Die Rückkehr des Sherlock Holmes (eBook)
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403617-5 (ISBN)
Arthur Conan Doyle, geboren am 22. Mai 1859 im schottischen Edinburgh, absolvierte dort ein Medizinstudium und unterhielt kurzlebige Praxen in Plymouth und Southsea. Aus Patientenmangel begann er zu schreiben, ab 1887 verfasste er Geschichten um die Detektivfigur Sherlock Holmes, die in den 1890er Jahren enorme Popularität erlangten. Außerdem verfasste er zahlreiche historische Romane und ab 1912 auch Science-Fiction. Doyle engagierte sich politisch und sozial, 1902 wurde er geadelt. Er starb am 7. Juli 1930 in Crowborough/Sussex.
Arthur Conan Doyle, geboren am 22. Mai 1859 im schottischen Edinburgh, absolvierte dort ein Medizinstudium und unterhielt kurzlebige Praxen in Plymouth und Southsea. Aus Patientenmangel begann er zu schreiben, ab 1887 verfasste er Geschichten um die Detektivfigur Sherlock Holmes, die in den 1890er Jahren enorme Popularität erlangten. Außerdem verfasste er zahlreiche historische Romane und ab 1912 auch Science-Fiction. Doyle engagierte sich politisch und sozial, 1902 wurde er geadelt. Er starb am 7. Juli 1930 in Crowborough/Sussex. Henning Ahrens lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt am Main. Er veröffentlichte diverse Lyrikbände sowie die Romane »Lauf Jäger lauf«, »Langsamer Walzer«, »Tiertage« und »Glantz und Gloria«. Für S. Fischer übersetzte er Romane von Richard Powers, Kevin Powers, Khaled Hosseini. Zuletzt erschien sein Roman »Mitgift«.
Das Abenteuer im verlassenen Haus
Im Frühling 1894 sorgte die Ermordung des Honourable Ronald Adair, begangen unter denkbar dunklen und dubiosen Umständen, in ganz London für Aufsehen, in Oberschicht-Kreisen sogar für Entsetzen. Viele Details, die während der polizeilichen Ermittlungen ans Licht kamen, sind allgemein bekannt, aber manches fiel unter den Tisch, weil es wegen der klaren Beweislage als überflüssig galt, alle Fakten offenzulegen. Erst jetzt, gut zehn Jahre später, darf ich die bemerkenswerte Kette der Ereignisse um die fehlenden Glieder ergänzen. Das Verbrechen, an sich schon interessant genug, wurde durch eine vollkommen unerwartete Folgeentwicklung, die für den tiefsten Schock und die größte Überraschung meines abenteuerlichen Lebens sorgte, allerdings weit in den Schatten gestellt. Noch heute, Jahre danach, bin ich wie berauscht und empfinde, wenn ich daran denke, die gleiche überwältigende Freude, Verblüffung und Ungläubigkeit wie damals. Jene Leser, die sich für die Schlaglichter interessiert haben, die ich ab und zu auf das Denken und die Taten einer großen Persönlichkeit geworfen habe, sind selbstverständlich nicht dafür verantwortlich, dass ich mit meinem Wissen hinter dem Berg gehalten habe. Ich hätte mich eigentlich verpflichtet gefühlt, sie umgehend zu informieren, nur wurde ich durch ein klares Veto seinerseits, das erst am Dritten des vergangenen Monats obsolet wurde, daran gehindert.
Wie man sich denken kann, hatte die enge Freundschaft mit Sherlock Holmes ein lebhaftes Interesse an Kriminalfällen in mir geweckt, und nach seinem Verschwinden studierte ich mit Hingabe alle Verbrechen, die bekannt wurden. Ich versuchte sogar mehrmals, seine Lösungsmethoden anzuwenden, aus Spaß an der Freude und mit geringem Erfolg. Am stärksten beschäftigte mich der tragische Fall Ronald Adairs, der mir den herben Verlust, den der Tod von Sherlock Holmes für unser Gemeinwesen darstellte, noch einmal schmerzhaft bewusst machte. Manche Aspekte dieses Falles hätten ihn brennend interessiert, und als Europas Verbrechensbekämpfer Nr. 1 hätte er die Ermittlungen durch seine Adleraugen und seinen Scharfsinn unterstützen können, wäre der Polizei vielleicht sogar mal wieder eine Nasenlänge voraus gewesen. Während ich an jenem Tag meine Patienten abklapperte, durchdachte ich den Fall immer wieder, konnte ihn aber nicht schlüssig erklären. Gut möglich, dass ich Eulen nach Athen trage, aber ich will die Fakten, soweit sie bei Prozessende bekannt waren, an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen.
