Zerbrochen (eBook)
432 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44019-3 (ISBN)
Prof. Dr. Michael Tsokos, Jahrgang 1967, ist Professor für Rechtsmedizin und leitet das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Michael Tsokos ist der bekannteste deutsche Rechtsmediziner und regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das BKA bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen und Massenkatastrophen. Seine bisherigen 26 Bücher waren allesamt SPIEGEL-Bestseller. Folgen Sie Michael Tsokos auf Instagram: @dr.tsokos
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 18/2017) — Platz 16
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 17/2017) — Platz 14
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 16/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 15/2017) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 14/2017) — Platz 5
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 13/2017) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 12/2017) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 10/2017) — Platz 17
Prof. Dr. Michael Tsokos, Jahrgang 1967, ist Professor für Rechtsmedizin und leitet das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Michael Tsokos ist der bekannteste deutsche Rechtsmediziner und regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das BKA bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen und Massenkatastrophen. Seine bisherigen 26 Bücher waren allesamt SPIEGEL-Bestseller. Folgen Sie Michael Tsokos auf Instagram: @dr.tsokos Andreas Gößling, 1958 in Gelnhausen geboren, lebt als Schriftsteller und Verleger in Berlin. Der Germanist, Politik- und Kommunikationswissenschaftler hat zahlreiche Romane und Sachbücher für erwachsene und junge Leser publiziert. Die True-Crime-Thriller "Zerschunden", "Zersetzt" und "Zerbrochen" zusammen mit Michael Tsokos waren allesamt Top-Ten-Bestseller auf der Spiegel-Liste. "Rattenflut" ist der dritte und abschließende Teil seiner mit "Wolfswut" und "Drosselbrut" gestarteten True-Crime-Reihe.
5
Ein Jahr zuvor: Berlin-Mitte, neurochirurgische Spezialklinik der Charité, Intensivstation, Dienstag, 21. Juli, 11:13 Uhr
Als Abel zu sich kommt, liegt er auf der Intensivstation. Sein Schädel ist bandagiert. Aufgetürmte Apparate blinken und piepen. Infusionsschläuche sind über kleine Plastikkanülen mit seinen Armbeugen und seinem Hals verbunden.
Bruchstückhaft kehrt seine Erinnerung zurück. Die beiden Totschläger. Wie er vor ihnen im Dreck lag und sie mit Baseballschlägern auf ihn einknüppelten.
Sie wollten dich töten. Aber du lebst …
Er ist zu benommen und viel zu geschwächt, um Erleichterung zu empfinden. Um irgendetwas anderes zu fühlen als die Nachwirkung des Schocks. Vorsichtig bewegt er die Fußzehen, danach Füße und Beine, um zu testen, ob er bleibende Schäden davongetragen hat.
Was haben sie mit meinem Kopf gemacht? Erneut glaubt er das Krachen in seinem Schädel zu spüren. Sieht wieder die dicken, dunkelroten Blutstropfen auf seinen Schultern. Wie Pfotenabdrücke von ganz kleinen Katzen.
Schädelbasisbruch … Jetzt erst wird ihm die ganze Dramatik des Geschehenen wieder klar.
Liebe, gute Lene, denkt er. Offenbar hat seine Schwester alles so weitergegeben, wie er es ihr aufgetragen hat. Sonst wäre ich jetzt nicht hier. Sondern bei einem Kollegen auf dem Tisch.
Erneut dämmert er weg. Als er das nächste Mal zu sich kommt, sitzt Lisa an seinem Bett. Seine Lebensgefährtin Lisa Suttner, im eleganten grünen Kleid, die kupferroten Haare hängen ihr offen auf die Schultern. Ihre Schönheit, ihr liebevolles Lächeln überwältigen ihn. Neben ihr sitzt Marlene. Hager, verhärmt, ihr Gesicht eine Maske gefrorenen Schreckens.
»Danke, Lene«, bringt Abel hervor. »Tausend Dank.« Seine Stimme klingt kraftlos, fast tonlos.
»Du hast es geschafft, Freddy«, flüstert Lisa und lächelt ihm zu. Ihre grünen Augen glitzern. Sie beugt sich über ihn. Verwundert spürt er die warmen Tropfen auf seinem Gesicht.
Wann hat er Lisa jemals weinen sehen? Die smarte Lisa Suttner, erfolgreiche Spitzenbeamtin bei der Bundesanwaltschaft? Und weshalb weint sie? Aus Freude, weil er wirklich über den Berg ist? Oder aus Kummer, weil er doch irgendeinen schwerwiegenden Schaden zurückbehalten hat? Panisch versucht er, seine Hände zu bewegen, um auch hier seine Nervenverbindungen zu prüfen, und über diesem Versuch schläft er neuerlich ein.
