Die Blütensammlerin (eBook)
512 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-20005-3 (ISBN)
Nach ihrer Trennung soll Christine entweder aus ihrem Haus ausziehen oder ihren Mann auszahlen. Wer aber gewährt einer Hausfrau Ende vierzig ein Darlehen oder stellt sie ein? Doch die Maierhofener Frauen halten zusammen und helfen Christine, ihr Haus in ein Bed & Breakfast umzuwandeln. Und sie wird Single-Wochenenden ausrichten, an denen man nicht nur das Landleben, sondern auch neue Menschen kennenlernt. Sogar Marketingexpertin Greta ist begeistert: Im Juni findet doch der große Kochwettbewerb statt - und wie wäre es, wenn Christine ein Team zusammenstellte, das daran teilnimmt? So könnte jeder Topf seinen Deckel finden ...
Die »Maierhofen«-Reihe:
Band 1: Kräuter der Provinz
Band 2: Das Weihnachtsdorf
Band 3: Die Blütensammlerin
Band 4: Spätsommerliebe
Petra Durst-Benning wurde 1965 in Baden-Württemberg geboren. Seit über fünfundzwanzig Jahren schreibt sie historische und zeitgenössische Romane. Fast all ihre Bücher sind SPIEGEL-Bestseller und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. In Amerika ist Petra Durst-Benning ebenfalls eine gefeierte Bestsellerautorin. Sie lebt und schreibt im Süden Deutschlands, Frankreich war viele Jahre lang ihre zweite Heimat.
1. Kapitel
Es hatte die ganze Nacht hindurch geschneit. Auch jetzt, am späten Vormittag im Januar, rieselten noch dicke, watteweiche Flocken vom Himmel herab. Kein Laut drang von draußen ins Haus, kein Vogelgesang, kein Motorengeräusch, nichts.
Gedankenverloren schaute Christine von ihrer Tageszeitung durch die raumhohe Fensterfront ihres Wohn-Esszimmers hinaus in den Garten. Über jedes Gehölz, jeden Rosenstock, sogar über den Weiher, der sich ans Ende des Gartens anschloss – über alles hatte der Winter seine weiße Decke gelegt. Kleine Erhebungen, große Hügel, dazwischen kleine Täler – der Garten sah fast aus wie die in der Ferne sichtbaren verschneiten Alpen, nur im Miniaturformat. Wenigstens waren ihre Rosen durch den Schnee gut vor der Kälte geschützt. Die Kletterrose an der Veranda mit den zartrosa Blüten, wie feinstes Porzellan! Ihre gelben Strauchrosen, die nach dem Maler Emil Nolde benannt worden waren. Und die historischen Rosen mit dem unglaublichen Duft. Ach, wenn es nur schon Sommer wäre und alles blühen würde!, dachte Christine sehnsüchtig. Dann hätte sie genügend im Garten zu tun und würde ihre Zeit nicht nur mit Schneeschippen verbringen müssen.
Doch der Winter würde das Allgäu noch lange fest im Griff haben. Nur wer unbedingt musste, setzte sich dieser Tage in seinen Wagen oder brachte Einkäufe und Erledigungen zu Fuß hinter sich oder ging mit dem Hund spazieren. Ansonsten vergruben sich die Menschen in ihren Häusern.
Der Januar war keine gute Zeit, um allein zu sein, das hatte Christine inzwischen erkannt. Es gab nichts mehr, was einen von der Einsamkeit ablenken konnte, keine Weihnachtsvorbereitungen, keine Feiertage, keine Gäste.
Und keine Touristen weit und breit.
Nicht nur das Wohngebiet, in dem Christines Haus stand, sondern ganz Maierhofen war wie ausgestorben. Dabei hatte sich der Ort dank einer großen Kampagne im letzten Jahr von einem verschlafenen Dorf zu einem kulinarischen Mekka für Feinschmecker gewandelt. Jung und Alt hatten Hand in Hand gearbeitet, um dieses kleine Wunder zu vollbringen, auch sie, Christine, hatte sich mit viel Freude engagiert. Sogar ein großes Genießerfest, zu dem Tausende von Touristen von nah und fern gekommen waren, hatte es gegeben! Im Dezember hatte außerdem ein Weihnachtsmarkt der besonderen Art stattgefunden, einer, der das Herz der Menschen erwärmte und ihnen nicht nur das Geld aus den Taschen zog wie andernorts. Und wieder waren die Menschen nach Maierhofen geströmt! Im leer stehenden SPAR-Laden war zudem ein Genießerladen eröffnet worden, in dem es nun sämtliche regionalen Feinschmeckerprodukte zu kaufen gab. Der gute Allgäuer Bergkäse, der vor Ort gebrannte Kräuterschnaps, die verschiedenen Öle aus der Maierhofener Ölmühle, der Honig … Es hatte erst eine Auswärtige – Greta, eine Werbefachfrau aus Frankfurt – kommen müssen, um den Maierhofenern klarzumachen, wie viel Gutes bei ihnen und in ihrer Umgebung wuchs und hergestellt wurde.