Ronald Adair, zweiter Sohn des Earl of Maynooth, damals Gouverneur einer australischen Kolonie, führte den Titel Honourable. Seine Mutter war aus Australien angereist, um sich am Grauen Star operieren zu lassen, und wohnte mit Ronald und ihrer Tochter Hilda in der 427 Park Lane. Der junge Mann verkehrte in der High Society und hatte, soweit bekannt, weder Feinde noch besondere Laster. Seine Verlobung mit Miss Edith Woodley aus Carstairs war einvernehmlich aufgelöst worden und schien keine bleibenden Wunden hinterlassen zu haben. Das Leben des jungen Mannes spielte sich weitgehend in einem kleinen und förmlichen Kreis ab, denn er hatte unauffällige Gewohnheiten und ein ausgeglichenes Wesen. Trotzdem fand dieser umgängliche, junge Aristokrat am Abend des dreißigsten März 1894 zwischen zehn und halb zwölf auf eine sehr sonderbare und unerwartete Weise den Tod.
Ronald Adair spielte gern und regelmäßig Karten, aber nie um halsbrecherisch hohe Einsätze. Er war Mitglied der Kartenclubs Baldwin, Cavendish und Bagatelle. In letzterem hatte er, wie die Ermittlungen zeigten, am Tag seiner Ermordung nach dem Dinner noch eine Partie Whist gespielt. Er hatte dort auch schon am Nachmittag gespielt, und zwar, wie seine Mitspieler – Mr Murray, Sir John Hardy und Colonel Moran – aussagten, ebenfalls Whist. Die Runde sei ausgeglichen gewesen, hieß es, und Adair könne nicht mehr als fünf Pfund verloren haben, eine unerhebliche Summe angesichts seines nicht gerade geringen Vermögens. Er hatte fast täglich einen der Clubs besucht und war als umsichtiger Spieler meist als Gewinner vom Tisch aufgestanden. Während der Beweisaufnahme zeigte sich, dass er mit Colonel Moran als Partner vor einigen Wochen bei einer Runde 420 Pfund von Godfrey Milner und Lord Balmoral gewonnen hatte. So weit die Ergebnisse der gerichtlichen Untersuchung seiner jüngsten Vergangenheit.
Am Abend des Verbrechens kehrte er um Punkt zehn Uhr nach Hause zurück. Mutter und Schwester besuchten gerade Verwandte. Das Hausmädchen gab an, sie habe gehört, wie er das vordere Zimmer im ersten Stock betreten habe, das er als Wohnzimmer nutzte. Dort hatte sie ein Feuer entfacht und, weil es qualmte, das Fenster geöffnet. Bis halb zwölf, als Mutter und Schwester heimkehrten, herrschte Stille in dem Zimmer. Lady Maynooth wollte ihrem Sohn noch eine gute Nacht wünschen, aber die Zimmertür war von innen verschlossen, und er reagierte weder auf Rufe noch Klopfen. Schließlich wurde die Tür mit fremder Hilfe geöffnet, und man fand den jungen Mann neben dem Tisch auf dem Fußboden. Er hatte eine grausige Kopfwunde, verursacht durch das Deformationsgeschoss eines Revolvers, der im Zimmer nicht aufzufinden war. Auf dem Tisch lagen zwei Zehn-Pfund-Scheine sowie siebzehn Pfund in Silber und Gold, die Adair zu unterschiedlich hohen Summen gestapelt hatte. Außerdem hatte er die Namen mehrerer Clubfreunde auf einem Zettel notiert und ihnen Summen zugeordnet, was darauf hindeutete, dass er kurz vor seinem Tod die Verluste und Gewinne beim Kartenspiel berechnet hatte.
Die gründliche Untersuchung der Todesumstände half den Ermittlern nicht weiter, sondern warf weitere Fragen auf. So konnte sich niemand erklären, warum der junge Mann die Tür von innen versperrt hatte. Das hätte zwar auch der Mörder tun können, um dann durch das Fenster zu fliehen, nur lag dieses sieben Meter über dem Erdboden, und direkt darunter befand sich ein Beet mit blühenden Krokussen. Weder Blumen noch Erde waren zertreten, und auf dem schmalen Rasen zwischen Haus und Straße gab es keine Fußabdrücke. Der junge Mann musste die Tür also selbst zugesperrt haben, aber wie war sein Tod zu erklären? Wenn jemand an der Mauer hinaufgeklettert wäre, hätte er Spuren hinterlassen. Natürlich hätte jemand durch das Fenster feuern können, aber es hätte schon eines Meisterschützen bedurft, um mit einem Revolver einen so präzisen Schuss abzugeben, und niemand hatte einen Knall gehört. Trotzdem gab es den Toten und das Deformationsgeschoss, das sich nach dem Eindringen ausgedehnt hatte und sofort tödlich gewesen war. So weit die Umstände des Rätsels in der Park Lane, das durch die Abwesenheit eines Motivs weiter kompliziert wurde, denn wie schon erwähnt hatte der junge Adair keine Feinde, und es gab keine Anzeichen für den Diebstahl von Geld oder Wertgegenständen.