Beim nächsten Erwachen fühlt er sich etwas kräftiger. Wieder sind Lisa und Marlene bei ihm. Seine Schwester erzählt stockend, wie sie am Telefon darum kämpfte, dass der Notarzt mit einem Helikopter kommt. Und dann noch einmal in den Clinch ging, damit er sofort die Hirnödemprophylaxe einleitete. »Er wollte sich erst nichts von mir sagen lassen«, berichtet sie und wird bei der Erinnerung noch bleicher. »Aber irgendwie habe ich es dann doch geschafft, ihn zu überzeugen.«
Sonst wäre ich jetzt tot. Abel greift nach Marlenes Hand. Er spürt, wie ihre Finger sich zwischen seinen bewegen. Was für ein Glück.
»Zum Glück bist du ein Kämpfer, Freddy«, sagt Lisa. Als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Diesmal sind es Marlenes Augen, die sich mit Tränen füllen. Und Abel wird klar, dass er noch längst nicht über den Berg ist.
Nach und nach erfährt er weitere Einzelheiten. Nach der Erstversorgung ist er direkt hierhergebracht worden, in die neurochirurgische Klinik der Charité in Berlin-Mitte. Noch in der Nacht des Überfalls war er, zu diesem Zeitpunkt mehr tot als lebendig, einer notfallmäßigen Kraniotomie unterzogen worden, einer operativen Eröffnung des knöchernen Schädeldachs. In einer zweistündigen Operation waren mehrere Hämatome in seinem Hirngewebe entfernt worden. Trotz der sofortigen Hirnödemprophylaxe war die Gehirnschwellung bereits bedrohlich fortgeschritten. Die Ärzte kämpften um sein Leben. Und sie gewannen den Kampf.
Als schließlich feststand, dass er durchkommen würde, begann für Lisa und Marlene das nächste Hoffen und Bangen. Vorsichtshalber wurde Abel in ein künstliches Koma versetzt. Schonend bereiteten die Ärzte sie darauf vor, dass er höchstwahrscheinlich irreparable Schäden davontragen würde. Lähmungen, motorische Ausfallerscheinungen, epileptische Krampfanfälle, Sehstörungen, chronische Kopfschmerzen, Verlust seines Kurzzeitgedächtnisses, Einschränkungen seiner Denk- und Sprechfähigkeit. Die Wahrscheinlichkeit betrug achtzig Prozent.
Acht Tage sind seit dem Überfall, seit der OP vergangen. Erst in den letzten Stunden, während er langsam aus dem Koma geholt wurde, haben die Ärzte Entwarnung gegeben.
»Du musst noch acht bis zehn Tage hier in der Klinik bleiben«, erklärt ihm Lisa. »Sie wollen weitere Untersuchungen durchführen, noch zwei oder drei CTs …«
Abel protestiert. »Blödsinn«, murmelt er. »Ich bin okay.« Im Nachhinein kommt es ihm absurd vor, aber er macht tatsächlich einen Versuch, von seinem Bett aufzustehen. Mit Müh und Not schafft er es, seinen Oberkörper aufzurichten. Dann überkommt ihn ein heftiger Schwächeanfall, der Schweiß bricht ihm aus allen Poren, und er sinkt auf die Matratze zurück.
»Wir haben noch einen langen Weg vor uns«, hört er Lisa nahe an seinem Ohr. »Aber wir schaffen das, so viel ist sicher, Freddy.«
Auf den dringenden Rat seiner Ärzte hin hat Lisa vorerst darauf verzichtet, Abel von dem Telefonanruf aus der Karibik zu erzählen. Aufregungen aller Art sind Gift für sein Gehirn und Nervensystem. Auch positive Überraschungen können bei Rekonvaleszenten gefährliche Rückschläge auslösen. In seinem fragilen Zustand könnte Abel buchstäblich der Schlag treffen, wenn er erfahren würde, dass eine gewisse Madame Borel aus Guadeloupe bei ihnen zu Hause angerufen hat.
Claire Borel, mit der Abel vor siebzehn Jahren eine so kurze wie heftige Affäre hatte. In seiner Erinnerung ist sie immer die hübsche junge Schwarze geblieben, in die er sich damals, als angehender Rechtsmediziner, leidenschaftlich verliebt hatte. Ihre Liaison dauerte nur drei Tage, ein verlängertes Wochenende in einem Hotel in Paris, wo er seinen Kongress weitgehend versäumte, weil er praktisch ununterbrochen mit Claire im Bett war.
Für Abel war es weit mehr als eine Amour fou, als ein Anfall von erotischer Besessenheit, jedenfalls war er damals fest davon überzeugt. Und Claire ging es wohl genauso, zumindest flüsterte sie ihm immer wieder ins Ohr, dass er die Liebe ihres Lebens sei, l’amour de ma vie, und dass er sie niemals verlassen dürfe, jamais, écoute, chéri, jamais. Dabei wusste sie so gut wie nichts von ihm und er noch weniger von ihr. Nur, dass sie verrückt aufeinander waren und sich blind verstanden. Jung, wie sie beide waren, setzten sie voraus, dass sich dieses gegenseitige Verständnis beliebig erweitern ließ. Von ihrem Hotelzimmer in Paris zu einer Wohnung, einem Haus voller Kinder, einem gemeinsamen Leben.