Schaute man heute jedoch auf die zugeschneiten Straßen, fiel es einem schwer, sich an die Menschenmengen zu erinnern, die sich im letzten Jahr zum großen Genießerfest und Weihnachtsmarkt durch die Gassen gedrängt hatten. Oder an die saftig grünen Wiesen, auf denen die Kühe weideten, aus deren Milch die Sennerin Madara den würzigen Bergkäse machte.
Jetzt bloß nicht in Trübsal verfallen, mahnte sich Christine stumm. Abrupt schlug sie die Zeitung zu. Nun waren mindestens zwei Stunden Schneeschippen angesagt! Sie erhob sich, und die beiden braunen Labradore Jack und Joe, die ursprünglich ihren Töchtern gehört hatten, um die sich heute jedoch Christine kümmerte, sprangen sogleich aus dem Tiefschlaf auf.
»Natürlich dürft ihr mit raus«, sagte Christine und ging in Richtung Garderobe. Im selben Moment läutete es an der Tür.
Christines Augen leuchteten auf. Kam womöglich Therese auf einen Sprung vorbei? Oder Greta? Schneeschippen hin oder her – Zeit für eine Tasse Kaffee mit ihren Freundinnen hatte sie immer. Voller Vorfreude öffnete sie, flankiert von den beiden Hunden, die Haustür.
Im nächsten Moment wich sie wieder zurück. »Du?«
»Hast du jemand anderen erwartet?« Ohne ein Hallo oder Grüß Gott ging Herbert an ihr vorbei ins Haus, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Die Hunde hatten früher bei jedem Besuch des Herrchens einen Freudentanz aufgeführt, doch jetzt duckten sie sich zur Seite weg.
Christine, die gerade noch auf ein bisschen Ablenkung und Gesellschaft gehofft hatte, folgte ihm seufzend. Es gab Besuche, auf die sie wirklich gut verzichten konnte.
»Übrigens, das mit Cathrin … Es war nicht das erste Mal, dass ich dich betrogen habe. Du hast bloß nie etwas mitbekommen!«, sagte Herbert unvermittelt, kaum dass er in das Wohnzimmer trat.
Christine zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. Unwillkürlich sah sie sich nach etwas um, woran sie sich festhalten konnte. Sie ließ sich auf dem erstbesten Stuhl am Esstisch nieder, auf dem noch ihre leere Kaffeetasse stand.
Es hatte also noch mehr Geliebte gegeben … Wer? Wann? Und wo? Die Fragen brannten auf ihrer Zunge wie zu heißes Essen. Doch sie würde einen Teufel tun und nachfragen. Erniedrigt hatte sie sich wahrlich schon genug.
Statt sich ebenfalls zu setzen, blieb Herbert stehen, die Hände geballt, als wappne er sich nicht nur für eine verbale, sondern auch körperliche Auseinandersetzung. Befürchtete er, sie würde mit bloßen Fäusten auf ihn losgehen? Fast musste Christine lachen. Sah er nicht, dass sie kurz davor war loszuheulen? Bloß nicht, mahnte sie sich stumm, bloß nicht. Damit hätte sie Herbert nur in die Hände gespielt.
Mit rauer Stimme sagte sie: »Was soll das jetzt? Was willst du von mir? Es wäre mir wirklich lieber, du würdest Bescheid sagen, ehe du vorbeikommst.«
Mein Noch-Ehemann hat es echt drauf, dachte Christine bitter. Immer dann, wenn sie glaubte, sich nach der Trennung endlich einigermaßen gefangen zu haben, kam er daher und zerschlug ihre mühsam gewonnene Balance mit einer spitzen Bemerkung, einer schmerzenden Beleidigung oder wie jetzt, mit einer lässig dahingeworfenen »Beichte«.