Ich dachte den ganzen Tag über diese Fakten nach, weil ich eine schlüssige Theorie zu finden hoffte, genauer gesagt, jene Linie des geringsten Widerstandes, die laut meines toten Freundes der Ausgangspunkt jeder Ermittlung war. Ich gestehe, dass Fortschritte ausblieben. Abends schlenderte ich durch den Hyde Park und erreichte gegen achtzehn Uhr die Ecke Park Lane und Oxford Street. Auf den Bürgersteigen standen Schaulustige, und ihre auf ein bestimmtes Fenster gerichteten Blicke zeigten mir das gesuchte Haus. Ein großer, schmaler Mann, der eine Brille mit gefärbten Gläsern trug, vermutlich ein Detective in Zivil, legte, umringt von Zuhörern, seine eigene Theorie dar. Ich drängelte mich zu ihm durch, fand seine Ausführungen aber so absurd, dass ich mich verärgert abwandte. Dabei stieß ich mit einem hinter mir stehenden, krummen Alten zusammen, dem daraufhin mehrere Bücher aus der Hand fielen. Ich bückte mich danach. Eines, das weiß ich bis heute, hieß Der Ursprung des Baumkultes, und ich stufte den Kerl als verarmten Bibliophilen ein, der obskure Schwarten sammelte oder mit ihnen handelte. Er machte mit abschätziger Grimasse auf dem Hacken kehrt, und ich sah ihm nach, als er mit krummem Rücken und weißem Backenbart in der Menge verschwand.
Meine Untersuchung der Nr. 427 Park Lane trug fast nichts zur Klärung des Problems bei. Eine Mauer mit Zaunaufsatz, insgesamt nicht höher als anderthalb Meter, trennte das Haus von der Straße. Man konnte also problemlos in den Garten gelangen, aber selbst ein geübter Kletterer hätte das Fenster nicht erreichen können, denn es gab keinen Halt, nicht einmal ein Fallrohr, weshalb ich auf dem Rückweg nach Kensington verwirrter war denn je. Ich war gerade fünf Minuten in meinem Arbeitszimmer, da meldete das Hausmädchen einen Besucher. Zu meiner Verblüffung war es niemand anderer als der alte Büchersammler mit dem scharf geschnittenen, faltigen und von schlohweißen Haaren gerahmten Gesicht, der sich mindestens ein Dutzend seiner kostbaren Scharteken unter den rechten Arm geklemmt hatte.
»Mein Anblick scheint Sie zu überraschen, Sir«, krächzte er.
Das gab ich zu.
»Tja, ich habe durchaus ein Gewissen, Sir. Während ich Ihnen nachhumpelte, sah ich zufällig, wie Sie dieses Haus betraten, und da kam mir die Idee, dem Gentleman, der netterweise meine Bücher aufgehoben hat, einen Besuch abzustatten und ihm zu sagen, dass meine Schroffheit nicht böse gemeint war.«
»Nicht der Rede wert«, sagte ich. »Darf ich fragen, woher Sie mich kennen?«
»Nun, ja, Sir, ich bin sozusagen ein Nachbar, und wenn Sie mir die Freiheit gestatten: Meine kleine Buchhandlung befindet sich an der Ecke Church Street,...
Erscheint lt. Verlag | 23.3.2017 |
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Reihe/Serie | Sherlock Holmes | Sherlock Holmes |
Übersetzer | Henning Ahrens |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | Abenteuer • Baker Street • Detektiv • Dr. Watson • Holmes • Klassiker • Krimi • London • Reichenbach Fälle • Rückkehr • Schwarzer Peter • Sherlock • Sherlock Holmes • Spannung • Verschwinden • Weltliteratur • zweiter Fleck |
ISBN-10 | 3-10-403617-9 / 3104036179 |
ISBN-13 | 978-3-10-403617-5 / 9783104036175 |
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