Tatsächlich schmiedeten sie schon bei ihrem dritten Frühstück Zukunftspläne. Claire wollte mit ihm am nächsten Tag nach Hannover kommen. Sie hatte nur einen Koffer voller Kleider in Paris, eine Staffelei und ein paar Aquarelle; sie war Künstlerin, und Lebenskünstlerin sowieso. Und dann war sie fort.
Ohne Abschied, ohne Vorwarnung, ohne eine Spur zu hinterlassen. Als Abel von seinem Kongress zurückkam, wo er zumindest noch an der Schlussveranstaltung teilgenommen hatte, war Claire Borel verschwunden. Aus dem Hotel, aus der Stadt, aus seinem Leben.
Es fühlte sich an, als hätte sich die Erde unter ihm aufgetan. So etwas hatte er noch nie erlebt, aber das galt für alles, was mit Claire zu tun hatte. Sie war einzigartig, jedenfalls in der wohlgeordneten Welt des jungen Rechtsmediziners, der seine Berufung gefunden und eine genaue Vorstellung hatte, wie sich sein Leben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln sollte.
Nach ihrem Verschwinden geriet er kurzzeitig aus dem Tritt. Er war wild entschlossen, Claire aufzuspüren und umzustimmen. Sie musste mit ihm kommen, er konnte sich nicht vorstellen, ohne sie zu leben. Verzweifelt wehrte er sich gegen die Einsicht, dass er keine Chance hatte, sie zu finden, wenn sie nicht gefunden werden wollte. Er kannte ihren Namen, Claire Borel, den Duft ihrer schwarzen Haut und ihres krausen Haars. Er kannte ihr Lachen und jedes ihrer Muttermale, aber er wusste weder, wo sie in Paris wohnte, noch von welcher Insel in der Karibik sie eigentlich kam. Martinique, Réunion oder wie sie alle heißen mochten. Ob absichtlich oder nicht, Claire hatte immer nur von ihrer Insel in der Karibik gesprochen, mon île dans les Caraïbes, und Abel hatte nie nachgefragt. Eigentlich hatten sie überhaupt nur wenig miteinander geredet. Ihre Körper hatten gesprochen, ihre Triebe, ihre Hormone, und ihnen beiden den Kopf verdreht.
Abel verlängerte seinen Parisaufenthalt um weitere zwei Tage, aber Claire blieb unauffindbar. Ruhelos zog er durch die Straßen, hastete dann wieder zurück ins Hotel, aus Angst, dass sie vor verschlossener Tür stehen könnte.
Schließlich musste er einsehen, dass sie nicht zu ihm zurückkehren wollte und dass es für ihn keine Möglichkeit gab, ihren Entschluss zu ändern. Er grübelte stundenlang darüber nach, warum sie ihn verlassen hatte. Was hatte er falsch gemacht? Oder hatte sie ihn die ganze Zeit über ihre wahren Absichten getäuscht? Doch das ergab keinen Sinn.
Zuletzt siegte sein nüchternes Naturell über den Wirbelsturm, den Claire in seinem Innern entfacht hatte. Abel fuhr nach Hannover zurück und lebte sein Leben im Großen und Ganzen so weiter, wie er das...
Erscheint lt. Verlag | 27.2.2017 |
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Reihe/Serie | Die Fred Abel-Reihe | Die Fred Abel-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | als die Wirklichkeit • Andreas Gößling • Autorenduo • Bestseller-Autor • BKA • blutige Thriller • Entführung • Forensik • Forensiker • Fred Abel • Fred Abel Reihe • Gerichtsmedizin • Gerichtsmediziner • Gerichtsmedizin Thriller • harte thriller • Karibik • Krimi • Krimi-Bestseller • Kriminalfall • kriminalfälle deutschland • Kriminalistik • Kriminalroman • krimi serie • Michael Tsokos • Michael Tsokos Bücher • Michael Tsokos Fred Abel • nichts ist spannender • nichts ist spannender, als die Wirklichkeit • Obduktion • Pathologie • Professor Michael Tsokos • Psychothriller • Rechtsmedizin • Rechtsmediziner • Rechtsmediziner Michael Tsokos • Serienkiller • spannende Bücher • Thriller • Thriller Action • Thriller Berlin • Thriller Bestseller • Thriller Bücher • Thriller deutsche Autoren • Thriller Deutschland • thriller entführung • Thriller Forensik • thriller reihe • Thriller-Reihe • True Crime • True Crime Bücher • True Crime Bücher deutsch • True Crime deutsch • True-Crime-Podcast • True crime Thriller • True-Crime-Thriller • Tsokos Bücher • Wahre Verbrechen • Zwillinge |
ISBN-10 | 3-426-44019-9 / 3426440199 |
ISBN-13 | 978-3-426-44019-3 / 9783426440193 |
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