, sagte Baxter und ignorierte die Frage, »der Fall, den man in seiner ganzen Karriere nur einmal bekommt.«
Wolf war abgelenkt, maß insgeheim das zweite Zimmer ab und fragte sich, ob er für das miese Loch von Wohnung auf der anderen Straßenseite zu viel bezahlte. Sie bogen um die Ecke in das überfüllte Wohnzimmer, und automatisch suchte er den Boden zwischen den verschiedenen Taschen, Geräten und Beinen nach einer Leiche ab.
»Baxter!«
Sie blieb stehen und drehte sich ungeduldig zu ihm um.
»Was hat Simmons mir nicht gesagt?«
Die Gruppe hinter ihr vor dem großen bodentiefen Fenster, das den Raum beherrschte, bewegte sich jetzt zur Seite. Bevor sie antworten konnte, taumelte Wolf ein Stück zurück, starrte auf einen Punkt weit oben, auf die einzige Lichtquelle, die nicht die Polizei mitgebracht hatte: ein Scheinwerfer auf einer dunklen...
Erscheint lt. Verlag | 27.3.2017 |
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Reihe/Serie | Ein New-Scotland-Yard-Thriller | Ein New-Scotland-Yard-Thriller |
Übersetzer | Conny Lösch |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | acht nacht • AchtNacht • Bestseller • Bestseller 2017 • Bestseller Spiegel • Betrug • Böse • Böser Wolf • Buch 2017 • bücher neuerscheinungen 2017 • Buch Reihe • Chris Carter • Cody McFadyen • Cody McFayden • Daniel Cole Ragdoll • Debüt • Debütant • Der Tod so kalt • detective • Dexter • Die Grausamen • ebook Neuerscheinung • E-Book Neuerscheinung 2017 • ebook Neuerscheinungen 2017 • ebooks neu • England • Englische Literatur • englischer Thriller • Ermittler • Ermittlung • Ermittlungen • Good as gone • Hjorth Rosenfeldt • John Katzenbach • Jussi Adler-Olsen • Killer • Kommissar • Krähe • Krimi • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinungen • krimi neuerscheinungen 2017 • Krimireihe • Krimiserie • Krimi-Serie • Leiche • Liste • London • Michael Robotham • Mord • Morde • Mörder • Mordfall • Mordserie • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen • Neuerscheinungen 2017 • Pageturner • Psychothriller • Rabe • Rache • Ragdoll • Regdoll • Schatten • schwarzes Cover • Sebastian Fitzek • Selfies • serial killer • Serie • Serienkiller • Serienmörder • Serienmörder • SEVEN • Showdown • spannend • spannende Ermittler • Spannung • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • SPIEGEL-Bestsellerautor • spiegel bestsellerliste • Thriller • Veteran • Vogel • wann Dein letzter Tag ist? • Was • wenn Dir ein Killer sagt |
ISBN-10 | 3-8437-1471-1 / 3843714711 |
ISBN-13 | 978-3-8437-1471-6 / 9783843714716 |
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