Auf zittrigen Beinen stand sie wieder auf und öffnete die Terrassentür. Luft, sie brauchte Luft. Einen Moment lang sich sammeln. Einmal durchatmen, bloß nicht wieder vor ihm zerbröseln wie bei seinem letzten Besuch.
Jack und Joe nutzten die Chance, durch die offene Terrassentür hinauszustürmen und so der feindseligen Stimmung zu entkommen. Kaum draußen, tobten sie ausgelassen durch den Schnee.
Den Schalter umlegen, einfach so. Wenn mir das nur auch so leichtfallen würde, dachte Christine traurig. Der Tag war für sie gelaufen, das wusste sie schon jetzt.
Herbert schaute sie von oben herab an. »Ich will das Haus verkaufen. Steffi und Sibylle sind längst ausgezogen und kommen garantiert nicht wieder. Ein so großer Kasten für eine Person – völliger Schwachsinn ist das!«
»Wie bitte?« Christine glaubte nicht richtig zu hören. »Das hier ist mein Zuhause! Das Haus gehört mir ebenso wie dir, wir haben es gemeinsam gebaut. Du kannst mich doch nicht einfach wie einen Hund auf die Straße setzen!« Ihre Stimme brach bei den letzten Worten.
Ein Albtraum. Einer von der üblen Sorte, nach der sie morgens schweißgebadet aufwachte. Seit Herbert sie vor einem Dreivierteljahr verlassen hatte, wurde sie regelmäßig von düsteren Träumen geplagt.
»Von ›wie einen Hund auf die Straße setzen‹ kann ja wohl nicht die Rede sein, ich bitte dich lediglich, dir eine hübsche kleine Wohnung zu suchen.« Sein Ton war aggressiv, sein Blick unwirsch. »Und wo wir gerade dabei sind … Einen Job kannst du dir auch gleich suchen. Glaub nicht, dass ich noch jahrelang für deinen Unterhalt aufkomme! Ich habe mich erkundigt, ich kann erwarten, dass du arbeiten gehst und für dich selbst sorgst.«
Jedes Wort ein Peitschenhieb.
Christine hatte auf einmal zu viel Spucke im Mund und einen bitteren Geschmack wie nach abgestandenem Bier. Hastig schluckte sie gegen den Brechreiz an.
»Was habe ich dir getan? Warum bist du so gemein?«, fragte sie, und die Tränen, die sie so mühselig bis jetzt zurückgehalten hatte, rannen nun doch ihre Wangen hinab.
»Warum bist du so gemein?«, äffte Herbert sie nach. »Im Gegensatz zu dir bin ich lediglich praktisch veranlagt. Und ich habe keine Lust, dir weiterhin dein Luxusleben zu finanzieren. Ich muss schließlich auch schauen, wo ich bleibe.«
»… ›jetzt, wo ich eine anspruchsvolle Geliebte habe‹«, hätte Christine seinen Satz am liebsten beendet, stattdessen sagte sie: »Wer wollte denn all die Jahre, dass ich zu Hause bleibe? Dir hat es doch immer gut gefallen, eine Frau zu haben, die rechtzeitig dein Essen auf den Tisch bringt und deine Hemden bügelt. Ich weiß noch genau, wie du dich angestellt hast, als ich dir anbot, dir bei der Buchhaltung zu helfen! Das hätte mir Spaß gemacht und Kosten für die Steuerberaterin gespart. Aber nicht einmal Belege und Rechnungen hast du mich sortieren lassen. Mit nichts, was mit dem Autohaus zu tun hat, sollte ich in Berührung kommen! Keine Ahnung, was du all die Jahre vor mir verbergen wolltest.« Sie klang nicht nur verbittert, sie fühlte sich auch so. Verbittert, verraten und verkauft. »Und dann im letzten Jahr, als ich bei der Organisation des Kräuter-der-Provinz-Festivals geholfen habe, hast du Zeter und Mordio geschrien! Ich würde mich nicht mehr genug um dich kümmern, du kämst zu kurz! Am Ende hast du mir sogar verboten, dort weiter...
Erscheint lt. Verlag | 20.3.2017 |
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Reihe/Serie | Die Maierhofen-Reihe | Die Maierhofen-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Allgäu • Baden-Württemberg • Blumen • eBooks • Frauenromane • Liebesromane • Petra Durst-Benning • Romane für Frauen • Slow Food • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller |
ISBN-10 | 3-641-20005-9 / 3641200059 |
ISBN-13 | 978-3-641-20005-3 / 9783641200053 |
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